OGH 10Ob30/21s

OGH10Ob30/21s14.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Dr. Dieter Perz und Dr. Georg Wallner, Rechtsanwälte in Hallein, wegen Zustimmung zur Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert 7.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 9. Juli 2021, GZ 22 R 140/21y‑26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 25. März 2021, GZ 1 C 959/18t‑22, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00030.21S.1214.000

 

Spruch:

Der Rekurswird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin enthalten 104,42 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 82 der KG * R* mit dem Grundstück 91/3, das auf einem bewaldeten Hügel liegt und auf dem sich ein Wochenendhaus befindet. Der beklagte Landwirt war bei Klagseinbringung Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 6 derselben Katastralgemeinde mit den Grundstücken 102 (Widmung „Baufläche“, „Landwirtschaftlich genutzt“ und „Sonstige“) und 91/1 (Widmung „Wald“).

[2] Mit Kaufvertrag vom 8. 12. 1964 hatte die Rechtsvorgängerin des Klägers von den Rechtsvorgängern des Beklagten das damals neu gebildete Grundstück 91/3 erworben. In Punkt 6 des Kaufvertrags hatten die Verkäufer der Käuferin damals unter anderem das Recht eingeräumt, „von der Wegparzelle 541/1 über die ihnen gehörigen Grundstücke 91/1 Wald, 103 und 91/1 letztere Parzellenbezeichnung richtig 102 zu gehen und soweit es möglich ist zu fahren“.

[3] Im Grundbuch ist unter Bezugnahme auf Punkt 6 dieses Kaufvertrags für das Grundstück 91/3 zu Gunsten der Liegenschaft EZ 82 und zu Lasten der Liegenschaft EZ 6 die Dienstbarkeit des Gehrechts – nicht jedoch des Fahrrechts –auf den Grundstücken 98, 91/1, 100 und 102 eingetragen.

[4] Der Kläger stellt das Begehren, der Beklagte sei schuldig in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Fahrens, soweit als möglich, gemäß Punkt 6 des Kaufvertrags vom 8. 12. 1964 einzuwilligen, wobei die Dienstbarkeit in etwa in jenem Bereich verlaufe, der im Lageplan Beilage ./J, der einen integralen Bestandteil des Klagebegehrens bilde, nicht maßstabgetreu schraffiert eingezeichnet sei. Des weiteren stellt er mehrere Eventualbegehren.

[5] Er bringt zusammengefasst vor, aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei bisher eine grundbücherliche Eintragung des vereinbarten Fahrrechts unterblieben. Als Rechtsnachfolger der ursprünglichen Dienstbarkeitberechtigten stehe ihm das Recht auf Eintragung aufgrund des Kaufvertrags zu. Die Dienstbarkeit des Fahrrechts sei dem Beklagten und seinen Rechtsvorgängern immer bekannt gewesen und sei in Übergabsverträgen von 1980 und 2014 ausdrücklich übernommen worden. Weiters berufe er sich auch auf die Ersitzung des Dienstbarkeitsrechts des Fahrens. Seit dem Erwerb der Liegenschaft im Jahr 1979 sei er stets über die Grundstücke 102 und 91/1 zu seinem Grundstück 91/3 zugefahren.

[6] Der Beklagte wendet ein, das Klagebegehren entspreche nicht den Bestimmtheitserfordernissen des § 12 GBG. Infolge jahrelanger Nichtbeantragung der Einverleibung sei auf das Fahrrecht verzichtet worden. Seine Rechtsvorgänger hätten die Liegenschaft im Vertrauen auf den Grundbuchsstand erworben und daher ohne Belastung der Dienstbarkeit des Fahrens übernommen. Eine Ersitzung der Dienstbarkeit des Fahrens habe nicht stattgefunden.

[7] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und sämtliche Eventualbegehren ab.

