Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht ist zutreffend, sodass gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO auf deren Richtigkeit verwiesen werden kann. Sie steht auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen (vgl 10 ObS 119/01z, 10 ObS 152/01b, 10 ObS 252/01h ua).
Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:
Für die Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge an die Sozialversicherungsträger gewährt § 64 Abs 1 ASVG die ausdrückliche Möglichkeit der Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution). Wahlweise steht es dem Sozialversicherungsträger offen, entweder direkte Eintreibung bei Gericht zu beantragen oder über die Vollstreckungsbehörde die Eintreibung der zuständigen Beiträge zu veranlassen. Vom Sozialversicherungsträger ausgefertigte Rückstandsausweise sind Exekutionstitel im Sinn des § 1 EO. Darüber hinaus besteht für die Sozialversicherungsträger auch die Möglichkeit der Aufrechnung der geschuldeten Beiträge auf die von ihnen einem anspruchsberechtigten Versicherten zu erbringenden Geldleistungen, wobei seit dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I 1999/106, mit 1. 10. 1999 eine Aufrechnung auch "trägerübergreifend" (also nicht nur zB Pensions- und Krankenversicherungsträger, sondern auch Versicherungsträger nach dem ASVG und dem GSVG, BSVG usw) zulässig ist. Solche trägerübergreifenden Aufrechnungsbestimmungen enthalten insbesondere die §§ 103 Abs 1 Z 1 ASVG, 71 Abs 1 Z 1 GSVG und 67 Abs 1 Z 1 BSVG. Es trifft zu, dass eine Aufrechnung nach diesen Bestimmungen nur gegenüber einem Beitragsschuldner zulässig ist, der nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zur Beitragszahlung verpflichtet ist, nicht aber gegenüber Personen, die sich einem Versicherungsträger privatrechtlich (zB als Bürge) zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet haben. Auf Grund des rechtskräftigen Rückstandsausweises der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 28. 7. 1998 steht fest, dass es sich bei den zur Aufrechnung herangezogenen Beitragsschulden um Beiträge handelt, die die Klägerin der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (nämlich als vormalige Geschäftsführerin einer GmbH gemäß § 67 Abs 10 ASVG) schuldet. Die Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG ist daher zulässig (vgl SSV-NF 4/162, 7/100, 12/103 zur insoweit unveränderten Rechtslage vor dem Steurreformgesetz 2000).
Auch die Revisionsausführungen zur angeblichen Unzulässigkeit der Aufrechnung mangels Rückwirkung der trägerübergreifenden Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG idF des Steuerreformgesetzes 2000 sind nicht berechtigt. Es trifft zwar zu, dass nach § 5 ABGB nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen sind, die Wirkungen einer Gesetzesänderung daher nicht Tatbestände ergreifen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden (SZ 69/251, WoBl 1998/54 ua). Dieser zeitliche Geltungsbereich ist aber nur für einmalige oder jene mehrgliedrigen oder dauernden Sachverhalte abgrenzbar, die zur Gänze in die Geltungszeit des neuen (oder alten) Gesetzes fallen. Andernfalls gelten für den Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten (SZ 69/186, 69/241, 71/118 ua). Diese Grundsätze sind in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers maßgeblich, welche hier jedoch nach den Übergangsbestimmungen nicht vorliegt. Auch wenn im vorliegenden Fall ein Sachverhaltselement (Entstehung der Beitragsschulden) bereits vor der Gesetzesänderung verwirklicht wurde, hat sich der für die gegenständliche Aufrechnung maßgebliche Gesamttatbestand erst mit dem Aufrechnungsbegehren der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vollständig verwirklicht, das durch die Gesetzesänderung ab 1. 10. 1999 ermöglicht wurde (vgl 10 ObS 119/01z, 10 ObS 131/01i, 10 ObS 152/01b ua).
Nach der seit dem Inkrafttreten des ASVG in seiner Stammfassung (BGBl 1955/189) vom Gesetzgeber nicht geänderten Bestimmung des § 103 Abs 2 ASVG ist ua die Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG "nur bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung zulässig". Bereits in der Grundsatzentscheidung 10 ObS 146/93 = SSV-NF 7/100 = SZ 66/134 hat der Oberste Gerichtshof mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass die Pfändungsbeschränkungen der EO einer Aufrechnung bis zur Hälfte der vom Versicherungsträger zu erbringenden Geldleistungen im Sinn des § 103 Abs 2 ASVG nicht entgegenstehen, weil § 293 Abs 3 EO zwar die Aufrechnung gegen die der Exekution entzogenen Teile einer Forderung auf Aufnahmsfälle einschränke, nach seinem ausdrücklichen Wortlaut jedoch nicht in den Fällen gelte, in denen nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind. § 103 Abs 2 ASVG sei aber eine solche bestehende Ausnahmevorschrift, die dem eigentlichen Exekutionsrecht als speziellere Norm vorgehe und eine Aufrechnung in den nach der EO pfändungsfreien Teil zulasse. Es bleibe demnach dem alleinigen Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen, die Höhe der Abzugsrate auf relativ niedrigem Niveau festzulegen. An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof in den Folgejahren (vgl SSV-NF 12/85, 12/103 ua) sowie auch in jüngster Zeit nach der Änderung des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG durch das Steuerreformgesetz 2000 unter anderem unter Hinweis darauf, dass auch die mehrfachen umfangreichen Novellen der EO insoweit keine Änderung der Rechtslage gebracht haben, ausdrücklich festgehalten (10 ObS 119/01z, 10 ObS 152/01b, 10 ObS 252/01h, 10 ObS 300/01t ua). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, dass im Sinne eines "Grundrechtes auf Existenzsicherung" eine Aufrechnung nach § 103 Abs 2 ASVG in den pfändungsfreien Teil nicht zulässig sei, lässt sich daher aus der geltenden Rechtslage nicht ableiten (vgl 10 ObS 392/98i). Der erkennende Senat teilt auch nicht die von der Revisionswerberin gegen diese Rechtslage geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl SSV-NF 12/103, 10 ObS 119/01z, 10 ObS 300/01t ua).
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da zu den hier maßgebenden Rechtsfragen mittlerweile eine gefestigte Judikatur besteht, war keine Rechtsfrage von der in § 46 Abs 1 ASGG angesprochenen Qualität zu lösen. Für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit besteht daher kein Anlass.
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