BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W291.2274170.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. RIEDLER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Dr. Gregor KLAMMER, gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 30.06.2023, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) befindet sich seit 13.06.2023 in Schubhaft.
2. Mit Schriftsatz vom 13.07.2023 wurde eine Schubhaftbeschwerde erhoben.
3. Am 19.07.2023 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In der Verhandlung wurde der in der Beschwerde gestellte Antrag dahingehend abgeändert, dass beantragt wurde, die Schubhaft ab 30.06.2023 für rechtswidrig zu erklären.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum bisherigen Verfahren:
Der BF, ein Staatsangehöriger von Nigeria stellte in Österreich am 15.07.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher damals in zweiter Instanz vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit 08.06.2006 rechtskräftig abgewiesen wurde.
Am 19.07.2004 (Ersteinvernahme im Asylverfahren VZ 2600209) gab der BF zum Fluchtgrund an, wegen Drohungen durch Vertreter einer religiösen Praktik/Religion („Juju“) und der Befürchtungen nach dem Tod seines Vaters – dem Führer dieser lokalen Gemeinde – dessen Aufgaben übernehmen zu müssen, und unter anderem Kinder zu opfern, geflohen zu sein.
Am 01.09.2006 bekam der BF aufgrund einer geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Aufenthaltsberechtigung als Familienangehöriger ausgestellt.
Von 04.05.2006 bis 28.11.2014 bestand mit seiner nunmehr ehemaligen Gattin und den zwei gemeinsamen aus der Ehe hervorgegangenen Kindern ein gemeinsamer Haushalt. Danach führte der BF getrennt von seinen Kindern und seiner nunmehr ehemaligen Gattin einen eigenen Wohnsitz.
Im Zeitraum von Mai 2009 bis Februar 2015 wurde der BF dreimal strafgerichtlich verurteilt. Im September 2015 prüfte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nach einer bedingten Entlassung aus der Strafhaft erstmals die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den BF, sah jedoch wegen der langen Aufenthaltsdauer und seiner familiären Anbindungen in Österreich von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ab.
Im Jahr 2017 folgten drei weitere strafgerichtliche Verurteilungen des BF, woraufhin das BFA ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einleitete.
Mit Schreiben vom 21.09.2017 teilte das BFA dem BF mit, dass gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot beabsichtigt sei, und räumte ihm die Möglichkeit ein, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde vom BFA am 26.07.2019 mit der Begründung eingestellt, dass der BF trotz der (bisher) 6 rechtskräftigen Verurteilungen zwei minderjährige Kinder im Bundesgebiet habe und auch eine neue Lebensgemeinschaft führe, aus welcher ein weiteres Kind hervorging.
Der BF wurde am 26.07.2019 unter Anwesenheit seiner Bewährungshelferin niederschriftlich einvernommen und nachweislich ermahnt.
Am 03.10.2019, somit nur kurz nach der durchgeführten Einvernahme am 26.07.2019, wurde der BF erneut straffällig und deswegen von einem Landesgericht im Februar 2020 verurteilt.
Ab dem 13.11.2020 war der BF nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet und mit 16.09.2021 wurde er zur Festnahme ausgeschrieben.
Am 28.09.2021 versuchte der BF, seine Festnahme zu verhindern, indem er vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes flüchtete, und er gab zunächst eine falsche Identität an, nachdem er festgenommen wurde. Seine Identität stellte er erst richtig, nachdem ein Beamter ihn mit seinem richtigen Namen ansprach. Als Begründung für sein Verhalten gab er an, nicht ins Gefängnis zu wollen.
Am 14.04.2022 wurde seitens der BBU ein Rückkehrberatungsgespräch mit dem BF geführt, der BF war nicht rückkehrwillig.
Am 15.06.2022 wurden vom BFA sowohl die nunmehr ehemalige Ehegattin als auch die nunmehr ehemalige Lebensgefährtin des BF einvernommen und insbesondere zum Verhältnis des BF zu seinen Kindern befragt.
Am 23.06.2022 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF durch das BFA in Bezug auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und die Verhängung von Sicherungsmaßnahmen im Falle der Entlassung aus der Strafhaft.
Mit 12.09.2022 langte eine Stellungnahme der Abteilung Gesundheit, Jugend und Familie / Sozialarbeit, Magistrat der XXXX ein.
Mit Bescheid vom 05.10.2022 erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.). Ferner wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, I411 2261812-1, vom 10.11.2022 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27.02.2023, E 3443/2022, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 25.05.2023, Ra 2023/21/0069, wurde die Revision zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom 24.01.2023 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet (die Rechtsfolgen dieses Bescheides treten nach der Entlassung aus der Strafhaft ein). Der BF wurde am 13.06.2023 bedingt aus der Justizanstalt XXXX entlassen. Am 13.06.2023 wurde die Schubhaft in Vollzug gesetzt.
Der BF befindet sich seit 13.06.2023 in Schubhaft.