[8] Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, dass der – einen Bestandteil des Urteils bildende – Lageplan Beilage ./J ein Ausdruck aus dem SAGIS (= Salzburger Geografischen Informationssystem) im Maßstab 1 : 490 ist, auf dem zumindest teilweise die Grundtücke 91/1 und 102 sowie 91/3 und auch die öffentliche Straße abgebildet sind. In dieses Orthofoto wurde freihändig schraffiert ein bogenförmiger Grundstreifen eingezeichnet, der von der öffentlichen Straße annähernd entlang dem Waldrand zunächst in Richtung Nordosten, dann bogenförmig bis in annähernd Richtung Nordwesten und schließlich durch den auf dem Grundstück 91/1 befindlichen Wald annähernd in Richtung Südwesten zum Grundstück 91/3 des Klägers führt. Überträgt man den sich aus der SAGIS-Abbildung ersichtlichen Maßstab auf die eingezeichnete schraffierte Fläche, weist diese Fläche in der Natur eine Breite von knapp 5 m bis ca 6 m auf.

[9] Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, sämtliche Klagebegehren entsprächen nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 12 GBG. Im Hinblick darauf, dass an Pläne als Grundlage für im Grundbuch einzutragende Rechte strenge Anforderungen zu stellen seien, reiche die schraffierte, ausdrücklich als nicht maßstabsgetreu bezeichnete Einzeichnung in Beilage ./J nicht aus. Soweit in den beiden ersten Eventualbegehren auf die Beilage ./J als Grundlage für die Grundbuchseintragung Bezug genommen werde, seien daher auch diese Klagebegehren als zu unbestimmt abzuweisen. Wenn im dritten und vierten Eventualbegehren die Einverleibung gemäß Punkt 6 des Kaufvertrags vom 8. 12. 1964 – somit ohne räumliche Beschränkung in Ansehung der gesamten Grundstücke 102 und 91/1 – begehrt werde, sei die Umschreibung des Fahrrechts mit der Wortfolge „soweit es möglich ist“ ebenfalls zu unbestimmt. Das fünfte Eventualbegehren enthalte nicht einmal den Versuch der Präzisierung des Ausmaßes der Dienstbarkeit, sondern habe nur das „Fahren auf den Grundstücken 102 und 91/1 der EZ 6“ zum Inhalt.

[10] Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Klägers das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurück. Um den Erfordernissen des Bestimmtheitsgebots des § 12 GBG zu entsprechen, genüge es für eine Klage auf Duldung der Einverleibung eines Wegerechts, wenn Inhalt und Umfang des im Grundbuch einzutragenden Rechts möglichst bestimmt angegeben werden. Ein Plan oder eine Situationsskizze sei nur beizubringen, wenn Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit nicht eindeutig beschrieben werden können. Der Anschluss eines Plans sei auch dann entbehrlich, wenn Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit mit den Grundstücksgrenzen zusammenfallen. Eine objektiv nachvollziehbare Beschreibung eines konkreten Servitutsweges sei im vorliegenden Fall schon deshalb nicht möglich, weil in der Natur kein Weg existiert habe und die Ausübung der Dienstbarkeit nach Punkt 6 des Kaufvertrags nicht auf einen räumlichen Teil des Grundstücks beschränkt sei. Dieser Vertragspunkt sei so zu verstehen, dass der Dienstbarkeitsberechtigte berechtigt sein solle, das (dienende) Grundstück überall dort zu befahren, wo ihm das Fahren möglich sei. Die Formulierung „... und soweit es möglich ist zu fahren“ beziehe sich somit nicht auf einen räumlichen Teil des dienenden Grundstücks, sondern auf die Art der Nutzung („Gehen“ oder „Gehen und Fahren“). Davon ausgehend habe der Kläger sein Begehren (zulässigerweise) von sich aus räumlich auf die im Lageplan schraffierte Fläche eingegrenzt. Da das Klagebegehren ausreichend bestimmt iSd § 12 GBG sei, sei das Ersturteil aufzuheben und eine Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens zum weiteren divergierenden Parteienvorbringen erforderlich.

