OGH 10Ob56/18k

OGH10Ob56/18k13.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* M*, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1. S* F*, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, und 2. I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 15.240 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revisionen der erst- und zweitbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. März 2018, GZ 10 R 84/17d‑51, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 28. September 2017, GZ 57 Cg 43/16k‑43, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122899

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 905,82 EUR (darin 150,97 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger kaufte über Vermittlung der zweitbeklagten Immobilienmaklerin zwei Grundstücke samt darauf errichtetem Haus von der Erstbeklagten. Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche des Klägers aus dem Fehlen der behördlichen Bewilligung für die Nutzung des Gebäudes als Zweifamilienhaus mit zwei selbständigen Wohneinheiten und aus der unterbliebenen Aufklärung über diesen Umstand.

Er begehrt die Zahlung von 15.240 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Mehrkosten zur Erlangung der behördlichen Bewilligung zur Nutzung als Zweifamilienhaus mit zwei selbständigen Wohneinheiten. Gegenüber der Erstbeklagten macht er hilfsweise die Vertragsaufhebung und Rückzahlung des Kaufpreises geltend.

Das Erstgericht wies das auf Schadenersatz, Gewährleistung und Irrtumsanfechtung gestützte Hauptbegehren sowie das Eventualbegehren gegen die Erstbeklagte ab und gab dem gegen die Zweitbeklagte erhobenen Klagebegehren statt. Es stellte fest, der Kläger hätte das Objekt in Kenntnis der fehlenden Bewilligungen erst nach deren Erlangung oder um einen niedrigeren Kaufpreis erworben. Im ersten Fall hätte die Erstbeklagte die erforderlichen Umbaukosten getragen; im zweiten Fall wäre der Kaufvertrag um einen für die Erlangung der Baubewilligung erforderlichen Kosten niedrigeren Kaufpreis zustande gekommen.

Rechtlich bejahte es eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Zweitbeklagten, weil diese aufgrund von Abweichungen der Pläne vom tatsächlichen Zustand Erkundigungen über das Vorliegen von Baubewilligungen einholen hätte müssen. Da dies unterblieben sei, habe der Kläger Anspruch auf den Ersatz des Vertrauensschadens. Dieser entspreche den Kosten, die zur nachträglichen Erlangung der Baubewilligung erforderlich seien.

Das Berufungsgericht gab der von der Zweitbeklagten erhobenen Berufung nicht, der vom Kläger erhobenen Berufung hingegen Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es dem Klage‑(haupt)‑begehren auch gegenüber der Erstbeklagten stattgab. Es liege ein Rechtsmangel vor, der zur Vertragsanpassung berechtige. Hinsichtlich der Haftung der Zweitbeklagten schloss sich das Berufungsgericht der Beurteilung des Erstgerichts an.

Es ließ die Revision nachträglich zu, weil zur Frage, inwieweit eine Wertsteigerung an einer Immobilie den Schädiger entlasten könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Mit ihren Revisionen streben die Beklagten die Klageabweisung, hilfsweise die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung(en) an.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstbeklagten ist verspätet.

Die Revision der Zweitbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Zur Revision der Erstbeklagten:

Der Antrag an das Berufungsgericht, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde (§ 508 Abs 1 ZPO), verbunden mit der ordentlichen Revision, ist nach § 508 Abs 2 ZPO binnen vier Wochen beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen. Die Tage des Postlaufs werden zwar nach § 89 Abs 1 GOG in prozessuale Fristen nicht eingerechnet, dies gilt jedoch nur dann, wenn der Schriftsatz an das richtige Gericht adressiert ist. Die unrichtige Adressierung einer fristgebundenen Eingabe schließt die Anwendung des § 89 GOG aus (RIS‑Justiz RS0041753 [T1, T2]). Wenn das Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet wurde, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS‑Justiz RS0041584). Das Rechtsmittel ist also nur dann rechtzeitig, wenn es spätestens am letzten Tag der Frist beim zuständigen Gericht, hier also beim Erstgericht, einlangt (RIS‑Justiz RS0041584 [T13]).

Das Urteil des Berufungsgerichts, in dem ausgesprochen wurde, dass die Revision nicht zulässig sei, wurde der Erstbeklagten am 28. 3. 2018 zugestellt. Letzter Tag der Frist des § 508 Abs 2 ZPO war daher der 25. 4. 2018. Die Erstbeklagte brachte am 24. 4. 2018 einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit der ordentlichen Revision beim Berufungsgericht ein. Dieses leitete ihn an das Erstgericht weiter, wo er am 2. 5. 2018, sohin erst nach Fristablauf, einlangte.

