RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10
VStG §49 Abs1
ZustG §7
ZustG §11 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGWI:2024:VGW.031.099.9150.2024
IM NAMEN DER REPUBLIK
gekürzte Ausfertigung
gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Hofstätter über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt in D-… C., D.-straße gegen den Zurückweisungsbescheid der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Innere Stadt vom 6.6.2024, Zl. ..., mit welchem der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 25.3.2024 zur selben Zahl als verspätet zurückgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.8.2024,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
1. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 25.3.2024 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG iVm. § 134 Abs. 1 Z 1 KFG verhängt. Diese Strafverfügung wurde postalisch an den Beschwerdeführer an dessen deutscher Adresse übersandt.
2. Mit einem am 15.5.2024 zur Post gegebenen Schreiben erhob ein deutscher Rechtsanwalt im Namen des Beschwerdeführers dagegen Einspruch.
3. Die belangte Behörde wies mit dem hier angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom 6.6.2024 diesen Einspruch als verspätet zurück.
4. Dagegen wendet sich der Vertreter des Beschwerdeführers in einem am 17.6.2024 bei der belangten Behörde per E-Mail eingelangten Schreiben, wobei auf die Verspätung des Einspruchs nicht eingegangen wird.
5. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens dem Verwaltungsgericht Wien vor.
6. Das Verwaltungsgericht Wien hielt am 22.8.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an welcher der Beschwerdeführer nicht teilnahm. Sein Rechtsvertreter und die belangte Behörde verzichteten auf eine Teilnahme.
II. Sachverhalt
1. Die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 25.3.2024 wurde von Seiten der belangten Behörde der tschechischen Post übergeben. Diese führte laut eines im Akt einliegenden Sendungsverfolgungsnachweises (AS 16) die Lieferung der Sendung im Bestimmungsland Deutschland an der Adresse des Beschwerdeführers, E.-straße, C. am 4.4.2024 aus. Als Zustellart wurde von der belangten Behörde „RSb“ verfügt.
2. Die Strafverfügung ging dem Beschwerdeführer am 4.4.2024 persönlich zu.
3. Am 15.5.2024 erhob der Vertreter des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung Einspruch, indem er ein Schreiben, adressiert an die belangte Behörde, zur Post gab. Dieses Schreiben langte am 21.5.2024 bei der belangten Behörde ein. Im Zuge dieses Rechtsmittels wurde der belangten Behörde zum ersten Mal mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in Verwaltungsstrafsachen anwaltlich vertreten ist und der Vertreter auch Zustellbevollmächtigter ist.
III. Beweiswürdigung
Das Verwaltungsgericht Wien stützt seine Feststellungen auf den gesamten Akteninhalt (Verwaltungsakt und verwaltungsgerichtlicher Akt), an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel entstanden sind, auf das Beschwerdevorbringen sowie auf die in der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise.
1. Die von der belangten Behörde gewählte Art der Zustellung bezüglich der Strafverfügung vom 25.3.2024 ergibt sich aus zwei im Verwaltungsakt einliegenden Dokumenten (AS 15, 16) sowie einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 8.8.2024 (ON 7).
2. Dass die Strafverfügung dem Beschwerdeführer am 4.4.2024 auch persönlich zugegangen ist, hat der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt bestritten und lässt sich auch aus dem Sendungsverfolgungsnachweis erschließen, der keinen Hinweis auf eine Ersatzzustellung enthält. Soweit der Beschwerdeführer sich hierzu nicht geäußert hat und auch der mündlichen Verhandlung ferngeblieben ist, steht die persönliche Entgegennahme für das Verwaltungsgericht Wien mit hinreichender Deutlichkeit fest.
3. Die oben zu 3. getroffene Feststellung beruht auf im Verwaltungsakt einliegenden Urkunden und wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
IV. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 lauten:
§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 lauten:
Besondere Fälle der Zustellung
§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
(2) Zur Vornahme von Zustellungen an Ausländer oder internationale Organisationen, denen völkerrechtliche Privilegien und Immunitäten zustehen, ist unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder Sitz die Vermittlung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres in Anspruch zu nehmen.
