Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 5. 11. 2010 wurde der Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension ab 1. 11. 2010 anerkannt. Diesem Bescheid lag zugrunde, dass zum Stichtag 1. 11. 2010 509 Versicherungsmonate vorlagen.
Am 30. 6. 2011 vollendete der Kläger das 65. Lebensjahr. Mit Bescheid vom 16. 3. 2012 sprach die beklagte Partei aus, dass die mit Bescheid vom 5. 11. 2010 festgestellte vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 7. 2011 als Alterspension gebühre (§ 130 GSVG) und mit dem Anfall der Alterspension der Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 68 GSVG erlösche.
Mit der gegen den Bescheid vom 16. 3. 2012 gerichteten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm die Alterspension gemäß § 130 GSVG rückwirkend ab 1. 7. 2011 unter Berücksichtigung von im Zeitraum Dezember 2006 bis Oktober 2010 erworbenen weiteren 47 Beitragsmonaten in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
Die beklagte Partei wendete ein, dass die Versicherungsbeiträge für den Zeitraum Dezember 2006 bis Oktober 2010 zum maßgeblichen Stichtag 1. 11. 2010 unberechtigt ausgehaftet haben und deshalb keine weiteren Versicherungszeiten erworben wurden, die für den Bezug der Alterspension Berücksichtigung hätten finden können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, dass zum Stichtag 1. 11. 2010 insgesamt 509 Versicherungsmonate vorlagen, die bis einschließlich November 2006 erworben worden seien. Ab Dezember 2006 hätten zum Stichtag 1. 11. 2010 die Versicherungsbeiträge für die 47 strittigen Beitragsmonate noch unberichtigt ausgehaftet. Die Höhe des Beitragsrückstands habe für den Zeitraum 1. 7. 2007 bis 31. 10. 2010 11.243,09 EUR betragen. Zum Zeitpunkt 1. 7. 2011 seien noch rund 6.300 EUR unbeglichen gewesen. Zwischenzeitig seien die offenen Beiträge für den Zeitraum Dezember 2006 bis Oktober 2010 mittels Aufrechnung auf die Pensionsleistung vollständig entrichtet worden.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass Beitragszeiten Zeiten der Beitragspflicht nach dem GSVG oder nach dem Gewerblichen Selbstständigen-Pensionsversicherungsgesetz seien, wenn die Beiträge fristgerecht und wirksam entrichtet worden seien. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen seien Beitragsgrundlagen nur dann zu berücksichtigen, wenn die hierauf beruhenden Beiträge fristgerecht, vollständig und wirksam entrichtet wurden. Beiträge, die nach dem Stichtag für einen anderen Zeitraum als für das letzte dem Stichtag unmittelbar vorangehende Kalendervierteljahr und für das Kalendervierteljahr, in das der Stichtag fällt, geleistet werden, seien für die Leistung aus dem eingetretenen Versicherungsfall unwirksam (§ 118 Abs 1 GSVG). Eine nachträgliche Beitragsentrichtung habe für Zeiten vor dem Stichtag somit grundsätzlich keine Wirksamkeit. Für den strittigen Zeitraum Dezember 2006 bis Oktober 2010 liege zufolge § 118 Abs 1 GSVG eine auf den Stichtag 1. 11. 2010 rückwirkende Beitragsentrichtung nicht vor. Einer der in § 118 Abs 2 GSVG vorgesehenen Ausnahmefälle sei nicht gegeben.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, gemäß § 131 Abs 4 GSVG (in der bis zum 30. 6. 2004 geltenden Fassung) gebühre die bescheidmäßig zuerkannte vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer bei Vollendung des 65. Lebensjahres bei männlichen Versicherten ab dem folgenden Monatsersten als Alterspension weiter. Es komme zu einem Übergang unter Berücksichtigung allfälliger, nach dem Stichtag zusätzlich erworbener Beitragszeiten. Maßgeblicher Stichtag sei im vorliegenden Fall der 1. 11. 2010, also der Stichtag der Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer. Das Erreichen des Regelpensionsalters sei nicht geeignet, einen neuerlichen Stichtag für die Berechnung der Alterspension auszulösen. Es komme zu keiner Neuberechnung der Pension. Da die Beiträge für die strittigen 47 Monate verspätet entrichtet worden seien, haben diese Zeiten für die Berechnung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer und damit in weiterer Folge auch für die Alterspension unberücksichtigt zu bleiben, weil die Zeiten der Beitragspflicht vor dem Kalendervierteljahr gelegen seien, das dem Stichtag 1. 11. 2010 vorangegangen sei.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 115 Abs 1 Z 1 GSVG sind Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz als Beitragszeiten anzusehen, wenn die Beiträge wirksam (§ 118 GSVG) entrichtet worden sind. Obwohl somit auch die Pensionsversicherung nach dem GSVG auf dem Grundsatz der von Gesetzes wegen eintretenden Pflichtversicherung aufgebaut ist und der Beginn der Pflichtversicherung nicht von der Erstattung der Anmeldung abhängt, genügt es für den Anspruch auf die Leistung nicht, dass während einer bestimmten Dauer der Erwerbstätigkeit von Gesetzes wegen Pflichtversicherung bestanden hat; erst die tatsächliche Entrichtung der Beiträge für einen bestimmten Zeitraum qualifiziert die betreffende Zeit im Leistungsrecht als Beitragszeit. Zeiten der Beitragspflicht sind somit erst nach wirksamer Entrichtung der Beiträge Beitragszeiten. Unwirksame Beiträge wirken sich auf die Pension nicht aus, und zwar weder auf den Pensionsanspruch noch auf die Pensionshöhe (10 ObS 56/10y, SSV‑NF 24/30).
