OGH 10Ob205/99s

OGH10Ob205/99s5.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Julius K*****, Bahnhofstraße 38, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger und Dr. Günther Millner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1.) Margit K*****, Krankenschwester, 2.) Friedrich K*****, Keramiker, 3.) Rosina K*****, Pensionistin, und 4.) Angelika K*****, Studentin, alle *****, alle vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. März 1999, GZ 3 R 2/99g-19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerber haben die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels darauf gestützt, dass von den Vorinstanzen die Frage, ob es durch konkludente Zustimmung der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten zu einer Aufhebung der mit der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung vom 28. 11. 1997 gekommen sei, worin der Erstbeklagten unter anderem das unentgeltliche Recht eingeräumt worden war, mit ihrer Familie noch fünf Jahre in dem nunmehr von den Beklagten zu räumenden Haus zu wohnen, entgegen der ständigen Rechtsprechung zu Unrecht bejaht worden sei bzw dazu keine gefestigte Rechtsprechung vorliege.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger und einheitlicher Rechtsprechung für die Beurteilung der Konkludenz eines Verhaltens die Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind und das gesamte Verhalten der Vertragsteile berücksichtigt werden muß. Stillschweigen gilt zwar nicht schlechthin als Zustimmung, wohl aber dann, wenn der Schweigende nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder nach dem Gesetz hätte reden müssen, um den Eindruck der Zustimmung zu widerlegen, oder wenn dem Stillschweigen keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beigelegt werden kann (vgl Dittrich-Tades, ABGB35 E 18 ff und 51 ff zu § 863 mwN uva; RIS-Justiz RS0013958). Die Vorinstanzen haben sich an diesen Grundsätzen orientiert und sind aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles zum Ergebnis gelangt, dass eine konkludente Zustimmung der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten zu einer Aufhebung der Vereinbarung vom 28. 11. 1997 vorliege. Bei der Beurteilung, ob Umstände vorliegen, die "keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lassen", dass einem Verhalten ein bestimmter Rechtsfolgewille zu unterstellen ist, kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 16 zu § 863 mwN). Schon daraus folgt, dass die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen im Sinne des § 863 ABGB im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt (RIS-Justiz RS0043253). Es könnte daher nur die Überschreitung des dem Gericht eingeräumten Beurteilungsspielraumes, ein eklatantes Abweichen von Leitlinien der Judikatur zur Deutung des Schweigens zu einer Erklärung als konkludente Zustimmungserklärung die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen (vgl jüngst 5 Ob 337/98i). Ein solcher Beurteilungsfehler ist im konkreten Fall nicht zu erkennen.

Weiters wird die Zulässigkeit des Rechtsmittels darauf gestützt, dass die Bejahung der Passivlegitimation der Drittbeklagten (= Mutter des Zweitbeklagten) und der Viertbeklagten (= Tochter der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten) durch die Vorinstanzen im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung stehe, wonach dem Räumungskläger kein unmittelbares Klagerecht gegen einen Dritten zustehe, der sein Recht zum Wohnen vom Mieter oder sonstigen Wohnungsberechtigten ableiten könne.

Die gegen den titellosen Inhaber einer Wohnung eingebrachte Räumungsklage ist als Eigentumsklage zu beurteilen (Dittrich-Tades aaO E 14 zu § 366 mwN). Eine Räumungsklage wegen titelloser Benützung einer Liegenschaft oder von Teilen einer Liegenschaft setzt zu ihrem Erfolg voraus, dass das Recht des Liegenschaftseigentümers jeden Dritten von der Benützung auszuschließen, weder durch einen Mietvertrag noch durch eine andere obligatorische Vereinbarung, aus der der belangte Beklagte sein Recht unmittelbar ableitet, beschränkt ist. Solange daher ein das freie Eigentumsrecht beschränkendes Rechtsverhältnis aufrecht ist, kann der Eigentümer nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen, die ihr Benützungsrecht aus dem Recht seines Vertragspartners abzuleiten in der Lage sind und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen; er muß sich vielmehr vor Beendigung dieses Vertragsverhältnisses an seinen Vertragspartner halten. Nach allgemeinen Beweislastregeln hat der Kläger sein Eigentum und die Innehabung durch den Beklagten, dieser hingegen ein Recht zur Benützung der Sache zu behaupten und, ist es bestritten, auch zu beweisen (MietSlg 48.016 mwN uva).

Im vorliegenden Fall führen die Revisionswerber selbst zutreffend aus, dass der Drittbeklagten und Viertbeklagten aus der bereits erwähnten Vereinbarung vom 28. 11. 1997 keine unmittelbaren Rechte gegenüber der klagenden Partei erwachsen sind, sodaß von ihnen ein Benützungsrecht am streitgegenständlichen Wohnhaus nur aus ihrem familiären Verhältnis zur Erstbeklagten bzw zum Zweitbeklagten abgeleitet werden konnte. Wenn auch der Eigentümer nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen kann, die ihr Benützungsrecht aus dem Benützungsrecht des Vertragspartners des Eigentümers abzuleiten in der Lage sind und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen, so gilt das jedoch nur solange, als das Vertragsverhältnis zwischen dem Eigentümer und seinem Vertragspartner noch aufrecht ist, da sich der Eigentümer auch nur für die Dauer dieses Vertragsverhältnisses seines aus dem Eigentumsrecht hervorgehenden freien Verfügungsrechtes begeben hat (vgl MietSlg 46.020; 33.029; 26.034 uva). Da ein solches aufrechtes Vertragsverhältnis zwischen der klagenden Partei und der Erstbeklagten sowie dem Zweitbeklagten nicht mehr vorliegt, konnte die klagende Partei auch gegen die Dritt- und Viertbeklagte als titellose Benützer mit Räumungsklage vorgehen. Die Vorinstanzen haben somit die Passivlegitimation auch dieser beiden Beklagten zutreffend bejaht.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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