Spruch:
Der Antrag, die Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu delegieren, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Mit der vorliegenden Klage macht die klagende Partei 18.000 EUR sA an Werklohn im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in 1150 Wien geltend. Sie bringt vor, es sei ihr ein gesonderter Pauschalauftrag über Sanierungsarbeiten an der Fassade des Innen- und Hinterhofs erteilt worden.
Der Beklagte wendete ein, es sei über das gesamte Bauvorhaben ein Pauschalpreis nach Quadratmetern vereinbart worden; diesen habe er bereits bezahlt. Das Klagebegehren sei unschlüssig. Durch die Arbeiten der klagenden Partei seien zudem zahlreiche Schäden entstanden, die die Klageforderung bei weitem überstiegen. Diesbezüglich werde eine Gegenforderung erhoben.
Im Schriftsatz vom 29. August 2010 bot die klagende Partei - ohne jede Differenzierung nach dem Beweisthema - unter anderem die Einvernahme von sechzehn Zeugen mit Anschriften in Wien und Niederösterreich an. Die beklagte Partei berief sich zum Beweis ihres Vorbringens auf die Parteieneinvernahme sowie die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Baufach.
In der Folge beantragte die klagende Partei die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Sie begründete dies damit, dass sich das zu befundende Bauwerk in Wien befinde und dreizehn der sechzehn beantragten Zeugen in Wien und drei weitere Zeugen in Niederösterreich wohnhaft seien. Durch die Übertragung werde deshalb eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens, eine Erleichterung des Gerichtszugangs und eine wesentliche Verbilligung des Rechtsstreits erreicht. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei der Staatsanwaltschaft Wien ein vermutlich präjudizielles Ermittlungsverfahren anhängig sei. Schließlich habe auch die klagende Partei ihren Sitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien.
Der Beklagte sprach sich gegen die Delegierung aus. Es gehe um eine ordnungsgemäße Abrechnung und Rechnungslegung und nicht darum, ob die Arbeiten korrekt ausgeführt worden seien. Eine Verfahrensverkürzung werde schon deshalb nicht erreicht, weil der Kläger im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben bereits insgesamt vierzehn Klagen bei jeweils unzuständigen Gerichten eingebracht und Überweisungsanträge gestellt habe. Dass die klagende Partei ihren Sitz in Wien habe, sei unerheblich.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz befürwortete die Delegierung und legte die Akten zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist nicht berechtigt.
Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder nur ein maßgeblicher Teil davon vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS-Justiz RS0046333 [T3]). Die Delegierungsmöglichkeit aus Gründen der Zweckmäßigkeit setzt voraus, dass die Übertragung der Sache vom zuständigen an ein anderes Gericht im Interesse aller am Verfahren Beteiligten liegt (RIS-Justiz RS0046589 ua). Kann die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden und widerspricht eine von ihnen, so ist von der Delegierung abzusehen (RIS-Justiz RS0046333 [T7]; RS0046589). Durch eine großzügige Handhabung der Möglichkeiten der Delegierung soll nicht eine Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (vgl 3 Nc 24/11a mwN).
Im vorliegenden Fall kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Delegierung nach Wien zu einer zwingenden Vereinfachung, Beschleunigung oder Verbilligung des Verfahrens führt, weil im Prozess zunächst zu klären sein wird, welche Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen worden sind. Welche Beweismittel zu diesem vorrangigen Thema angeboten werden, ist mangels jeder Differenzierung des Beweisanbots bisher aber unklar. Es ist somit derzeit nicht absehbar, ob es jemals zur Durchführung des gesamten Beweisverfahrens und deshalb zur Notwendigkeit einer Befundaufnahme in Wien und der Einvernahme der zahlreichen beantragten Zeugen aus Wien (und Umgebung) kommen wird.
Liegt die beantragte Delegierung nach Wien aber nicht im wohlverstandenen Interesse beider Parteien, kann dem Beklagten ein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung nicht abgesprochen werden (vgl auch die beide Verfahrensparteien betreffenden weiteren Entscheidungen 3 Nc 24/11a, 5 Nc 23/11v, 4 Nc 23/11m, 6 Nc 21/11g und 10 Nc 24/11b).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)