European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00076.15X.1001.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die 16‑jährige L***** M***** lebt im Haushalt ihrer Mutter, die mit der Pflege und Erziehung betraut ist. Der Vater von L***** M***** war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs vom 10. 1. 2012, GZ 3 Pu 107/09z‑18, zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 350 EUR für sie verpflichtet.
Am 6. 12. 2012 beantragte der Vater (im Folgenden: nur „Antragsteller“) die „Herabsetzung der monatlichen Alimente“ für L***** M*****, da er „seit 8. 10. 2012 arbeitslos gemeldet“ sei. Der Versuch des Erstgerichts, im Wege einer Rechtshilfevernehmung des Antragstellers eine Präzisierung dieses Antrags zu erreichen, blieb erfolglos, da die Ladung unbefolgt blieb. Auch auf eine schriftliche ‑ den Hinweis auf § 9 Abs 3 AußStrG enthaltende ‑ Aufforderung zur Präzisierung des Antrags reagierte der Antragsteller nicht. Daraufhin wies das Erstgericht den Antrag mit Beschluss vom 4. 3. 2013 (ON 29) mangels Präzisierung unter Hinweis auf § 9 Abs 3 AußStrG zurück. Dieser Beschluss blieb unbekämpft.
Mit dem ‑ den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden ‑ Antrag vom 20. 2. 2014 beantragte der Antragsteller erneut die Herabsetzung des von ihm für L***** M***** monatlich zu leistenden Unterhalts. Diesen Antrag präzisierte er in der Folge dahingehend, dass er eine Herabsetzung der monatlichen Unterhaltszahlungen ab 1. 10. 2012 auf 100 EUR begehre (ON 45). Er habe am 8. 10. 2012 seine Anstellung aufgrund einer chronischen Erkrankung verloren und sei arbeitssuchend gemeldet. Trotz Bemühungen sei es ihm bisher nicht gelungen, eine Arbeitsstelle zu finden. Er habe auch seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinen zwei weiteren Kindern nachzukommen.
Die durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger vertretene Minderjährige stimmte einer Herabsetzung der monatlichen Unterhaltszahlungen auf 100 EUR erst ab 1. 3. 2014 zu (ON 54).
Das Erstgericht setzte die bisherigen monatlichen Geldunterhaltsbeiträge wie folgt herab:
für den Zeitraum 1. 10. 2012 bis 31. 12. 2012 auf monatlich 125 EUR;
für den Zeitraum 1. 1. 2013 bis 31. 10. 2013 auf monatlich 115 EUR sowie
für den Zeitraum ab 1. 11. 2013 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Minderjährigen, auf monatlich 100 EUR.
Das Mehrbegehren, die monatlichen Unterhaltsbeträge für den gesamten oben genannten Zeitraum auf 100 EUR herabzusetzen, wurde abgewiesen.
Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte das Erstgericht fest, dass der Antragsteller seit 8. 10. 2012 Bezieher von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe oder Krankengeld in Höhe von monatlich rund 932 EUR sei. Auch unter Anspannung aller seiner Kräfte sei er seit 1. 10. 2012 wegen einer chronischen Erkrankung am allgemeinen Arbeitsmarkt im Rahmen eines dauerhaften Teilzeit‑ oder Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vermittelbar. Er habe zwei weiteren Sorgepflichten gegenüber seinen 2009 und 2013 geborenen Söhnen nachzukommen.
Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, die Bemessungsgrundlage habe sich aufgrund der Erkrankung des Antragstellers derart geändert, dass eine Neubemessung gerechtfertigt sei. Die Höhe der Unterhaltspflicht ergebe sich unter Anwendung der Prozentwertmethode und der Berücksichtigung der weiteren Unterhaltspflichten. Die festgesetzten Unterhaltsbeträge entsprächen dem Leistungsvermögen des Antragstellers.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die monatliche Unterhaltspflicht des Antragstellers (erst) ab 1. 11. 2012 (bis 31. 12. 2012) auf monatlich 125 EUR herabsetzte und das entsprechende Mehrbegehren abwies. Im Übrigen wurde die Entscheidung des Erstgerichts bestätigt.