[11] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands sowohl hinsichtlich des Hauptbegehrens als auch hinsichtlich jedes der Eventualbegehren 30.000 EUR übersteige. Der Rekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage bestehe, ob die Formulierung des Punktes 6 des Kaufvertrags „zu gehen und soweit es möglich ist zu fahren“ die räumliche Abgrenzung der Dienstbarkeitsfläche bedeute und auch die auf eine Teilfläche beschränkte klageweise Geltendmachung zulässig sei. Weiters sei auch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage vorhanden, ob bei einer auf Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Fahrens gerichteten Klage die Bestimmtheitserfordernisse für bücherliche Eintragungen nach dem Grundbuchgesetz zu beachten seien.

Rechtliche Beurteilung

[12] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch ist der Rekurs des Beklagten wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

[13] In seinem Rekurs macht der Beklagte allein geltend, dass es für die Einverleibung einer Dienstbarkeit, die sich nicht auf einen gesamten Grundbuchskörper beziehe, gemäß § 12 Abs 2 GBG einer präzisen Urkunde bedürfe. Nach der Rechtsprechung müsse nämlich aus den vorzulegenden Urkunden der räumliche Umfang der Dienstbarkeit klar ersichtlich sein. Dies sei bei der vom Kläger vorgelegten Urkunde mit einer handschriftlichen Einzeichnung nicht der Fall. Dem Bestimmtheitsgebot würde nur eine präzisere Skizze mit Kotierungen entsprechen. Das Urteilsbegehren sei infolge der unklaren und bestimmten Formulierung des Klagebegehrens, welches sich auf einen handschriftlichen Plan beziehe, nicht exekutierbar und daher auch nicht eintragungsfähig.

[14] Auf die Auslegung der Formulierung „und soweit es möglich ist zu fahren“ durch das Berufungsgericht geht der Beklagte in seinem Rekurs nicht ein.

[15] Dem Rekursvorbringen ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu entnehmen.

[16] Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Urteil, das die Grundlage für die Eintragung einer Servitut sein soll, die erforderlichen Bestimmungsmerkmale der Dienstbarkeit, also auch deren Umfang enthalten (RIS‑Justiz RS0123635).

[17] Nach der bereits vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung ist für eine ausreichend präzise Gestaltung des Begehrens im Zusammenhang mit einer Dienstbarkeit des Fahrens erforderlich, den behaupteten Servitutsweg objektiv nachvollziehbar zu beschreiben. Ein Plan (oder eine Situationsskizze) muss einer Klage auf Duldung und Einverleibung eines Wegerechts nicht zwingend beigelegt werden (RS0004510). Derartige Unterlagen sind aber dann beizubringen, wenn Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit nicht eindeutig beschrieben werden können (RS0004510 [T2]; 7 Ob 519/88). In diesem Fall ist jedoch für die Beschreibung des Wegerechts keine Bezugnahme auf einen exakten Lage‑ oder Vermessungsplan erforderlich, sondern es genügt eine Skizze, aus der sich der Verlauf des begehrten Fahrrechts ergibt (vgl zuletzt 1 Ob 128/18g = RS0123635 [T4]).

[18] Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die gewählte Umschreibung des Verlaufs des Servitutsweges mittels des in das Klagebegehren als integralen Bestandteil aufgenommenen Lageplans und der darin eingezeichneten schraffierten Fläche entspreche in ausreichender Weise dem Bestimmtheitsgebot des § 12 GBG, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, die keinen von einem Fachmann (Geometer) erstellten Plan mit Kotierungen verlangt, sondern es als ausreichend ansieht, dass aus dem Plan bzw der Skizze der als Servitutsfläche in Anspruch genommene Grundstreifen nachvollziehbar hervorgeht (Höllwerth in Deixler‑Hübner, EO [31. Lfg Dezember 2020] § 350 Rz 7).

[19] Der Rekurs ist daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als unzulässig zurückzuweisen.

[20] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist die Kostenentscheidung nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten (RS0123222 [T4]). Der Rekursgegner hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Im Rekursverfahren an den Obersten Gerichtshof gebührt – wegen Fehlens einer dem Berufungsverfahren entsprechenden Rechtsgrundlage in § 23 RATG – nicht der dreifache, sondern nur der einfache Einheitssatz für Nebenleistungen (vgl RS0115069).

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