OGH 10Ob2009/96f

OGH10Ob2009/96f23.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, vertreten durch Dr.Amhof und Dr.Damian, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Franz T*****, ehem.Einzelprokurist der Firma Alfred F***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 889.067,36 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7.Dezember 1995, GZ 2 R 105/95-26, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Es kommt weder darauf an, ob der Beklagte in Entsprechung eines rechtmäßigen Alternativverhaltens die Dienstnehmer der GmbH hätte kündigen sollen noch, ob die Judikatur der Geschäftsführerhaftung für die Unterlassung des Konkurseröffnungsantrages auch auf den Prokuristen anwendbar ist.

Der Rekurswerber übersieht nämlich, daß er als Einzelprokurist der GmbH vom Strafgericht wegen §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden ist, fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt und in Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung der Firmengläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert zu haben, daß er (zusammen mit dem Geschäftsführer) neue Schulden einging und es verabsäumte, ein Insolvenzverfahren rechtzeitig zu beantragen.

Die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung wirkt für den Rechtskreis des Verurteilten, sodaß der Beklagte sich einer anderen Partei des Rechtsstreites gegenüber nicht darauf berufen kann, daß er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe (ecolex 1995, 790 = JBl 1996, 117.

§ 150 Abs 1 Z 2 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB, das den Schutz der Gesellschaftsgläubiger, darunter auch der Neugläubiger bezweckt (ÖBA 1988, 165; JBl 1990, 322 = WBl 1990, 187 = ÖBA 1990, 554 ua).

Die schuldhafte Verletzung desselben gegen die Klägerin als Gesellschaftsgläubigerin begründete daher die Haftung des Beklagten nach § 1311 Satz 2 Fall 2 ABGB.

Der Schadenersatzanspruch eines Neugläubigers bewegt sich bei schuldhafter Übertretung der Schutznorm des § 159 Abs 1 Z 2 StGB in der Höhe des Vertrauensschadens (ÖBA 1988, 620 = WBl 1989, 117 ua). Der Klagebetrag ist nur ein Teil der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, die nicht aus dem Insolvenzverfahren (Zwangsausgleich) und den weiteren Zahlungen eingebracht werden konnten. Daher ist die Frage, ob der Zwangsausgleich erfüllt wurde, nicht von Bedeutung, weil nur der Gemeinschuldner von der Zahlung des die Quote übersteigenden Ausfalles befreit wäre (Bartsch/Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rz 154, 315), nicht aber der aus einem Eigenverhalten Haftende. Der Klagebetrag ist daher bereits die Differenz zwischen den Dienstgeberbeiträgen, die bei rechtzeitiger Konkurseröffnung und Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht mehr aufgelaufen wären und dem, was die Sozialversicherung auf diese Beitragsschuld aus der Konkursmasse (Zwangsausgleich) tatsächlich erhalten hat (RdW 1988, 44). Das Entstehen weiterer neuer Beitragsschulden, die von früheren Konkursanträgen und deren Rückziehung durch die Klägerin nicht betroffen sein konnten, gegenüber dem Sozialversicherungsträger durch Weiterbeschäftigung von Dienstnehmern nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist als Eingehen neuer Schulden zu verstehen, so daß dem Sozialversicherungsträger die Stellung eines Neugläubigers zukommt (WBl 1989, 155), der durch die Schutznorm des § 159 Abs 1 Z 2 StGB Schutz genießt. Der Sozialversicherungsträger ist aber so zu stellen, als hätte er bei unverzüglicher Eröffnung des Konkurses den Dienstnehmern der gemeinschuldnerischen GmbH keinen Versicherungsschutz gewähren müssen oder hiefür die im Gesetz vorgesehenen, dem Versicherungsschutz äquivalenten Beiträge (Klagebetrag) erhalten (5 Ob 522/94). Die nunmehr in der außerordentlichen Revision vom Beklagten erstmals geltend gemachte Notstandslage muß unbeachtlich bleiben. Ob und inwieweit auch bei pflichtgemäßem Verhalten, das gar nicht behauptet wurde, ein Schaden eingetreten wäre, der nicht ersatzfähig wäre, wäre vom Beklagten unter Beweis zu stellen gewesen (WBl 1989, 155).

Insgesamt ergeben sich keine Rechtsfragen, die nicht bereits durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgeklärt wären.

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