Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Der zum Stichtag (1. 11. 2012) 52jährige Kläger verfügt über eine abgeschlossene Kellnerlehre. Von 2008 bis 2010 absolvierte er eine von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt finanzierte Umschulung zum technischen Zeichner für Maschinenbau, die er am 30. 4. 2010 mit (bestandener) Lehrabschlussprüfung beendete. Ohne Gefährdung seiner Gesundheit kann der Kläger diese Berufstätigkeit aber nicht ausüben, weil sie bei Terminarbeiten fallweise mit Zeitdruck im Sinne eines forcierten Arbeitstempos einhergeht und er dieser Zeitdruckbelastung gesundheitlich nicht gewachsen ist. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (November 1997 bis Oktober 2012) liegen 56 Monate der Pflichtversicherung als Selbstständiger nach dem GSVG, 48 Beitragsmonate als Hilfskoch nach dem ASVG, 26 Beitragsmonate zufolge Schulungsmaßnahmen und ein Beitragsmonat als Hilfsarbeiter im Antennenbau. Seit dem Jahr 2008 geht der Kläger keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Eine Tätigkeit als technischer Zeichner im Maschinenbau nahm er niemals auf.
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Invaliditätspension mit dem Vorbringen, er könne seinem im maßgeblichen Beobachtungszeitraum überwiegend ausgeübten Beruf als Kellner aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr nachgehen.
Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, der Kläger sei im maßgeblichen Beobachtungszeitraum nicht überwiegend in seinem erlernten Beruf als Kellner tätig gewesen, weshalb kein Berufsschutz bestehe. Deshalb sei auch § 255 Abs 6 ASVG nicht anwendbar. Diese Bestimmung sei nämlich (ausschließlich) dahin zu verstehen, dass ein bereits erworbener Berufsschutz eines erfolgreich Rehabilitierten auf jenen Beruf übertragen werde, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt habe. Da der Kläger die Voraussetzungen für das Vorliegen des Berufsschutzes (nach den § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG) nicht erfülle, sei er auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar bzw seine Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen (ON 15).
Das Erstgericht stellte den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension ab 1. 11. 2012 als dem Grunde nach zu Recht bestehend fest und legte der beklagten Partei ab diesem Zeitpunkt eine vorläufige monatliche Zahlung von 100 EUR auf. Rechtlich ging es davon aus, im Hinblick auf die vom Kläger erfolgreich absolvierte Umschulung sei dessen Invalidität nach § 255 Abs 6 ASVG zu prüfen. Er habe das angestrebte Ziel der Rehabilitation erreicht, sei aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Beruf, zu dem er erfolgreich umgeschult worden sei, auszuüben. Die tatsächliche Aufnahme einer Tätigkeit im Rehabilitationsberuf sei nicht erforderlich.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und hob das Ersturteil auf. Es sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei, weil der Frage erhebliche Bedeutung iSd § 519 Abs 2 iVm § 502 ZPO zukomme, ob durch eine im Rahmen der beruflichen Rehabilitation erfolgte Umschulung zu einer dann tatsächlich niemals ausgeübten Tätigkeit Berufsschutz erworben werden könne. Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dem Kläger komme trotz abgeschlossener Kellnerlehre mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 255 Abs 2 ASVG kein Berufsschutz zu. Der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ gelte aber auch für Versicherte ohne Berufsschutz. Es sei dem Standpunkt der beklagten Partei zu folgen, nach dem durch die erfolgreiche Umschulung im Zuge der beruflichen Rehabilitation der Berufsschutz zwar übertragen, aber nicht begründet werden könne. Wollte man hingegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts folgen, wäre Berufsschutz durch eine im Rahmen der beruflichen Rehabilitation erfolgte Umschulung begründbar, ohne dass diese Tätigkeit jemals ausgeübt worden wäre. Eine derartige Besserstellung eines Versicherten sei dem Zweck des Gesetzes nicht zu entnehmen. Aus diesen Gründen sei der Kläger auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar. Da Feststellungen zu auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten und deren Anforderungsprofil bisher fehlen, sei die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben.
Der Kläger beantragt in seinem Rekurs die Wiederherstellung des (klagestattgebenden) Ersturteils; hilfsweise die Aufhebung des bekämpften Beschlusses.
Die beklagte Partei hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
In seinem Rekurs bringt der Kläger zusammengefasst vor, er habe durch die abgeschlossene Lehre zum technischen Zeichner für Maschinenbau das in § 300 Abs 3 ASVG angestrebte Ziel der Rehabilitation erreicht. Aus § 255 Abs 4 ASVG bzw § 273 Abs 2 ASVG (jeweils in der „alten Fassung“) ergebe sich, dass eine Bedachtnahme auf die umgeschulte Tätigkeit beim Verweisungsfeld grundsätzlich nur die erfolgreiche Ausbildung bzw Umschulung voraussetze.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zur Klarstellung zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Nach der auch im Bereich der Pensionsversicherung anzuwendenden Bestimmung des § 198 Abs 1 ASVG soll der Versicherte durch die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation in die Lage versetzt werden, seinen früheren oder, wenn dies nicht möglich ist, einen neuen Beruf auszuüben. Die Rehabilitation knüpft somit nicht notwendigerweise am bisherigen Beruf an, sondern ermöglicht dem Versicherten auch die Ausbildung für eine neue berufliche Tätigkeit.
