AlVG §44
B-VG Art. 133 Abs4
Koordinierung Soziale Sicherheit Art. 61
Koordinierung Soziale Sicherheit Art. 65
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2218779.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele STRAßEGGER und Peter STATTMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 29.11.2018 betreffend Abweisung eines Antrags auf Arbeitslosengeld vom 26.11.2018 zu Recht erkannt:
A)
Der angefochtene Bescheid wird mangels Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 29.11.2018 lehnte die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) den Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 26.11.2018 mangels Erfüllung der Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) ab. Begründend wurde angeführt, dass gemäß Art. 67 Abs. 1 der EG-Verordnung (VO) 1408/71 der zuständige Träger eines Mitgliedstaates, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruches von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten berücksichtige, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt wurden, als handele es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. Art. 67 Abs. 3 VO 1408/71 bestimme, dass eine Zusammenrechnung nur erfolge, wenn der Antragsteller in Österreich unmittelbar zuvor österreichische Versicherungszeiten zurückgelegt habe, also zumindest einen Tag lang in Österreich arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe unmittelbar vor Geltendmachung seines Anspruches keine Versicherungszeiten in Österreich erworben. Eine Zusammenrechnung seiner ausländischen Versicherungs- bzw. Beschäftigungszeiten könne daher aufgrund der eingangs zitierten Verordnung nicht erfolgen. Damit würden dem Beschwerdeführer 364 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung fehlen, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei.
2. In seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass eine falsche Rechtsgrundlage herangezogen worden sei. Heranzuziehen gewesen wäre die neuere VO (EG) 883/2003 (Anm.: gemeint offensichtlich: VO (EG) 883/2004). Nach deren Art. 61 ff. seien Versicherungszeiten, die in anderen Mitgliedsstaaten erworben wurden, bei der Berechnung der Anwartschaft zu berücksichtigen. Diese Regelung gelte auch, wenn in Österreich unmittelbar zuvor keine österreichischen Versicherungszeiten erworben worden seien. Für diese Interpretation biete die Verordnung keinen Spielraum. Dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld wäre somit stattzugeben gewesen.
3. Am 13.05.2019 einlangend legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme wurde die Rechtslage dargestellt, wobei auf die Situation von Nicht-Grenzgängern, die in einem anderen als dem Beschäftigungsstaat wohnen, eingegangen wurde, und gleichzeitig festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer, der von 27.06.2016 bis 23.02.2018 und von 04.06.2018 bis 04.09.2018 in Spanien vollversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und von 24.02.2018 bis 03.06.2018 und von 23.10.2018 bis 24.11.2018 in Spanien Leistungen aufgrund von Arbeitslosigkeit bezogen habe, kein solcher Grenzgänger sei. Der Beschwerdeführer sei zwar seit 27.12.1993 mit Hauptwohnsitz an der Adresse seiner Eltern in Österreich gemeldet. Er sei aber während seiner letzten Beschäftigung nicht regelmäßig, zumindest wöchentlich nach Österreich zurückgekehrt. Auch sei nicht von einer Rückkehrabsicht nach Österreich auszugehen gewesen, weil der Beschwerdeführer im Anschluss an seine jeweils bis 23.02.2018 und 04.09.2018 dauernden Beschäftigungsverhältnisse in Spanien Leistungen aufgrund von Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen habe. Daraus ergebe sich, dass er nach Beendigung dieser Beschäftigungsverhältnisse nicht beabsichtigt habe, nach Österreich zurückzukehren. Der Beschwerdeführer sei erst nach Erreichen des Höchstausmaßes der spanischen Leistung bei Arbeitslosigkeit nach Österreich zurückgekehrt, weswegen der Antrag mangels Zuständigkeit des AMS zurückzuweisen gewesen wäre, wobei der ursprüngliche Spruch des Bescheides auf die Nichterfüllung der Anwartschaft abziele.
4. Mit Parteiengehör vom 20.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des AMS zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Bislang langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Der am XXXX geborene Beschwerdeführer stellte mit Wirkung vom 26.11.2019 einen Antrag auf Arbeitslosengeld.
