Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Sache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des Mj wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 19.10.1979 gemäß § 55 a EheG geschieden. Mit Beschluß des BG Innere Stadt Wien vom 19.12.1979 wurde der von den Eltern anläßlich der Scheidung geschlossene Vergleich, nach dem der mj Boris in Pflege und Erziehung der Mutter verbleiben sollte, pflegschaftsbehördlich genehmigt. Der Vater war zuletzt aufgrund einer mit der Mutter getroffenen Vereinbarung vom 3.4.1981, die vom BG Innere Stadt Wien pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.600 S verpflichtet. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12.8.1994 wurde dem Vater über seinen Antrag die Obsorge über den Mj übertragen; nach der unwidersprochen gebliebenen Behauptung des Vaters habe die Mutter den Mj aus der Wohnung gewiesen, und er wohne tatsächlich bereits beim Vater.
Am 18.10.1994 beantragte der Vater, die Mutter zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.200 S ab Juni 1994 zu verpflichten. Der begehrte Betrag entspreche etwa 20 % des Einkommens der Mutter und sei diese auch unter Berücksichtigung ihrer Sorgepflicht für ein weiteres Kind zur Leistung eines Unterhaltes in der begehrten Höhe imstande. Dies entspreche auch den Bedürfnissen des Minderjährigen. Die Mutter habe sich zur Leistung von Unterhalt in diese Höhe auch ausdrücklich bereiterklärt.
Die Mutter vertrat die Ansicht, daß der Vater zur Stellung des Antrages auf Unterhaltsfestsetzung nicht berechtigt sei. Da der Vater gegenüber dem Minderjährigen selbst unterhaltsverpflichtet sei, liege eine Interessenkollision vor; es wäre daher ein Kollisionskurator zu bestellen. Der Antrag bedürfe auch der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Im weiteren beantragte sie die Festsetzung der ihr obliegenden Unterhaltsleistung in einer monatlichen Höhe von nur 700 S. Der Minderjährige lebe tatsächlich nicht im Haushalt des Vaters, sondern alleine in einer von diesem zur Verfügung gestellten Wohnung. Da der Vater den Haushalt, in dem das Kind lebe, nicht führe, komme § 140 Abs 2 ABGB nicht zur Anwendung. Auch der Vater sei daher zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtet. Da er über ein monatliches Nettoeinkommen von 100.000 S verfüge, sie selbst aber nur eine monatliche Arbeitslosenunterstützung von 10.000 S beziehe, errechne sich der von ihr zu leistende Unterhalt nur mit 700 S. Ein Anerkenntnis sei von ihrer Seite nicht abgegeben worden; eine solche Erklärung wäre überdies anfechtbar und wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Das Erstgericht verpflichtete die Mutter mit (rechtskräftigem) Beschluß vom 28.11.1994 (ON 37) zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes für den Minderjährigen von 700 S und behielt die Entscheidung über das übersteigende Begehren vor.
Mit Beschluß vom 28.2.1995 (ON 45) verpflichtete es die Mutter für die Zeit vom 1.6.1994 bis 31.8.1994 zusätzlich zur bereits aufrechten Unterhaltsleistung von 700 S zur Leistung eines weiteren Betrages von monatlich 2.500 S, sohin insgesamt 3.200 S und für die Zeit ab 1.9.1994 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von insgesamt 2.000 S und wies für diese Zeit das Mehrbegehren von 1.200 S ab. Dabei legte es seiner Entscheidung zu Grunde, daß die Mutter bis einschließlich August 1994 in Beschäftigung gestanden sei und hieraus (ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen) ein Einkommen von 18.983 S monatlich netto bezogen habe. Ab 1.9.1994 sei an sie ein monatliches Krankengeld von 10.443,60 S und ab 21.11.1994 ein monatliches Arbeitslosengeld von ca 10.506 S ausgezahlt worden. Sie habe noch für die mj Olivia D***** zu sorgen. Der mj Boris befinde sich in der Obsorge des Vaters. Nach ständiger Rechtsprechung betrage der Unterhaltsanspruch eines 15 - 19 jährigen Kindes 22 % des anrechenbaren Nettoeinkommens, wobei allerdings hier die weitere Sorgepflicht für ein Kind durch einen Abzug von zwei Prozentpunkten zu berücksichtigen sei. Die Mutter habe daher 20 % ihres Nettoeinkommens zu leisten, was einem Betrag von 3.200 S bzw 2.000 S entspreche. Da sich das Kind in der Obsorge des Vaters befinde, leiste dieser dadurch seinen Beitrag zum Unterhalt.