Am 19.06.2023 wurde seitens der BBU ein Rückkehrberatungsgespräch mit dem BF geführt, der BF zeigte sich rückkehrwillig.
Der BF brachte am 26.06.2023 eine Schubhaftbeschwerde ein, diese wurde am 29.06.2023 vom Bundesverwaltungsgericht unter W140 2274170-1 als unbegründet abgewiesen und wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Der BF wurde in der Schubhaft mehrfach von der Rückkehrberatung und der Rechtsberatung der BBU besucht. Er wurde von der Rechtsberatung am 19.06.2023, 26.06.2023, 27.06.2023, 29.06.2023, 30.06.2023 und am 06.07.2023 in der Schubhaft besucht. Der BF wurde aber auch von seinem Rechtsanwalt am 29.06.2023, 04.07.2023 und am 10.07.2023 besucht.
Der BF stellte im Stande der Schubhaft am 10.07.2023 einen Asylantrag. Am 11.07.2023 erfolgte eine Erstbefragung und wurde ihm ein Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG zugestellt.
Die Erstbefragung fand am 11.07.2023 statt, dabei gab der BF an, dass er Nigeria im Jänner 2004 verlassen hätte, nachdem sein Vater aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten getötet worden sei und er selbst am Kopf verletzt worden wäre. Das seien alle Gründe.
In der mündlichen Verhandlung führte er nunmehr zum Fluchtgrund ergänzend im Wesentlichen aus, dass er als Vertrauensperson arbeite, weshalb er getötet werden könnte.
1.2. Weitere Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Voraussetzungen der Schubhaft, zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr sowie zur Verhältnismäßigkeit
1.2.1. Der BF besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht. Er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates. Er ist Staatsangehöriger von Nigeria. Der BF ist volljährig.
1.2.2. Der BF war sowohl am 30.06.2023 als auch während der weiteren Anhaltung in Schubhaft haftfähig. Er ist auch weiterhin haftfähig. Es lagen und liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.
1.2.3. Der BF hat drei Kinder (eine im Jahr XXXX geborene Tochter, ein im Jahr XXXX geborener Sohn und ein im Jahr XXXX geborener Sohn) in Österreich. Seine nunmehr ehemalige Ehegattin und seine ehemalige Lebensgefährtin leben in Österreich. Mit der nunmehr ehemaligen Gattin, die Mutter der beiden älteren Kinder, besteht seit 2014 kein gemeinsamer Wohnsitz. Mit der ehemaligen Partnerin, Mutter seines jüngsten Kindes, besteht seit 2019 kein gemeinsamer Wohnsitz. Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Am 29.06.2023 verfügte er über EUR 929, welches sich auf nunmehr EUR 0,28 verringerte. Der BF verfügte das letzte Mal am 12.11.2020 über eine Hauptwohnsitzmeldung außerhalb von einer Justizanstalt bzw. einem Anhaltezentrum in Österreich.
1.2.4. Zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF:
1.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 29. Mai 2009 wurde er wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, verurteilt.
Der BF hat in der Zeit von 01.03.2008 bis 11.03.2009 in XXXX und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge überschreitenden Menge, nämlich zumindest zwei Gramm Cannabiskraut, 4 Gramm Heroin und 565 Gramm Kokain mit einem durchschnittlich hohen Reinheitsgehalt von 21,4 % abgesondert verfolgten Personen, einem verdeckten Ermittler, einem unbekannten Täter und einem nicht ausgemittelten Suchtgiftabnehmer teils angeboten, und zwar im Umfang von 60 Gramm Kokain, und teils, nämlich im übrigen Umfang, entgeltlich überlassen.
Bei den Strafbemessungsgründen wurde der lange Deliktszeitraum und die mehrfache Grenzmengenüberschreitung erschwerend gewertet. Sein Geständnis und die strafgerichtliche Unbescholtenheit zum damaligen Zeitpunkt flossen mildernd in die Entscheidung mit ein.
2.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 7. Mai 2012 wurde er wegen der Vergehen Suchtgifthandel, Urkundenunterdrückung, versuchte Nötigung und versuchte Bestimmung zur falschen Beweisaussage zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.
Der BF wurde für schuldig befunden;
I. in XXXX und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge nicht überschreitenden Menge gewerbsmäßig angeboten und überlassen zu haben, und zwar im Juli 2011 zumindest 100 Gramm Kokain, in der Zeit von Anfang September 2009 bis 13.12.2011 insgesamt 14 Gramm Kokain.
II. in der Zeit von 09.12.2011 bis 13.12.2011 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein einer anderen Person, den dieser verloren hatte, durch Ansichnehmen mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, um zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht wird.
