AVG §73
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §8 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W299.2274411.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Elisabeth Neuhold als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER in 1010 Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 22.08.2022 zu Recht:
A)
Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetz (VwGVG), abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie die Zulassung zum Asylverfahren.
2. Am 23.03.2023 erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) das Rechtsmittel der Säumnisbeschwerde wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht der Behörde.
3. Mit Beschwerdevorlage vom 28.06.2023, eingelangt am 30.06.2023, wurde die Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) unter Anschluss des Verwaltungsaktes übermittelt.
Im Rahmen der Vorlage der Säumnisbeschwerde wurden seitens des BFA eine Stellungnahme der Behörde zur Verfahrensverzögerung sowie eine Stellungnahme des BMI zur Verfahrensverzögerung übermittelt. Bezüglich der Stellungnahme des BMI wurde bemerkt, dass diese zwar auf konkrete Verfahren Bezug nimmt, aber den Ausführungen auch für den vorliegenden Fall Relevanz zukommt, zumal sie die Belastungssituation des BFA im Allgemeinen darstellen.
4. Mit Schreiben vom 18.07.2023 übermittelte das BVwG der Rechtsvertretung die vom BFA und BMI eingebrachten Stellungnahmen zum Parteiengehör. Der Rechtsvertretung wurde die Möglichkeit eingeräumt binnen 14 Tagen eine Stellungnahme hiezu abzugeben.
5. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer brachte am 24.07.2023 eine umfassende Stellungnahme samt einem Konvolut an Unterlagen beim BVwG ein und beantragte die Durchführung einer Verhandlung sowie die Einvernahme von Zeug:innen.
6. Am 23.08.2023 übermittelte das BFA dem BVwG eine Anfrage des Beschwerdeführers betreffend einen Termin zur Einvernahme im Asylverfahren. Diese Anfrage wiederholte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28.08.2023 an das BFA, eingelangt beim BVwG am selben Tag. In der Folge wandte sich der Beschwerdeführer mit E-Mail-Eingaben auch direkt an das BVwG.
7. Mit Beschluss vom 03.10.2023 forderte das BVwG den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zum Nachweis einer bestehenden Vollmacht innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung auf, da auf Grund der direkten Anfragen des Beschwerdeführers an das BVwG Zweifel am Bestehen einer aufrechten Vollmacht entstanden. Am folgenden Tag legte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die aufrechte Vollmacht dem BVwG vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.08.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie die Zulassung zum Asylverfahren.
1.2. Am 23.03.2023 erhob der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde, welche am 30.06.2023 beim BVwG einlangte. Der oben genannte Antrag des Beschwerdeführers war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erledigt. Den Beschwerdeführer trifft an der Verfahrensverzögerung kein Verschulden.
1.3. Die Verzögerung in der Erledigung des Antrages ist auf folgende Umstände zurückzuführen:
1.3.1. Im Jahr 2021 wurde ein deutlicher Anstieg der Asylantragszahlen um rund 170 % im Vergleich zum Vorjahr auf rund 40.000 Personen verzeichnet. Im Jahr 2022 stiegen die Antragszahlen weiter auf rund 109.000. Allein im Juni 2022 wurde eine Asylantragszahl von über 9.000 Anträgen verzeichnet, die kontinuierlich auf einen Höchstwert von rund 18.000 Anträgen allein im Oktober 2022 anstieg. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2022 kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Anträge auf internationalen Schutz – insbesondere durch die enorme Zunahme an nordafrikanischen und indischen Antragsteller:innen. Damit wurden jedenfalls die Antragszahlen aus 2015/16 (88.340 Asylantrag im Jahr 2015) erheblich übertroffen und im vergangenen Jahr laufend neue Spitzenwerte erreicht, die weit über den vom VwGH in seiner Entscheidung vom 24.05.2016, Ro 2016/01/0001, zu Grunde gelegten Werten liegen.
1.3.2. Zusätzlich stellte der Ausbruch des Ukrainekriegs mit rund 90.000 Vertriebenen, die von Mitte März bis zum Jahresende 2022 zu registrieren waren und deren Aufenthaltsrecht durch das BFA mittels Ausweisen für Vertriebene gemäß § 62 AsylG 2005 zu dokumentieren war, das BFA vor weitere unvorhersehbare Herausforderungen. Für Vertriebene aus der Ukraine wurde mit der Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie auf EU-Ebene und der nationalen Umsetzung durch die Vertriebenen-Verordnung eine völlig neue Rechtsgrundlage geschaffen. Es war daher für das BFA zu Beginn des Ukraine-Krieges notwendig, neue Prozesse und Strukturen zu schaffen, um Vertriebenen aus der Ukraine rasch und unbürokratisch Schutz zu gewähren und in jedem Einzelfall auch mögliche Ausschlussgründe vom vorübergehenden Aufenthaltsrecht zu prüfen.
Insgesamt wurden im Jahr 2022 90.994 Personen gemäß der Vertriebenen-Verordnung von der Exekutive registriert und nach einem Ermittlungsverfahren in der Folge 86.737 Druckaufträge an die ÖSD zur Produktion der Ausweise für Vertriebene übermittelt.
1.3.3. Auch führten die sehr hohen Antragszahlen dazu, dass die Grundversorgungsstellen sowohl des Bundes als auch der Länder in Bezug auf die Aufnahmekapazitäten nicht immer flexibel sogleich reagieren konnten, sodass hier Verzögerungen in der Verfahrensführung (gerade zu Beginn des Verfahrens) eintreten konnten, die in einer solchen Ausnahmesituation aber unvermeidbar waren.
1.3.4. Abseits der unmittelbaren Asylverfahrensführung stiegen auch die Dublin-Out Konsultationsverfahren mit anderen Mitgliedsstaaten auf rund 15.000 ebenso wie die Dublin-In Konsultationsverfahren von anderen Mitgliedsstaaten auf rund 24.000 Verfahren an und waren durch das BFA zu bewältigen, womit die Behörde auch dadurch vor unvorhersehbaren Herausforderungen stand, die in dieser Form 2015/2016 nicht gegeben waren.
