LVwG Tirol LVwG-2023/43/1492-1

LVwG TirolLVwG-2023/43/1492-119.6.2023

BauO Tir 2022 §28 Abs2 litb
BauO Tir 2022 §28 Abs1 litf
BauO Tir 2022 §30 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2023.43.1492.1

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde des AA, **** Adresse 1, gegen den Bescheid Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 15.05.2023, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung,

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

Mit am 15.03.2023 bei der belangten Behörde eingelangter Eingabe zeigte AA (im Folgenden: der Beschwerdeführer) die beabsichtige Ausführung einer „Einfriedung“ auf Grst **1, KG Z, beim Bürgermeister der Gemeinde Z (im Folgenden: die belangte Behörde) an und legte hierzu Planunterlagen vor.

 

Die belangte Behörde holte hierzu ein hochbautechnisches Gutachten des Amtssachverständigen BB, datiert vom 03.04.2023 ein.

 

Nachdem ihm das hochbautechnische Gutachten in Wahrung des Parteiengehörs übermittelt worden war, nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15.04.2023 Stellung und legte er weitere Unterlagen vor.

 

Mit Schreiben vom 09.05.2023 gab der hochbautechnische Amtssachverständige der belangten Behörde neuerlich eine Stellungnahme ab.

 

Mit Bescheid 15.05.2023, Zl ***, stellte die Baubehörde unter Berufung auf § 30 Abs 3 TBO 2022 fest, dass die Ausführung des nämlichen Bauvorhabens gemäß § 28 Abs 1 TBO 2022 einer Baubewilligung bedürfe.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde.

 

Die geplante Anlage befindet sich auf dem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grst **1, KG Z. Sie schließt an die Nordseite des direkt in den in Richtung Norden ansteigenden Hang einbindenden Flachdachs des bestehenden Gebäudes an und befindet sich in einem Abstand von ca. 3,30 zur (nächstgelegenen) Nordgrenze des Grundstücks; zur östlichen und westlichen Bauplatzgrenze ist ein Abstand von jeweils rund 5 m gegeben.

 

„Bild im pdf ersichtlich“

(Auszug aus der DKM; Teil der Projektunterlagen)

 

Die geplante Anlage besteht aus einem Betonstreifenfundament mit aufgesetzter Stahlkonstruktion (Stahlprofile mit Querträgern), auf welcher zumindest 6 Sonnenkollektoren mit einer Fläche von gut 15 m² montiert sind. Die Höhe der Anlage beträgt 2 m (gemessen vom fertigen Gelände, ohne Fundament), deren Länge 14 m.

 

Die fachgerechte Herstellung der gegenständlichen Anlage erfordert bautechnische Kenntnisse; allgemeine bautechnische Erfordernisse werden durch deren Errichtung wesentlich berührt. Dies insbesondere auf dem Gebiet der Statik – die Anlage muss den anfallenden Windlasten standhalten und mit dem Erdboden sturm- und kippsicher verbunden sein.

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der Behörde. Hierbei sind die Feststellungen zur Ausführung und Situierung der Anlage den oe Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen vom 03.04.2023 und vom 09.05.2023, sowie den vom Beschwerdeführer vorgelegten Projektunterlagen (insbesondere dem oben ausschnittsweise wiedergegebenen Auszug aus der DKM) zu entnehmen. Wenn der Beschwerdeführer nun vorbringt, es sei „bloß informativ“ mitgeteilt worden, dass auf der zu errichtenden „Einfriedung“ Sonnenkollektoren angebracht würden, widerspricht das dem objektiven Erklärungswert seiner Bauanzeige. So sind die gegenständlichen Sonnenkollektoren in den der Bauanzeige beigeschlossenen Plänen („Ansicht West“ und „Ansicht Süd“) des Architekt CC vom März 2023 deutlich erkennbar dargestellt und beschriftet. Auch verweist der Beschwerdeführer in der Baubeschreibung ausdrücklich auf „die auf der Konstruktion angebrachten Solarplatten“.

