BVwG W170 2123389-1

BVwGW170 2123389-12.8.2016

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W170.2123389.1.00

 

Spruch:

W170 2123389-1/15E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch das Land Niederösterreich, dieses vertreten durch Mag.a Rosemarie WOLLINGER gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes vom 16.2.2016, Zl 1071487307 - 150595473, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des bekämpften

Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) - ein minderjähriger, syrischer Staatsangehöriger, der der Volksgruppe der Armenier und der Konfession der armenisch-orthodoxer Christen angehört - stellte am 1.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen des administrativen Ermittlungsverfahrens gab der Beschwerdeführer an, aus der XXXX in der Provinz Hasaka zu stammen, aus Syrien wegen des Krieges und der Entführung anderer Kinder über Wunsch der Eltern illegal ausgereist zu sein; auch habe der "Dawesh" (richtig: Daesch für Islamischer Staat) einmal versucht, den Beschwerdeführer zu entführen, da dieser keine Christen in Syrien mehr wolle. Weiters sei der Beschwerdeführer einmal ausgeraubt und dabei mit einem Messer in die Schulter gestochen worden. Im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer einen Bruder namens XXXX, XXXX; diesem Bruder habe man in Österreich den Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer legte seinen syrischen Reisepass und seinen syrischen Personalausweis sowie Kopien des Familienbuches seiner Eltern sowie einer Geburtsurkunde vor.

Im Akt befinden sich Erstbefragung und Einvernahme des Bruders, die laut Aktenlage nicht dem Parteiengehör unterzogen wurde sowie eine Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei, in der diese insbesondere auf die schwierige Lage der Christinnen und Christen in Syrien hinwies.

3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 16.2.2016, erlassen am 19.2.2016, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer Syrien wegen des Krieges verlassen habe; dies sei aber nicht asylrelevant. Das übrige Vorbringen, insbesondere die geschilderten Probleme mit "syrischen Gruppierungen" sei nicht glaubwürdig. Auch drohe dem Beschwerdeführer auf Grund der Ausreise und der Asylantragstellung keine Verfolgung.

4. Mit am 14.3.2016 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.

Begründend wurde im Wesentlichen auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers hingewiesen, die weitergehende Ermittlungspflichten der Behörde auslöse. Auch habe die Behörde das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, sich wegen seines christlichen Glaubens vor dem IS zu fürchten, ignoriert. Christen seien hingegen in Syrien besonders von Gewalt betroffen. Darüber hinaus würden auch Kinder im syrischen Bürgerkrieg zu den Waffen gezwungen werden. Daher sei dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

5. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 21.3.2016 vorgelegt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde der Asylakt des oben genannten Bruders des Beschwerdeführers beigeschafft, dem mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.10.2014, Zl. 1025440907/14792187/RDNÖ, wegen der diesem drohenden Einberufung zum syrischen Militär und auf Grund dessen Bedrohung durch islamische Gruppen wegen dessen Zugehörigkeit zur armenischen Volksgruppe und zum armenisch-apostologischen Glaubens der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurden war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein minderjähriger, syrischer Staatsangehöriger, der der Volksgruppe der Armenier und der Konfession der armenisch-orthodoxen Christen angehört.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Kamishli im Gouvernement al-Hasaka.

Dem Bruder des Beschwerdeführers (XXXX, XXXX) wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.10.2014, Zl. 1025440907/14792187/RDNÖ, wegen der diesem drohenden Einberufung zum syrischen Militär und auf Grund dessen Bedrohung durch islamische Gruppen wegen dessen Zugehörigkeit zur armenischen Volksgruppe und zum armenisch-apostologischen Glaubens der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

1.2. Notorisch ist, dass es im Bürgerkrieg in Syrien zum Einsatz von Minderjährigen als Kämpfer für einige Bürgerkriegsgruppen kommt und dieser Kampfeinsatz mit dem Zwang zu Menschenrechtsverletzungen verbunden ist.

Notorisch ist, dass (zumindest) einige Bürgerkriegsgruppen in Syrien Christen wegen ihrer Zugehörigkeit zum christlichen Glauben verfolgen.

