OGH 10ObS130/09d

OGH10ObS130/09d10.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Birbamer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Norbert R*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Höhe der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. April 2009, GZ 9 Rs 50/09b-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. November 2008, GZ 3 Cgs 63/08d-10, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 5. 11. 2002 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 4. 2002 in der Höhe von monatlich 472,11 EUR brutto anerkannt. Bei der Berechnung wurden 110 österreichische und 418 ausländische Versicherungsmonate (345 in Deutschland, 73 in Italien) berücksichtigt; es ergab sich ein zwischenstaatlicher Kürzungsfaktor von 20,833 %.

Infolge der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 7. 10. 2002 wurde die vorzeitige Alterspension ab 1. 12. 2002 eingestellt. Mit Bescheid vom 7. 12. 2007 sprach die beklagte Partei aus, dass die dem Kläger gewährte vorzeitige Alterspension vom 1. 10. 2002 bis 28. 2. 2005 wegfällt.

Im Zeitraum von Oktober 2002 bis Februar 2005 erwarb der Kläger zusätzliche 29 österreichische Beitragsmonate nach dem GSVG. Unter Zugrundelegung dieser zusätzlichen Versicherungsmonate nahm die beklagte Partei zum 1. 8. 2006 (Erreichen des 65. Lebensjahres durch den Kläger) eine Neufeststellung der Leistung vor.

Mit Bescheid vom 21. 1. 2008 sprach die beklagte Partei aus, dass die vorzeitige Alterspension des Klägers als österreichische Teilpension in folgender Höhe neu bemessen wird: vom 1. 4. 2002 bis 30. 9. 2002 in Höhe von 487,34 EUR, vom 1. 3. 2005 bis 31. 12. 2005 in Höhe von 504,59 EUR, vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2006 in Höhe von 517,20 EUR, vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007 in Höhe von 525,47 EUR und ab 1. 1. 2008 in Höhe von 534,40 EUR.

Die Neuberechnung der Leistung als Alterspension zum 1. 8. 2006 ergebe unter Berücksichtigung der von Oktober 2002 bis Februar 2005 erworbenen weiteren 29 Beitragsmonate aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechtslage einen geringeren Auszahlungsbetrag. Daher gebühre die Alterspension ab 1. 8. 2006 in gleicher Höhe wie die frühere Leistung.

Der Unterschied zu der im Bescheid vom 5. 11. 2002 zuerkannten Pensionshöhe (472,11 EUR ab 1. 4. 2002) liegt einerseits darin begründet, dass der Ermittlung des Kürzungsfaktors 113 österreichische Versicherungsmonate und 418 ausländische Versicherungsmonate zugrunde gelegt wurden, sodass sich ein Kürzungsfaktor von 21,280 % (statt 20,833 %) ergab. Andererseits wurde eine andere Bemessungsgrundlage herangezogen (2.909,33 EUR statt 2.897,08 EUR).

Der Kläger begehrt ab 1. 3. 2005 eine monatliche Pensionsleistung von 557,10 EUR mit dem wesentlichen Vorbringen, der zwischenstaatliche Kürzungsfaktor sei nicht entsprechend angepasst worden. Richtigerweise betrage er 0,25357 (= 142 [österreichische Versicherungsmonate] : 560 [Gesamtzahl der Versicherungsmonate]).

Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, dass die zusätzlich erworbenen Versicherungsmonate des Klägers gemäß § 261b ASVG berücksichtigt worden seien. Die Pensionsberechnung richte sich nach nationalen Vorschriften, durch die Neuberechnung komme es zu keiner Stichtagsänderung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass es die bereits bescheidmäßig zuerkannte Leistung in den Urteilsspruch aufnahm.

Gemäß § 253b Abs 4 ASVG in der auf den Kläger anwendbaren Fassung sei die bei Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 261 ASVG ermittelte Pension zu diesem Zeitpunkt gemäß § 261b ASVG zu erhöhen; sie gebühre ab dem folgenden Monatsersten als Alterspension gemäß § 253 Abs 1 ASVG. Auf den Kläger sei gemäß § 607 Abs 8 ASVG weiterhin § 261b ASVG anzuwenden, wonach es nach dem Erreichen des Regelpensionsalters für Zeiten, in denen die vorzeitige Alterspension weggefallen sei, zu einer Erhöhung der Leistung komme (ebenso § 9 Abs 2 APG für die Korridor- bzw Schwerarbeitspension).