 

Dass durch die Errichtung der Anlage bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden, ergibt sich aus dem Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen vom 09.05.2023. Dessen Feststellung, dass bautechnische Erfordernisse, insbesondere auf dem Gebiet der Statik berührt sind, lässt sich in Anbetracht der Ausmaße der Anlage (2 m Höhe, 14 m Länge) durch das Landesverwaltungsgericht einwandfrei nachvollziehen. Das gegenteilige Vorbringen des Beschwerdeführers blieb völlig unsubstantiiert und war schon aus diesem Grund nicht geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit und Richtigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen aufkommen zu lassen. Der vom Beschwerdeführer angestellte Größenvergleich ist in Hinblick auf die maßgebliche Rechtslage für die gegenständliche Angelegenheit nicht von Relevanz (Näheres dazu unter Punkt IV.4.b.). Da es sich beim Bauanzeigeverfahren um ein Projektverfahren handelt, war die Anlage in der angezeigten Form zu beurteilen, weshalb sich Überlegungen dazu, wie die Anlage ohne die vorgesehenen Sonnenkollektoren zu beurteilen wäre, erübrigen. Damit, dass Erfordernisse auf dem Gebiet der Statik berücksichtigt werden müssen, geht einher, dass zur fachgerechten Herstellung der gegenständlichen Anlage bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

 

 

III. Rechtslage:

 

§ 2 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022), LGBl Nr 44/2022 (WV), lautet (auszugsweise):

 

„§ 2

Begriffsbestimmungen

 

(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

[...]“

 

§ 28 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022), LGBl Nr 44/2022 (WV), lautet (auszugsweise):

 

„§ 28

Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Bauvorhaben, Ausnahmen

 

(1) Einer Baubewilligung bedürfen, soweit sich aus den Abs 2 und 3 nichts anderes ergibt:

a) der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;

b) die sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden;

c) die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteiles nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann; hierbei ist vom bewilligten Verwendungszweck bzw. bei Gebäuden oder Gebäudeteilen, für die aufgrund früherer baurechtlicher Vorschriften ein Verwendungszweck nicht bestimmt wurde, von dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck auszugehen; keiner Baubewilligung bedarf in Gebäuden mit mehreren Wohnungen die Verwendung von höchstens drei Wohnungen mit insgesamt höchstens zwölf Betten zur gewerblichen Beherbergung von Gästen, wenn der Gewerbetreibende im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz hat und in diesem neben allfälligen Wohnungen für seine Angehörigen keine weiteren Wohnungen bestehen, die der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, soweit die Verwendung von Wohnungen zur gewerblichen Beherbergung von Gästen vor dem 1. September 2021 begonnen wurde;

d) die Verwendung von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden, Wohnungen oder sonstigen Gebäudeteilen als Freizeitwohnsitz, sofern nicht eine Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs 8 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 vorliegt, die Verwendung von im Freiland gelegenen Freizeitwohnsitzen auch zu einem anderen Zweck als dem eines Freizeitwohnsitzes sowie die Zusammenlegung oder sonstige Änderung von Freizeitwohnsitzen, sofern diese nicht nach lit a bis c oder f einer Baubewilligung bedarf;

e) die Verwendung von Räumlichkeiten im Sinn des § 13 Abs 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 im Rahmen von Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen;

f) die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden.

(2) Die sonstige Änderung von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen sind, sofern sie nicht nach Abs 1 lit b oder f einer Baubewilligung bedürfen, der Behörde anzuzeigen. Jedenfalls sind der Behörde anzuzeigen:

a) die Anbringung und Änderung von untergeordneten Bauteilen und von Balkonverglasungen bei bestehenden baulichen Anlagen;

b) die Errichtung und Änderung von Stützmauern und Einfriedungen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, sofern diese nicht unter Abs 3 lit c fallen;

c) die Errichtung und Änderung von Terrassen, Pergolen und dergleichen sowie mobile offene Schwimmbecken, soweit diese nicht nach § 1 Abs 3 lit n vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind;

d) die Errichtung und Änderung von ortsüblichen Städeln in Holzbauweise, Weidezelten mit mehr als 40 m² Grundfläche und Weideunterständen, die landwirtschaftlichen Zwecken dienen, von Gerätehütten in Holzbauweise, die forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, und von Bienenhäusern in Holzbauweise sowie die Aufstellung von Folientunnels, soweit diese nicht nach § 1 Abs 3 lit k vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind;