1.4. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wurden vom BMI beziehungsweise durch das BFA folgende Maßnahmen ergriffen:
1.4.1. Bereits im Sommer 2021 wurden von Seiten des BFA auf Grund des damals bereits bemerkbaren deutlichen Anstieges bei den Asylanträgen erste personelle Maßnahmen gesetzt, um die Verfahrensdauer weiterhin möglichst kurz zu halten, indem verfahrensführende Referent:innen aus dem fremdenrechtlichen Bereich verstärkt für die Bearbeitung von Asylverfahren eingesetzt wurden. Zur Erweiterung des Personalstandes wurden verfügbare Kapazitäten des Stellenplans des Bundes im Bereich des BFA genutzt und zusätzliche Kapazitäten mit Lehrlingen bzw. Verwaltungspraktikant:innen geschaffen. Ende Februar 2022 wurden dem BFA 47 Planstellen auf Ebene der verfahrensführenden Referent:innen und sowie die Aufnahme von 15 Verwaltungspraktikant:innen als Supportkräfte bewilligt. Bis Ende des Jahres 2022 kam es insgesamt zu 62 Neuaufnahmen. Der derzeitige Personalstand des BFA (aktives Personal inkl. 100 Verwaltungspraktikant:innen und Lehrlinge) beträgt 1.125 Mitarbeiter:innen, dies entspricht 1.077 VBÄ.
1.4.2. Begleitend wurde durch das BFA das Instrument BFA-interner Dienstzuteilungen für einen flexiblen Personaleinsatz in Anspruch genommen. Derzeit gibt es 32 Dienstzuteilungen BFA intern und 15 externe Dienstzuteilungen an das BFA. Hierbei wurde eine Empfehlung des Rechnungshofes betreffend die Entwicklung von abgestuften Maßnahmen zur Personalsteuerung umgesetzt und eine Maßnahme getroffen, um rasch auf Veränderungen des Arbeitsanfalls reagieren zu können.
1.4.3. Ab September 2021 wurde durch Verschiebungen des Personals vom fremdenrechtlichen Bereich zurück zur Bearbeitung von Asylverfahren („Change Back“) gezielt Ressourcen zur Arbeitsbewältigung eingesetzt. Die Anzahl der im Bereich der Asylbereich eingesetzten Mitarbeiter:innen stieg von 158 VBÄ (September 2021) auf rund 197 VBÄ (Dezember 2021).
1.4.4. Zusätzlich reduzierte das BFA die Anzahl der Verhandlungsteilnahmen von BFA– Bediensteten beim BVwG (von 128 im Jänner 2021 auf 24 im Dezember 2021) nicht zuletzt, um mehr Kapazitäten für die Bearbeitung laufender Fälle verfügbar zu haben.
1.4.5. Anfang 2022 übernahmen die Regionaldirektionen – zur Vermeidung eines Aktenrück-staus in den Erstaufnahmestellen aufgrund verzögerter Übernahme der zugelassenen Asyl-werbenden in die Grundversorgung der Länder und daraus entstehender längerer Bearbeitungsdauern der Akten – die Aktenbearbeitung auch schon vor Überstellung in die Grundversorgungseinrichtungen der Länder. Das BFA strebte eine möglichst gleichmäßige Belastung der Organisationseinheiten an und berücksichtigte auch die bei den Regionaldirektionen je Bedienstete bzw. Bediensteten offenen Verfahren.
1.4.6. Durch die hohe Anzahl an Asylwerber:innen aus Staaten mit geringer Anerkennungs-wahrscheinlichkeit wurde ein stärkerer Fokus auf die Durchführung von raschen Verfahren gelegt. Hier erfolgte im Jahr 2022 eine Steigerung um mehr als 530 % im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt wurden 23.333 rasche Verfahren entschieden. Dazu zählen „FAST-Track-Verfahren“ (durchschnittliche Verfahrensdauer von 35 Tagen) sowie beschleunigte Verfahrensabwicklungen (erstinstanzlicher Bescheid innerhalb von 72 Stunden).
1.4.7. Zwischen dem dritten Quartal 2018 und dem vierten Quartal 2021 sank die durchschnittliche Erledigungsdauer von Verfahren durch das BFA von 21,6 Monaten auf 3,9 Monate.
1.4.8. Im Jahr 2022 konnten durch das BFA im Jahr 2022 89.447 Asyl-Entscheidungen – rund drei Mal so viele wie noch im Jahr 2021 – getroffen werden.
1.4.9. In seinem am 10.02.2023 veröffentlichten Bericht des Rechnungshofes über die Follow-up-Überprüfung des BFA, erachtete dieser die an BFA und BMI erteilte Empfehlung zu Maßnahmen der Personalsteuerung als umgesetzt und anerkannte die diesbezüglichen Bestrebungen des BFA, durch derartige Maßnahmen auch in Phasen erhöhten Arbeitsanfalls kurzfristig und flexibel auf sich ändernde Gegebenheiten reagieren zu können.
1.5. Das BFA kann als Folge der unter 1.3. beschriebenen Entwicklung die Einhaltung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist unverschuldet nicht in allen Verfahren gewährleisten, weswegen es letztlich auch vorliegend zu Verzögerungen kam.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen hinsichtlich der Stellung und Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz sowie der Erhebung der Säumnisbeschwerde und Nichterledigung des Antrages auf internationalen Schutz ergeben sich aus der Aktenlage. Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensverzögerung auf den Beschwerdeführer zurückzuführen ist, haben sich nicht ergeben.
2.2. Die Feststellungen zu den Umständen, welche der fristgerechten Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers entgegenstanden, sowie zu den von der Behörde ergriffenen Maßnahmen etwa auch personeller Natur, ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres (im Folgenden: BMI) vom 28.02.2023 in Zusammenschau mit der Stellungnahme der belangten Behörde. Die Feststellungen zu den seitens des BFA ergriffenen Maßnahmen ergeben sich überdies aus dem am 10.02.2023 veröffentlichten und öffentlich abrufbaren Bericht des Rechnungshofes über die Follow-up-Überprüfung des BFA (RH-Bericht), der auch der Stellungnahme des BMI zu Grunde gelegt ist und der dort mehrfach zitiert wird. Das erkennende Gericht stützt sich gegenständlich auf die zentralen Aussagen des Rechnungshofes zur Umsetzung der Empfehlungen hinsichtlich der Erledigungsdauer von Asylverfahren (vgl. RH-Bericht, S. 14f.) sowie zur Personalsteuerung (RH-Bericht, S. 19 f.), welche erkennen ließen, dass das BFA und das BMI im Prüfzeitraum umfassende organisatorische und prozesstechnische Maßnahmen zur Verkürzung der Verfahrensdauer ergriffen haben. Die geschilderten vorgenommenen Maßnahmen werden als wahr angenommen.
