OGH 10Ob32/15a

OGH10Ob32/15a23.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau, Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Franz Dorninger, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Wien, wegen Anfechtung eines Kaufvertrags und Zahlung von 14.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2015, GZ 3 R 14/14x‑53, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom 23. Dezember 2013, GZ 10 Cg 137/12k‑46 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00032.15A.0623.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte, ein Kfz-Händler, verkaufte dem Kläger, der ein Unternehmen betreibt, am 1. Juni 2012 einen gebrauchten PKW BMW X5 3,0 D, Baujahr 2003 um einen Kaufpreis von 14.500 EUR. Der Kläger wollte das Fahrzeug für betriebliche Zwecke nutzen. Aufgrund diverser Mängel hatte das Fahrzeug zum Kaufzeitpunkt nur einen maximalen Wert von 6.000 EUR. Der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen funktionsfähigen Fahrzeugs lag im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei ca 15.000 EUR.

Im Zuge der Besichtigung erklärte der Kläger, er suche ein Fahrzeug zum Fahren und Betreiben ohne nennenswerte Reparaturen, um damit im Rahmen seines Unternehmens einen 3‑Tonnen Anhänger zu ziehen. Er betonte, Wert auf ein funktionstüchtiges, verkehrstüchtiges und betriebssicheres Fahrzeug zu legen. Der Beklagte bezeichnete daraufhin das gegenständliche Fahrzeug als „genau das Richtige“ für den Kläger. Er versicherte, es sei betriebs- und verkehrssicher, lediglich das Getriebe „rupfe“ leicht; dieses Problem sei durch Nachfüllen von Öl behebbar. Der Beklagte wusste aber, dass aufgrund des „rupfenden“ Getriebes in Kürze ein kapitaler Getriebeschaden auftreten könnte und das Fahrzeug dann nicht mehr fahrbar wäre. Dennoch sagte er dies dem Kläger nicht und erläuterte nicht die Ursachen und Folgen eines „rupfenden“ Getriebes.

Tatsächlich trat bald nach der Übergabe des Fahrzeugs ein gravierender Getriebeschaden auf.

Gestützt auf Arglist, Irrtum, Schadenersatz, Gewährleistung und Verkürzung über die Hälfte begehrt der Kläger die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückzahlung des Kaufpreises von 14.500 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Der Beklagte beantragte die Klageabweisung und wendete ‑ soweit für das Revisionverfahren noch wesentlich - zusammengefasst ein, er habe den Kläger zu keinem Zeitpunkt getäuscht. Soweit ihm Mängel bekannt gewesen seien, habe er den Kläger davon in Kenntnis gesetzt und diese Mängel in der Folge fachgerecht beheben lassen. Den Zustand des Getriebes habe der Kläger akzeptiert und das Fahrzeug nach Preisverhandlungen mit Wissen vom Vorliegen eines Mangels am Getriebe vorbehaltlos übernommen, weshalb eine Aufhebung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte ausscheide. Sonstige Mängel seien im Zeitpunkt der Kaufübergabe nicht vorhanden gewesen. Sollten zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs aber doch Mängel vorhanden gewesen sein, wären sie geringfügig und nicht bekannt gewesen. Gewährleistungsansprüche seien vertraglich ausgeschlossen worden. Außerdem habe der Kläger nach der Übergabe eine rechtzeitige und unverzügliche Untersuchung des Fahrzeugs auf Vertragsgemäßheit pflichtwidrig unterlassen. Bei ordnungsgemäßer Untersuchung wären ihm etwaig doch vorhandene weitere Mängel erkennbar gewesen. Eine Mängelrüge sei nur hinsichtlich des defekten Getriebes, nicht erneuerter Querlenker und der Batterie erfolgt, nicht aber hinsichtlich der anderen aufgetretenen Mängel. Diese (anderen) Mängel seien verspätet und unkonkretisiert geltend gemacht worden. Ein Nachschieben einer Mängelrüge sei unzulässig. Sollte dennoch eine Rückabwicklung erfolgen, werde aufrechnungsweise eine Gegenforderung aus Benützungsentgelt und Wertminderung eingewendet.

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Aufhebung des Kaufvertrags statt, erkannte das Zahlungsbegehren mit 14.500 EUR und die Gegenforderung mit 500 EUR als zu Recht bestehend und sprach dem Kläger 14.000 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs zu. Das Mehrbegehren von 500 EUR sowie ein Zinsenmehrbegehren wurden abgewiesen.