III. am 22.01.2012 eine Person durch die sinngemäße Äußerung, wenn er seine Aussage gegen ihn vor der Polizei vor Gericht wiederhole, werde er sowie auch er selbst im Krankenhaus landen, wobei er zur Untermauerung mit einer Hand heftig in die Richtung der Person gestikulierte, durch eine gefährliche Drohung zu einer Unterlassung bzw. Abstandnahme von der neuerlichen Abgabe einer ihn belastenden Zeugenaussage vor Gericht zu nötigen versucht und die Person zu einer falschen Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen versucht zu haben.
Im Rahmen der Strafbemessung fiel das Geständnis des BF sowie der Umstand, dass es sich bei den strafbaren Handlungen zu III. um einen Versuch handelte, mildernd ins Gewicht. Erschwerend wurden das Zusammentreffen von vier Vergehenstatbeständen, eine einschlägige Vorstrafe sowie der rasche Rückfall gewertet.
3.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 10. Februar 2015 wurde er wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und dem Vergehen des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.
In der Zeit von Oktober 2013 bis 5. Oktober 2014 hatte der BF vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar insgesamt mindestens 84 Gramm Kokain, gewinnbringend verkauft bzw. weitergegeben, in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung der Tat ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Am 5. Oktober 2014 war er zudem im Besitz von insgesamt 3,6 Gramm Kokain und am 18. Mai 2014 hat er in XXXX ein Iphone 5s im Wert von EUR 250,-- einer anderen Person mit dem Vorsatz weggenommen, um sich unrechtmäßig zu bereichern.
In der Strafbemessung sind die zwei einschlägigen Vorstrafen, die Begehung während offener Probezeiten sowie die mehreren Vergehen als erschwerend, hingegen das Geständnis des BF als mildernd berücksichtigt worden.
4.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 10. Jänner 2017 wurde er wegen des Vergehens der versuchten Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Dem Strafurteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass der BF im August 2016 seine Ehefrau durch gefährliche Drohung, indem er im Zuge eines Telefonats äußerte, er werde ihr Haus anzünden, zu einer Handlung, und zwar der Gewährung seines Besuchsrechts hinsichtlich der gemeinsamen Kinder, zu nötigen versucht hat.
Das Landesgericht wertete die einschlägige Vorverurteilung des BF und die Begehung innerhalb der offenen Probezeit im Rahmen der Strafbemessung als erschwerend. Mildernd blieb nur der Umstand übrig, dass es bei der Tat beim Versuch geblieben ist.
Gegen das Urteil vom 10. Jänner 2017 erhob der BF eine Berufung, welche vom Oberlandesgericht XXXX mit Urteil vom 25. April 2017 abgewiesen wurde.
5.) Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 6. Februar 2017 wurde er wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.
Der BF hat in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar
1. in der Zeit zwischen 1. Dezember 2015 und 17. März 2016 von zwei Nigerianern eine unbekannte Menge Kokain erworben und besessen
2. zwischen 8. September 2015 und 17. März 2016 8 Kugeln Kokain erworben und besessen
3. zwischen Mitte Februar 2016 und 29. Februar 2016 ein Gramm Kokain durch Verkauf überlassen
4. zirka Ende 2016 ein Gramm Kokain durch Verkauf überlassen.
Bei der Strafbemessung fielen die drei einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen erschwerend und das zumindest teilweise abgegebene Tatsachengeständnis als mildern hinein.
Aus spezial- und generalpräventiven Gründen hielt das Strafgericht eine unbedingte Freiheitsstrafe für erforderlich.
6.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30. Juni 2017 wurde er wegen dem Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.
Der BF hat am 22. Februar 2017 einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, und zwar an der Festnahme zur Vorführung zum Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe und seiner Durchsuchung, gehindert, indem er den Beamten mit beiden Händen von sich wegstieß und ihm danach einen Schlag gegen dessen Oberkörper versetzte, sodass dieser stürzte und er fliehen konnte. Durch das Versetzen eines Schlages gegen den Oberkörper des Beamten, der dadurch zu Boden stürzte und Hautabschürfungen an beiden Knien erlitt, hat er den Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben am Körper verletzt.
Zudem hat der BF am 3. April 2017 Beamte mit Gewalt an seiner Festnahme zu verhindern versucht, indem er Gegenwehr in Form von Kopfstöße, Schläge mit den Händen und Fußtritten leistete. Durch die Leistung von Gegenwehr stürzten zwei Beamte zu Boden und erlitten Hautabschürfungen an beiden Knien und an der Nase.
Im Rahmen der Strafbemessung wirkten die vier einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während offener Probezeit, anhängigem Verfahren und offenem Vollzug, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, der rasche Rückfall sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 39 StGB erschwerend. Mildernd fielen sein Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, aus.
7.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13. Februar 2020 wurde er wegen die Vergehen des teils versuchten und teils vollendeten Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
Am 3. Oktober 2019 hinderte der BF im Bereich einer Kreuzung einen Beamten an seiner Anhaltung, indem er mit seinem KFZ auf den zu seinem Fahrzeug herantretenden Beamten losfuhr, sodass sich der Beamte nur durch einen Sprung zur Seite vor einer Kollision in Sicherheit bringen konnte. Außerdem hinderte er am 3. Oktober 2019 im Bereich eines Leitenweges zwei Beamten an seiner Festnahme, indem er sich gegen deren Festhaltegriffe durch Winden und Zerren zur Wehr setzte, wobei diese Tat beim Versuch blieb.