e) die Errichtung und Änderung von Sportplätzen, Reitplätzen und dergleichen sowie von allgemein zugänglichen Kinderspielplätzen und Kinderspielplätzen von Wohnanlagen;

f) die größere Renovierung von Gebäuden, sofern sie nicht im Rahmen eines nach Abs 1 bewilligungspflichtigen Bauvorhabens erfolgt;

g) die Errichtung und Änderung von frei stehenden Ladestationen für Elektrofahrzeuge mit Ausnahme von Gebäuden;

h) die Errichtung, Aufstellung und Änderung von Carports und Überdachungen für Terrassen bis 15 m² Grundfläche, von Containern bis zu einem Volumen von 30 m³, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen, soweit diese nicht nach § 1 Abs 3 lit p vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind, sowie von Parkplätzen bis zu einer Fläche von insgesamt 200 m²;

i) die Anbringung oder Änderung von Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von mehr als 20 m² an baulichen Anlagen, sofern sie in die Wandfläche integriert sind oder der Parallelabstand des Sonnenkollektors bzw. der Photovoltaikanlage zur Wandhaut an keinem Punkt der Außenfläche der Anlage 30 cm übersteigt;

j) die Anbringung oder Änderung von Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von mehr als 20 m², sofern sie in die Dachfläche integriert sind oder der Parallelabstand des Sonnenkollektors bzw. der Photovoltaikanlage zur Dachhaut an keinem Punkt der Dachfläche 30 cm übersteigt.

(3) Weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürfen:

a) Baumaßnahmen im Inneren von Gebäuden, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse nicht wesentlich berührt werden; der Austausch von Fenstern und Balkontüren, wenn durch diese Maßnahmen die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht wesentlich berührt wird;

b) Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an baulichen Anlagen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse nicht wesentlich berührt werden;

c) die Errichtung und Änderung von Einfriedungen bis zu einer Höhe von insgesamt 1,50 m und von Stützmauern bis zu einer Höhe von 1 m außer gegenüber Verkehrsflächen;

d) die Errichtung, Aufstellung und Änderung von frei stehenden Werbeeinrichtungen außerhalb geschlossener Ortschaften;

e) die Anbringung oder Änderung von Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen bis zu einer Fläche von 20 m² an baulichen Anlagen, sofern sie in die Wandfläche integriert sind oder der Parallelabstand des Sonnenkollektors bzw. der Photovoltaikanlage zur Wandhaut an keinem Punkt der Außenfläche der Anlage 30 cm übersteigt;

f) die Anbringung oder Änderung von Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen bis zu einer Fläche von 20 m², sofern sie in die Dachfläche integriert sind oder der Parallelabstand des Sonnenkollektors bzw. der Photovoltaikanlage zur Dachhaut an keinem Punkt der Dachfläche 30 cm übersteigt;

g) die Errichtung und Änderung von Geräteschuppen, Holzschuppen und dergleichen bis zu einer Grundfläche von 15 m² und einer Höhe von 2,80 m, sofern sie vom betreffenden Bauplatz oder einer Verkehrsfläche aus an zumindest drei Seiten von außen zugänglich sind;

h) die Errichtung und Änderung von Hagelschutznetzen, von Weidezelten bis 40 m² Grundfläche sowie von nicht begehbaren Folientunnels, soweit diese nicht nach § 1 Abs 3 lit k vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind;

i) die Errichtung, Aufstellung und Änderung von Bienenständen, soweit diese nicht nach § 1 Abs 3 lit m vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind.“

 

§ 30 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022), LGBl Nr 44/2022 (WV), lautet (auszugsweise):

 

„§ 30

Bauanzeige

(1) Die Bauanzeige ist bei der Behörde schriftlich einzubringen.

(2) Der Bauanzeige sind die Bauunterlagen (§ 31) in zweifacher Ausfertigung anzuschließen. Ist die Bauanzeige unvollständig, so hat die Behörde dem Bauwerber unter Setzung einer höchstens zweiwöchigen Frist die Behebung dieses Mangels aufzutragen. Wird diesem Auftrag nicht entsprochen, so ist die Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid zurückzuweisen.