Da die Berechnung der Pensionshöhe nach der VO 1408/71 bei einer Neufeststellung des Pro-Rata-Faktors zu ungewollten Kürzungen der österreichischen Leistung führe, sei der Pro-Rata-Faktor, wie er der früheren Pension zugrunde gelegen sei, unverändert beizubehalten, selbst wenn nach dem Anfall der früheren Leistung weitere österreichische Versicherungsmonate zurückgelegt worden seien. Die Voraussetzungen des Art 51 Abs 2 der VO 1408/71 lägen nicht vor, weil es weder um eine Änderung des Feststellungsverfahrens noch der Berechnungsmethode für die Leistung gehe.

Der Kläger könne sein Begehren auch nicht erfolgreich auf Art 49 Abs 2 der VO 1408/71 stützen: Zwar sei ab 1. 3. 2005 die deutsche Rente des Klägers hinzugekommen. Dieser Umstand ändere jedoch nichts an dem zum Stichtag 1. 4. 2002 zu ermittelnden zwischenstaatlichen Kürzungsfaktor. Die deutschen Versicherungszeiten des Klägers seien bereits der ursprünglichen Pensionsberechnung zum Stichtag 1. 4. 2002 zugrunde gelegt worden, weil der Kläger mit den österreichischen Versicherungszeiten die Wartezeit nicht erfüllt hätte. Durch das Hinzutreten der deutschen Teilleistung ändere sich an dieser Berechnung nichts. Die erst nach dem Stichtag erworbenen Versicherungsmonate in Österreich könnten auch nach Art 49 Abs 2 der VO 1408/71 keine Änderung des zwischenstaatlichen Kürzungsfaktors bewirken, weil durch die Neufeststellung kein neuer Stichtag ausgelöst werde.

Die Revision sei zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Berechnung des zwischenstaatlichen Kürzungsfaktors bei Anwendung des § 261b ASVG fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.

In seiner Revision wiederholt der Kläger seinen Rechtsstandpunkt, dass im Zuge der Neubemessung seines Pensionsanspruchs mit Erreichen des Regelpensionsalters (zumindest fiktiv) ein neuer Stichtag ausgelöst werde, zu dem auch der zwischenstaatliche Kürzungsfaktor nach Art 46 Abs 2 der VO 1408/71 neu zu ermitteln sei. Andernfalls werde neben dem Gemeinschaftsrecht auch der Gleichheitssatz verletzt, weil eine Person wie der Kläger, der vorerst eine vorzeitige Alterspension in Anspruch genommen, dann aber wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, im Vergleich zu einer Person, die bis zum Regelpensionsalter erwerbstätig geblieben sei, unsachlich diskriminiert werde, indem sie für immer an den Kürzungsfaktor zum Stichtag der vorzeitigen Alterspension gebunden werde.

Dazu hat der Senat erwogen:

1. Mit Bescheid vom 5. 11. 2002 hat die beklagte Partei dem Kläger ab dem Stichtag 1. 4. 2002 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zuerkannt. Bei der (korrigierten) Berechnung wurden 113 österreichische und 418 ausländische Versicherungsmonate berücksichtigt.