(3) Zustellungen an Personen, die nach den Vorschriften des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997, in das Ausland entsendet wurden, sind im Wege des zuständigen Bundesministers, sofern aber diese Personen anlässlich ihrer Entsendung zu einer Einheit oder zu mehreren Einheiten zusammengefasst wurden, im Wege des Vorgesetzten der Einheit vorzunehmen.
3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990 lauten:
IV. ABSCHNITT
Zustellungen
Artikel 10
(1) Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 werden unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.
(2) Eine unmittelbare Zustellung durch die Post ist bei Bescheiden im Zusammenhang mit der Feststellung der Eignung Wehrpflichtiger zum Wehrdienst, bei Bescheiden, die eine Person zur militärischen Dienstleistung oder das im ersuchenden Staat gelegene Eigentum eines Angehörigen des anderen Vertragsstaats dauernd oder vorübergehend zu militärischen Zwecken heranziehen, sowie bei Bescheiden auf Grund der Konvention/des Abkommens vom 28. Juli 1951 *) über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zulässig.
(3) Die Zustellung von Bescheiden in Verwaltungsstrafverfahren an Angehörige des Staates, in dem die Zustellung vorgenommen werden soll, gilt hinsichtlich des Ausspruchs eines Freiheitsentzugs als nicht bewirkt.
__________________
*) Kundgemacht in BGBl. Nr. 55/1955
V. Rechtliche Erwägungen
1. Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Insofern ist zu prüfen, ob bzw. wann eine wirksame Zustellung gegenüber dem Beschwerdeführer erfolgt ist.
2. Gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG sind Zustellung im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen vorzunehmen. In Bezug auf Zustellungen in Deutschland kommt dementsprechend der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990 (idF: Rechtshilfevertrag) zur Anwendung.
3. Gemäß Art. 10 Rechtshilfevertrag werden Schriftstücke in Verwaltungsstrafverfahren unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden.
4. Aus dem VStG oder aus § 22 AVG ist auch im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abzuleiten, dass eine Strafverfügung zu eigenen Handen und mit Rückschein zuzustellen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 22 Rz 2 f [Stand 1.1.2014, rdb.at]). Im vorliegenden Fall hat allerdings die belangte Behörde eine Zustellung per „RSb“ verfügt, dh. zwar mit Zustellnachweis aber ohne Zustellung zu eigenen Handen. Die Zustellung durch die tschechische Post ist, wie von der belangten Behörde verfügt, erfolgt. Angesichts der Anordnung der Zustellung mit Zustellnachweis gemäß Art. 10 Abs. 1 Rechtshilfevertrag hätte das Dokument als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „eigenhändig“ und „Rückschein“ versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerks „eigenhändig“ unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung wäre in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa VwGH 19.11.2009, 2009/07/0137; 22.12.2008, 2004/03/0160; 23.4.2008, 2006/03/0152).
5. Die geltende Zustellregelung wurde dadurch verletzt. Mit dem tatsächlichen Zukommen beim Empfänger tritt allerdings gemäß § 7 ZustellG die Heilung dieses Zustellmangels ein (VwGH 28.6.2016, Ra 2016/17/0067).
6. Als Zustellzeitpunkt ist dementsprechend jener Zeitpunkt anzunehmen, an dem dem Beschwerdeführer die Strafverfügung vom 25.3.2024 zugegangen ist. Soweit die Post die Lieferung am 4.4.2024 ausführte und der Beschwerdeführer nicht vorgebracht hat, dass die Sendung ihm zu diesem Zeitpunkt nicht übergeben worden ist, ist von einer wirksamen Zustellung mit diesem Tag auszugehen.
7. Soweit der Beschwerdeführervertreter den Einspruch am 15.5.2024 der deutschen Post übergab und dieser am 21.5.2024 bei der belangten Behörde einlangte, wurde dieser von der belangten Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
8. Die Beschwerde war dementsprechend abzuweisen.
9. Gemäß § 45 Abs. 2 VwGVG konnte die Verkündung der Entscheidung in Abwesenheit des Beschwerdeführers erfolgen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