Der Beschwerdeführer war von 27.06.2016 bis 23.02.2018 und von 04.06.2018 bis 04.09.2018 in Spanien vollversicherungspflichtig beschäftigt und bezog von 24.02.2018 bis 03.06.2018 und von 23.10.2018 bis 24.11.2018 in Spanien Leistungen aufgrund von Arbeitslosigkeit.
Sein Leistungsanspruch gegenüber dem spanischen Arbeitslosenversicherungsträger endete am 24.11.2018.
Der Beschwerdeführer ist während seiner Beschäftigung in Spanien nicht regelmäßig, zumindest wöchentlich nach Österreich zurückgekehrt.
Die letzte in Österreich ausgeübte vollversicherungspflichtige Beschäftigung des Beschwerdeführers endete am 17.06.2016.
Soweit der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorbrachte, während seiner letzten Beschäftigung in Spanien den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich gehabt zu haben, weswegen sein Wohnort in Österreich gelegen und er daher als "unechter" Grenzgänger zu qualifizieren sei, auf welche die "Ein-Tages-Regel" nicht zur Anwendung gelange, erübrigten sich Feststellungen dazu, wie der rechtlichen Würdigung weiter unten zu entnehmen ist.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage fest.
Die Beschäftigungszeiten und Zeiten des Bezugs von Leistung aufgrund von Arbeitslosigkeit in Spanien sowie das Ende des Leistungsanspruches gehen aus einem vom spanischen Arbeitslosenversicherungsträger am 05.11.2018 ausgestellten PD U1 hervor.
Die letzte Beschäftigung in Österreich ergeht aus einem Versicherungsdatenauszug des Beschwerdeführers, wobei der Umstand, dass keine für die Anwartschaft gemäß § 14 AlVG heranzuziehenden inländischen Beschäftigungszeiten vorliegen, vom Beschwerdeführer das ganze Verfahren hindurch unbestritten blieb.
Vom Beschwerdeführer unbestritten blieb auch die Feststellung, dass er während seiner Beschäftigung in Spanien nicht regelmäßig, zumindest wöchentlich nach Österreich zurückgekehrt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden hat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören. Gegenständlich liegt daher Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen 0sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Im gegenständlichen Fall gelangen folgende maßgebende Bestimmungen des AlVG in der zeitraumbezogen anzuwenden Fassung des BGBl. I Nr. 94/2014 zur Anwendung:
"Anwartschaft
§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
(3) In Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit kann durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, daß die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
(4) Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen:
a) Zeiten, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen, sowie sonstige Zeiten der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung;
b) die Zeit des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Bezuges von Kinderbetreuungsgeld, wenn innerhalb der für die Anwartschaft maßgeblichen Rahmenfrist mindestens 14 Wochen sonstige Anwartschaftszeiten liegen;
c) Zeiten des Bezuges von Wochengeld oder Krankengeld aus einer Krankenversicherung auf Grund eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses;
d) Zeiten einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung als Lehrling;
e) Zeiten, für die ein Sicherungsbeitrag gemäß § 5d AMPFG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 148/1998 entrichtet wurde;
f) Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit;
g) Zeiten der Teilnahme an beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation, wenn diese nicht ungerechtfertigt vorzeitig beendet wurden, nach Beendigung dieser Maßnahmen.
(5) Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist.
(6) Die in den Abs. 4 und 5 angeführten Zeiten dürfen bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden.
(7) Wird nach einem Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld Arbeitslosengeld in Anspruch genommen, so gilt dies als weitere Inanspruchnahme im Sinne des Abs. 2.
(8) Sonstige Zeiten der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung gemäß Abs. 4 lit. a sind auf die Anwartschaft nur anzurechnen, soweit für diese Beiträge entrichtet wurden."