Auf Grundlage dieser Versicherungsmonate wird der Pensionsanspruch des Klägers in Österreich nicht eigenständig durch die österreichischen Zeiten allein, sondern nur durch Zusammenrechnung der österreichischen Zeiten mit Zeiten aus Deutschland (345 Versicherungsmonate) und Italien (73 Versicherungsmonate) erfüllt. In diesem Fall findet ausschließlich eine zwischenstaatliche Berechnung der Pensionshöhe statt (Art 46 Abs 2 der VO 1408/71 , im Folgenden aus Vereinfachungsgründen VO). Dabei wird in einem ersten Schritt eine theoretische Pensionshöhe unter Berücksichtigung sämtlicher in den Mitgliedstaaten zurückgelegter Zeiten und unter alleiniger Berücksichtigung der im Inland herangezogenen Beitragsgrundlagen errechnet (Runggaldier, Grundzüge des europäischen Arbeitsrechts und des europäischen Sozialrechts [2004] 118). Es wird also eine rein innerstaatliche Pensionsbiographie unterstellt, dh alle fremdmitgliedstaatlichen Zeiten werden so berücksichtigt, als ob sie nach inländischem Recht zurückgelegte anrechnungsfähige Zeiten darstellten (Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 [2005] Art 46 Rz 19). Entsprechend dem Wortlaut des § 46 Abs 2 lit a der VO erfolgt die Berechnung der theoretischen Pensionshöhe nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Pensionsrecht.

In einem zweiten Schritt wird aus der so ermittelten hypothetischen „Gesamtpension" nach dem Verhältnis der in den Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten im jeweiligen Mitgliedstaat der tatsächlich zu zahlende Betrag (die jeweilige Teilpension) errechnet.

Die Berechnung der Höhe der jeweiligen Teilpension hat in den einzelnen Mitgliedstaaten, in denen Versicherungszeiten erworben wurden, unter Beachtung der angeführten Grundsätze unabhängig voneinander zu erfolgen. Die Ermittlung der Höhe der Leistung in einem Staat hat keine Auswirkungen auf den Leistungsanspruch im anderen Mitgliedstaat.

2. Der Berechnung der hypothetischen österreichischen Gesamtpension wurden zum Stichtag 1. 4. 2002 113 österreichische und 418 ausländische Versicherungsmonate zugrunde gelegt. Nach dem Pro-rata-temporis-Verfahren errechnet sich ein zwischenstaatlicher Kürzungsfaktor von 21,280 %.

3. Wie bereits unter 1. erwähnt, erfolgt die Berechnung der Höhe der österreichischen Teilpension (nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Pro-rata-temporis-Verfahrens auf der Grundlage der nach dem nationalen Recht ermittelten hypothetischen Gesamtpension) unabhängig von Leistungsansprüchen in anderen Mitgliedstaaten, sodass die Zuerkennung einer deutschen Rente ab 1. 3. 2005 keine Auswirkung auf die österreichische Pensionshöhe haben kann.

4. Einen zweiten „Ansatzpunkt" für eine Erhöhung der Pension sieht der Kläger im Erwerb von 29 zusätzlichen österreichischen Versicherungsmonaten nach dem Pensionsstichtag 1. 4. 2002; dieser Umstand wäre seines Erachtens jedenfalls bei der Neuberechnung der Pensionshöhe nach Erreichen des Regelpensionsalters mit 1. 8. 2006 dadurch zu berücksichtigen gewesen, dass (auch) der zwischenstaatliche Kürzungsfaktor von 0,21280 (= 113 : 531) auf 0,25357 (= 142 : 560) zu erhöhen gewesen wäre.

4.1. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich die Kürzungsfaktoren im Verhältnis zueinander verändern, wenn der Pensionist nach Pensionsantritt wiederum eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, aufgrund derer er wieder als Arbeitnehmer oder Selbständiger in das System der sozialen Sicherheit integriert wird.

Da die VO die Systeme sozialer Sicherheit koordiniert, aber nicht harmonisiert (RIS-Justiz RS0115509 [T14], RS0117828), gibt es keinen mitgliedstaatlich einheitlichen „Stichtag", zu dem die Kürzungsfaktoren aufeinander abgestimmt werden. Vielmehr ist in jedem Mitgliedstaat zu dem dort maßgeblichen Zeitpunkt (in österreichischer Diktion: „Stichtag") zu ermitteln, in welchem Verhältnis die inländischen Versicherungszeiten zur Gesamtsumme aller mitgliedstaatlichen Versicherungszeiten stehen, um die inländische Teilpension zu ermitteln. Somit ist entscheidend, ob die nach dem inländischen Recht vorzunehmende Neubemessung anlässlich des Erreichens des Regelpensionsalters einen neuen Stichtag auslöst, zu dem die zwischenstaatliche Berechnung unabhängig von der früheren neu vorzunehmen ist.