2.2.1. Bezüglich der vorgenommenen personellen Maßnahmen ergibt sich, dass die Mitarbeiteraufstockung bereits im Jahr 2021 begonnen und auch im Jahr 2022 fortgeführt wurde. Es scheint dem Gericht plausibel, dass die in Gang gesetzten Maßnahmen aufgrund der Ausbildungsphase und intensiven Einschulungen der neuen Mitarbeiter:innen ihre Wirkung nur nachträglich entfalten können, da die Erteilung einer Approbationsbefugnis erfahrungsgemäß nicht mit Arbeitsantritt möglich ist, weshalb die Mitarbeiter:innen erst mit einer zeitlichen Verzögerung selbständig im Verfahren eingesetzt werden können. Die Abwesenheiten der zu schulenden Personen sowie der notwendigen Trainerinnen und Trainer vom Arbeitsplatz führen ebenso zu zusätzlichen Belastungen im Verfahrensbereich der Behörde. Soweit der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 24.07.2023 moniert, einfache Verfahrensschritte würden auch von ungeschultem Personal nach einer zweistündigen Einschulung vorgenommen werden können, kann dem angesichts der komplexen Materie des Asyl- und Fremdenrechts nicht gefolgt werden, da auch die bloße Sachbearbeitung von Akten ein Mindestmaß an Grundkenntnissen und eine damit einhergehende, angemessene Einschulung erfordert, und zwar ungeachtet dessen, ob es sich dabei um einen „einfachen Mitarbeiter ohne Matura-Abschluss“ (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, S.16) handeln mag, oder nicht. Soweit zusätzlich moniert wird, es seien nicht genügend Anreize für die Zurückholung von bereits pensioniertem Personal gesetzt worden und unter Vergleichsziehung mit dem Bildungsbereich behauptet wird, dass „Die Arbeit beim BFA […] sicherlich körperlich leichter als jene eines Lehrers in einer Schulklasse [ist] und […] sicherlich hunderte bereits pensionierte Beamte zur Verfügung stehen [würden], um für einige Monate befristet bei Engpässen auszuhelfen“, handelt es sich dabei um Mutmaßungen kann dies nicht sachgemäß verifiziert werden (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, S. 17).
2.2.2. Der Stellungnahme des BMI vom 28.02.2023 ist weiters in Zusammenhang mit der Ukraine-Krise zu entnehmen, dass mit der Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie auf EU-Ebene und der nationalen Umsetzung durch die Vertriebenen-Verordnung eine völlig neue Rechtsgrundlage geschaffen wurde und es daher für das BFA zu Beginn des Ukraine-Krieges notwendig war, völlig neue Prozesse und Strukturen zu schaffen, um Vertriebenen aus der Ukraine rasch und unbürokratisch Schutz zu gewähren und in jedem Einzelfall auch mögliche Ausschlussgründe vom vorübergehenden Aufenthaltsrecht zu prüfen. Auch waren umfangreiche technische Umprogrammierungen notwendig, um die Druckaufträge für den Ausweis für Vertriebene an die Österreichische Staatsdruckerei (ÖSD) übermitteln zu können und den Betroffenen damit rasch Zugang zum Arbeitsmarkt und zu weiteren wichtigen Lebensbereichen zu ermöglichen. Insgesamt wurden im Jahr 2022 90.994 Personen gemäß der Vertriebenen-Verordnung von der Exekutive registriert und stellte das BFA nach einem Ermittlungsverfahren in der Folge 86.737 Ausweise für Vertriebene nach der Vertriebenen-VO aus, indem es die Druckaufträge an die ÖSD zur Produktion der Ausweise für Vertriebene übermittelte (Stellungnahme des BMI vom 28.02.2023, S. 1f).
2.2.3. Daneben ist das BFA auch zur Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes-Bund zuständig (siehe § 3 Abs. 1 Z 4 BFA-G). Auch in diesem Rechtsbereich hatte das BFA zahlreiche Verfahren zu führen beziehungsweise in Korrelation zu den hohen Antragszahlen entsprechende gesteigerte und vielfach unaufschiebbare Leistungen zu erbringen. Glaubhaft sind die Ausführungen in der Stellungahme des BMI vom 28.02.2023, wonach die sehr hohen Antragszahlen dazu führten, dass die Grundversorgungsstellen sowohl des Bundes als auch der Länder in Bezug auf die Aufnahmekapazitäten nicht immer sogleich flexibel reagieren konnten, sodass hier Verzögerungen in der Verfahrensführung (gerade zu Beginn des Verfahrens) eintreten konnten, die in einer solchen Ausnahmesituation aber unvermeidbar gewesen seien (Stellungnahme des BMI vom 28.02.2023, S.2).
2.2.4. Soweit die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Hinweis auf Zeitungsartikel in ihrer Stellungnahme vom 24.07.2023 anführt, nur die Zahlen der Grundversorgung seien von Bedeutung (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, S. 13), kann dem nicht gefolgt werden, da vielmehr der tatsächliche sowie messbare, weit überproportionale Anstieg an Anträgen relevant ist und auch die Anträge jener Personen, die sich nur kurze Zeit in der Grundversorgung aufhalten, einen verfahrensrechtlichen Mehraufwand für die Behörde bedeuten, selbst wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu zahlreichen Einstellungen gekommen sein mag. Es kann nicht ex ante prognostiziert werden, welcher Antragsteller in Grundversorgung bleiben wird und welcher nicht bzw. zu welchem Zeitpunkt er sich dieser entziehen würde, weshalb die Zahl der sich in Grundversorgung befindlichen Personen keinesfalls als verlässlichen Wert für den vorliegenden Verwaltungsaufwand herangezogen werden kann, zumal auch einmal untergetauchte Personen jederzeit wieder in der Grundversorgung aufscheinen können.