Rechtlich ging das Rekursgericht zusammengefasst davon aus, die Zurückweisung eines Antrags mangels Präzisierung beinhalte kein materiell‑rechtliches Absprechen über das gestellte Begehren sondern nur eine Zurückweisung aus formellen Gründen. Eine derartige Zurückweisung aus formellen Gründen hindere nicht ein erneutes konkretes Einbringen eines Rechtsschutzbegehrens und entfalte keine Rechtskraftwirkung in der Sache. Eine rein formelle Entscheidung bewirke keine „Antragssperre“ im Sinne einer eingetretenen Rechtskraft. Die Entscheidung des Erstgerichts sei aber insofern abzuändern, als Sachverhaltsänderungen erst mit dem nächsten Monatsersten, somit infolge des ab 8. 10. 2012 gegebenen Arbeitslosengeldbezugs ab 1. 11. 2012, zu berücksichtigen seien.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob ein rechtskräftiger Zurückweisungsbeschluss nach § 9 Abs 3 AußStrG eine „Antragssperre“ für diesen Zeitraum bewirke.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, im Umfang der Stattgebung des Herabsetzungsantrags für den Zeitraum 1. 10. 2012 (richtig: 1. 11. 2012) bis 28. 2. 2014 (Die Herabsetzung des Unterhalts auf 100 EUR ab 1. 3. 2014 blieb unbekämpft).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel, ua der Verstoß gegen die Rechtskraft, können auch dann im Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ vom Rekursgericht bereits verneint worden sind. Wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 66 Abs 1 AußStrG und des Fehlens einer § 519 ZPO vergleichbaren Bestimmung gibt es keine Grundlage für die Annahme einer diesbezüglichen Rechtsmittelbeschränkung ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 66 Rz 6; RIS‑Justiz RS0121265). Ein Revisionsrekurs ist daher auch insoweit meritorisch zu behandeln, als darin weiterhin entschiedene Rechtssache geltend gemacht wird (RIS‑Justiz RS0121265 [T2]).
2. Nach § 9 Abs 1 AußStrG muss der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Diese Bestimmung sieht also abweichend vom Zivilprozess geringere Bestimmtheits‑ erfordernisse für ein Begehren vor (3 Ob 63/15h mwN). Wird ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben, hat das Gericht gemäß § 9 Abs 2 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen. Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist ist gemäß § 9 Abs 3 AußStrG ein ziffernmäßig nicht bestimmter Antrag zurückzuweisen. Auf diese Rechtsfolge muss allerdings in der gerichtlichen Aufforderung (Abs 2) hingewiesen werden. Gegen den Zurückweisungsbeschluss ist ein Rechtsmittel zulässig.
3. Im vorliegenden Fall wurde der ursprüngliche Herabsetzungsantrag mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 4. 3. 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsteller seinen Antrag trotz entsprechender Aufforderung nach § 9 Abs 2 AußStrG nicht ziffernmäßig präzisiert habe (§ 9 Abs 3 AußStrG).
3.1 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass auch (formelle) Zurückweisungsbeschlüsse in materielle Rechtskraft erwachsen. Diese erstreckt sich aber nur auf den maßgeblichen Zurückweisungsgrund (RIS‑Justiz RS0007164). Ist der Zurückweisungsgrund ‑ wie hier durch die erfolgte Präzisierung ‑ weggefallen, hält dem die Rechtskraftwirkung des Zurückweisungsbeschlusses nicht stand. Damit stimmt die Ansicht des Rekursgerichts überein, durch den Zurückweisungsbeschluss vom 4. 3. 2013 stehe nur fest, dass dort einer meritorischen Erledigung die mangelnde Präzisierung des Antrags entgegengestanden sei, weshalb die Rechtskraftwirkung dieses Zurückweisungsbeschlusses die Sachentscheidung über einen späteren, ausreichend präzisierten Antrag nicht hindere. Dem Antragsteller stand es daher frei, einen den Erfordernissen des Gesetzes entsprechenden Herabsetzungsantrag neu zu stellen.
3.2 Das weitere Vorbringen der Revisionsrekurswerberin, der ursprüngliche Herabsetzungs‑ antrag wäre mit Beschluss vom 4. 3. 2013 „jedenfalls bis Dezember 2012 abgewiesen“ worden, steht nicht im Einklang mit der unstrittigen Aktenlage, weil es sich bei dem Beschluss vom 4. 3. 2013 ‑ wie bereits dargelegt ‑ nicht um eine inhaltliche (abweisende) Entscheidung über den Herabsetzungsantrag für einen bestimmten Zeitraum handelt, sondern um eine zurückweisende Entscheidung aus formellen Gründen.
4. Auch die weitere Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Antragsteller habe in seinen Stellungnahmen vom 12. 2. 2015 bzw 6. 3. 2015 seinen neuen Herabsetzungsantrag für den Zeitraum vom 1. 10. 2012 bis 28. 2. 2014 nicht zurückgezogen sondern weiterhin aufrechterhalten, ist nicht zu beanstanden. Den Äußerungen des Antragstellers ist weder ein generelles Einverständnis zu einer Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsbeiträge erst ab 1. 3. 2014 noch eine Zurückziehung seines Herabsetzungsantrags für den Zeitraum vom 1. 10. 2012 bis 28. 2. 2014 zu entnehmen. Der Antragsteller hat darin vielmehr immer auf seine durch seine chronische Krankheit herbeigeführte Arbeitslosigkeit verwiesen, die bereits seit 8. 10. 2012 bestanden hat.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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