2. Macht ein Versicherter von dieser Möglichkeit erfolgreich Gebrauch, ist der Berufsschutz nicht mehr nur auf seine ursprüngliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er nach wie vor nicht in der Lage ist, abgestellt. Bei Prüfung der Voraussetzungen für die Invalidität ist er jedenfalls auf Tätigkeiten verweisbar, für die er unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 255 Abs 5 ASVG). Konsequenz dieser erweiterten Verweisbarkeit ist, dass Invalidität nicht mehr gegeben ist, wenn der Versicherte die Tätigkeit, auf die er rehabilitiert worden ist, ausüben kann (10 ObS 49/00d, SSV‑NF 14/44 mwN; 10 ObS 26/03a, SSV‑NF 18/30). Der Gesetzgeber ordnet somit an, dass bei erfolgreich Rehabilitierten das Verweisungsfeld auf jene Tätigkeiten ausgedehnt wird, für die sie erfolgreich ausgebildet oder umgeschult worden sind. Nach der Rechtsprechung setzt diese Erweiterung des Verweisungsfeldes grundsätzlich nur die erfolgreiche Ausbildung bzw Umschulung voraus, nicht aber, dass der Versicherte auch tatsächlich in dem Rehabilitationsberuf tätig war (10 ObS 124/11z, SSV‑NF 26/1, DRdA 2013/126 [ Stadler ]). Kann der Versicherte die Tätigkeit, auf die er rehabilitiert wurde, ausüben, ist Invalidität nicht gegeben (10 ObS 12/05w, SSV‑NF 20/13).
3.1. Wurden dem Versicherten Maßnahmen der Rehabilitation gewährt, durch die das im § 300 Abs 3 ASVG angestrebte Ziel erreicht worden ist, wurde ihm also durch Maßnahmen der Rehabilitation die Ausübung eines neuen Berufes ermöglicht, gilt er aber auch dann als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit in den Berufen, zu denen ihn die Rehabilitation befähigt hat, auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist (10 ObS 26/03a, SSV‑NF 18/30 mwN). Die Bestimmung des § 255 Abs 6 ASVG regelt somit den Sonderfall, dass jemand durch eine Rehabilitationsmaßnahme zu einer Beschäftigung befähigt und in weiterer Folge neuerlich invalid wurde. Da der rehabilitierte Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine ursprüngliche Tätigkeit auszuüben, wäre die Aufrechterhaltung des nur auf diese Tätigkeit abgestellten Berufsschutzes angesichts der ihm gewährten Rehabilitation verfehlt. Der Gesetzgeber hat sich daher entschlossen, den Berufsschutz des erfolgreich Rehabilitierten auf jenen Beruf zu übertragen, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt hat (Teschner in Tomandl SV‑System 25. ErgLfg 372). Die Regelung des § 255 Abs 6 ASVG soll daher den Versicherten, der erfolgreich auf einen (neuen) Beruf rehabilitiert wurde, davor bewahren, dass er seinen Berufsschutz durch die Rehabilitation verliert (Födermayr in SV‑Komm § 255 ASVG Rz 216 mwN). Durch diese Regelung wird der Berufsschutz auch auf den Beruf übertragen, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt hat, vorausgesetzt allerdings, dass die Rehabilitation, gemessen an den in § 300 ASVG aufgestellten Erfordernissen, erfolgreich war (Teschner/Widlar/Pöltner, MGA‑ASVG 115. ErgLfg Anm 13 zu § 255).
3.2. Gemäß § 300 Abs 3 ASVG gilt das Ziel der Rehabilitation als erreicht, wenn die Leistungsfähigkeit der zu rehabilitierenden Person bis zu einem solchen Grad wiederhergestellt ist, der sie in die Lage versetzt, im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen ihr angemessenen Platz möglichst dauernd einnehmen zu können. Eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation iSd § 300 Abs 3 ASVG liegt daher dann vor, wenn der Versicherte nach der Rehabilitation wieder einen Beruf ausüben kann (10 ObS 314/99w, SSV‑NF 14/2).
4. Im vorliegenden Falle kann aber von einer erfolgreichen beruflichen Rehabilitation des Klägers iSd § 300 Abs 3 ASVG nicht die Rede sein. Das in § 300 Abs 3 ASVG umschriebene Ziel der Rehabilitation wurde beim Kläger insofern verfehlt, als er zwar eine Ausbildung zum technischen Zeichner absolviert und die Lehrabschlussprüfung bestanden hat, er diesen Beruf unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts infolge seiner gesundheitlichen Einschränkungen dennoch nicht ausüben kann. Die gewährten Rehabilitationsmaßnahmen konnten seine Wiedereingliederung in das Berufsleben nicht bewirken (10 ObS 157/07x, SSV‑NF 21/91; 10 ObS 26/03a, SSV‑NF 18/30). Eine Anwendung des § 255 Abs 6 ASVG kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Da schon aus diesem Grund ein Berufsschutz des Klägers nach § 255 Abs 6 ASVG zu verneinen ist, ist auf die weitere vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 519 Abs 2 ZPO erachtete Rechtsfrage nicht mehr einzugehen.
5. Hat das Berufungsgericht weitere Feststellungen erforderlich erachtet, um ‑ ausgehend von der Nichtanwendbarkeit des § 255 Abs 6 ASVG ‑ die Frage beurteilen zu können, ob der Kläger dennoch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension zum 1. 11. 2012 erfüllt, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (vgl Kodek in Rechberger, ZPO3, § 519 Rz 26 mwN).
Der Rekurs bleibt somit erfolglos.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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