2.2.5. Obzwar die Visafreiheit für tunesische und indische Staatsangehörige durch Serbien wieder aufgehoben wurde, was durchaus zu einem Rückgang der Asylantragszahlen beitragen kann, wurde diese Aufhebung jedoch erst mit Ende des Jahres 2022 verfügt, folglich zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Zahlen, wie oben bereits näher dargestellt, längst ein klares Bild gezeichnet haben. Zudem erfordert die hohe Anzahl an Asylwerbenden aus Staaten mit geringer Anerkennungswahrscheinlichkeit einen noch stärkeren Fokus auf die Durchführung von raschen Verfahren; dies aufgrund der rechtlichen Verpflichtung, Verfahren mit kürzeren Entscheidungsfristen zuerst zu erledigen, worauf hin im Jahr 2022 eine Steigerung um mehr als 530 % im Vergleich zum Vorjahr erfolgt sei und insgesamt 23.333 rasche Verfahren entschieden wurden (Stellungnahme des BMI vom 28.02.2023, S. 2), weshalb auch die diesbezüglichen Behauptungen der Rechtsvertretung und seitens der Rechtsvertretung vorgelegten Zeitungsartikel (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, Beilage Dokument 7) ins Leere gehen.
2.2.6. Soweit die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vorbringt, dass durch Einstellung abgeschlossene Verfahren bzw. Verfahren betreffend Herkunftsstaaten mit geringer Aussicht auf Gewährung eines Asylstatus einen geringeren Ressourceneinsatz erfordert, ist – wie beweiswürdigend festgehalten - darauf hinzuweisen, dass auch spätere Einstellungen mancher Verfahren die zusätzliche Belastung des BFA dadurch nicht entscheidend mindern, als jedenfalls einleitende Verfahrenshandlungen (Erstbefragungen, Einvernahmen usw.) zu setzen sind. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass in jedem Verfahren (auch bei Staaten mit geringer Anerkennungswahrscheinlichkeit) eine Einzelfallprüfung stattzufinden hat. Zusätzliche Verfahrensverzögerungen können sich durch Altersfeststellungen und Dokumentenprüfungen ergeben.
2.2.7. Betreffend den Einsatz im Ruhestand befindlicher Bediensteter des BFA wurde durch das BMI mitgeteilt, dass bislang nur zwei Mitarbeiter:innen aus eigenem Wunsch zurück in den Dienststand aufgenommen wurden (Stellungnahme des BMI vom 28.02.2023, S.4). Solche Wiederaufnahmen oder Neuaufnahmen (von ehemaligen Vertragsbediensteten) auf Konsulentenbasis hätten sich mangels Interessierter bislang nicht im größeren Maß als umsetzbar erwiesen.
Die vom Beschwerdeführer diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Situation während der COVID-19 Pandemie (vgl. Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023) stellt schon im Hinblick auf die gänzlich unterschiedlichen Personalressourcen im Bereich des Lehr- bzw. Exekutivpersonals – wie beweiswürdigend festgehalten - keinen tauglichen Vergleich dar. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach es unterlassen worden sei, finanzielle Anreize zu schaffen, geht damit ins Leere.
2.2.8. In der Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 24.07.2023 werden des Weiteren diverse Verfahren aufgelistet, bei welchen die Behörde nach Säumnisbeschwerde den Bescheid erlassen und das Verfahren eingestellt hat (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, S. 11 und 12). Dabei wird von der Rechtsvertretung die Behauptung geäußert, die Einstellung von Verfahren hinsichtlich Säumnisbeschwerden durch das BFA impliziere ein Schuldeingeständnis der Behörde. Im Falle einer Säumnisbeschwerde sieht das Gesetz jedoch klar vor, dass die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid nachholen kann. Wird der Bescheid nachgeholt oder vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen (§ 16 Abs. 1 VwGVG). Inwieweit es sich um ein Schuldeingeständnis des BFA handeln soll, erschließt sich dem BVwG nicht, vielmehr entbehrt sich diese Argumentation jedweder Grundlage, denn liegt es sogar im Sinne des Gesetzes, dass die Behörde den Bescheid erlässt, soweit die hierfür erforderlichen Kapazitäten im Einzelfall gegeben sind.
2.2.9. Dass die Säumnis der Behörde tatsächlich, wie von der Rechtsvertretung in ihrer Stellungnahme vom 24.07.2023 behauptet, primär lediglich drei Regionaldirektionen beträfe, konnte nicht verifiziert werden und legte die Rechtsvertretung – abgesehen von ihrer eigenen Erfahrung bei der Erhebung von Säumnisbeschwerden – keine nennenswerten oder überprüfbaren Zahlen vor (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, S.10).
2.2.10. Wenn auch die durchschnittliche Verfahrensdauer beim BFA etwa 3,5 Monate dauern mag, kann es dennoch, wie im gegenständlichen und in vielen anderen vor dem BVwG anhängigen Verfahren, zu Verfahrensverzögerungen kommen, zumal die Behörde – wie vom BMI näher erläutert und oben bereits wiedergegeben – die Verfahren nach bestimmten Kriterien priorisieren muss.
2.3. Die festgestellten Daten zur Entwicklung der Antragszahlen in den Jahren 2021 und 2022 stützen sich darüber hinaus auf die durch das BMI veröffentlichten Asylstatistiken für die betreffenden Monate (abrufbar auf https://www.bmi.gv.at/301/Statistiken ). Anhaltspunkte, dass die den Stellungnahmen zugrunde gelegten Daten und Fakten nicht den Tatsachen entsprechen, sind nicht ersichtlich.
Soweit die Rechtsvertretung im Rahmen ihren Stellungnahme zusammenfassend festhält, die aktuelle Situation sei nicht mit jener aus den Jahren 2015/2016 vergleichbar, ist dem zu entgegnen, dass die Statistik – wie oben dargestellt – ein klares Bild zeichnet und in Zusammenschau mit dem Ukraine-Krieg, den zusätzlichen Dublin-Konsultationsverfahren sowie der hohen Anzahl an Antragsstellern aus Staaten mit geringer Anerkennungswahrscheinlichkeit und der Tatsache, dass das BFA bereits Anfang 2021 Maßnahmen gesetzt hat, um die personellen Ressourcen aufzustocken, durchaus von einer vergleichbaren, wenn nicht anspruchsvolleren Situation im Vergleich zu 2015/2016 auszugehen ist. Schon die Belastungen aus den Jahren 2015/16 wurden aber vom Verwaltungsgerichtshof als derart exzeptionell anerkannt, dass die Abweisung von Säumnisbeschwerden durch das BVwG gerechtfertigt war. Hervorzuheben gilt es, dass insbesondere hinsichtlich des Angriffskriegs Russlands das erhöhte Verfahrensaufkommen nicht vorhergesehen und vorbereitet werden konnte, weshalb insgesamt betrachtet kein Organisationsverschulden des BFA festgestellt werden konnte.