(3) Die Behörde hat das angezeigte Bauvorhaben zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Bauvorhaben bewilligungspflichtig ist, so hat die Behörde dies innerhalb von zwei Monaten nach Vorliegen der vollständigen Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Liegt überdies ein Abweisungsgrund nach § 34 Abs 3 vor, so hat die Behörde dies festzustellen. Eine solche Feststellung ist einer Versagung der Baubewilligung gleichzuhalten. Ist das angezeigte Bauvorhaben nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften unzulässig oder liegt im Fall einer größeren Renovierung eines Gebäudes der Energieausweis nicht vor, so hat die Behörde die Ausführung des Vorhabens innerhalb derselben Frist mit schriftlichem Bescheid zu untersagen. Besteht Grund zur Annahme, dass ein solcher Feststellungs- oder Untersagungsbescheid nicht fristgerecht rechtswirksam zugestellt werden kann, so hat ihn die Behörde nach § 23 des Zustellgesetzes ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen.

[…]“

 

 

IV. Erwägungen:

 

1. Begründung des bekämpften Bescheids

 

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass es sich bei der gegenständlichen baulichen Anlage um eine Solaranlage mit einer Kollektorfläche von rund 16 m² handeln würde. Die 7 Sonnenkollektoren seien auf Stahlprofilen mit Querträgern montiert, welche mittels eines Betonstreifenfundaments mit dem Erdboden verbunden seien. Die bauliche Anlage weise eine Länge von 14 m und eine Höhe von 2 m (gemessen vom fertigen Gelände – ohne Fundament) auf. Bei der Errichtung dieser Anlage würden allgemeine bautechnische Erfordernisse (zum Beispiel auf dem Gebiet der Statik – die Anlage müsse den anfallenden Windlasten standhalten und mit dem Erdboden sturm- und kippsicher verbunden sein) wesentlich berührt. Deshalb erscheine die gegenständliche bauliche Anlage als bewilligungspflichtig nach § 28 Abs 1 lit f TBO 2022 und könne nicht mittels der Bauanzeige abgehandelt werden.

 

2. Beschwerdevorbringen

 

Der Beschwerdeführer hielt dem entgegen, dass es sich gegenständlich tatsächlich um eine Abzäunung samt Seitengatter des auf dem betreffenden Grundstück errichteten Zubau mit Flachdach handle, mittels derer ein Betreten des Dachs durch Unbefugte hintangehalten werde. Das Flachdach habe auf der Vorderseite eine Höhe von ca. 3,5 m und sei aus bautechnischen und optischen Gründen dort nicht ein Geländer gesichert. Für die Einfriedung sei bereits im September 2021 eine Bauanzeige eingebracht, jedoch von der Baubehörde wegen Unvollständigkeit zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Landesverwaltungsgericht abgewiesen, über die dagegen eingebrachte Revision durch den VwGH noch nicht entschieden worden. Dass die belangte Behörde davon ausginge, dass es sich gegenständlich um keine Einfriedung iSd TBO 2022 handle, sei dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen. Auch dann, wenn dem so wäre, würde die Errichtung der gegenständlichen Einfriedung keine bautechnischen Kenntnisse erfordern. Dies ergebe sich anhand eines Größenschlusses aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber den erläuternden Bemerkungen 2011/48 zufolge zu erkennen gegeben habe, dass für die Errichtung eines Geräteschuppens mit einer Grundfläche von bis zu 15 m² und einer Höhe von 2,8 m keine bautechnischen Kenntnisse erforderlich seien, weshalb diese nicht unter den Begriff der baulichen Anlage fallen würden. Möglicherweise vermeine die Baubehörde, dass sich das Erfordernis bautechnische Kenntnisse aufgrund des Gewichts der im oberen Bereich der Einfriedung angebrachten Solarplatten ergebe (was laut dem Beschwerdeführer nicht der Fall sei). Dies könne aber im vorliegenden Fall nicht den Ausschlag geben, da der Beschwerdeführer auch lediglich die Errichtung der Einfriedung selbst anzeigen und die Solarplatten nachträglich gänzlich bewilligungs- und anzeigefrei anbringen hätte können. Nicht anders dürfe der vorliegende Fall behandelt werden.