Während das Geständnis des BF sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, im Rahmen der Strafbemessung mildernd zu werten war, wirkten die Begehung während mehrere offener Probezeiten, die Mehrzahl von insgesamt 5 einschlägigen Vorstrafen, der letztlich raschestmögliche und einschlägige Rückfall, das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen, die Tatwiederholung und die mit der Art und Weise der Begehung besonderen Schwere der Tat erschwerend.
Das Landesgericht hielt fest, dass nur mehr eine längere unbedingte Freiheitsstrafe als erfolgversprechende Sanktion erscheine, weil Strafnachsichten, Probezeiten und selbst bedingte Entlassungen aus verbüßten Haften den BF nicht von der nunmehr mit zunehmender Deliktschwere und krimineller Energie verbundenen neuerlichen Begehung gleich gelagerter Straftaten abhielten. Es bedürfe einer exemplarischen Sanktion.
Sowohl der gegen das Urteil vom 13. Februar 2020 erhobene Berufung als auch der gegen den Beschluss über die Widerrufung der gewährten bedingten Entlassung eingebrachte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht XXXX mit Urteil vom 8. Juli 2020 nicht Folge gegeben.
1.2.5. Am 10.01.2023 wurde ein Antrag hinsichtlich eines Heimreisezertifikates (HRZ) an die nigerianische Botschaft gestellt. Eine Vorführung zur Botschaft betreffend ID Prüfung wäre am 03.03.2023 vorgesehen gewesen, jedoch erfolgte die Mitteilung an B/II, dass der Termin storniert werden müsse, da es zu keiner Haftentlassung kommt. Am 23.06.2023 wurde der BF der nigerianischen Botschaft vorgeführt. Eine frühere Vorführung war praktisch nicht möglich, da die Justizanstalt XXXX keine Strafhäftlinge in die Justizanstalt XXXX zur Vorführung zur Delegation überstellt, da dies aufgrund von Erfahrungen und Personalmangels der Justizanstalt nicht möglich ist. Im Zuge der Befragung durch die Botschaftsmitarbeiter am 23.06.2023 wurde seitens BFA auf die Dringlichkeit dieses Falles verwiesen. Aufgrund von Unstimmigkeiten bei den Äußerungen der Person konnte keine sofortige Identifizierung durch die Botschaft gewährleistet werden und sind daher botschaftsinterne Überprüfungen notwendig.
Derzeit können aufgrund diverser Personalengpässe (Urlaubszeit) seitens der Botschaft keine Vorführtermine stattfinden, der nächste Vorführtermin ist für den 04.08.2023 geplant. An diesem Tag wird der Fall erneut persönlich urgiert, sollte die Botschaft dennoch weitere Fragen an die Person zur Abklärung ihrer tatsächlichen Identität haben, kann ein erneuter Vorführtermin notwendig werden.
Eine Kopie des abgelaufenen Reisepasses des BF liegt vor.
HRZ werden grundsätzlich von Nigeria ausgestellt. Im laufenden Kalenderjahr 2023 wurden bisher 31 HRZ für nigerianische Staatsangehörige ausgestellt. Im gesamten Kalenderjahr 2022 wurden insgesamt 119 HRZ für nigerianische Staatsangehörige ausgestellt. Aktuell finden auch Abschiebungen nach Nigeria statt. Im laufenden Kalenderjahr 2023 wurden bisher 54 Personen zwangsweise in den Herkunftsstaat Nigeria rückgeführt (zusätzlich freiwillige Ausreisen 2023: 86 Personen). Im gesamten Kalenderjahr 2022 wurden 104 Personen zwangsweise in den Herkunftsstaat Nigeria rückgeführt (zusätzlich freiwillige Ausreisen 2022: 173 Personen).
Seitens des BFA ist geplant, den faktischen Abschiebeschutz im Zuge der Einvernahme abzuerkennen. Die Einvernahme ist in wenigen Tagen geplant. Im Asylverfahren sollte die Verfahrenserledigung aus heutiger Sicht in etwa 1,5 Monate dauern. Das BFA ist angehalten, dieses beschleunigt zu erledigen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum bisherigen Verfahren:
Die Feststellungen zum bisherigen Verfahren stützen sich insbesondere auf die unbedenklichen Ausführungen im mündlich verkündeten Erkenntnis vom 29.06.2023 bzw. in der Stellungnahme des BFA, denen nicht substantiiert entgegengetreten wurde, sowie auf eine Einsichtnahme in den vorgelegten Akt.