Da ein beidseitig unternehmensbezogenes Geschäft vorliege sei der Gewährleistungsverzicht wirksam. Seiner Pflicht zur Untersuchung habe der Käufer durch Vornahme einer Probefahrt Genüge getan. Nach Auftreten des Getriebeschadens habe er den Beklagten ohne weitere Verzögerung verständigt und sei (hinsichtlich des Getriebeschadens) seiner Rügeobliegenheit nachgekommen. Grobe Fahrlässigkeit, die die Obliegenheit zur Rüge überhaupt entfallen lasse, habe beim Beklagten nicht festgestellt werden können. Da der Kläger vom Beklagten nicht einmal die Hälfte des gemeinen Werts seiner Leistung als Gegenleistung erhalten habe, sei der Vertrag wegen Verkürzung über die Hälfte mit Wirkung ex tunc aufzuheben und rückabzuwickeln. Der Gesetzgeber habe im UGB bewusst die laesio enormis nicht unter die Ansprüche gereiht, die nach § 377 Abs 2 UGB eine rechtzeitige Mängelrüge erfordern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm ‑ mit zwei Ausnahmen ‑ die Feststellungen des Erstgerichts und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, nach der die Berufung auf die Verkürzung über die Hälfte keine Mängelrüge iSd § 377 Abs 1 UGB voraussetze. Eine planwidrige Gesetzeslücke in § 377 Abs 2 UGB sei zu verneinen.

Die Revision wurde mit dem Hinweis auf das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zugelassen, ob die Anfechtung eines als beidseitig unternehmensbezogenes Geschäft geschlossenen Kaufvertrags wegen Verkürzung über die Hälfte nach § 934 ABGB eine rechtzeitige Mängelrüge iSd § 377 Abs 1 UGB voraussetze.

In seiner Revision nimmt der Beklagte genau auf diese Frage Bezug und vertritt unter Hinweis auf zahlreiche Lehrmeinungen die Ansicht, in dem Umstand, dass § 377 Abs 2 UGB den Anspruch nach § 934 ABGB nicht erwähne, liege ein dem Gesetzgeber unterlaufenes Redaktionsversehen; auch im Fall der laesio enormis sei im Fall eines Unternehmergeschäfts eine rechtzeitige Mängelrüge erforderlich.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Auf die in der Revision dargestellte Rechtsfrage kommt es nicht an.

Der Kläger hat sich bereits in der Klage auf arglistige Täuschung berufen.

Das Berufungsgericht hat die Feststellung des Erstgerichts übernommen, wonach der Beklagte um die Möglichkeit wusste, dass schon in Kürze ein schwerer Getriebeschaden am Fahrzeug eintreten könnte. Trotzdem hat er den Kläger wahrheitswidrig beschwichtigt. Er hat zwar den Kläger über ein leichtes „Rupfen“ des Getriebes aufgeklärt, aber die Bedeutung des Mangels entgegen seinem eigenen Wissen heruntergespielt, indem er dem Kläger glauben machte, dieses Problem sei durch Nachfüllen von Öl behebbar. Dabei hatte ihm der Kläger mitgeteilt, dass er Wert auf ein betriebssicheres Fahrzeug lege und keine Reparaturen vornehmen wolle.

Darin liegt ein vorsätzliches Verschweigen des Mangels iSd § 377 Abs 5 UGB, sodass sich der Beklagte nicht auf die Rügeobliegenheit nach § 377 UGB berufen kann. Bei Abschluss eines Kaufvertrags trifft den Verkäufer nämlich eine Aufklärungspflicht, wenn der Käufer zum Ausdruck brachte, dass er auf einen bestimmten Punkt besonderen Wert legt (hier: die Betriebssicherheit) und daher informiert werden will; der Verkäufer muss dann den Käufer über solche Umstände aufklären, deren Bedeutung dieser mangels Fachkenntnis nicht erkennt, deren Kenntnis aber für seine Entscheidung zum Vertragsabschluss von maßgeblichem Einfluss gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0014823).

Da sich der Kläger, selbst wenn er eine rechtzeitige Mängelrüge unterlassen hätte, im Hinblick auf § 377 Abs 5 UGB auf laesio enormis (§ 934 ABGB) berufen darf, würde die Beantwortung der vom Berufungsgericht und in der Revision als erheblich bezeichneten Rechtsfrage bloß theoretischen Charakter haben (vgl RIS‑Justiz RS0111271 [T2]).

Die weiteren im Raum stehenden Mängel wurden ‑ soweit relevant ‑ rechtzeitig gerügt.

Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes ist das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der Kläger hat sich in seiner Revisionsbeantwortung ausschließlich materiell mit dem Revisionsvorbringen auseinandergesetzt und nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Er hat daher die Kosten seiner nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

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