2.4. Eine unverschuldete Verzögerung liegt laut Rechtsprechung des VwGH (VwGH 14.09.2016, Ra 2016/18/0127) schließlich nicht vor, wenn die sechsmonatige Entscheidungsfrist der Behörde (BFA) bereits vor jenem Zeitpunkt ablief, zu dem das BFA mit einem "explosionsartigen Anstieg der Zahl der Anträge auf internationalen Schutz" konfrontiert war, der es ihm erschwert habe, seine Entscheidungen fristgerecht zu treffen. Die Entscheidungsfrist lief im gegenständlichen Fall im Februar 2023 ab, hingegen setzte das BFA bereits zu Beginn des Jahres 2021 personelle Maßnahmen, um Verfahrensverzögerungen möglichst entgegenzuwirken, die auch im Jahr 2022 fortgesetzt wurden, weshalb auch aus diesem Grund nicht von einer verschuldeten Verzögerung von Seiten der Behörde auszugehen ist.
2.5. In der Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 24.07.2023 wird die Einvernahme diverser Zeug:innen beantragt, die – soweit es sich dabei nicht um Erkundungsbeweise handelt, zu deren Annahme das BVwG nicht verpflichtet ist – ebenso wenig zu einem anderen Ergebnis führen und nichts am Sachverhalt zu verändern vermögen, zumal auf die jeweiligen Argumente und Anträge weiter oben bereits ausführlich eingegangen wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht mehr ankommt oder wenn das Beweismittel – ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung – untauglich ist (ua. VwGH 27.02.2003, 2002/20/0492; VwGH 24.04.2003, 2000/20/0231). Im gegenständlichen Fall konnten die wesentlichen Feststellungen aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen und Unterlagen, welche dem Parteiengehör unterzogen wurden, getroffen werden. Aufgrund der detaillierten und nachvollziehbaren Ausführungen der dem Verfahren zu Grunde gelegten Stellungnahmen beider Parteien im Zusammenhang mit den vorliegenden objektiven Asylstatistiken, ist die von der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragte Einvernahme namentlich genannter Personen nicht erforderlich, da hierdurch keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten ist, deren Einvernahme auch zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte und den herangezogenen objektiven Quellen kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten gewesen wäre.
Abseits dessen, handelt es sich bei den Beweisanträgen der Rechtsvertretung weitestgehend um Erkundungsbeweise, zu deren Annahme das BVwG nicht verpflichtet ist (vgl. zuletzt VwGH 07.11.2022, Ra 2022/03/0160 mwN).
Infolge Entscheidungsreife und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verfahrensökonomie waren die gestellten Beweisanträge daher abzulehnen.
2.6. Soweit schließlich ausgeführt wird, das BVwG gäbe laufend Säumnisbeschwerden statt und es „indiziert [sei], dass es dem BVwG […] [bei Abweisung von Säumnisbeschwerden] nur um ein „Abwimmeln“ der Säumnisbeschwerde [gehe]“ (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023, S.6), ist darauf hinzuweisen, dass bei Säumnisbeschwerden, die Frage, ob die belangte Behörde an der Nichteinhaltung der Erledigungsfrist ein Verschulden trifft, der Einzelfallbeurteilung durch das Verwaltungsgericht obliegt (VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001). Es handelt sich daher – wie auch im gegenständlichen Fall – um Einzelfallentscheidungen aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte, weshalb darauf nicht weiter einzugehen war.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 131 Abs. 2 1. Satz B-VG erkennt das BVwG – soweit sich aus Abs. 3, der die hier nicht relevante Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes regelt – nichts anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Zu A) Abweisung
3.2. Gemäß § 73 Abs. 1 1. Satz 1. Fall AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Da auch in den einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen – weder das AsylG 2005 noch das BFA-VG kennen in Bezug auf eine Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz wie im gegenständlichen Verfahren („Normalverfahren“) Sonderfristen – keine andere hier anzuwendende Entscheidungsfrist vorzufinden ist, ist das BFA verpflichtet, in einem durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleiteten Verfahren binnen sechs Monaten nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung – hier der Antrag auf internationalen Schutz – bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Diese Frist ist im gegenständlichen Verfahren abgelaufen und die Säumnisbeschwerde daher zulässig.
Gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG ist die Beschwerde abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
3.3. Zur Verletzung der Entscheidungspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits in der Vergangenheit wiederholt festgehalten, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen ist, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (VwGH 16.03.2016, Ra 2015/10/0063). Der VwGH hat ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (VwGH 18.12.2014, 2012/07/0087, mwN). Weiters hat der VwGH ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann (VwGH 18.04.1979, 2877/78, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Behörde kein überwiegendes Verschulden vorzuwerfen, wenn sie bemüht war, das Verfahren zügig zu betreiben, insbesondere nicht grundlos zuwartet, sondern etwa durchgehend mit den Sachverständigen und der beschwerdeführenden Partei in Kontakt ist, auf die Dringlichkeit des Verfahrens hinweist und Stellungnahmen urgiert sowie organisatorische Vorkehrungen für die Abwicklung dieses Verfahrens trifft, indem sie konkrete Aufträge an die Amtssachverständigen zur Erstellung von für die Entscheidung notwendigen Stellungnahmen erteilt und mit den Sachverständigen sachlich begründete Termine vereinbart (VwGH 18.12.2014, 2012/07/0087).
Zur Frage der „unüberwindlichen Hindernisse“ hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Umstand allein, dass es sich um eine komplexe Materie handelt, nicht ausreicht, um vom Vorliegen eines unüberwindlichen Hindernisses auszugehen (VwGH 18.12.2014, 2012/07/0087). Es sei Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen (VwGH 21.09.2007, 2006/05/0145).
3.4. Die Ausnahmesituation ab dem Jahr 2015 veranlasste den VwGH in seiner Entscheidung vom 24.05.2016, Ro 2016/01/0001, schließlich zu der Feststellung, dass die Abarbeitung der aus den hohen Asylantragszahlen im Jahr 2015 resultierenden zahlreichen offenen Verfahren jahrelange Arbeit in Anspruch nehmen werde und dass ein erneuter Zustrom Schutzsuchender den bestehenden Rückstau an Asylverfahren weiter verstärken würde.
Im Jahr 2015 wurden rund 90.000 Anträge auf internationalen Schutz gestellt, womit sich die Asylantragszahl im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht hat. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 betrug die Anzahl der Anträge pro Monat oftmals deutlich über 10.000.