 

Einfriedungen iSd § 28 Abs 2 lit b TBO 2022 unterlägen lediglich der Anzeigepflicht. Dies unabhängig davon, ob dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt würden – die gegenteilige, von der belangten Behörde in Einklang mit dem von ihr beigezogenen Amtssachverständigen vertretene Rechtsansicht, sei hingegen verfehlt.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber sei in der Bauanzeige darauf hingewiesen worden, dass auf der Einfriedung eine Solaranlage mit 14 m² angebracht werde, die an keinem Punkt einen Vertikalabstand von mehr als 30 cm zur Einfriedung aufweise und daher weder anzeige- noch bewilligungspflichtig sei.

 

3. Gegenstand des Bauanzeigeverfahrens – Gegenstand des Beschwerdeverfahrens

 

Die Ausgestaltung der gegenständlich angezeigten Anlage konnte oben zu Punkt II. eindeutig festgestellt werden. In Hinblick auf das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen, dass die Solaranlage womöglich gar nicht verfahrensgegenständlich sein solle, ist auf die unter Punkt III. vorgenommene Beweiswürdigung zu verweisen. Beim Bauanzeigeverfahren handelt es sich um eine Projektverfahren, das heißt, der Anzeiger bestimmt den Verfahrensgegenstand durch seine Bauanzeige bzw die mit dieser vorgelegten Unterlagen. Letztere sind nach deren objektivem Erklärungswert auszulegen, weshalb die belangte Behörde zutreffend die bereits mehrfach erwähnten Sonnenkollektoren als Bestandteil der angezeigten Anlage berücksichtigte (näher ausgeführt zu Punkt III.).

 

Gegenstand des vor dem Landesverwaltungsgericht geführten Beschwerdeverfahrens ist es festzustellen, ob die belangte Behörde zurecht die Bewilligungspflicht für nämliche Anlage festgestellt hat. Hierbei hat das Landesverwaltungsgericht naturgemäß vom selben Anzeigegegenstand auszugehen wie die belangte Behörde.

 

4. Qualifikation der gegenständlichen Anlage

 

a. Einfriedungen iSd TBO 2022

 

Der Begriff der Einfriedung ist in der Tiroler Bauordnung nicht definiert. Die Rechtsprechung qualifiziert als solche Anlagen, die ein Grundstück schützend umgeben sollen (VwGH 94/06/0246 vom 23.02.1995), was voraussetzt, dass sie grundsätzlich geeignet sind, das Grundstück nach außen abzuschließen (VwGH 98/05/0018 vom 23.02.1995). Es muss sich um Anlagen größerer Länge handeln (VwGH 2001/05/0028 vom 23.09.2020), welche üblicher Weise – jedoch nicht zwingend – an der Grundstücksgrenze situiert sind (VwGH Ro 2014/06/0025 vom 29.01.20216). Wie der Oberste Gerichtshof ausführte, muss eine Einfriedung „die Absicht des Grundeigentümers oder Nutzungsberechtigten zur Wahrung des Hausfriedens bzw der Privatsphäre und der Ermöglichung der ungestörten Benützung und zum Ausschluss Fremder vom Zutritt auf das Grundstück“ erkennen lassen (OGH 23.03.2010, 8 Ob 23/10f). Zu VwGH 89/06/0134 vom 27.03.2000 stellte der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich fest, dass Anlagen, die nicht dem Schutz gegen störende Einflüsse von außen, sondern als Absturzsicherung dienen, keine Einfriedungen darstellen.

 

Aus den oben zu Punkt I. getroffenen Feststellungen ist eindeutig ersichtlich, dass die gegenständliche bauliche Anlage das Grundstück nicht schützend umgibt und auch nicht geeignet ist, dessen ungestörte Benützung und Wahrung der Privatsphäre sicherzustellen. So ist sie auf Grund ihrer Situierung weder geeignet, das Grundstück des Beschwerdeführers „schützend zu umgeben“ noch dessen privat zu nutzenden Bereich abzuschirmen. Dies bestätigt auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach es sich bei dem abzutrennenden Bereich um das nicht nutzbare (nicht einmal über eine Absturzsicherung verfügende) Dach des bestehenden Gebäudes handelt.

