OGH 10ObS120/99s

OGH10ObS120/99s29.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter MR DI Gustav Poinstingl und MR Mag. Tschögele (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede K*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Mag. Walter Choc, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva-Maria Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Februar 1999, GZ 7 Rs 298/98t-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. September 1998, GZ 31 Cgs 91/98h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters die mit S 4.058,88 (davon S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach dann, wenn der verstorbene Versicherte der geschiedenen Gattin während des letzten Jahres vor seinem Tod tatsächlich Unterhalt geleistet hat, die Witwenpension gemäß § 136 Abs 4 Z 1 lit d GSVG unabhängig davon zusteht, ob nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein Anspruch auf Unterhalt bestanden hätte, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie entspricht auch der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senates zu der inhaltsgleichen Bestimmung des § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG (vgl SSV-NF 11/93; 10 ObS 74/98z und jüngst 10 ObS 426/98i). Den Ausführungen in der Revision ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Der in der Entscheidung SSV-NF 6/42 ausgesprochene und dem Ehegattenunterhaltsrecht entnommene Grundsatz, wonach sich der Unterhaltsergänzungsanspruch des schlechter verdienenden Ehegatten in Durchschnittsfällen mit 40 % des Familieneinkommens errechnet, betraf die Frage der Anrechnung des Unterhaltsanspruches bei Berechnung der Ausgleichszulage und nicht die hier zu entscheidende Frage der Gewährung einer Witwenpension. Nach § 136 Abs 4 Z 1 lit d GSVG kommt es vielmehr - neben den sonstigen, hier nicht strittigen Voraussetzungen - darauf an, ob der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes dem Überlebenden regelmäßige Zahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs leistete. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur gleichlautenden Bestimmung des § 258 Abs 4 ASVG (RV 932 BlgNR 18. GP, 49) sollte "der Zweck der formalen Erfordernisse des § 258 Abs 4 ASVG einerseits darin liegen, daß den Sozialversicherungsträgern die materielle Prüfung des Grundes, insbesondere aber der Höhe des Unterhaltsanspruches erspart bleiben soll; andererseits sollen damit Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Sozialversicherung verhindert werden." Es ist der beklagten Partei durchaus darin beizupflichten, daß sich diese erwähnten formalen Erfordernisse auf die drei Fälle der lit a bis c dieser Gesetzesstelle (Urteil, Vergleich, vertragliche Verpflichtung) nach der bisherigen Rechtslage beziehen, es wird jedoch weder in diesen drei Fällen noch in der neu geschaffenen Bestimmung der lit d dieser Gesetzesstelle auf einen - nach der 40 % Formel oder allfälligen sonstigen Regeln zu berechnenden und materiell-rechtlich zu beurteilenden - Unterhaltsanspruch abgestellt. In den zitierten Erläuternden Bemerkungen wird wiederholt ausdrücklich auf den Unterhaltsanspruch Bezug genommen, während im Zusammenhang mit der neu geschaffenen Bestimmung der lit d sowohl im Gesetzestext als auch in den Erläuternden Bemerkungen nur vom Unterhaltsbedarf die Rede ist. Der erkennende Senat hat daher in den zitierten Entscheidungen das nomen legale (Unterhalts-)"Bedarf" einschränkend dahin ausgelegt, daß es nur auf den faktischen (tatsächlichen: vgl auch Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 968 BlgNR 18. GP, 1) Leistungsbetrag, nicht aber auf den (gar nicht weiter zu prüfenden) rechtlichen Anspruch ankommt. Jede andere Beurteilung führte auch zu einer gravierenden Einschränkung über den Wortlaut der Bestimmung hinaus, welche auch mit den Grundsätzen einer sozialen Rechtsanwendung nicht vereinbar wäre. Daß der Gesetzgeber hiebei selbst den Begriff des "Bedarfs" nicht gleichbedeutend mit jenem des "Anspruches" verstanden hat, ist auch daraus abzuleiten, daß er den letzeren Ausdruck sowohl in den zitierten Erläuternden Bemerkungen als auch etwa in § 264 ASVG (betreffend das Ausmaß einer Witwen/Witwerpension) mehrfach verwendet hat. Auch im Unterhaltsrecht selbst wird zwischen dem Unterhaltsbedarf des Berechtigten und dem unter Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen im Einzelfall zu ermittelnden Unterhaltsanspruch unterschieden (vgl Zankl in Schwimann, ABGB2 Rz 10 zu § 66 EheG mwN ua). Schließlich hat das Berufungsgericht noch zutreffend darauf hingewiesen, daß auch die Formulierung im Gesetzeswortlaut: ".... Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte bzw Unterhalt geleistet hat ...." das Abstellen auf eine Verpflichtung zur Leistung eines Unterhaltes bzw Unterhaltsbeitrages (aufgrund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung bzw Nichtigerklärung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung) einerseits sowie auf die tatsächliche Unterhaltsgewährung andererseits erkennen läßt. Dies entspricht auch dem vom Gesetzgeber anläßlich der Schaffung der lit d leg cit erklärten Willen, daß die Witwen/Witwerpension dem (der) Geschiedenen auch gebühren soll, wenn tatsächlich regelmäßig Unterhalt geleistet wurde und die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat (vgl RV 932 BlgNR 18. GP, 3; AB 968 BlgNR 18 GP, 1).

Aufgrund dieser Erwägungen haben die Vorinstanzen den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension gemäß § 136 Abs 4 Z 1 lit d GSVG zutreffend bejaht. Der Revision mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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