4.2. Gemäß § 253b Abs 4 ASVG in der auf den Kläger im Hinblick auf den Stichtag 1. 4. 2002 anwendbaren Fassung des StruktAnpG 1995 (BGBl 1995/297) ist bei Vollendung des 65. Lebensjahres (bei männlichen Versicherten) die gemäß § 261 ASVG ermittelte Pension zu diesem Zeitpunkt gemäß § 261b ASVG zu erhöhen; sie gebührt ab dem folgenden Monatsersten als Alterspension gemäß § 253 Abs 1 ASVG.

Der gemäß § 607 Abs 8 ASVG auf den vorliegenden Fall weiter anwendbare § 261b ASVG sieht in den Absätzen 5 und 6 vor, dass bei Wegfall einer Pension wegen einer Pflichtversicherung zum Monatsersten, der dem Erreichen des Regelpensionsalters folgt, der Hundertsatz des Steigerungsbetrags der Pension für je 12 Kalendermonate des Wegfalls der Pension mit dem Faktor 1,015 zu vervielfachen ist. Bereits in der Überschrift der Bestimmung ist ausdrücklich von einer „Erhöhung von Leistungen" die Rede; im Zusammenhang mit § 253b Abs 4 ASVG ergibt sich, dass mit dem Erreichen der Alterspension nach nationalem Recht kein neuer Stichtag ausgelöst wird, sondern die vorzeitige Alterspension mit Erreichung des Regelpensionsalters von Amts wegen in eine Regelalterspension umgewandelt wird. Wenn Beitragszeiten dazugekommen sind, wird die Leistung neu berechnet (Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 [2002] Rz 245).

4.3. Würde man nun dem Rechtsstandpunkt des Klägers folgen und annehmen, dass die zusätzlich erworbenen Versicherungszeiten im EU-Ausland liegen, müsste konsequenterweise zu dem vom Kläger angenommenen „neuen Stichtag" die inländische Leistung verringert werden. Auf diesen Fall gehen Siedl/Spiegel (Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Allg Teil [neu] 43, 46, und Allg Teil [Stand 1. 1. 1995] 125 f) ein und meinen, dass solche Kürzungen der österreichischen Leistung ungewollt sind, weshalb der Pro-Rata-Faktor, wie er der inländischen Pension zum Stichtag zugrunde gelegt wurde, weiter beizubehalten ist. Dieser Standpunkt wäre dann konsequenterweise auch auf den umgekehrten Fall zu übertragen, wenn die weiteren Versicherungsmonate im Inland liegen: Die Erhöhung der Leistung aufgrund dieser weiteren inländischen Versicherungsmonate würde bei der Neuberechnung der Leistung im Inland durch die Erhöhung des Steigerungsbetrags bewirkt, nicht aber zusätzlich noch durch eine Veränderung des Pro-Rata-Verhältnisses. Diese auch vom Berufungsgericht vertretene Lösung geht davon aus, dass § 253b Abs 4 iVm § 261b Abs 5 und 6 ASVG keine Neuberechnung zu einem neuen Stichtag (aufgrund eines neuen Versicherungsfalls), sondern eine amtswegige Anpassung (Erhöhung) der bereits festgestellten Pension zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem Monatsersten nach dem Erreichen des Regelpensionsalters vorsieht.

4.4. Der Kläger beruft sich für seinen Standpunkt, dass im Zuge der Neuberechnung der Pensionshöhe zum Zeitpunkt des Erreichens des Regelpensionsalters auch der zwischenstaatliche Kürzungsfaktor neu zu ermitteln sei, sinngemäß auf die vom Gemeinschaftsrecht aufgestellten Regeln, wonach in bestimmten Konstellationen (darunter auch in der in betreffenden) eine völlige Neuberechnung der Pensionshöhe ohne Rücksicht auf frühere Berechnungen zu erfolgen habe.

