LVwG Vorarlberg LVwG-1-713/2023-R21

LVwG VorarlbergLVwG-1-713/2023-R2129.9.2023

BStMG 2002 §19 Abs4
BStMG 2002 §20 Abs1
BStMG 2002 §20 Abs2
BStMG 2002 §20 Abs3
BStMG 2002 §20 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGVO:2023:LVwG.1.713.2023.R21

 

 

 

 

 

ImNamenderRepublik!

 

 

 

Erkenntnis

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr: Wachter, LL.M., über die Beschwerde der S A, DK-N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 24.08.2023 betreffend eine Bestrafung nach dem Bundesstraßen-Mautgesetz, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

 

 

Begründung

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe am 07.07.2022, um 9:25 Uhr in A, A14, StrKm X, Abschnitt H-A G, Fahrtrichtung B, einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Pkw auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß errichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t betrage, der zeitabhängigen Maut unterliege. Die zeitabhängige Maut sei vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer gültigen Klebevignette am Fahrzeug oder durch Registrierung des Kennzeichens des Fahrzeuges im Mautsystem der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (digitale Vignette) zu entrichten. Zum Zeitpunkt der Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes sei am Kraftfahrzeug weder eine gültige Klebevignette angebracht gewesen, noch sei für das Kennzeichen des Fahrzeuges eine zum Zeitpunkt der Benützung gültige digitale Vignette registriert gewesen, wodurch die zeitabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft erblickte darin eine Übertretung des § 20 Abs 1 iVm §§ 10 Abs 1 und 11 Abs 1 Bundesstraßen-Mautgesetz. Es wurde eine Geldstrafe von 350 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 15 Stunden festgesetzt.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen sinngemäß, dass sie bereits 120 Euro bezahlt habe. Sie verstehe die zusätzliche Strafe nicht, da sie den ersten Brief (gemeint: die Ersatzmautaufforderung) nie erhalten habe, auf dem im Brief Bezug genommen werde.

 

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde von der Beschwerdeführerin bereits vorgebracht, dass sie die Rechnung/Schreiben der A über die 120 Euro nie erhalten habe und hat mit Erhalt der Zahlungsaufforderung mitgeteilt, dass sie die Zahlung von 120 Euro vornehmen werde.

 

3. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Beschwerdeführerin hat zum Tatzeitpunkt am Tatort einen Pkw gelenkt, ohne die Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.

 

Die ASFINAG verschickte eine Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut per internationalem Einschreiben über die Österreichische Post AG. Dieses internationale Einschreiben wurde mit dem Vermerk nicht abgeholt („unclaimed“ datierend mit 4.11.2022) am 10.11.2022 an die ASFINAG rückübermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde die Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut nicht ordnungsgemäß zugestellt.

 

Am 21.02.2023 hat die Beschwerdeführerin eine Ersatzmaut in Höhe von Euro 120 auf das Konto der Bezirkshauptmannschaft F überwiesen.

 

4. Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Aktenlage.

 

Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt am Tatort einen Pkw gelenkt hat, ohne die Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Aus der Aktenlage ergibt sich auch die Zahlung von Euro 120 auf das Konto der Bezirkshauptmannschaft F.

 

Strittig ist, ob der Beschwerdeführerin eine Aufforderung zur Bezahlung einer Ersatzmaut ordnungsgemäß zugestellt wurde. Dazu ist festzuhalten, dass die belangte Behörde die ASFINAG im erstinstanzlichen Verfahren aufforderte, mitzuteilen, wann die Ersatzmautforderung an den Zulassungsbesitzer zugestellt wurde. Als Antwort übermittelte die ASFINAG eine Kopie eines Informationsschreibens datierend mit 13.10.2022 sowie eine Kopie des Kuverts der Aufforderung, aus der sich ergibt, dass die Sendung als nicht abgeholt („unclaimed“) an die ASFINAG rückübermittelt wurde.

 