Die maßgebenden Bestimmungen der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Verordnung (EG) 883/2004 lauten wie folgt:
"Artikel 61
Besondere Vorschriften für die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
(1) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung, das Wiederaufleben oder die Dauer des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als ob sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
Ist jedoch nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften der Leistungsanspruch von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig, so werden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt, es sei denn, sie hätten als Versicherungszeiten gegolten, wenn sie nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
(2) Außer in den Fällen des Artikels 65 Absatz 5 Buchstabe a gilt Absatz 1 des vorliegenden Artikels nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor nach den
Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen beantragt werden, folgende Zeiten zurückgelegt hat:
- Versicherungszeiten, sofern diese Rechtsvorschriften Versicherungszeiten verlangen,
- Beschäftigungszeiten, sofern diese Rechtsvorschriften Beschäftigungszeiten verlangen, oder
- Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, sofern diese Rechtsvorschriften Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit verlangen."
"Artikel 65
Arbeitslose, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt haben
(1) Eine Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat, muss sich bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall ihrem Arbeitgeber oder der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats zur Verfügung stellen. Sie erhält Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob sie in diesem Mitgliedstaat wohnen würde. Diese Leistungen werden von dem Träger des zuständigen Mitgliedstaats gewährt.
(2) Eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und weiterhin in diesem Mitgliedstaat wohnt oder in ihn zurückkehrt, muss sich der Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats zur Verfügung stellen. Unbeschadet des Artikels 64 kann sich eine vollarbeitslose Person zusätzlich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dem sie zuletzt eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.
Ein Arbeitsloser, der kein Grenzgänger ist und nicht in seinen Wohnmitgliedstaat zurückkehrt, muss sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn gegolten haben.
(3) Der in Absatz 2 Satz 1 genannte Arbeitslose muss sich bei der zuständigen Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats als Arbeitsuchender melden, sich dem dortigen Kontrollverfahren unterwerfen und die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erfüllen. Entscheidet er sich dafür, sich auch in dem Mitgliedstaat, in dem er zuletzt eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, als Arbeitsuchender zu melden, so muss er den in diesem Mitgliedstaat geltenden Verpflichtungen nachkommen.
(4) Die Durchführung des Absatzes 2 Satz 2 und des Absatzes 3 Satz 2 sowie die Einzelheiten des Informationsaustauschs, der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Amtshilfe zwischen den Trägern und Arbeitsverwaltungen des Wohnmitgliedstaats und des Mitgliedstaats, in dem er zuletzt eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, werden in der Durchführungsverordnung geregelt.
(5) a) Der in Absatz 2 Sätze 1 und 2 genannte Arbeitslose erhält Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gegolten hätten. Diese Leistungen werden von dem Träger des Wohnorts gewährt.
b) Jedoch erhält ein Arbeitnehmer, der kein Grenzgänger war und dem zulasten des zuständigen Trägers des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn gegolten haben, Leistungen gewährt wurden, bei seiner Rückkehr in den Wohnmitgliedstaat zunächst Leistungen nach Artikel 64; der Bezug von Leistungen nach Buchstabe a ist während des Bezugs von Leistungen nach den Rechtsvorschriften, die zuletzt für ihn gegolten haben, ausgesetzt.
(6) Die Leistungen des Trägers des Wohnorts nach Absatz 5 werden zu seinen Lasten erbracht. Vorbehaltlich des Absatzes 7 erstattet der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn gegolten haben, dem Träger des Wohnorts den Gesamtbetrag der Leistungen, die dieser Träger während der ersten drei Monate erbracht hat. Der zu erstattende Betrag für diesen Zeitraum darf nicht höher sein als der Betrag, der nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats bei Arbeitslosigkeit zu zahlen gewesen wäre. In den Fällen des Absatzes 5 Buchstabe b wird der Zeitraum, während dessen Leistungen nach Artikel 64 erbracht werden, von dem in Satz 2 des vorliegenden Absatzes genannten Zeitraum abgezogen. Die Einzelheiten der Erstattung werden in der Durchführungsverordnung geregelt.
(7) Der Zeitraum, für den nach Absatz 6 eine Erstattung erfolgt, wird jedoch auf fünf Monate ausgedehnt, wenn die betreffende Person in den vorausgegangenen 24 Monaten Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit von mindestens 12 Monaten in dem Mitgliedstaat zurückgelegt hat, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für sie gegolten haben, sofern diese Zeiten einen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit begründen würden.