Unbeschadet einer Personalaufstockung um 206 neue Mitarbeiter:innen hatte sich aufgrund des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 die Anzahl an offenen Verfahren mehr als verdoppelt (31.000 offene Asylverfahren zu Beginn des Jahres 2015 im Vergleich zu 80.000 offenen Asylverfahren Ende Februar 2016).
Die enorm hohe Zahl an offenen Verfahren stellte – so der VwGH – eine extreme Belastungssituation dar, die sich in ihrer Exzeptionalität von herkömmlichen Überlastungszuständen grundlegend unterscheide. In einer derartigen Situation könne sich die Einhaltung von gesetzlichen Entscheidungsfristen als schwierig erweisen, zumal die Behörde im Hinblick auf ihre Verpflichtung, durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung zu gewährleisten, in dieser Ausnahmesituation zwangsläufig an ihre Grenzen stoßen müsse.
Im Ergebnis seien nach Ansicht des VwGH mit dieser außergewöhnlichen Belastungssituation im Rahmen der Verschuldensbeurteilung hinreichende Gründe für das Vorliegen unüberwindlicher Hindernisse dargelegt worden und die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese Belastungssituation zurückzuführen gewesen.
Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar:
3.5. Während nach den Rekordwerten im Jahr 2015 in den Folgejahren zunächst eine stetige Abnahme der Asylantragszahlen beobachtet werden konnte, wurde - wie festgestellt - im Jahr 2021 ein deutlicher Anstieg der Asylantragszahlen um rund 170 % im Vergleich zum Vorjahr auf rund 40.000 Personen verzeichnet. Diese Lage verschärfte sich im Jahr 2022 weiter, die Zahl der Anträge stieg auf rund 109.000. Allein im Juni 2022 wurde eine Asylantragszahl von über 9.000 Anträgen verzeichnet, die kontinuierlich auf einen Höchstwert von rund 18.000 Anträgen allein im Oktober 2022 anstieg. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2022 kam zu einem sprunghaften Anstieg der Anträge auf internationalen Schutz – insbesondere durch die enorme Zunahme an nordafrikanischen und indischen Antragsteller:innen. Damit wurden jedenfalls die Antragszahlen aus 2015/16 erheblich übertroffen.
Zusätzlich war der Ausbruch des Ukrainekriegs mit rund 90.000 Vertriebene vom BFA und den Grundversorgungsstellen zu bewältigen. Abgesehen davon stiegen Dublin-Out Konsultationsverfahren mit anderen Mitgliedsstaaten auf rund 15.000 ebenso wie die Dublin-In Konsultationsverfahren von anderen Mitgliedsstaaten auf rund 24.000 Verfahren an.
Ein Vergleich der damit beschriebenen Situation mit jener der Jahre 2015/2016, welche dem oben zitierten Erkenntnis des VwGH zugrunde lag, führt zwangsläufig zu dem Schluss, dass sich das BFA spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2022 mit einer extremen Belastungssituation konfrontiert sah, die sich in ihrer Exzeptionalität von herkömmlichen Überlastungszuständen grundlegend unterscheidet.
3.6. Um dieser Situation zu begegnen, wurden vom BFA beginnend mit Ende 2021 im Hinblick auf den prognostizierten weiteren Anstieg von Anträgen alle möglichen und budgetär vertretbaren Maßnahmen zur Personalaufstockung gesetzt. Hierbei wurden verfügbare Kapazitäten des Stellenplans des Bundes im Bereich des BFA ausschöpft und zusätzliche Kapazitäten mit Lehrlingen bzw. Verwaltungspraktikant:innen geschaffen.
Aufgrund arbeitsmarktspezifischer Schwierigkeiten bei der Besetzung der Planstellen und des Erfordernisses einer entsprechenden Ausbildung des neu aufzunehmenden Personals setzte das BFA – wie sich auch aus dem vorliegenden Bericht des Rechnungshofes ergibt – begleitend das Instrument interner Dienstzuteilungen für einen flexiblen Personaleinsatz ein und nützte Verschiebungen des Personals vom fremdenrechtlichen Bereich zurück zur Bearbeitung von Asylverfahren („Change Back“). Zusätzlich reduzierte das BFA die Anzahl der Verhandlungsteilnahmen von BFA– Bediensteten beim BVwG (von 128 im Jänner 2021 auf 24 im Dezember 2021) nicht zuletzt, um mehr Kapazitäten für die Bearbeitung laufender Fälle verfügbar zu haben.
Wie beweiswürdigend ausgeführt, gilt es bezüglich der gesetzten Personalmaßnahmen auch zu berücksichtigen, dass neue Mitarbeiter:innen aufgrund der Ausbildungsphase des BFA immer einen massiven Zeitaufwand bedeuten und stets erst mit einer zeitlichen Verzögerung selbständig im Verfahren eingesetzt werden können. Die Erteilung einer Approbationsbefugnis ist nicht mit Arbeitsantritt möglich, sondern sind einige Monate an Vorbereitungen und Schulungen notwendig. Dies ist erforderlich, um dafür Sorge zu tragen, dass Mitarbeiter:innen ihrem Ausbildungsstand und Lernfortschritt entsprechend eingesetzt werden und so eine qualitätsvolle Arbeitsleistung gesichert ist. Die Abwesenheiten der zu schulenden Personen sowie der notwendigen Trainerinnen und Trainer vom Arbeitsplatz sind notwendig, führen jedoch gleichzeitig zu zusätzlichen Belastungen im Verfahrensbereich der Behörde.
3.7. Durch die hohe Anzahl an Asylwerber:innen aus Staaten mit geringer Anerkennungswahrscheinlichkeit wurde ein stärkerer Fokus auf die Durchführung von raschen Verfahren gelegt. Hier erfolgte im Jahr 2022 eine Steigerung um mehr als 530 % im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt wurden 23.333 rasche Verfahren entschieden. Dazu zählen „FAST-Track-Verfahren“ (durchschnittliche Verfahrensdauer von 35 Tagen) sowie beschleunigte Verfahrensabwicklungen (erstinstanzlicher Bescheid innerhalb von 72 Stunden).