4.4.1. Neben der in Art 46 normierten Rentenberechnung entsprechend dem Pro-rata-temporis-Prinzip legt die VO in Art 51 auch Vorgaben für den Fall der nachträglich eintretenden Änderung einer Rentenleistung fest. Demzufolge ist eine Änderung der Leistung, die auf einem Anstieg der Lebenshaltungskosten, einer Änderung des Lohnniveaus oder auf anderen Anpassungsgründen beruht, im Wege der Anpassung zu berücksichtigen, sodass diese unmittelbar für die betreffende Leistung gilt, ohne dass eine Neuberechnung nach Art 46 VO zu erfolgen hat (Art 51 Abs 1 VO). Hingegen ist in jenen Fällen, in denen sich die Änderung aus Änderungen des Feststellungsverfahrens oder der Berechnungsmethode ergibt, eine Neuberechnung der Leistung nach Art 46 VO vorzunehmen (Art 51 Abs 2 VO). Fraglich ist nun, unter welchen dieser beiden Tatbestände der im gegenständlichen Fall erfolgte nachträgliche Erwerb zusätzlicher Versicherungszeiten zu subsumieren ist.

4.4.2. Der EuGH hat sich in der Rs Sinatra (EuGH 2. 2. 1982, Rs 7/81 , Slg 1982, 137) erstmals mit der Unterscheidung zwischen Anpassung und Neuberechnung von Leistungen nach Art 51 der VO auseinandergesetzt. Konkret ging es dabei um die Frage, ob die Herabsetzung einer Invaliditätsrente von einer Rente für Verheiratete auf eine Rente für Alleinstehende und damit die bloße Änderung der Situation des Versicherten (Wechsel von der Gruppe der Verheirateten zu der Gruppe der Alleinstehenden) eine Änderung des Feststellungsverfahrens oder der Berechnungsmethode der Leistungen iSd Art 51 Abs 2 VO darstellt und ob daher gemäß Art 51 Abs 2 VO eine Neuberechnung der Leistungen nach Art 46 VO durchzuführen ist. Zur Beantwortung der Vorlagefrage führte der EuGH aus, dass grundsätzlich bei jeder Änderung der von einem Mitgliedstaat gewährten Leistung eine neuerliche Berechnung nach Art 46 VO vorzunehmen ist. Nur dann, wenn die Änderung der Leistung bei einem Anstieg der Lebenshaltungskosten, bei Änderung des Lohnniveaus oder aus anderen Anpassungsgründen erfolgt, gilt diese gemäß Art 51 Abs 1 VO unmittelbar für die gewährte Leistung, ohne dass eine neuerliche Berechnung durchzuführen ist. Ziel der in Art 51 Abs 1 VO normierten Anpassung ist es nämlich, zur Verringerung des mit der Prüfung der Verhältnisse des Versicherten einhergehenden Verwaltungsaufwands die Neuberechnung für jene Fälle ausschließen, in denen die Änderung der Leistung auf Ereignissen beruht, die mit der persönlichen Situation des Betroffenen nichts zu tun haben, sondern Folge der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage sind. Da die Leistungsänderung, die sich aus dem Wechsel des Versicherten von der Gruppe der Verheirateten zu der der Alleinstehenden ergibt, auf einer Änderung der persönlichen Lage des Versicherten beruhte, lehnte der EuGH die Anwendung der in Art 51 Abs 1 VO vorgesehenen Ausnahme ab. Auch die analoge Anwendung von Art 51 Abs 1 VO verwarf der Gerichtshof mit der Begründung, dass Änderungen der persönlichen Lage - im Gegensatz zu den in Art 51 Abs 1 VO 1408/71 angeführten Anpassungsgründen - nicht allgemeiner Natur sind.

Diese Ausführungen hat der EuGH einige Zeit später in seiner Entscheidung in der Rs Cinciuolo (EuGH 1. 3. 1984, Rs 104/83 , Slg 1984, 1285) bestätigt. Dabei hat der Gerichtshof außerdem ausgeführt, dass Art 51 VO auch dann Anwendung findet, wenn eine Änderung einer Leistung eintritt, die anfänglich - aufgrund von nationalen Antikumulierungsregelungen - die Höhe der Rente beeinflusst hat (im konkreten Fall: Berufskrankheitsrente aus der Unfallversicherung). Jedoch muss auch in einem solchen Fall entsprechend der in Art 51 VO enthaltenen Tatbestände zwischen Anpassung (Abs 1) und Neuberechnung (Abs 2) unterschieden werden. Ist die Änderung der Leistung, die die ursprüngliche Berechnung der Rente beeinflusst hat, daher aufgrund der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eingetreten, so ist keine Neuberechnung nach Abs 2 sondern vielmehr eine Anpassung nach Abs 1 vorzunehmen.