(8) Für die Zwecke der Absätze 6 und 7 können zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden andere Erstattungsverfahren vereinbaren oder auf jegliche Erstattung zwischen den in ihre Zuständigkeit fallenden Trägern verzichten."
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Gemäß § 14 AlVG bedarf es für die erstmalige Inanspruchnahme und jede weitere Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld der Erfüllung einer Anwartschaft, die sich aus (Arbeitslosen‑)Versicherungszeiten innerhalb einer Rahmenfrist zusammensetzt.
Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist (§ 14 Abs. 5 leg.cit.).
Den Feststellungen folgend war der Beschwerdeführer zuletzt in Spanien arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, wo er im Anschluss an seine Beschäftigung Leistungen aufgrund von Arbeitslosigkeit beantragte und den ihm vom zuständigen spanischen Arbeitslosenversicherungsträger gewährten Leistungsanspruch erschöpfte.
Gemäß Art. 61 der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Verordnung (EG) 883/2004 sind Versicherungszeiten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworben wurden, genauso wie im Inland erworbenen Versicherungszeiten zu behandeln und mit diesen zusammenzurechnen.
Zuständig für die Zusammenrechnung der Zeiten und damit letztlich auch für die Leistungspflicht ist der Staat der letzten Beschäftigung. Dies ergibt sich aus Art. 61 Abs. 2 VO (EG) 883/2004, demzufolge eine Zusammenrechnung ausländischer Beschäftigungszeiten oder Versicherungszeiten nur erfolgt, wenn der Antragsteller in Österreich unmittelbar vor Geltendmachung des Anspruchs österreichische Versicherungszeiten zurückgelegt hat, also zumindest einen Tag lang ("Ein-Tages-Regelung") in Österreich arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Mangels Vorliegens inländischer Versicherungszeiten ergäbe sich im gegenständlichen Fall daher die Zuständigkeit des spanischen Arbeitslosenversicherungsträgers.
Ausgenommen von der "ein-Tages-Regel" sind nur jene Fälle, die unter die Regelung des Art. 65 VO (EG) 883/2004 fallen; folglich Grenzgänger.
Soweit der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorbrachte, während seiner letzten Beschäftigung trotz nicht regelmäßiger, zumindest wöchentlich Rückkehr nach Österreich seinen Lebensmittelpunkt in Österreich gehabt zu haben, machte er geltend, Nicht-Grenzgänger iSd Art. 65 Abs. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 (sog. "unechter" Grenzgänger) gewesen zu sein, auf den die "Ein-Tages-Regel" des Art. 61 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 nicht zur Anwendung gelangt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Anschluss an seine letzte Beschäftigung in Spanien Leistungen aufgrund von Arbeitslosigkeit bezogen hat und in diesem Fall bei "unechten" Grenzgängern zunächst Art. 64 VO (EG) 883/2004 zur Anwendung kommt. D.h., dass unter den Voraussetzungen des Art. 64 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 der Staat der letzten Beschäftigung für die Leistungsgewährung zuständig bleibt (s. Felten in Spiegel (Hrsg.), Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art. 65 Rz 11). Somit wäre auch für den Fall, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als "unechter" Grenzgänger zu qualifizieren wäre, weiter die Zuständigkeit des spanischen Arbeitslosenversicherungsträgers gegeben.
Damit war das AMS jedenfalls nicht für die Leistungserbringung zuständig. Indem es den Antrag des Beschwerdeführers abwies, traf es jedoch eine inhaltliche Entscheidung.
Hat eine unzuständige Behörde (inhaltlich) entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (vgl. VwGH 10.06.2015, Ra 2015/11/0005).
Dementsprechend war der gegenständliche Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wegen Unzuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde (ersatzlos) aufzuheben.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der Beschwerdeführer hat einen solchen Antrag gestellt. Der erkennende Senat erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und daher durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.
Da auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch
Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).
B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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