OGH 10Ob516/95

OGH10Ob516/9520.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Johannes H*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des KR Alois R*****, Kaufmann, *****, S 82/94 des Landesgerichtes Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) Mag.Christine K*****, Hausfrau, *****, 2) Mag.Herbert T*****, Angestellter, *****, und 3) Dipl.Ing.Peter T*****, Angestellter, *****, alle vertreten durch Dr.Walter Scherlacher und Dr.Susanne Tichy-Scherlacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 9. März 1994, GZ 21 R 462/93-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 19. August 1993, GZ 33 C 1390/92b-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

a) den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Das durch Konkurseröffnung unterbrochene Verfahren wird wieder aufgenommen;

b) zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Salzburg vom 5.10.1992, AZ 33 C 1390/92b, als rechtswirksam erkannt wird.

Die beklagten Parteien sind schuldig, die im Haus *****, N*****straße *****, im ersten Stock der ostwärtigen Hälfte des Hauses gelegene Wohnung, bestehend aus einem Vorzimmer, vier Wohnzimmern, einer Küche samt Speisekammer, einem Kabinett, einem WC, einem Bad sowie Anteilen am Dachboden, Keller und an der gemeinsamen Abstellgarage binnen 14 Tagen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 15.807,22 bestimmten Prozeßkosten erster Instanz (darin S 2.544,54 USt und S 540,-- Barauslagen), die mit S 10.572,96 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 1.562,16 USt und S 1.200,-- Barauslagen) sowie die mit S 6.004,03 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 700,67 USt und S 1.800,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die drei Beklagten sind 1979 in den Mietvertrag ihrer Eltern, die gekündigte (ca 150 m2 große) Wohnung betreffend, eingetreten. Im schriftlichen Mietvertrag wurde monatliche Mietzinszahlung vereinbart. Unter Punkt 7. dieses Mietvertrages ist hinsichtlich der Kündbarkeit angeführt: "Dieser Vertrag ist vierteljährlich im Feber-, Mai-, August- und November-Termin kündbar. Die Aufkündigung hat gerichtlich zu erfolgen." Die Erstbeklagte studierte bis vor zwei Jahren in Wien, ist verheiratet und hat ein Kleinkind. Die aufgekündigte Wohnung wird von ihr nicht mehr für Mietzwecke verwendet, sie hat auch sonst kein wesentliches Interesse an dieser Wohnung. Der Drittbeklagte lebt seit 1977 ständig mit seiner Familie in der Bundesrepublik Deutschland. Er arbeitet in E*****. In S*****hat er beruflich nie regelmäßig zu tun. Er bewohnt die aufgekündigte Wohnung nur dann wenn er mit seiner Familie aus familiären Gründen nach Österreich kommt, vor allem zu den Schulferienzeiten seiner beiden Kinder. Wenn er nach S*****kommt, besucht er auch seine Mutter und erledigt zu einem sehr geringfügigen Teil Wege in ihrem Interesse. Die Mutter der drei Beklagten leidet an der Alzheimer Krankheit und befindet sich seit 1989 in einem Pflegeheim in S*****in ständiger Betreuung. Sie ist absolut pflegebedürftig und nicht imstande irgendwelche persönlichen Dinge für sich zu erledigen. Der Zweitbeklagte ist mit einer in W*****ansässigen Rechtsanwältin verheiratet und hat keine Kinder. Das Ehepaar bewohnt eine Wohnung in W*****, der Zweitbeklagte ist darüberhinaus noch an der Adresse der aufgekündigten Wohnung gemeldet. Wenn er Beteiligungsgesellschaften im süddeutschen Raum, aber auch in Tirol und Vorarlberg besucht, nächtigt er hin und wieder in dieser Wohnung. Er würde aber jederzeit Hotelübernachtungen von seinem Arbeitgeber ersetzt erhalten. Seit dem Jahr 1992 wird die gekündigte Wohnung von ihm im Durchschnitt etwa siebzig Tage im Jahr benutzt. Er kommt durchschnittlich jedes zweite Wochenende in diese Wohnung; dieser Aufenthalt wird in der Mehrzahl der Fälle durch berufliche Tätigkeit im Raume S*****am Freitag oder Montag verlängert. Vereinzelt hält er sich auch unter der Arbeitswoche in S*****und damit in dieser Wohnung auf. Die privaten Gründe seines Aufenthaltes in S*****sind die Betreuung der pflegebedürftigen Mutter. Häufig begleitet ihn auch seine Ehegattin. Den Mittelpunkt seines familiären und beruflichen Interesses hat der Zweitbeklagte in W*****.