Anfang 2022 übernahmen die Regionaldirektionen – zur Vermeidung eines Aktenrückstaus in den Erstaufnahmestellen aufgrund verzögerter Übernahme der zugelassenen Asylwerbenden in die Grundversorgung der Länder und daraus entstehender längerer Bearbeitungsdauern der Akten – die Aktenbearbeitung auch schon vor Überstellung in die Grundversorgungseinrichtungen der Länder.
3.8. Zusammenfassend wird somit festgehalten, dass von BMI und BFA damit alle vertretbaren Möglichkeiten ausgeschöpft wurden um entsprechende Personalressourcen zur Bewältigung des nicht vorhersehbaren massiven Anstieges an Anträgen innerhalb kurzer Zeit bereit zu stellen. In diesem Zusammenhang ist auf den Bericht des Rechnungshofes zu verweisen, in welchem dieser die Maßnahmen des BFA und BMI zur Personalsteuerung, welche daran ausgerichtet sind, kurzfristig und flexibel auf sich ändernde Gegebenheiten reagieren zu können, anerkannte (vgl. RH-Bericht, S. 19f.)
3.9. Ergänzend ist anzumerken, dass das BFA bereits im Vorfeld des Anstiegs der Anträge im Jahr 2021 – einer Empfehlung des Rechnungshofes folgend – wesentliche Schritte setzte, um sicherzustellen, dass die Asylverfahren im Durchschnitt innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von sechs Monaten erledigt werden. Neben den bereits beschriebenen Maßnahmen im Bereich der Personalsteuerung wurden insbesondere auch Maßnahmen betreffend Controlling und Monitoring umgesetzt, nicht zuletzt auch um stark belastete Regionaldirektionen zu entlasten (vgl. RH-Bericht, S. 14. f.: „[…] Resultierend aus den statistischen Auswertungen seien Verteilungsmaßnahmen zu den noch laufenden Verfahren getroffen worden, um stark belastete Regionaldirektionen zu entlasten und einen raschen Verfahrensabschluss gewährleisten zu können. Ebenfalls sei bei Neuzuteilungen von Asylverfahren besonders darauf geachtet worden, diese zielgerichtet auf die jeweiligen Organisationseinheiten aufzuteilen […] Darüber hinaus seien in den mit allen Regionaldirektionen im Jahr 2018 geführten Organisations–Entwicklungsgesprächen (Zielvereinbarungs–Gespräche) auch individuelle Controlling–Maßnahmen in den einzelnen Organisationseinheiten zur Erreichung des Ziels vereinbart worden.“)
Dies führte im Ergebnis dazu, dass die durchschnittliche Erledigungsdauer von Asylverfahren beim BFA zwischen dem dritten Quartal 2018 und dem vierten Quartal 2021 von 21,6 Monaten auf 3,9 Monate sank und damit zur Zeit der Follow–up–Überprüfung des Rechnungshofes im Durchschnitt unter sechs Monaten lag (vgl. RH-Bericht, S. 15).
Dem Vorhalt des Beschwerdeführers betreffend unterlassener Maßnahmen zur Umverteilung des Arbeitsanfalles zwischen stärker und geringer belasteten Regionaldirektionen kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden, zumal sich – wie soeben dargestellt – aus dem RH-Bericht ergibt, dass Verteilungsmaßnahmen und zielgerichtete Neuzuteilungen auf die einzelnen Organisationseinheiten ein zentraler Faktor in den Bemühungen des BFA zur Beschleunigung der Verfahrensdauer gewesen ist.
Das BFA konnte somit aufgrund der bereits getroffenen Maßnahmen die durchschnittliche Dauer der Verfahren in einer Phase geringer Asylantragszahlen (bis zum erneuten Anstieg Ende 2021) deutlich reduzieren. Durch den massiven Anstieg der Antragszahlen im Jahr 2022 in Zusammenspiel mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine musste die belangte Behörde jedoch trotz umfassender Implementierungen zur Verfahrensbeschleunigung in ihren Vorkehrungen zur Gewährleistung einer kurzen Verfahrensdauer zwangsläufig an ihre Grenzen stoßen.
3.10. Im Übrigen ist im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers festzuhalten, dass aus dem Ausbleiben einer allein dem Gesetzgeber obliegenden Verlängerung der Entscheidungspflicht nicht der Schluss gezogen werden kann, dass gegenständlich anders als in den Jahren 2015/16 nicht vom Vorliegen unüberwindlicher, einer im Sinne des § 8 VwGVG iVm § 73 Abs. 1 AVG fristgerechten Entscheidung entgegenstehender Hindernisse auszugehen ist.
3.11. Zusammengefasst gilt es festzuhalten, dass die explosionsartige Antragsentwicklung sowie deren Auswirkungen auf das gesamte Asylsystem dazu geführt haben, dass das BFA einer mit dem Jahr 2015 vergleichbaren außergewöhnlichen Belastungssituation im Sinne der Kriterien des VwGH ausgesetzt ist und als Folge dieser Entwicklung die Einhaltung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist unverschuldet nicht in allen Verfahren gewährleisten kann, weswegen es letztlich auch vorliegend zu einer Verzögerung des Verfahrens kam.
Aus den dargelegten Erwägungen folgt somit, dass das BFA an der Versäumnis der Entscheidungsfrist von sechs Monaten kein überwiegendes Verschulden trifft. Diese ist unter Berücksichtigung der oben zitierten Rechtsprechung des VwGH im Wesentlichen auf unbeeinflussbare und unüberwindbare Hindernisse zurückzuführen.
3.12. Zu den Beweisanträgen des Beschwerdeführers:
In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.07.2023 wurde die Einvernahme diverser Zeug:innen, nämlich Bediensteter diverser Regionaldirektionen des BFA sowie Volksanwalt Dr. Walter ROSENKRANZ, die Nationalratsabgeordnete Sigrid Maurer BA, Generalsekretär der ÖVP Dr. Christian STOCKER und Lukas GAHLEITNER-GERTZ (Sprecher Asylkoordination ) beantragt.
