OGH 10Ob8/18a

OGH10Ob8/18a20.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Mag. Ziegelbauer sowie Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch Gillhofer Plank, Rechtsanwälte GesbR in Wien, wegen 65.000 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2017, GZ 5 R 129/17b‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E120915

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist Herstellerin eines rezeptpflichtigen hormonellen Kontrazeptivums („Anti‑Baby‑Pille“), das die Klägerin einnahm. Im Jahr 2015 erlitt die Klägerin eine tiefliegende Sinusthrombose und einen Schlaganfall.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie den Zuspruch von 65.000 EUR an Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche kausale Gesundheitsschäden einschließlich der Spät- und Dauerfolgen mit dem Vorbringen, die Beklagte habe im Beipackzettel nicht auf das mit der Einnahme verbundene Thromboserisiko ausreichend hingewiesen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1. Zur Instruktionspflicht des Herstellers gehört es, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen (RIS‑Justiz RS0071549[T1]). Der Hersteller hat den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik ausreichend zu beobachten und nach Bekanntwerden der Nebenwirkungen durch ausdrückliche Warnung seiner Instruktionspflicht nachzukommen (RIS‑Justiz RS0071549 [T3]).

2. Ihrem Inhalt nach müssen Warnhinweise klar und allgemein verständlich formuliert sein. Das spezielle Risiko ist in seiner ganzen Tragweite möglichst eindrucksvoll zu schildern. Die Instruktion muss daher geeignet sein, das Risiko einer Rechtsgutverletzung zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0071554). Warnhinweise müssen umso deutlicher ausfallen, je größer das Ausmaß der potentiellen Schadensfolgen und je versteckter die Gefährlichkeit ist (RIS‑Justiz RS0071554 [T1]). Kann die Verwendung des Produkts mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Menschen verbunden sein, so dürfen Warnhinweise nicht im sonstigen Text „versteckt“ werden. Die Hinweise müssen eine Art der drohenden Gefahr deutlich herausstellen und Funktionszusammenhänge klar machen, sodass erkennbar wird, warum das Produkt gefährlich ist (RIS‑Justiz RS0111166). Inhalt und Umfang der Instruktionen sind nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benutzergruppe auszurichten (RIS‑Justiz RS0026022 [T4]). Ob bestimmte Produktinstruktionen erforderlich sind, entscheidet sich regelmäßig nach der Kasuistik des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0026022 [T5]).

3. Von diesen Grundsätzen weicht die Entscheidung der Vorinstanzen nicht ab, aufgrund der im Beipackzettel an verschiedenen Stellen enthaltenen ausführlichen und allgemein verständlich formulierten Hinweise auf das Thromboserisiko liege kein Instruktionsfehler vor (§ 5 PHG). Die Rechtsansicht, die Leserin gewinne unmissverständlich den Eindruck, dass es sich beim Risiko einer Thrombose um ein wichtiges Risiko handle, ist nicht korrekturbedürftig. Die Wiedergabe von risikoerhöhenden Faktoren und Zahlenmaterial zum Eintritt dieses Risikos (bezogen auf 10.000 Frauen pro Jahr mit und ohne Einnahme dieses Präparats oder gleichartiger Präparate mit anderen Wirkstoffen) ermöglicht auch aus Sicht eines medizinischen Laien dessen realistische Abschätzung.

4.1 Was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, ist eine Rechts- und keine Tatfrage (RIS‑Justiz RS0107605 [T3]). Dies trifft auch auf die Frage zu, ob das Produkt aufgrund ungenügender Warnhinweise fehlerhaft ist, weil die Gebrauchsinformation für Laien nicht genügend verständlich ist. Der gerügte rechtliche Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

4.2 Auch mit den Ausführungen zu den Gesundheitswarnungen auf Zigarettenpackungen mittels schockierender Bilder wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, weil für Rauchtabakerzeugnisse die kombinierten gesundheits-bezogenen Warnhinweise (schriftlichen Warnhinweise sowie die Bilderbibliothek) im Detail gesetzlich vorgegeben sind (siehe §§ 5 ff Tabak‑ und Nichtraucherinnen‑ bzw Nichtraucherschutzgesetz, BGBl 1995/431 idgF und die Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zwecks Einrichtung der Bibliothek mit bildlichen Warnhinweisen, die auf Tabakerzeugnissen zu verwenden sind, sowie die Delegierte Richtlinie 2014/109/EU der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Änderung von deren Anhang II).

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