Notorisch ist, dass manche Angehörige von Deserteuren seitens des syrischen Regimes wegen deren Angehörigeneigenschaft verfolgt werden.

1.3. Das Bundesamt hat nicht festgestellt, wer im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers die Macht in der Hand hat bzw. zum Zeitpunkt der Flucht in der Hand hatte und wie diese(r) Machthaber sich gegenüber der christlichen Minderheit verhalten bzw. ob diese(r) (wenn auch nur faktisch) auch minderjährige, männliche Personen zum Waffendienst zwingen sowie ob dieser Waffendienst allenfalls mit dem Zwang zu Menschenrechtsverletzungen verbunden ist.

Das Bundesamt hat nicht festgestellt, ob die Verfolgung von Angehörigen von Deserteuren sich auch auf minderjährige Brüder erstreckt oder nicht.

Diesbezüglich finden sich jeweils überhaupt keine spezifischen Ermittlungen des Bundesamtes.

1.4. Das Bundesamt hat nicht festgestellt, wie das syrische Regime - eine Rückkehr des Beschwerdeführers wäre nur über einen in der Hand des Regimes befindlichen Flughafen sicher und zumutbar möglich - mit minderjährigen, männlichen Personen umgeht, die rechtswidrig aus Syrien ausgereist sind; diesbezüglich finden sich überhaupt keine spezifischen Ermittlungen des Bundesamtes.

Das Bundesamt hat nicht festgestellt, ob das syrische Regime - eine Rückkehr des Beschwerdeführers wäre nur über einen in der Hand des Regimes befindlichen Flughafen sicher und zumutbar möglich - minderjährige, männliche Personen rechtswidrig aber de facto zum Militärdienst einzieht, insbesondere, wenn diese über einen in der Hand des Regimes befindlichen Flughafen nach Syrien zurückreisen.

Diesbezüglich finden sich jeweils überhaupt keine spezifischen Ermittlungen des Bundesamtes.

2. Beweiswürdigung:

2.1.: Beweiswürdigung zu 1.1.:

Diese Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, hinsichtlich des Herkunftsgebiets des Beschwerdeführers aus dessen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt, das zumindest das Gouvernement al-Hasaka ("Provinz Hassakeh") als Herkunftsgebiet festgestellt hat.

2.2.: Beweiswürdigung zu 1.2.:

Dies ergibt sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts sowie aus den Feststellungen des Bundesamtes zu Syrien.

2.3. Beweiswürdigung zu 1.3. und 1.4.:

Dies ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A

Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifelsohne Syrien.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Darüber ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde. (VwGH vom 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraussetzt, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH vom 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention).

2. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt hinsichtlich der Verweigerung des Wehrdienstes ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt eines mit dem Militärdienst verbundenden Zwangs zur Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.3.2003, 2001/01/0009, zitiert nach Feßl/Holzschuster [Asylgesetz 2005, 117 ff]). Dies ist auch ausdrücklich im Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EG festgehalten. Daher stellt eine (im Falle der Rückkehr drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen einer Verweigerung des Militärdienstes, wenn dieser (zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit) Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der Richtlinie 2011/95/EG fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.

Notorisch ist - und das wurde auch im Bescheid festgestellt -, dass es im Bürgerkrieg in Syrien zu durch die Bürgerkriegsparteien zu verantwortende Menschenrechtsverletzungen kommt.

Da das Bundesamt aber nicht ermittelt hat, wer die Macht im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers in der Hand hat und ob diese Machtgruppe sowohl Minderjährige rekrutiert und auch zur Teilnahme an Menschenrechtsverletzungen zwingt, steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht fest.

Selbiges gilt auch für den Fall der Rückkehr; zwar hat das Bundesamt die syrische Rechtslage dargestellt, nach der der Wehrdienst erst volljährige Personen trifft; das Bundesamt hat aber nicht festgestellt, ob auch minderjährige Personen vom Regime de facto und contra legem eingezogen und zur Teilnahme an Menschenrechtsverletzungen gezwungen werden. Daher steht auch diesbezüglich der entscheidende Sachverhalt nicht fest.