Hierzu ist wie folgt festzuhalten:
3.12.1. Zum Antrag auf Einvernahme der Leiter:innen der einzelnen Regionaldirektionen des BFA, sowie von Thomas PUNTIGAM, Susanne JAREC-DIAMANTOPOULOS (RD Wien) und Alexandra BERGAUS (RD Steiermark), dies zu dem Thema, dass es in einzelnen Regionaldirektionen sehr wohl freie Kapazitäten gegeben habe, jedoch keine sorgfältige Umverteilung erfolgt sei – in diesem Zusammenhang wird auf die fehlende Wahrheitspflicht bei der Abgabe schriftlicher Stellungnahmen hingewiesen – ist zunächst festzuhalten, dass das erkennende Gericht – wie beweiswürdigend festgehalten – keinen Grund zur Annahme sieht, dass die in den Stellungnahmen der belangten Behörde diesbezüglich getätigten Angaben nicht den Tatsachen entsprechen, zumal diese durch die Stellungnahme des BMI vom 28.02.2023 gestützt wurden. Im Übrigen laufen diese Beweisanträge auf Erkundungsbeweise hinaus, da sich das Vorbringen, dass sich die Überlastung des BFA auf einzelne Regionaldirektionen beschränkt, obgleich freie Kapazitäten innerhalb der Organisation des BFA zur Verfügung stehen würden, auf dem subjektiven Eindruck des Rechtsvertreters auf Basis der von diesem geführten Säumnisbeschwerdeverfahren gründet und somit erst durch die Einvernahme der Zeug:innen zu ermitteln wäre.
Erkundungsbeweise sind Beweise (z.B. Gutachten oder Zeugenvernehmungen), die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es ihr erst ermöglichen, dieses zu erstatten (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 46 Rz 16). Diese allgemeinen Ausführungen laufen auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Annahme das BVwG nicht verpflichtet ist (vgl. zuletzt VwGH 07.11.2022, Ra 2022/03/0160 mwN).
3.12.2. Im Hinblick auf die beantragte Einvernahme von Volksanwalt Dr. Walter ROSENKRANZ zum Thema, dass von der Volksanwaltschaft in 28 Fällen Verletzungen der Entscheidungspflicht durch das BFA festgestellt worden seien, wobei nach Auffassung der Volksanwaltschaft keine entschuldbare Überlastung des BFA vorliege, ist zu entgegnen, dass das BVwG an Feststellungen der Volksanwaltschaft zu Missständen nicht gebunden ist, sondern die gegenständliche Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde eine rechtliche Beurteilung darstellt, die im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom BVwG autonom zu beurteilen ist. Im Übrigen wird nicht konkretisiert, über welche konkreten Wahrnehmungen der beantragte Zeuge verfügt, sondern wird dies vielmehr aus dem Zusammenhang bzw. der Zuständigkeit des Zeugen als Volksanwalt geschlossen, sodass dies erneut auf einen Erkundungsbeweis hinausläuft.
3.12.3. Zum Beweis, dass es aktuell keine „Asylkrise“ gebe, werden weiters die Einvernahmen der Nationalratsabgeordneten Sigrid MAURER, BA sowie von ÖVP-Generalsekretär Dr. Christian STOCKER beantragt. Dies aufgrund einschlägiger Äußerungen in den Medien bzw. einer Veröffentlichung auf Instagram. Betreffend Sigrid MAURER, BA ist festzuhalten, dass sich die im vorgelegten Bericht der Zeitschrift Profil vom 15.10.2022 widergegebenen Aussagen in erster Linie auf die Thematik der Grundversorgung beziehen und somit die unmittelbare Relevanz für die Auslastung des BFA nicht zu erkennen ist. Zur Frage, inwiefern sich die im Bericht argumentativ thematisierten Verfahrenseinstellungen auf die Arbeitsbelastung des BFA auswirken, darf auf die gegenständlichen Ausführungen oben verwiesen werden. Im Übrigen stellen die pauschalen Hinweise auf „unmittelbarer Einblicke in die aktuelle Lage“ (vgl. Zeugenantrag MAURER) bzw. Zugang zu Quellen und weiteren Informationen als Generalsekretär (vgl. Zeugenantrag STOCKER) keine tauglichen Beweisthemen dar.
3.12.4. Auch der Zeugenantrag zum Sprecher der Asylkoordination und Asylexperten Lukas GAHLEITNER-GERTZ, lässt kein Beweisthema erkennen, sondern wird pauschal auf dessen Kontakt zu zahlreichen Interessensgruppen sowie auch mit Flüchtlingen und dessen guten Blick hinter die Kulissen mit persönlichen Wahrnehmungen verwiesen sodass es sich hierbei um einen Erkundungsbeweis handelt.
Die Beweisanträge der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers auf die angeführten zeugenschaftlichen Vernehmungen namhaft gemachter Personen waren daher mangels Erheblichkeit abzulehnen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH setzt die Beachtlichkeit eines Beweisantrages nämlich die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen voraus, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag dann, wenn Beweisthema eine für die Rechtsanwendung mittelbar oder unmittelbar erhebliche Tatsache ist. Beweisanträge, die nur pauschal zum Beweis für das gesamte Vorbringen gestellt werden, entsprechen nicht dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung des Beweisthemas, das durch das Beweismittel erwiesen werden soll (VwGH 13.12.2019, Ra 2019/02/0004).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht mehr ankommt oder wenn das Beweismittel – ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung – untauglich ist (ua. VwGH 27.02.2003, 2002/20/0492; 24.04.2003, 2000/20/0231).
Im Hinblick auf die Aussagekraft der im Verfahren herangezogenen Beweismittel war die Einvernahme der durch die Rechtsvertretung namentlich genannten Personen – abseits des Umstandes, dass es sich hierbei weitestgehend um Erkundungsbeweise handelt, zu deren Annahme das BVwG nicht verpflichtet ist (VwGH 07.11.2022, Ra 2022/03/0160 mwN) – und die diesbezüglichen Beweisanträge abzulehnen, da zum einen unklar blieb, welche Tatsachen im Verfahren hierdurch genau hätten geklärt werden sollen, die nicht bereits durch die Statistiken und Stellungahmen erhoben werden konnten und zum anderen auch nicht zu erwarten war, dass diese zu einem anderslautenden Ergebnis geführt hätten.
3.13. Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC nicht entgegenstehen:
Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Gemäß Art. 47 Abs. 2 GRC hat zwar jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht iSd Art. 52 Abs. 1 GRC ist nach Ansicht des BVwG jedoch zulässig, weil sie eben - wie in der GRC normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 GRC verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 11 der Präambel der RL 2005/85/EG ). Das Absehen von einer Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 GRC normierte Voraussetzung (vgl. dazu auch VfGH 14.3.2012, U 466/11 ua.).
Gemäß der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 12 GRC auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten, und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).
Der Sachverhalt ist aufgrund der Aktenlage geklärt und konnte daher eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
