OGH 10Ob65/16f

OGH10Ob65/16f25.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI H*****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Hellenische Republik, *****, vertreten durch Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 95.000 EUR sA, infolge des Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Juli 2016, GZ 4 R 67/16h‑33, mit dem über Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 7. April 2016, GZ 69 Cg 13/15h‑29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00065.16F.0425.000

 

Spruch:

Das Verfahren 10 Ob 65/16f wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 25. April 2017 zu 10 Ob 34/16x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt von der beklagten Hellenische Republik die Zahlung von 95.000 EUR samt Zinsen. Er habe über seine Depotbank im Weg eines Kommissionsgeschäfts Staatsanleihen der Beklagten erworben. Er sei Eigentümer dieser Anleihen und könne die sich aus dem Wertpapier ergebenden Rechte geltend machen. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten habe die Beklagte die vom Kläger erworbenen Staatsanleihen im Weg einer rechtswidrigen eigenmächtigen Enteignung in andere Anleihen konvertiert. Die Beklagte habe keine Zahlungen aus den Anleihen geleistet und werde ausschließlich als Emittentin und Schuldnerin in Anspruch genommen. Dem Kläger stehe ua auch ein vertraglicher Anspruch gegen die Beklagte zu; er stütze seine Ansprüche auf Einhaltung der Anleihebedingungen und begehre insbesondere die Erfüllung bzw Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Geltend gemacht werde ua (hilfsweise) auch die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012. Nach den Art 320–322 des griechischen Zivilgesetzbuchs sei der Erfüllungsort der Wohnsitz des Gläubigers.

Die beklagte Hellenische Republik beantragte die Zurück‑, hilfsweise die Abweisung der Klage. Soweit der Kläger den Gerichtsstand der Erfüllung gemäß Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 geltend mache, sei ihm entgegenzuhalten, dass zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestehe. Der Kläger sei auch nicht Gläubiger der Anleihe: dies seien die im Girosystem der griechischen Zentralbank registrierten Teilnehmer des Girosystems, zu denen weder der Kläger noch seine Depotbank gehörten. Ein Investor, daher ein Dritter, der nicht Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank sei, könne nach dem griechischen Gesetz Nr 2198/1994 keine Rechtsposition gegenüber der beklagten Hellenischen Republik erlangen. Der Kläger habe lediglich ein wirtschaftliches Interesse an den Anleihen mittels Gutschrift der Wertpapierrechnung von seiner Depotbank erworben. Die Beklagte habe als Emittentin zu keinem Zeitpunkt freiwillig irgendeine Verpflichtung gegenüber dem Kläger übernommen.

Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs des Klägers dahin ab, dass es den Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Klage wegen Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit abwies. Es bejahte das Vorliegen des Gerichtsstands gemäß Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012. Der Abschluss eines Vertrags sei nicht erforderlich, es genüge die einer anderen Person gegenüber freiwillig eingegangene Verpflichtung, auf die sich die Klage stütze. Beim Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung vertraglicher Pflichten handle es sich um einen Sekundäranspruch, für den ebenfalls der Vertragsgerichtsstand (Erfüllungsort) zur Verfügung stehe, wobei für die Zuständigkeit am Erfüllungsort für die Primärverpflichtung anzuknüpfen sei. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte gingen offensichtlich von der Anwendbarkeit griechischen Rechts aus. Art 321 des griechischen ZGB normiere, dass der Geldschuldner die ihm obliegende Leistung an dem Ort zu bewirken habe, an dem sich der Wohnsitz des Gläubigers befinde. Dieser sei im vorliegenden Fall in Österreich gelegen, sodass die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und die inländische Gerichtsbarkeit gegeben seien.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs aufgrund der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Kläger beantwortete Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem die Beklagte die Zurückweisung der Klage anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Im Verfahren 10 Ob 34/16x hat der Senat mit Beschluss vom 25. April 2017 ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den EuGH gerichtet. Die in diesem Ersuchen gestellten Rechtsfragen sind auch für das vorliegende Verfahren präjudiziell. Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Ein späteres Verfahren, das – wie hier – dieselben Rechtsfragen betrifft, ist daher aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (RIS‑Justiz RS0110583).

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