3. Hinsichtlich der vorgebrachten (drohenden) Entführung des Beschwerdeführers ist einleitend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Kausalität der Verfolgung wegen eines Konventionsgrundes hinzuweisen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113) reicht es aus, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht, dafür reicht es nach der jüngeren Ansicht des UNHCR aber aus, dass der Konventionsgrund ein (maßgebender) beitragender Faktor ist, er muss aber nicht als einziger oder überwiegender Grund für die Verfolgung oder das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen nachgewiesen werden (vgl. dazu etwa die UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 1 - Geschlechtsspezifische Verfolgung vom 7. Mai 2002, RNr. 20, Nr. 7 - Opfer von Menschenhandel vom 7. April 2006, RNr. 29, und Nr. 9 - Sexual Orientation and/or Gender Identity vom 23. Oktober 2012, RNr. 38; in diesem Sinne etwa auch Hathaway/Foster, The Causal Connection ("Nexus") to a Convention Ground, International Journal of Refugee Law Vol. 15 No. 3 (2003), 476, mwN; siehe aber auch Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie (2009), 248, mit Hinweis auf UNHCR, Auslegung von Artikel 1 des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom April 2001, RNr. 23, wonach der Konventionsgrund ein "wesentlicher beitragender Faktor" sein müsse).

Wenn die drohende Entführung - gerade hinsichtlich des Gouvernements al-Hasaka gab es seit dem Jahr 2014 immer wieder Berichte von Entführungen von Christen, wenn auch aus primär kriminellen Motiven - Angehörigen einer Religionsgruppe alleine oder im Wesentlichen alleine oder nur Angehörigen von religiösen Minderheiten droht, ist der Umstand, dass diese (primär) kriminellen Zwecken, nämlich der Lösegelderpressung dienen, hinsichtlich der Asylgewährung nicht hinderlich.

Das Bundesamt hätte im Hinblick auf das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm drohe in seinem Herkunftsgebiet eine Entführung und im Hinblick auf den Umstand, dass es gerade hinsichtlich des Gouvernements al-Hasaka seit dem Jahr 2014 immer wieder Berichte von Entführungen von Christen, wenn auch aus primär kriminellen Motiven, gab, ermitteln müssen, ob diese Berichte aktuell sind, d.h. es mit einer so hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Entführung des Beschwerdeführers wegen seiner Eigenschaft als Christ kommt, dass sich eine vernünftige Person in Syrien vor diesen Entführungen fürchten würde. Daher steht auch diesbezüglich der entscheidende Sachverhalt nicht fest.

4. Das Bundesamt hat es weiters unterlassen, spezifische Feststellungen zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers zu treffen, der rechtswidrig ausgereist ist. Im Fall des Beschwerdeführers bestehen keine Hinweise darauf, dass dieser freiwillig nach Syrien zurückgehen könnte (zur möglichen Asylrelevanz einer illegalen Ausreise bzw. einer Asylantragstellung im Ausland etwa VwGH 29.01.2004, 2001/20/0346). Die belangte Behörde hat die diesen Themenkreis behandelnden Passagen des Lageberichtes des deutschen Auswärtigen Amtes vom 27.09.2010 - begründungslos - nicht als Sachverhalt festgestellt bzw. ignoriert. Dem angesprochenen Lagebericht ist diesbezüglich zu entnehmen, dass behördlich zurückgeführte Personen bei ihrer Einreise in der Regel zunächst durch die Geheimdienste über ihren Auslandsaufenthalt und den Grund ihrer Abschiebung befragt werden und benennt auch Fälle, in denen es unmittelbar bzw. kurz nach der Rückführung zur Inhaftierungen gekommen ist. Einem aus Deutschland im September 2009 zurückgeführten syrischen Staatsangehörigen wurde dem Lagebericht zufolge vorgeworfen, in Deutschland einen Asylantrag gestellt zu haben und im Ausland bewusst falsche Angaben verbreitet zu haben, die das Ansehen des Staates herabzusetzen geeignet sind und er wurde zu einer Haft- und Geldstrafe verurteilt. Aus diesem Bericht ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass es zu willkürlichen Verhaftungen zurückkehrender syrischer Staatsangehöriger kommt, wobei weder ein bestimmter Verfolgungsmodus zu erkennen ist noch ausgeschlossen werden kann, dass es bereits schon bei kurzzeitiger Inhaftierung/Befragung durch die syrischen Sicherheitskräfte zu Folter kommt bzw. der Vorwurf, das Ansehen des Staates im Ausland herabgesetzt zu haben, erhoben wird. Da im Übrigen nicht davon auszugehen ist, dass sich die Lage von Rückkehrern, die rechtswidrig aus Syrien ausgereist sind, seit Ausbruch des Aufstands im März 2011 - also seit einem Zeitpunkt, der nach dem Erscheinungszeitpunkt des Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes liegt - verbessert hat bzw. wird die Behörde hinsichtlich der Folgen einer rechtswidrigen Ausreise einen Bericht heranzuziehen haben, der die Situation nach Beginn der Aufstandsbekämpfung beschreibt oder auf andere Weise den sich potentiell geänderten diesbezüglichen Sachverhalt ermitteln müssen (siehe zur Frage der Aktualität der Länderberichte/Länderfeststellungen etwa VfGH vom 11.12.2013, U 1159/2012-13 ua).