2.2. Weitere Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Voraussetzungen der Schubhaft, zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr sowie zur Verhältnismäßigkeit:
2.2.1. Gegenständlich sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates besitzen sollte. Die Feststellung, dass er Staatsangehöriger von Nigeria ist und volljährig ist, ist unzweifelhaft.
2.2.2. Aus dem Befund und Gutachten vom 29.06.2023 (W140 2274170-1, OZ 11). Substantiierte Anhaltpunkte, dass der BF während der Anhaltung nicht haftfähig sein hätte sollen, sind nicht hervorgekommen. Dass der BF aktuell haftfähig ist, ergibt sich aus dem eingeholten Gutachten und Befund vom heutigem Tag. Es sind auch keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vorgelegen sind bzw. vorliegen sollten. Dass der BF in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung hat, ist unzweifelhaft.
2.2.3. Dass der BF drei Kinder in Österreich hat, ergab sich unter anderem aus einer Zusammenschau der Stellungnahme des BF als auch den Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 10.11.2022. Dass mit der ehemaligen Gattin und der ehemaligen Lebensgefährtin kein Wohnsitz mehr besteht, ergibt sich aus den entsprechenden Einvernahmen dieser Personen. Anhaltspunkte, dass er einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehen würde, sind nicht hervorgekommen. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen gründen sich auf eine Nachschau in die Anhaltedatei. Die letzte Wohnsitzmeldung ergibt sich aus einem eingeholten ZMR-Auszug.
2.2.4. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen gründen sich auf eine Einsichtnahme in die Strafregisterauskunft bzw. die entsprechenden Urteile iVm einer Einsichtnahme in das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 10.11.2022.
2.2.5. Die Feststellungen zum HRZ-Verfahren bzw. zu den HRZ-Verfahren bzw. Abschiebungen ergeben sich den eingeholten, unbedenklichen Stellungnahmen der zuständigen Fachabteilung. Die Feststellung, dass eine frühere Vorführung praktisch nicht möglich war, ergab sich aus den diesbezüglich unbedenklichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023. Die Feststellungen zum Asylverfahren ergeben sich aus einem in der mündlichen Verhandlung geführten Telefonat mit einem Mitarbeiter der verfahrensführenden Behörde.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I
Schubhaft (FPG)
§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere soferna. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oderc. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Gelinderes Mittel (FPG)
§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Dauer der Schubhaft (FPG)
§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(…)
3.1.1. Der haftfähige BF ist volljährig.
Im vorliegenden Fall wurde am 29.06.2023 die Fortsetzung nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochen. Gegen den BF lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
Das Gericht geht jedenfalls von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 und 9 FPG und Sicherungsbedarf im maßgeblichen Zeitraum aus:
Mit Bescheid vom 05.10.2022 erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.). Ferner wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.11.2022 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Es war daher Z 3 erfüllt.
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.
Der BF hatte damals keine Möglichkeit zur Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit, verfügte über keinen ordentlichen Wohnsitz sowie über keine verfahrensrelevanten familiären oder privaten Anknüpfungspunkte. Die Beziehungen zu den leiblichen Kindern samt deren Mütter waren nicht derart ausgeprägt, dass sie als verfahrensrelevant gewertet werden konnten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der BF aufgrund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt gehabt hätte, um nicht seine Abschiebung zu erschweren oder unterzutauchen.
Bei der Verhältnismäßigkeit ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Am 10.01.2023 wurde ein HRZ-Antrag an die nigerianische Botschaft gestellt. Am 23.06.2023 wurde der BF der nigerianischen Botschaft vorgeführt. Eine frühere Vorführung war praktisch nicht möglich, da die Justizanstalt XXXX keine Strafhäftlinge in die Justizanstalt XXXX zur Vorführung zur Delegation überstellt, da dies aufgrund von Erfahrungen und Personalmangels nicht möglich ist. Am 30.06.2023 waren die Überprüfungen der Botschaft in Bezug auf den HRZ-Antrag im Laufen. Details sind noch in Klärung. Eine Kopie des abgelaufenen Reisepasses des BF liegt vor. HRZ werden von Nigeria ausgestellt. Abschiebungen nach Nigeria finden statt.
Zum Vorbringen des BF ist darauf hinzuweisen, dass kein Widerspruch betreffend die Aussage, dass es aufgrund des Personaleinsatzes und Personalmangels der Justizanstalt nicht möglich gewesen wäre, eine Vorführung im Zuge der Strafhaft zu ermöglichen und der Angabe, dass eine Vorführung zur Botschaft betreffend ID Prüfung am 03.03.2023 vorgesehen gewesen wäre, jedoch die Mitteilung erfolgt sei, dass der Termin storniert werden müsse, da es zu keiner Haftentlassung komme, erkannt werden konnte. Vielmehr handelt es sich um zwei unterschiedliche, sich nicht widersprechende Angaben.