Das Rekursgericht gab dem von der Mutter gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs teilweise Folge (ON 48, 45 R 270/95), bestätigte ihn hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung für die Zeit bis 31.8.1994 und änderte ihn im übrigen dahin ab, daß es das monatlich 700 S übersteigende Begehren zur Gänze abwies. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, daß der Vater über ein überdurchschnittliches Einkommen verfüge. Da er obsorgeberechtigt sei, sei er, entgegen dem von der Mutter vertretenen Standpunkt sehr wohl dazu legitimiert, die Unterhaltsansprüche gegen den nicht obsorgeberechtigten Elternteil geltend zu machen. Aus dem Akteninhalt ergebe sich kein sicherer Anhaltspunkt dafür, daß Vater und Sohn nicht in gemeinsamem Haushalt lebten. Aber selbst wenn man diesbezüglich den Behauptungen der Mutter folgte und davon ausginge, daß keiner der Elternteile Leistungen im Sinne des § 140 Abs 2 ABGB erbringe, wäre für sie daraus letztlich nichts gewonnen. Nach der Rechtsprechung hätten dann, wenn keiner der Eltern seinen Beitrag durch Versorgung des Kindes leiste, beide unter Berücksichtigung der eigenen Leistungsfähigkeit zum Unterhalt in Form einer Geldleistung beizutragen. Wenn nicht gegen beide Eltern ein gemeinsamer Titel geschaffen werde, sei die Leistungsfähigkeit jedes der beiden Elternteile zu berücksichtigen, die Unterhaltsquoten der Eltern aeien nach ihrer Leistungsfähigkeit zu bestimmen. Hier sei lediglich ein Antrag auf Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung gegen die Mutter gestellt worden. In diesem Rahmen sei allerdings auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang der mj Boris weitere Unterhaltsansprüche gegenüber dem Vater habe. Dies insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 140 Abs 2 Satz 2 ABGB, wonach der Elternteil, der den Haushalt führe, in dem das Kind lebe, über diese Beitragsleistung hinaus zum Unterhalt des Kindes beizutragen habe, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande sei. Dies bedeute, daß unabhängig davon, ob der Minderjährige im Haushalt des obsorgeberechtigten Elternteiles zur Gänze betreut werde, für die Höhe des vom nicht betreuenden Elternteil zu erbringenden Geldunterhaltes primär dessen Leistungsfähigkeit zu prüfen sei. Nur in diesem Rahmen könne seine Unterhaltsverpflichtung festgesetzt werden, während darüber hinausgehende Ansprüche des Kindes vom anderen Elternteil zu befriedigen wären. Ausgehend von diesen Grundsätzen entspreche die Verpflichtung der Mutter zur Leistung eines Unterhaltsbetrages von monatlich insgesamt 3.200 S für die Zeit bis 31.8.1994 sowohl der Leistungsfähigkeit der Mutter wie auch den Bedürfnissen des Kindes. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mutter nur mehr Krankengeld bzw Arbeitslosengeld bezogen habe, könne es im Hinblick auf die geringe Höhe dieses Einkommens nicht zur vollen Auschöpfung des Prozentwertes kommen; eine Unterhaltsleistung von monatlich 2.000 S überstiege die Leistungsfähigkeit der Mutter. Diese sei vielmehr nicht in der Lage mehr als monatlich 700 S zum Unterhalt des Kindes beizutragen. Für den übersteigenden Betrag werde der Vater aufzukommen haben und dies auch dann, wenn das Kind in seinem Haushalt lebe.
Am 1.6.1995 beantragte der Vater, die Mutter ab Antragstag zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von insgesamt 3.200 S zu verpflichten. Sie sei wieder berufstätig und verfüge über ein Einkommen, das ihr eine Leistung in dieser Höhe ermögliche. Der Vater habe weitere Sorgepflichten und überdies zwei Haushalte zu versorgen (einen in Niederösterreich und einen in Wien), so daß die Unterhaltsleistung der Mutter für die Versorgung des Sohnes auch notwendig sei. Der Minderjährige wohne in der Wohnung in Wien, verbringe aber die Wochenenden im Haus des Vaters in Niederösterreich, während der Vater 1 bis 2 mal wöchentlich in der Wohnung in Wien nächtige und sich dort aufhalte; er trage auch alle Kosten dieser Wohnung. Es sei daher davon auszugehen, daß er seinen Beitrag durch die persönliche Obsorge im Sinne des § 140 Abs 2 ABGB leiste.
Die Mutter vertrat neuerlich den Standpunkt, daß der Vater zur Stellung des Antrages nicht legitimiert sei, weil eine Interessenkollision vorliege. Dies insbesondere auch im Hinblick auf das gespannte Verhältnis zwischen den geschiedenen Ehegatten; der Vater trage seine persönlichen Auseinandersetzungen mit der Mutter auch im Weg der Anträge auf Unterhaltsverpflichtung aus und er versuche, die Verpflichtung der Mutter zu unangemessen hohen Unterhaltsleistungen zu erreichen. Es lägen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kollisionskurators vor. Der Antrag sei auch inhaltlich unrichtig, weil sie nur über ein Einkommen von 15.990 S monatlich verfüge. Der Vater beziehe ein Einkommen von mindestens 100.000 S monatlich. Da er den Minderjährigen nicht versorge, dieser vielmehr in der Wohnung in Wien allein lebe, habe auch der Vater Geldunterhalt zu leisten. Die festgesetzte Unterhaltsverpflichtung von monatlich 700 S entspreche der Relation der Einkommen.
Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zu einer Unterhaltsleistung von 3.200 S monatlich. Im Hinblick auf die Höhe des monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommens von 19.339 S entspreche eine Unterhaltsleistung in dieser Höhe der Leistungsfähigkeit der Mutter, zumal der festgesetzte Betrag noch unterhalb der Prozentkomponente liege. Eine Leistung in dieser Höhe sei auch zur Deckung des Bedarfes des Minderjährigen erforderlich. Der Vater leiste seinen Beitrag dadurch, daß er die Obsorge über das Kind ausübe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Interessenkollision liege nicht vor. Ihr Wesen bestünde darin, daß im konkreten Fall ein Widerstreit zwischen den Interessen des Pflegebefohlenen und seines gesetzlichen Vertreters bestehe. Die Judikatur fordere das Vorliegen eines objektiven Tatbestandes, bei dem die Interessen auch eines pflichtbewußten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm Vertretenen zuwiderlaufen könnten. Eine Kollision sei von der Mutter nicht dargestellt worden. Es sei nicht erkennbar, wie weit in der Antragstellung ein solcher Interessenwiderstreit zum Ausdruck kommen könnte. Es ergäben sich aus dem Akt wohl Hinweise darauf, daß der Vater regelmäßig in Niederösterreich, der Minderjährige hingegen in der Wohnung in Wien lebe. Dem komme aber entscheidende Bedeutung nicht zu. Es sei den erstgerichtlichen Ausführungen zu folgen, daß der Vaters seinen Beitrag dadurch leiste, daß sich das Kind in seiner Obsorge befinde. Diesbezüglich werde auf die Entscheidung 45 R 270/95 verwiesen. Bei Festsetzung des Geldunterhaltes des nicht betreuenden Elternteiles sei primär dessen Leistungsfähigkeit zu prüfen, seine Unterhaltsverpflichtung sei nur im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit festzusetzen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Unterhaltserhöhungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil durch die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhebliche Rechtsgrundsätze verletzt werden. Er ist auch berechtigt.
Nicht beigetreten werden kann allerdings der Auffassung der Rekurswerberin, der Vater sei nicht berechtigt, Unterhaltsansprüche des Minderjährigen gegen sie zu verfolgen, es bedürfe vielmehr der Bestellung eines Kollisionskurators.
Nach § 271 ABGB muß das Gericht "in Geschäften, welche zwischen Eltern und einem minderjährigen Kinde ... vorfallen, angegangen werden", für die Minderjährigen einen besonderen Kurator zu ernennen. "Geschäfte" im Sinne dieser Gesetzesstelle sind zB ein- und mehrseitige Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen, Rechtsverhältnisse, Rechtsstreit und behördliche Verfahren; der Begriff ist so weit zu fassen, wie Kollision im materiellen Sinn droht (RZ 1966, 163; Pichler in Rummel, ABGB2 I §§ 271, 272 Rz 3). Eine solche Kollision droht, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzterer geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetz oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Voraussetzung für die Kuratorbestellung ist Kollision im formellen und materiellen Sinn (Pichler in Rummel aaO Rz 1, 2; 10 Ob S 5/95). Eine solche Kollision wurde etwa in einem Fall bejaht, in dem beide Eltern namens des Kindes jeweils gegen den anderen Elternteil Unterhaltsfestsetzungsanträge stellten; in einem solchen Fall träten zwangsläufig beide Elternteile in einer Doppelfunktion auf, was ein Vorgehen nach § 271 ABGB erforderlich mache (10 Ob S 517, 520/95 mwN). In diesem Fall lag eine Kollision im formellen Sinn vor.
Dagegen ist grundsätzlich jener Elternteil, der das Sorgerecht über den Minderjährigen ausübt, zur Antragstellung im Unterhaltsverfahren legitimiert. Allein der Umstand, daß dem sorgeberechtigten Elternteil regelmäßig ein gewisses eigenes Interesse an der Unterhaltsfestsetzung zukommt, muß er doch im Fall der Leistung eines geringeren Unterhaltes mit eigenen Mitteln einspringen, bildet keinen Grund für die Bestellung eines Kollisionskurators. Im übrigen zeigen die Ausführungen des Rechtsmittels nur eine Kollision der Interessen der Eltern, nicht aber einen das Verhältnis zwischen dem Minderjährigem und dem Vater betreffenden Interessenwiderstreit auf. Nur für den letzteren Fall sieht aber § 271 ABGB die Bestellung eines Kollisionskurators vor.
Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß der Frage, ob der Minderjährige mit dem Vater in gemeinsamem Haushalt lebt, keine entscheidende Bedeutung zukomme, kann nicht beigetreten werden.
Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Gemäß § 2 dieser Bestimmung leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. § 140 Abs 2 ABGB stellt eine Sonderbestimmung für Fälle dar, in denen ein Elternteil tatsächlich regelmäßig Leistungen im Rahmen der Betreuung des Kindes erbringt. Während nach § 140 Abs 1 ABGB beide Eltern nach ihren Kräften zur Leistung von (Geld)Unterhalt verpflichtet sind, wird in Abs 2 bestimmt, daß der Elternteil, der das Kind versorgt, dadurch seinen Beitrag leistet. Die Verpflichtung zur Alimentierung in Geld tritt in diesem Fall zurück und besteht nur in dem Fall, daß der nichtbetreuende Ehegatte nicht im erforderlichen Maß Unterhalt zu leisten vermag. In den Materialien zum Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes werden als Betreuungsleistungen zwar nur die Zubereitung der Nahrung, die Instandhaltung der Kleidung und Wäsche sowie die Pflege im Krankheitsfall aufgezählt; der in Wahrheit viel weitere Begriff der Betreuung umfaßt jedoch nicht nur die für die körperliche Pflege des Minderjährigen notwendigen Leistungen, sondern auch die Überlassung der Wohnung zur Mitbenützung und vor allem auch die geistig seelischen Erziehungsmaßnahmen, die sich in Geld nicht ausdrücklich lassen (7 Ob 592/92; 10 Ob S 517, 520/95). Gelegentliche Besuche eines im übrigen getrennt lebenden Minderjährigen stellen die Voraussetzungen für den Tatbestand nach § 140 Abs 2 ABGB nicht her.
Wird das Kind danach nicht von einem der Ehegatten betreut, so findet § 140 Abs 2 ABGB nicht Anwendung und die Unterhaltsbestimmung ist nach § 140 Abs 1 ABGB anteilig vorzunehmen. Anteilig bedeutet nicht schlechthin halb zu halb, sondern "im Verhältnis zu den Kräften". Die Unterhaltsbemessung kann in diesen Fällen nicht isoliert für einen Elternteil erfolgen, die Bestimmung der Höhe des Unterhaltsbeitrages hat vielmehr auch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des anderen Elternteiles zur Voraussetzung (idS auch Pichler in Rummel2 § 140 ABGB Rz 7). Befindet sich das Kind nicht in Obsorge der Eltern, ist bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit von den Unterhaltsbemessungsgrundlagen jeweils der Betrag abzuziehen, der für den eigenen Unterhalt erforderlich ist; sodann sind die für den Gesamtunterhalt des Kindes erforderlichen Beträge im Verhältnis der Restsummen aufzuteilen (EvBl 1991/166 = ÖAV 1992, 21).
Es kommt daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes auch für den Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber der Mutter darauf an, ob es vom anderen Teil, hier also vom Vater, tatsächlich betreut wird. Geschieht dies nicht, so steht dem Kind nämlich gegen beide Elternteile ein Anspruch auf Leistung des seinen Bedürfnissen und den Lebensverhältnissen und der Leistungsfähigkeit beider Eltern entsprechenden Unterhalts in Geld zu und jeder Elternteil und somit hier auch die Mutter hat zu dem sich auf diese Weise ergebenden Unterhaltsanspruch nur anteilig in dem dargelegten Ausmaß beizutragen.
Im fortgesetzten Verfahren wird daher vor allem zu prüfen sein, ob der Vater den Minderjährigen tatsächlich betreut. Ist dies nicht der Fall, so wird der Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern nach § 140 Abs 1 ABGB zu beurteilen sein. Jedenfalls werden aber die Einkommensverhältnisse des Vaters zu klären sein. Diesen kommt nicht nur für den Fall Bedeutung zu, daß der Unterhalt im Sinne der obigen Ausführungen nach § 140 Abs 1 ABGB zu bestimmen ist, sie sind auch für den Fall relevant, daß der Vater das Kind tatsächlich betreuen sollte. Verfügt nämlich der das Kind betreuende Elternteil über ein im Vergleich zum anderen Elternteil beträchtlich höheres Einkommen, aus dem der Unterhalt desselben zur Gänze oder zum Großteil geleistet wird oder geleistet werden kann, so daß die dem anderen Teil zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Betrachtung aller Umstände nicht mehr ins Gewicht fällt, so könnte dies zu einer weitgehenden Einschränkung bzw auch zum Wegfall der Alimentationspflicht führen (EFSlg 64.966).
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