Das Erstgericht bewilligte am 5.10.1992 die gerichtliche Aufkündigung dieser Wohnung für den letzten Tag des Monates März 1993. Die Kündigung wurde der Erstbeklagten am 13.10.1992, dem Zweitbeklagten am 14.10.1992 und dem Drittbeklagten am 7.12.1992 zugestellt. Als Kündigungsgründe wurden geltend gemacht, daß die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der drei Beklagten diene und von ihnen auch nicht regelmäßig verwendet werde. Ihre Abwesenheit sei nicht nur kurzzeitig und nicht nur durch Kur-, Unterrichtszwecke oder berufliche Gründe gegeben. Hilfsweise (allerdings nicht mehr im Rechtsmittelverfahren) wurde geltend gemacht, daß die Beklagten vom Bestandgegenstand erheblich nachteiligen Gebrauch machten (§ 30 Abs 2 Z 3 und 6 MRG).

Auf Grund der Einwendungen der beklagten Parteien hob das Erstgericht die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. In der ausführlichen Darstellung der Rechtslage führte es aus, die Kündigung sei zeitgerecht, weil wegen fehlender Bestimmtheit der vertraglichen Regelung zu den gesetzlichen Terminen zu kündigen sei (§ 560 Abs 1 Z 2 lit d ZPO). Der Kündigungsgrund des erheblichen nachteiligen Gebrauches sei nicht genügend konkretisiert. Das Schwergewicht der Kündigung liege auf dem Grund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG. Bei der Erstbeklagten und beim Drittbeklagten fehle jegliches Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses. Beim Zweitbeklagten gäbe es zwar kein schutzwürdiges Interesse wegen seiner Berufsausübung, wohl aber wegen der moralischen Verpflichtung, seine Mutter zu betreuen. Damit liege ein Kündigungsgrund nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG liege hinsichtlich des Zweitbeklagten nicht vor. Der Mittelpunkt seiner Familie liege zwar in W*****, die aufgekündigte Wohnung sei aber weiter ein wesentlicher Teil des familiären Lebens des Zweitbeklagten. Seine häufigen Besuche in S*****dienten objektiv dem Wohl seiner Mutter und formten die Lebensgestaltung wesentlich dahin, daß die Wochenenden etwa zur Hälfte dort und damit unter Benützung dieser Wohnung verbracht würden. Darüberhinaus verstärke sich sein Interesse an dieser Wohnung durch seine berufliche Tätigkeit, die "ihm seinen gelegentlichen Einsatz im Raume von S*****bringe" und wofür das Bedürfnis nach einer Wohnung bestehe. Den Ausführungen des Erstgerichts zur Frage des Kündigungstermins werde beigetreten. Der Bestandgegenstand sei auch ausreichend bezeichnet, weil die Nebenräumlichkeiten auch ohne Anführung von der Kündigung mit umfaßt seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Die Beklagten erstatteten eine Revisionsbeantwortung und beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Da über das Vermögen des Klägers nach Einbringung der Revision mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 16.9.1994 der Konkurs eröffnet wurde, trat gemäß § 7 Abs 1 KO die Unterbrechung dieses Rechtsstreits ein (Beschluß des Senates vom 10.10.1994, 10 Ob 522/94). Auf Grund des vom nunmehrigen Masseverwalter am 10.7.1995 gestellten Wiederaufnahmeantrages war mit Beschluß auszusprechen, daß das unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen wird (§ 164 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und gerechtfertigt.

Nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG kann der Vermieter den Mietvertrag kündigen, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist. Beweispflichtig für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung ist der Vermieter. Voraussetzung für diesen Kündigungsgrund ist einerseits das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken und andererseits der Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 39 zu § 30 MRG; Würth in Rummel ABGB2, Rz 31 zu § 30 MRG; ImmZ 1992, 297; WoBl 1993, 139). Nach ständiger Rechtsprechung erfüllt die Benützung zweier Wohnungen an sich noch nicht den genannten Kündigungsgrund, wenn der Mieter - oder eintrittsberechtigte Personen - die Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr oder mehrere Tage in der Woche als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt benützen (Würth aaO, Rz 32; Würth-Zingher aaO, Rz 41; MietSlg 40.458; WoBl 1993, 139; 2 Ob 522/94 ua). Die Wohnung darf nicht nur als gelegentliches Absteigequartier verwendet werden; das Interesse der Wohnung muß über das der bloßen Bequemlichkeit hinausgehen (WoBl 1993, 139 mwN; 2 Ob 522/94 ua). Es genügt für die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, wenn die Wohnung zumindest in mancher Beziehung noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist; nicht entscheidend ist es hingegen, ob dem Mieter im Hinblick auf das Vorhandensein der Zweitwohnung die Aufgabe der aufgekündigten Wohnung unter Umständen zugemutet werden könne (1 Ob 559/78; 7 Ob 699/82; 1 Ob 596/92 ua). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb schon ausgesprochen, daß eine nur fallweise Benützung der Wohnung zur Einnahme des Mittagessens (1 Ob 674/88) oder zur Vornahme einzelner Verrichtungen wie baden und Wäsche waschen (7 Ob 516/89) zur Annahme einer Benützung der Wohnung für Wohnzwecke nicht ausreichen. Wenn es auch für die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses genügen mag, daß die aufgekündigte Wohnung zumindest in mancher Beziehung noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist (so MietSlg 40.459), muß dies hier bei den festgestellten Wohnverhältnissen und der Art der Benützung der Wohnung durch den Zweitbeklagten verneint werden. Die durchschnittliche Benützung der Wohnung etwa 70 Tage im Jahr aus Gründen der Betreuung einer in einem Pflegeheim untergebrachten pflegebedürftigen Mutter deutet zweifellos darauf hin, daß die Aufenthalte des Zweitbeklagten in Salzburg familiären Charakter haben, stellt aber keine regelmäßige Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken dar und begründet auch nicht ein dringendes Wohnbedürfnis (ähnlich 3 Ob 1567/92 für 40 bis 50 Übernachtungen jährlich). Auch soweit der Zweitbeklagte berufsbedingt unterwegs ist, benützt er die Wohnung offensichtlich nur aus Bequemlichkeit; schon das Erstgericht hat darauf verwiesen, daß ihm sein Dienstgeber allfällige Hotelkosten ersetzen würde. Auf das Vorbringen der klagenden Partei, die Mutter der Beklagten sei am 30.12.1994 in Salzburg verstorben, kann allerdings wegen des im Rechtsmittelverfahren herrschenden Neuerungsverbotes nicht eingegangen werden.

Zur Frage des Kündigungstermines ist der Rechtsansicht der Vorinstanzen beizutreten, daß die Vertragsbestimmung "vierteljährlich im Feber-Mai-August und November-Termin kündbar" zu unbestimmt ist, um die gesetzlichen Kündigungstermine des § 560 Abs 1 Z 2 lit d ZPO zu verdrängen. Den Vorinstanzen ist auch darin zu folgen, daß die vorliegende Aufkündigung nicht an Unbestimmtheit scheitert. Auf die Frage, ob das Bestandverhältnis gegenüber anderen Mitmietern aufgekündigt werden kann, wenn nur einer von mehreren Mitmietern das Bestandobjekt regelmäßig benützt (vgl dazu EvBl 1991/152 = WoBl 1992, 20 = RZ 1993, 54) braucht nicht mehr eingegangen zu werden, weil der Kündigungsgrund hinsichtlich aller drei Beklagter verwirklicht ist. Demnach sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Rechtswirksamerklärung der Kündigung iS des § 572 ZPO abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Aufkündigung ist allerdings nur nach TP 2 des RAT zu honorieren, weil sie sich auf die Anführung der Kündigungsgründe beschränkte und keine Sachverhaltsdarstellung enthielt.

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