Soweit der BF auf das Judikat des Verwaltungsgerichtshofes, Ro 2015/21/0008, vom 19.05.2015, verweist, ist darauf hinzuweisen, dass gegenständlich am 10.01.2023 und somit während der Strafhaft ein HRZ beantragt wurde. Eine Vorführung zur Botschaft betreffend ID Prüfung wäre am 03.03.2023 vorgesehen gewesen, jedoch erfolgte die Mitteilung, dass der Termin storniert werden müsse, da es zu keiner Haftentlassung kommt. Zudem gilt es zu bedenken, dass der BF am 13.06.2023 bedingt entlassen wurde. Der BF befindet sich seit 13.06.2023 in Schubhaft und wurde bereits wenige Tage, nämlich 10 Tage später am 23.06.2023 der nigerianischen Botschaft vorgeführt. Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass Heimreisezertifikate in der Regel nur mit kurzen Befristungen ausgestellt werden und daher nicht unabhängig von einer bereits in Aussicht genommenen Abschiebung gleichsam „auf Vorrat“ beantragt werden können (vgl. VwGH 11.11.2021, Ra 2019/21/0266). Gegenständlich ist das BFA daher nicht „untätig“ geblieben.
Weiters weist der BF auf das Abkommen mit Nigeria hin, wonach die Botschaft innerhalb von 4 Tagen ein Heimreisezertifikat auszustellen hätte. Dazu ist auszuführen, dass sich aus der unbedenklichen Antwort der zuständigen Fachabteilung vom 19.07.2023 ergibt, dass im Zuge der Befragung durch die Botschaftsmitarbeiter am 23.06.2023 seitens BFA auf die Dringlichkeit dieses Falles verwiesen wurde. Aufgrund von Unstimmigkeiten bei den Äußerungen der Person konnte keine sofortige Identifizierung durch die Botschaft gewährleistet werden und sind daher botschaftsinterne Überprüfungen notwendig. Auch dem Erkenntnis vom 29.06.2023 wurde zugrunde gelegt, dass der BF am 23.06.2023 der nigerianischen Botschaft vorgeführt wurde und Überprüfungen der Botschaft in Bezug auf den HRZ-Antrag im Laufen sind (S. 34). Dem Vorbringen des BF ist somit entgegenzuhalten, dass der BF noch nicht identifiziert ist, weshalb auf das Vorbringen, demnach kein Heimreisezertifikat innerhalb von 4 Tagen nicht ausgestellt wurde, nicht weiter einzugehen ist. Zudem ergeben sich auch keine Hinweise, dass die Ausstellung eines HRZ grundsätzlich nicht möglich sein sollte.
Gemäß § 76 Abs 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Der BF weist sieben rechtskräftige Verurteilungen auf. Durch sein persönliches Gesamtverhalten dokumentierte er, dass er nicht gewillt sein wird, sich im österreichischen Bundesgebiet gesetzeskonform zu verhalten. Der BF missbrauchte seinen Aufenthalt in Österreich zur Begehung von Straftaten. Das öffentliche Interesse an einer raschen Abschiebung des BF überwiegt.
Bei der Interessenabwägung wurde das private Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintangestellt. Auch sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Schubhaft aufgrund des Gesundheitszustand unverhältnismäßig sein hätte sollen. Es war daher davon auszugehen, dass die angeordnete Schubhaft auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllte.
Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Aufgrund des vom BF gesetzten Vorverhaltens konnte ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Der BF erwies sich als nicht vertrauenswürdig (siehe insbesondere Leben im Verborgenen und versuchte Vereitelung der Festnahme im September 2021) und hielt sich nicht an die österreichischen Rechtsvorschriften. Die Verhängung eines gelinderen Mittels kam daher nicht in Betracht.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellte eine „ultima ratio“ dar, da von Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit ausgegangen werden konnte, weiters davon, dass ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft - Sicherung des HRZ-Verfahrens sowie der Abschiebung - erfüllt.
3.1.2. Der BF stellte dann in weiterer Folge am 10.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 11.07.2023 erfolgte eine Erstbefragung und wurde ihm ein Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG zugestellt. Im vorliegenden Fall liegen berechtigte Gründe für die Annahme einer Absicht, dass der Antrag des BF ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde, vor:
Der BF wurde in der Schubhaft mehrfach von der Rückkehrberatung und der Rechtsberatung der BBU besucht. Er wurde von der Rechtsberatung am 19.06.2023, 26.06.2023, 27.06.2023, 29.06.2023, 30.06.2023 und am 06.07.2023 in der Schubhaft besucht. Der BF wurde aber auch von seinem Rechtsanwalt am 29.06.2023, 04.07.2023 und am 10.07.2023 besucht, stellte aber erst am 10.07.2023 im Stande der Schubhaft einen Asylantrag, nach dem der BF sowohl von der Rückkehrberatung, der Rechtsberatung und seinem Rechtsanwalt an diesem Tage besucht wurde.
Die Erstbefragung fand am 11.07.2023 statt, dabei gab der BF an, dass er Nigeria im Jänner 2004 verlassen hätte, nachdem sein Vater aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten getötet worden sei und er selbst am Kopf verletzt worden wäre. Das seien alle Gründe.