5. Schließlich hat sich die Behörde nicht damit auseinandergesetzt, ob dem Beschwerdeführer als Angehöriger seines oben genannten Bruders, dem mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.10.2014, Zl. 1025440907/14792187/RDNÖ, wegen der diesem drohenden Einberufung zum syrischen Militär und auf Grund dessen Bedrohung durch islamische Gruppen wegen dessen Zugehörigkeit zur armenischen Volksgruppe und zum armenisch-apostologischen Glaubens (!) der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurden war, Verfolgung droht.

Da die Verfolgung als Familienangehöriger eine Verfolgung als Mitglied einer sozialen Gruppe darstellt, ist auch diese Frage entscheidungsrelevant.

Diesbezüglich finden sich jeweils überhaupt keine spezifischen Ermittlungen des Bundesamtes. Daher steht auch diesbezüglich der entscheidende Sachverhalt nicht fest.

6. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe E vom 26.06.2014, Gz. Ro 2014/03/0063) hat das Verwaltungsgericht jedenfalls dann selbst in der Sache zu entscheiden, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht fest, so hat das Verwaltungsgericht nach der eben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich diesen Sachverhalt festzustellen und in der Sache selbst zu entscheiden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nur dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, bloß ansatzweise ermittelt hat, konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel vorliegen sowie die Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Insbesondere da das Bundesamt nicht festgestellt hat, wer die Macht im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers in der Hand hat - von dieser Frage hängen alle weiteren Fragen hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens einer asylrelevanten Verfolgung ab -, ist zu schließen, dass das Bundesamt im vorliegenden Verfahren die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus einem ordnungsgemäßen Verfahren folgende Zuerkennung des Status des Asylberechtigten - aus welchen Gründen auch immer - vermeiden wollte und diese Durchführung der diesbezüglich relevanten Ermittlungen und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an das Bundesverwaltungsgericht delegieren wollte. Es liegen also diesbezüglich die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG nach der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Zur Frage, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, ist einerseits auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Gegensatz zum bisherigen Asylgerichtshof keine "Spezialbehörde" (bzw. kein "Spezialgericht") ist, sodass davon auszugehen ist, dass insbesondere länderspezifische Ermittlungen durch die Spezialbehörde Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der diesem angegliederten Staatendokumentation jedenfalls unbürokratischer, schneller und billiger durchgeführt werden können, sodass die Ermittlung des relevanten Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in diesen Bereich weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Daher ist spruchgemäß zu entscheiden, der Bescheid hinsichtlich des bekämpften Spruchpunktes I. zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

7. Hinsichtlich des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt - nämlich das Vorliegen von mangelhaften Ermittlungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt - durch den vorliegenden Bescheid unter Bedachtnahme auf die Beschwerde feststand und daher auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden konnte und der entsprechende Antrag in der Beschwerde abgewiesen wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Unter A) wurde ausführlich ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil hinsichtlich § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG die oben zitierte, einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Daher ist eine relevante Rechtsfrage nicht zu erkennen und die Revision somit unzulässig.

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