 

Es ist daher festzuhalten, dass es sich bei der angezeigten Anlage um keine Einfriedung iSd TBO 2022 handelt. Somit geht auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Angelegenheit müsse wie eine anzeigepflichtige Einfriedung mit darauf anzeige- und bewilligungsfrei anzubringenden Sonnenkollektoren behandelt werden, ins Leere. Überlegungen dazu, ob die Anbringung von Sonnenkollektoren an Einfriedungen denkmöglich unter § 28 Abs 3 lit i TBO 2022 subsumiert werden könnte, erübrigen sich daher.

 

b. Bauliche Anlage iSd § 28 Abs 1 lit f TBO 2022

 

Dem oben zitierten § 2 Abs 1 TBO 2022 zufolge sind bauliche Anlagen „mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind“. Bauliche Anlagen, deren Errichtung allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt, unterliegen der Bewilligungspflicht nach § 28 Abs 1 lit f TBO 2022.

 

Oben zu Punkt I. konnte festgestellt werden, dass die Errichtung der gegenständlichen Anlage bautechnische Erfordernisse, insbesondere jene der Statik, wesentlich berührt. Um statischen Erfordernissen gerecht zu werden, müssen notwendiger Weise – zur fachgerechten Herstellung einer baulichen Anlage – bautechnische Kenntnisse eingebracht werden. Das geplante Fundament – wenn nicht bereits das Eigengewicht der Anlage – stellt eine Verbindung mit dem Erdboden her. Es ergibt sich somit, dass es sich gegenständlich um eine bauliche Anlage iSd § 2 Abs 1 TBO 2022 handelt, die unter § 28 Abs 1 lit f TBO 2022 zu subsumierten ist.

 

Der vom Beschwerdeführer angestellte Größenschluss entbehrt hingegen jeglicher Grundlage. Wohlweislich formulierte der Gesetzgeber nämlich in den Erläuternden Bemerkungen zu LGBl Nr 48/2011, es würden für die Herstellung der – von der Bewilligungs- und Anzeigepflicht ausgenommenen – Geräteschuppen, Holzschuppen udgl „eingehende“ bautechnische Kenntnisse nicht benötigt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber hätte somit seine Ansicht zum Ausdruck gebracht, es seien für die Errichtung derartiger Anlagen überhaupt keine bautechnischen Kenntnisse erforderlich, ist daher schlichtweg falsch. Eine Einordnung der in den Erläuternden Bemerkungen getroffenen Wortwahl in Hinblick auf die wesentliche Berührung allgemeiner bautechnischer Erfordernisse iSd § 28 Abs 1 lit f TBO 2022 erübrigt sich, da dieses Sachverhaltselement auf Grund einer Beurteilung des konkret vorliegenden Sachverhalts durch den hochbautechnischen Amtssachverständigen festgestellt werden konnte. Im Übrigen sind der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Folge Ausnahmebestimmungen stets restriktiv auszulegen, sodass eine analoge Ausweitung der in § 28 Abs 3 lit g TBO 2022 auf allenfalls vergleichbare Sachverhalte schon aus diesem Grund nicht in Frage kommt.

 

 

V. Ergebnis

 

Es ergibt sich somit, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zutreffend feststellte, dass das gegenständlich angezeigte Bauvorhaben bewilligungspflichtig ist. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

 

VI. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

 

Eine mündliche Verhandlung konnte in Ermangelung eines diesbezüglichen Antrags des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs 4 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grundlage der Akten ersichtlich war, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Es waren ausschließlich rechtliche Fragen zu erörtern und keinerlei zusätzliche Sachverhaltsermittlungen vonnöten (vgl zB VwGH Ra 2019/08/0101 vom 09.07.2019).

 

 

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

 

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

 

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Schmalzl

(Richterin)

 

 

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