Zur Frage ob dieser Vorgang eine ordnungsgemäße Zustellung ist, ist Folgendes zu erwägen: Die maßgeblichen Bestimmungen für den von der ASFINAG veranlassten und tatsächlich auch durchgeführten Versuch der Zustellung der Zahlungsaufforderung finden sich in finden sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der mit der Zustellung mittels „Einschreiben“ beauftragten Österreichischen Post AG. Nach den für den Versand von grenzüberschreitenden Briefsendungen geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Post AG (BRIEF INTERNATIONAL Allgemeine Geschäftsbedingungen) gelten gemäß Punkt 1.1.2. ergänzend zu den AGB für die Rechtsbeziehungen zwischen der Post und ihren Kundinnen das „Handbuch Brief International“. Das Handbuch Brief International (abrufbar unter https://www.post.at/p/c/brief-ausland ) enthält die Bedingungen, zu denen im Auslandsverkehr Briefsendungen angenommen bzw. an die Empfänger*innen abgegeben werden und welche Verlangen Absender*innen oder Empfänger*innen im Zusammenhang mit der Beförderung einer Briefsendung stellen können (siehe Handbuch Brief International, Punkt 1.2.). Betreffend Briefe, die – wie hier – mit der Leistung „Einschreiben“ versendet werden, enthält Punkt 4.2. des Handbuchs Brief International weitere Rahmenbedingungen. Unter Punkt 4.2.1. (Behandlung) ist festgehalten, dass die Aufgabe eines Einschreibens bescheinigt wird und die „Abgabe gegen Übernahmebestätigung und nach den geltenden Vorschriften im Bestimmungsland“ erfolgt. Grundsätzlich wird der Übernahmeschein von dem*der Empfänger*in unterzeichnet. Er kann aber auch von einer anderen nach den Vorschriften des Bestimmungslandes dazu berechtigten Person unterzeichnet oder - ausgenommen im Fall der eigenhändigen Zustellung - von Amts wegen durchgeführt werden. Daraus folgt, dass eine Zustellung eines internationalen Einschreibens die Abgabe (an den Adressaten bzw einer nach den Vorschriften des Bestimmungslandes dazu berechtigten Person) gegen Übernahmebestätigung erfordert und im Übrigen nach den geltenden Vorschriften im Bestimmungsland (hier: D) zu erfolgen hat. Gegenständlich ist jedoch nach der Aktenlage unstrittig keine Abgabe gegen Übernahmebestätigung erfolgt, sodass keine Zustellung des internationalen Einschreibens vorliegt, weil die Sendung als nicht abgeholt („unclaimed“) an die ASFINAG rückübermittelt wurde. Dass keine Zustellung iSd der Bedingungen für den Brief International erfolgt ist, ergibt sich im Umkehrschluss auch aus Punkt 6.6. des Handbuchs Brief International, in der „unzustellbare“ Briefsendungen behandelt werden. Briefsendungen sind danach ua unzustellbar, wenn „der*die Empfänger*in eine postlagernde Sendung oder eine andere Sendung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist abgeholt hat“. Unzustellbare Sendungen werden nach Punkt 6.6.1. des Handbuchs grundsätzlich an das Einlieferungsland zurückgesendet. Aufgrund der im gegenständlichen Fall am rückgelangten Kuvert angebrachten Angabe „unclaimed“ ist davon auszugehen, dass die Zahlungsaufforderung der ASFINAG bei der für die Beschwerdeführerin an der genannten Anschrift zuständigen Einrichtung der dänischen Post zur Abholung bereitgehalten wurde. Mit fruchtlosem Ablauf der postlagernden Sendung wurde das Aufforderungsschreiben zu einer „unzustellbaren Briefsendung“ und an das Einlieferungsland (bzw in der Folge an die A) zurückgesendet.

 

Die (versuchte) unmittelbare Zustellung der Zahlungsaufforderung an die Beschwerdeführerin war daher im Sinne der angeführten Bedingungen unwirksam. Im gegenständlichen Verfahren ist daher von keiner wirksamen Zustellung der Zahlungsaufforderung der ASFINAG auszugehen. Der Bereithaltung der Sendung zur Abholung kommt, anders als im Inland gemäß § 17 Zustellgesetz, keine Zustellwirkung zu.

 

5. Gemäß § 20 Abs 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG), BGBl I Nr 109/2002, idF BGBl I Nr 155/2021, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, wer eine Mautstrecke benützt, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.

 

Nach § 20 Abs 5 BStMG werden Taten gemäß Abs 1 bis 3 straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht.

 

Gemäß § 19 Abs 1 BStMG, BGBl I Nr 109/2002, idF BGBl I Nr 45/2019, ist in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf.

 

Gemäß § 19 Abs 4 BStMG ist, kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 sowie § 32 Abs 1 zweiter Satz zu keiner Betretung, die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft befugt, den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatische Überwachung oder dienstlicher Wahrnehmung eines Mautaufsichtsorgans beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automatisationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält.

 

Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zuletzt VwGH 28.04.2022, Ra 2019/06/0174-7) stellt die Entrichtung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut gemäß § 20 Abs 5 BStMG einen Strafaufhebungsgrund dar. Die Tat wird nach Rechtsprechung des VwGH dann nicht straflos, wenn die in § 20 Abs 5 BStMG angeführten Beträge nicht entrichtet werden, mag auch die Aufforderung, aus welchen Gründen immer, unterblieben sein. Das Unterbleiben einer Aufforderung gemäß § 19 BStMG hat die Folge, dass die Frist für die Bezahlung der Ersatzmaut nicht in Gang gesetzt wird, womit die Möglichkeit besteht, gegebenenfalls die Ersatzmaut noch im Zuge des Strafverfahrens „fristgerecht“ zu bezahlen, um damit die Straflosigkeit iSd § 20 Abs 5 BStMG zu bewirken.

 

Weiters beziehe sich nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Wortfolge „binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung“ in § 19 Abs 4 BStMG nur auf die Dauer der Zahlungsfrist, sie bedeute aber nicht, dass eine nicht rechtswirksame Zustellung keinen Fall des Unterbleibens der Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut darstellen würde (vgl zum Ganzen VwGH 28.04.2022, Ra 2019/06/0174-7, mit weiteren Verweisen).

 

Im gegenständlichen Verfahren kam es zu keiner ordnungsgemäßen Zustellung des Aufforderungsschreibens zur Zahlung der Ersatzmaut. Aus diesem Grund bestand die Möglichkeit, die Ersatzmaut noch im Zuge des Strafverfahrens „fristgerecht“ zu bezahlen.

 

Indem der Beschwerdeführer die Ersatzmaut im Zuge des anhängigen Verfahrens bezahlt hat, ist der Strafaufhebungsgrund gemäß § 20 Abs 5 BStMG verwirklicht, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist.

 

6. Der gegenständliche Sachverhalt liegt bereits aufgrund der Aktenlage unbestritten und entscheidungsreif vor. Darüber hinaus wurde keine mündliche Verhandlung beantragt. Schließlich konnte das Landesverwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, da im angefochtenen Straferkenntnis jeweilig eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, sowie keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat (dazu siehe § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG).

 

7. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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