2. Beiträge, die nach dem Stichtag für einen anderen Zeitraum als für das letzte dem Stichtag unmittelbar vorangehende Kalendervierteljahr und für das Kalendervierteljahr, in das der Stichtag fällt, geleistet werden, sind für die Leistung aus dem eingetretenen Versicherungsfall unwirksam (§ 118 Abs 1 GSVG). Der Zweck des § 118 Abs 1 GSVG liegt darin, zu verhindern, dass der Versicherte durch spekulative Überlegungen das Versicherungsrisiko einseitig zu Lasten des Versicherungsträgers verschiebt (VwGH 99/08/0011). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, es sei zu differenzieren, ob der Beitragsrückstand entstanden sei, weil die Zahlungen aus freien Stücken und rein spekulativen Überlegungen zu Unrecht einbehalten worden seien oder das Entstehen des Beitragsrückstands ‑ wie in seinem Fall ‑ auf eine unverschuldete finanzielle Notlage am Ende seiner beruflichen und unternehmerischen Tätigkeit zurückzuführen sei. Die Anwendung des § 118 Abs 1 GSVG auch in dieser Situation würde den Normzweck unterlaufen und eine Verfassungswidrigkeit wegen eines schwerwiegenden und in der damaligen finanziellen Notlage nicht vorhersehbaren Eingriffs in wohlerworbene Rechte begründen.
Auf dieses Vorbringen ist aber schon deshalb nicht einzugehen, weil es sich von den getroffenen Feststellungen entfernt, steht doch die Ursache für den Beitragsrückstand gar nicht fest. Insofern ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0043312). Im Übrigen besteht für die vom Kläger im Hinblick auf die Ursache für das Entstehen des Beitragsrückstands angestrebte unterschiedliche Betrachtungsweise kein Anlass. Die Regelung des § 118 Abs 1 GSVG soll nämlich sicherstellen, dass die Beitragsschuldner ihre Beiträge rechtzeitig entrichten, zumal die Pensionsversicherungsträger nur mittels der im Umlageverfahren ‑ im Rahmen der Riskengemeinschaft ‑ geleisteten Beiträge ihren Leistungsverpflichtungen nachkommen können. Ein Abgehen von dieser Regelung hätte überdies eine Vermehrung des Verwaltungsaufwands zum Gegenstand, weil die Berücksichtigung solcher nachgeleisteter Beiträge bei der Pensionsbemessung eine Neuberechnung der Pension nach sich ziehen müsste (vgl dazu den Erlass des BMAS 21.891/200‑1/92 vom 22. 12. 1992 ‑ teilweise abgedruckt in ARD 4433/32/93).
2. In der Sozialversicherung gilt der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung nicht. Es wird in Kauf genommen, dass es in manchen Fällen trotz Leistungen von Pflichtbeiträgen zu keiner Versicherungsleistung kommt (10 ObS 297/99w ua). An dieser Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt festgehalten (VfGH 14. 3. 1997 G 392/96, G 398/96, G 399/96; VfGH 9. 6. 1999, G 48‑55/99). Auch mit dem Vorbringen, der Revisionswerber habe einen Nachteil dadurch erlitten, dass er nicht einem Sanierungsverfahren den Vorzug gegeben hat, wodurch er der exekutionsweisen Aufrechnung mit dem pfändungsfreien Teil der Pensionsleistung entgehen hätte können, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
3. Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung voraus (P. Bydlinski in KBB3, § 7 ABGB Rz 2). Das Gesetz ist in einem solchen Fall ‑ gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie ‑ ergänzungsbedürftig, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS‑Justiz RS0008866). Der Revisionswerber unternimmt aber gar nicht den Versuch, aufzuzeigen, worin im gegebenen Zusammenhang eine vermeintliche Rechtslücke konkret bestehen soll. Seine bloße Meinung, eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 118 Abs 2 lit h GSVG sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke nicht (RIS‑Justiz RS0008757 [T2]). Es steht den Gerichten nicht zu, ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und eine Regelung zu schaffen, deren Herbeiführung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge (RIS‑Justiz RS0008866 [T16]; RS0098756 [T3 und T5]).
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