Die aktuellen Fluchtangaben widersprechen den Angaben des Fremden vom 19.07.2004 (Ersteinvernahme im Asylverfahren VZ 2600209), wo er angab wegen Drohungen durch Vertreter einer religiösen Praktik/Religion („Juju“) und der Befürchtungen nach dem Tod seines Vaters – dem Führer dieser lokalen Gemeinde – dessen Aufgaben übernehmen zu müssen, und unter anderem Kinder zu opfern, geflohen zu sein.
Auf Grund der Aussagen des BF wie auch der vielen Besuche der Rechts- und Rückkehrberater sowie seines Rechtsanwaltes in der Schubhaft ist es nachvollziehbar, dass das BFA davon ausging, dass der BF den Asylantrag nur stellte, um seine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern bzw. zu verzögern.
Das Gericht pflichtet dem BFA auch bei, dass auf Grund des langen Aufenthaltes des BF in Österreich iVm mit dem sehr spät gestellten Asylantrages sowie der Tatsache, dass der erste Asylantrag des BF (rechtskräftig) bereits 2006 abgelehnt wurde davon auszugehen ist, dass der BF den diesmaligen Asylantrag ausschließlich in Verzögerungs- bzw Vereitelungsabsicht stellte.
Festgehalten wird, dass der BF daher bei tatsächlich gegebener Verfolgung in seinem Heimatland bereits mehrfach die Möglichkeit hatte, einen entsprechenden Antrag einzubringen. Diese Tatsache zählt nach Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-RL (Richtlinie 2013/33/EU ), der mit § 76 Abs. 6 FPG umgesetzt wird, ausdrücklich zu den objektiven Kriterien für die Annahme einer Verzögerungs- oder Vereitelungsabsicht (vgl. VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0079). Im vorliegenden Fall spricht daher insbesondere der Zeitpunkt der Antragstellung und der Umstand, dass der BF bereits früher Gelegenheit gehabt hätte, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, für die Annahme einer Verzögerungs- oder Vereitelungsabsicht.
Angemerkt wird, dass der BF seine Fluchtgründe in der mündlichen Verhandlung erheblich erweiterte. Dies obwohl er bei der Erstbefragung ausdrücklich angab, dass das alle Gründe seien. Auch überzeugte der in der mündlichen Verhandlung angegebene Grund für die späte Antragstellung nicht. Dazu ist festzuhalten, dass der BF damals betreffend die Revision durch einen Rechtsanwalt vertreten war und das Gericht daher nicht davon ausgeht, dass der BF keine Kenntnis von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hatte. Der BF hätte genug Zeit gehabt, bereits vor der Schubhaft einen neuen Antrag zu stellen.
Das Gericht kommt zur Ansicht, dass im vorliegenden Fall berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass der Antrag ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Die weitere Anhaltung in Schubhaft war daher rechtlich geboten, da auch die weiteren Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft (wie oben unter 3.1.1. dargestellt) ebenfalls vorlagen.
Die Beschwerde war daher auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II.
Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(…)
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Der BF ist weiterhin haftfähig.
Gegenständlich liegt jedenfalls nach wie vor Fluchtgefahr auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 5 und Z 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Der BF lebte im Verborgenen und entzog sich den österreichischen Behörden (Z 1). Gegen den BF bestand zum Zeitpunkt er Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme und er befand sich zum Antragszeitpunkt in Schubhaft (Z 5). Weiters geht der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt aktuell auch nicht über ausreichende Barmittel. Der BF verfügt bereits seit 13.1.2020 über keine aufrechte Meldeadresse außerhalb von Justizanstalten bzw. Anhaltezentren und lebte zuletzt im Verborgenen. Der BF verfügt über drei Kinder in Österreich. Dazu wird festgehalten, dass dies den BF jedoch auch in der Vergangenheit nicht vom Untertauchen bewahrt hat. In einer Gesamtbetrachtung liegt keine – der Annahme einer Entziehungsabsicht entgegenstehende – soziale Verankerung des Fremden in Österreich vor (vgl. VwGH 16.04.2021, Ra 2020/21/0337) (Z 9).
Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF weist keine relevante Verwurzelung in beruflicher, familiärer oder sozialer Hinsicht in Österreich auf.
Gemäß § 22 Abs. 6 erster und zweiter Satz AsylG sind Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz, wenn sich der Asylwerber in Schubhaft befindet, je nach Stand des Verfahrens vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht vordringlich zu behandeln. Diese Fälle sind schnellstmöglich, längstens jedoch binnen je drei Monaten zu entscheiden.