Ausdrücklich verneint hat der EuGH die Durchführung einer Neuberechnung der Leistung nach Art 51 Abs 2 VO für jene Fälle, in denen sich die Änderung aus bloßen Indexanpassungen ergibt. So wurde dem Gerichtshof in der Rs Ravida (EuGH 21. 3. 1990, Rs C-85/89 , Slg 1990, I-1063) - und in ähnlicher Weise auch in der Rs Cassamali (EuGH 20. 3. 1991, Rs C-93/90 , Slg 1991, I-1401) sowie in der Rs Cirotti (EuGH 2. 10. 1997, Rs C-144/96 , Slg 1997, I-5349) - die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Sozialversicherungsträger eines Mitgliedstaats zum Zweck der Einhaltung des in den nationalen Vorschriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Rentenhöchstbetrags dazu berechtigt ist, die in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommenen Rentenindexanpassungen im Wege einer Neuberechnung der gewährten Rente nach Art 51 Abs 2 der VO zu berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Rs Sinatra hat der EuGH eine derartige Vorgehensweise mit der Begründung abgelehnt, dass eine Neuberechnung der Rente nach Art 51 Abs 2 VO nur bei Änderungen des Feststellungsverfahrens oder der Berechnungsmethode für Leistungen, insbesondere infolge einer Veränderung in der persönlichen Situation des Arbeitnehmers, vorzunehmen ist. Sind die Anpassungen jedoch Folge der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, so steht Art 51 Abs 1 VO einer Neuberechnung entgegen. Dies gilt selbst in jenen Fällen, in denen durch die Anpassungen der Leistung eines Mitgliedstaats die im Recht des anderen Mitgliedstaats vorgesehene Höchstgrenze für Renten überschritten wird. Daher, so der EuGH, berechtigt die Durchführung einer Rentenindexierung in einem Mitgliedstaat den Sozialversicherungsträger eines anderen Mitgliedstaats selbst dann nicht zur Neuberechnung der Rente nach Art 51 Abs 2 VO, wenn dadurch die Überschreitung der nationalen Höchstgrenze verhindert würde. Vielmehr stellt eine derartige Anpassung der Rente eine Änderung aufgrund der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage dar, die in dem die Rente schuldenden Staat gemäß Art 51 Abs 1 VO unmittelbar wirkt, ohne dadurch die in einem anderen Mitgliedstaat gebührende Rente zu beeinflussen.

4.4.3. Wie die Ausführungen des EuGH in der Grundsatzentscheidung Sinatra zeigen, ist das Verhältnis der in Art 51 Abs 1 und Abs 2 VO normierten Tatbestände der Anpassung (Abs 1) und Neuberechnung (Abs 2) der Leistung durch einen gewissen Regel-Ausnahme-Charakter bestimmt, wobei die Durchführung einer Neuberechnung als Regelfall und die bloße Anpassung der Leistung als Ausnahme von dieser Regel qualifiziert werden kann. In diesem Sinne ist - wie der EuGH ausdrücklich festgehalten hat - im Falle der nachträglichen Änderung einer Leistung grundsätzlich immer eine Neuberechnung nach Art 46 VO anzustellen. Nur im Ausnahmefall ist - zum Zweck der Verringerung des Verwaltungsaufwands, der mit der Prüfung der Situation des Versicherten einhergeht - von einer Neuberechnung abzusehen und an deren Stelle eine Anpassung der Leistung nach Art 51 Abs 1 VO vorzunehmen. Ein solcher Ausnahmefall liegt dann vor, wenn die Änderung der Leistung auf einem Anstieg der Lebenshaltungskosten, einer Änderung des Lohnniveaus oder auf anderen Anpassungsgründen beruht und somit auf Umstände zurückgeht, die mit der persönlichen Situation des Betroffenen nichts zu tun haben, sondern vielmehr allgemeiner Natur sind und eine Folge der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage darstellen (EuGH 2. 2. 1982, Rs 7/81 , Sinatra, Slg 1982, 137, Rz 8-11). So hat der EuGH in der Rs Ravida die Durchführung einer Anpassung wegen der Änderung einer Leistung aufgrund von bloßen Indexierungen mit der Begründung bejaht, dass Art 51 Abs 1 VO einer Neuberechnung der Leistung dann entgegensteht, wenn die Änderung aufgrund der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage erfolgt (EuGH 21. 3. 1990, Rs C-85/89 , Ravida, Slg 1990, I-1063, Rz 24).