Die Revision der Erstbeklagten ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Zur Revision der Zweitbeklagten:

1.1. Bereicherungsansprüche stehen gegenüber Schadenersatzansprüchen nicht im Verhältnis der Subsidiarität (RIS‑Justiz RS0022770). Sie können miteinander konkurrieren, also bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen nebeneinander bestehen (9 ObA 89/17d), auch wenn die Schadenersatzansprüche gegen einen Dritten gerichtet sind (6 Ob 197/08a = RIS‑Justiz RS0022770 [T1]; Rummel in Rummel, ABGB³ Vor § 1431 Rz 25, Mader in Schwimann/Kodek, ABGB‑Praxiskommentar4 Vor § 1431 Rz 16).

1.2. Die Existenz einer Leistungskondiktion gegen einen Dritten begründet daher umgekehrt für den Schädiger nicht den Einwand, es sei kein Schaden entstanden (6 Ob 197/08a = RIS‑Justiz RS0022770 [T1]). In der Rechtsprechung ist vielmehr anerkannt, dass eine Geldforderung etwas anderes ist als der Besitz des Geldbetrags (RIS‑Justiz RS0022602 [T5]). Der Verfügung über einen präsenten Bargeldbetrag kann eine gleich hohe Geldforderung grundsätzlich nicht gleichgehalten werden, weil sie mit dem Risiko der Einbringlichkeit beziehungsweise der Rechtsverfolgung behaftet ist (RIS‑Justiz RS0022602 [T4, T6]). Dieser Grundsatz wurde in der Rechtsprechung nur für den Fall eingeschränkt, dass der Bereicherungsschuldner zur unverzüglichen Rückzahlung bereit und in der Lage ist (RIS‑Justiz RS0022602 [T4, T8]). Dass in solchen Fällen ausnahmsweise kein Schaden eingetreten ist, hat der Schädiger zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0022602 [T10]).

1.3. Das Revisionsvorbringen, durch die aus einer gewährleistungs- oder irrtumsrechtlichen Vertragsanpassung resultierenden Kondiktionsansprüche des Klägers gegen die Erstbeklagte sei einem auf Ersatz des überhöhten Kaufpreises gerichteten Schadenersatzanspruch gegen die Zweitbeklagte die Grundlage entzogen, zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht von der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Anlassfall abgewichen wäre. Dass der Kläger keinen Schaden erlitten hätte, weil die erstbeklagte Kondiktionsschuldnerin zur unverzüglichen Rückzahlung der Kaufpreisdifferenz an den Kläger bereit wäre, behauptet die Zweitbeklagte auch in ihrer Revision nicht; die Erstbeklagte hat ihre Zahlungspflicht im Verfahren zudem stets bestritten.

1.4. Auch mit ihrem Revisionsvorbringen, der Kläger könne seinen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Kaufpreises nicht erfolgreich sowohl gegen die Erst- als auch gegen die Zweitbeklagte geltend machen, zeigt die Zweitbeklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Gefahr einer Doppelliquidation aufgrund des angefochtenen Urteils ist nicht ersichtlich. Erfolgt in einem Exekutionstitel die Verurteilung mehrerer Verpflichteter – wie hier – nicht ausdrücklich zur ungeteilten Hand, so kann gegen den einzelnen Verpflichteten Exekution nur zur Hereinbringung des auf ihn entfallenden Kopfteils geführt werden (RIS‑Justiz RS0000451; anders wenn getrennte Exekutionstitel über dieselbe Forderung vorliegen: 3 Ob 255/06f).

1.5. Schließlich wird auch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des für die Schadensbemessung relevanten Zeitpunkts aufgezeigt, weil es für die Beurteilung, ob dem Kläger angesichts seiner Ansprüche gegen die Erstbeklagte ein Schaden entstanden ist, nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens der Kondiktionsansprüche ankommt. Entscheidend ist vielmehr, dass Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche zueinander nicht in einem Verhältnis der Subsidiarität stehen, sondern miteinander konkurrieren (vgl RIS‑Justiz RS0022770). Die Revision führt auch nicht aus, dass die Konkurrenz von Ansprüchen hinsichtlich der Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftigen Mehraufwand nach abweichenden Grundsätzen zu beurteilen wäre.

2. Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung der zweiten Instanz im Kostenpunkt richtet, ist sie absolut unzulässig. § 528 Abs 2 Z 3 ZPO schließt die Überprüfung der Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof aus (RIS‑Justiz RS0044228, RS0104146, RS0044233).

3. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revisionen der Beklagten, nicht aber auf die Verspätung der Revision der Erstbeklagten hingewiesen. Seine Revisionsbeantwortung diente daher nur hinsichtlich der Zweitbeklagten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Er hat daher gegenüber der Zweitbeklagten gemäß § 41 Abs 1, § 46 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO Anspruch auf Ersatz der Hälfte seiner Revisionsbeantwortungskosten.

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