Vom Bundesverwaltungsgericht wurde eine Prognose über den voraussichtlichen negativen Ausgang des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz beim BFA eingeholt. Der Schubhaftzweck wird nämlich nur dann verwirklicht, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich auch in eine Abschiebung münden kann (vgl. VwGH 29.09.2020, Ro 2020/21/0011). Am 10.07.2023 stellte der BF einen Asylantrag. Am 11.07.2023 erfolgte eine Erstbefragung. Das BFA plant eine Einvernahme des BF samt Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes in wenigen Tagen. Die Verfahrenserledigung sollte aus heutiger Sicht laut Mitarbeiter der verfahrensführenden Stelle 1,5 Monate dauern. Die realistische Möglichkeit einer Abschiebung des seit etwas mehr als einen Monat in Schubhaft befindlichen BF in seinen Herkunftsstaat innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft besteht somit aus aktueller Sicht. Auch ergeben sich weder aus der Verwaltungspraxis betreffend Nigeria noch aus den Gegebenheiten des Einzelfalles (Kopie des Reisepasses des BF liegt vor) Umstände, warum gegenständlich ein HRZ nicht ausgestellt werden sollte. So ist die nigerianische Botschaft grundsätzlich auch bereit, HRZ auszustellen und wurden in den Jahren 2023 und 2022 HRZ ausgestellt. Auch finden grundsätzlich Abschiebungen nach Nigeria statt. Im Entscheidungszeitpunkt ist eine Abschiebung – vorausgesetzt einer abweisenden oder zurückweisenden Entscheidung betreffend das Asylverfahren – ausreichend wahrscheinlich.
Soweit das BFA plant, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, ist auf Folgendes hinzuweisen: Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde, ist gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Aus § 22 Abs. 2 erster und zweiter Satz BFA-VG ergibt sich, dass die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durchsetzbar sind. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten.
Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Auch sind keine substantiierten Hinweise hervorgekommen, dass die Schubhaft aufgrund des Gesundheitszustandes des BF unverhältnismäßig sein sollte. Aus der aktuellen polizeiamtsärztlichen Untersuchung ergeben sich keine Hinweise, die auf eine Unverhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Gesundheitszustandes des BF hindeuten würden.
Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt. Der BF setzte kontinuierlich strafbare Handlungen. Der weist sieben rechtskräftige Verurteilungen in einem Zeitraum vom von rund 11 Jahren auf, darunter finden sich insbesondere Suchtmittel- und Gewaltdelikte. Das öffentliche Interesse überwiegt daher die privaten Interessen des BF.
Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten nicht kooperativen und nicht vertrauenswürdigen Verhaltens (insbesondere Leben im Verborgenen aber auch die versuchte Verhinderung der Festnahme im September 2021) nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt.
Es war daher festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zum Beschwerdevorbringen ist auszuführen:
Der BF war entgegen seinen Angaben bereits seit 13.11.2020 nicht mehr gemeldet.
Betreffend das Kindeswohl wird auf Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot verwiesen, welche vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Auch der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde abgelehnt und der Verwaltungsgerichthof hat die Revision zurückgewiesen.
Soweit der BF darauf hinweist, dass er in der Vergangenheit nicht beim Ausgang aus der Strafhaft entflohen sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverhalt betreffend den Ausgang aus der Strafhaft nicht mit der Situation in der Schubhaft vergleichbar ist. Diesbezüglich wird insbesondere auf die Ausführungen zur Fluchtgefahr als auch auf sein nicht kooperatives Verhalten (Leben in Verborgenen und versuchte Verhinderung der Festnahme im September 2021) verwiesen.
Schließlich wird auf die Judikatur des VwGH hingewiesen, demnach nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über bedingte Strafnachsichten oder eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, zu beurteilen ist (VwGH 05.04.2022, Ra 2022/14/0001).
Soweit der BF ausführt, dass die Schubhaft im Fortsetzungsbeschluss zur Sicherung der Abschiebung verhängt wurde, und diese nicht möglich sei, da der BF Asylwerber mit zumindest faktischen Abschiebeschutz sei, verkennt er, dass er den Asylantrag erst nach dem Fortsetzungsausspruch stellte und ein Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG erging.
3.3. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt III. und IV.
Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer Verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (VwGVG)
§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV)
§ 1. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro 3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
(…)
Sowohl der BF als auch das BFA haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft auch vorliegen, ist die belangte Behörde die obsiegende Partei. Ihr gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 3 VwGVG Kostenersatz in der Höhe von EUR 57,40 für den Vorlageaufwand (§ 1 Z 3 VwG-AufwErsV) sowie Kostenersatz in der Höhe von EUR 368,80 für den Schriftsatzaufwand (§ 1 Z 4 VwG-AufwErsV), daher insgesamt EUR 426,20.
Dem BF gebührt als unterlegene Partei gemäß § 35 VwGVG kein Kostenersatz. Der Antrag des BF war daher abzuweisen.
3.4. Im Hinblick auf das mündliche Vorbringen (inklusive Bezugnahme auf ein Judikat) in der Verhandlung war ein weiteres Aktenstudium erforderlich, weshalb eine mündliche Verkündigung unterblieb.
3.5. Zu Spruchteil B.
Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
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