Fehlt es hingegen an einem derartigen, seiner Natur nach „allgemeinen" Anpassungsgrund, so scheidet die Berücksichtigung von Leistungsänderungen im Wege der bloßen Anpassung der Leistung nach Art 51 Abs 1 VO aus. Vielmehr ist eine Neuberechnung der Leistung nach Art 51 Abs 2 VO durchzuführen. Der EuGH geht nämlich von einem sehr weiten Verständnis der Begrifflichkeiten „Änderung des Feststellungsverfahrens oder der Berechnungsmethode" aus und subsumiert unter den Tatbestand der Neuberechnung sämtliche Fälle, in denen die Leistungsänderung auf Änderungen der persönlichen Situation des Versicherten zurückzuführen ist (EuGH 2. 2. 1982, Rs 7/81 , Sinatra, Slg 1982, 137, Rz 11; siehe auch EuGH 21. 3. 1990, Rs C-85/89 , Ravida, Slg 1990, I-1063, Rz 22). In diesem Sinne hat der Gerichtshof in der Rs Sinatra die Durchführung einer Neuberechnung nach Art 51 Abs 2 VO 1408/71 etwa dann bejaht, wenn sich die Leistungsänderung aus dem Wechsel des Versicherten von der Gruppe der „Verheirateten" zu jener der „Alleinstehenden" ergibt (EuGH 2. 2. 1982, Rs 7/81 , Sinatra, Slg 1982, 137, Rz 11).

4.4.4. Vor diesem Hintergrund kann die Änderung einer Rentenleistung, die sich aus dem Erwerb zusätzlicher Versicherungszeiten ergibt, unter Zugrundelegung der bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung nicht als allgemeiner, auf der Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage beruhender, Anpassungsgrund verstanden werden. Vielmehr ist darin ein Ereignis zu sehen, dass seinen Ursprung in der Änderung der persönlichen Situation des Versicherten findet. Zumal demnach für eine Berücksichtigung einer solchen Leistungsänderung im Wege der unmittelbar für diese Leistung wirkenden Anpassung nach Art 51 Abs 1 VO kein Raum bleibt, ist gemäß Art 51 Abs 2 VO eine Neuberechnung der Leistung nach Art 46 VO vorzunehmen.

4.4.5. Die VO differenziert nicht hinsichtlich der Intensität der Neuberechnung, sodass davon auszugehen ist, dass tatsächlich mit Erreichen des Regelpensionsalters eine völlige Neuberechnung des Anspruchs des Klägers auf Alterspension vorzunehmen ist, und zwar ohne Übernahme des Kürzungsfaktors aus der früheren Berechnung zum 1. 4. 2002, sondern unter Zugrundelegung des zum 1. 8. 2006 geltenden Kürzungsfaktors.

5. In diesem Sinn ist die Höhe des Alterspensionsanspruchs des Klägers mit 1. 8. 2006 neu zu ermitteln.

Die richtige Berechnung ist nicht vom Obersten Gerichtshof selbst durchzuführen, selbst wenn er sie aufgrund der Aktenlage vornehmen könnte, sondern vom Berufungsgericht (RIS-Justiz RS0117056), gegebenenfalls nach Erörterung mit den Parteien. Die Berechnung durch das Berufungsgericht ist auch deshalb zweckmäßig, weil sie dadurch im Instanzenzug überprüfbar wird.

Aus diesem Grund ist das Verfahren gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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