BVwG W169 2197734-1

BVwGW169 2197734-122.8.2023

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W169.2197734.1.00

 

Spruch:

 

W169 2197734-1/48EW169 2248021-1/24EIM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Äthiopien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen die Spruchpunkte II. – VI. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 11.05.2018, Zl. 1125461403-170987350 und 2.) vom 28.09.2021, Zl. 1280463205-210936243, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. In Erledigung der Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird XXXX und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.

III. Den Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Äthiopien, reiste am 16.09.2016 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und arbeitete anschließend als Au-Pair. Am 24.08.2017 stellte sie den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tage durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Ihren Antrag begründete sie hierbei mit dem in Äthiopien herrschenden Krieg. Ihr Vater sei während dieses Krieges arbeiten gegangen und nicht mehr zurückgekehrt und sie wisse nicht, ob er noch lebe. Die Erstbeschwerdeführerin sei eines Tages auf dem Nachhauseweg in Äthiopien von Soldaten vergewaltigt worden. Diese hätten ein Video davon aufgenommen und ihr gedroht, dass sie dieses veröffentlichen und ihre Familie umbringen würden, wenn sie die Polizei einschalten sollte. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich deshalb entschlossen, ihr Land zu verlassen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Soldaten drei- bis viermal pro Woche zu ihrer Mutter kämen und sie fragen würden, wo die Erstbeschwerdeführerin sei. Sie glaube, dass die Soldaten zu ihrer Mutter kommen würden, weil sie von der Erstbeschwerdeführerin den Aufenthaltsort ihres Vaters erfahren wollen würden. Die Erstbeschwerdeführerin würde wegen ihres Vaters festgenommen werden, weil er politisch tätig gewesen sei.

2. Am 11.04.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab sie an, dass sie der Volksgruppe der Amhara und der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen angehöre. Sie stamme aus der Provinz Amhara. Sie habe zehn Jahre lang die Grundschule besucht, anschließend eine Ausbildung zur Köchin gemacht und fünf Jahre als solche in einem Hotel gearbeitet. Sie sei gesund, ledig und kinderlos. Die Mutter und die drei Schwestern der Erstbeschwerdeführerin würden noch im Heimatort leben und es bestehe Kontakt.

Zu ihrem Ausreisegrund gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass ihr Vater nicht von der Arbeit zurückgekehrt sei und sie nicht wisse, ob er noch lebe. Sie selbst sei von vier Soldaten entführt und für eine Woche lang festgehalten, vergewaltigt und misshandelt worden. Die Soldaten hätten von ihr wissen wollen, wo ihr Vater sei und wo er seine Waffe aufbewahren würde. Es sei ihr vorgeworfen worden, ein Mitglied der (politischen Gruppierung) „Ginbot 7“ zu sein. Sie hätten die Vergewaltigungen auf Video aufgezeichnet. Nach einer Woche sei ihr gedroht worden, dass sie nichts der Polizei verraten dürfe, da die Soldaten sonst ihre Mutter und ihre Geschwister mitnehmen und umbringen würden. Die Soldaten hätten sie im Dunkeln zurückgebracht und die Erstbeschwerdeführerin sei nach Hause gegangen. Die Soldaten hätten ihr zwei Monate Zeit gegeben, um ihnen die Waffe ihres Vaters zu bringen. Die Erstbeschwerdeführerin sei sehr krank gewesen, habe aber kein Geld für eine Behandlung im Krankenhaus gehabt, weshalb sie sich nur traditionell behandeln habe lassen. Im Juni 2016 sei sie dann mit dem Bus nach Addis Abeba gefahren. Während der Fahrt sei sie telefonisch bedroht worden, dass sie nicht weglaufen solle. In Addis Abeba habe sie einen Verwandten kontaktiert, ihm ihre Probleme erzählt und ihn angefleht, sie in ein anderes Land zu schicken. Er habe ihr gesagt, dass es eine weiße Frau gebe, die eine Kinderaufpasserin brauche. Dann hätten sie sich mit ihr getroffen und das „Verfahren“ begonnen.

Auf weitere Befragung ergänzte die Erstbeschwerdeführerin unter anderem, dass sie nicht vorgehabt habe, nach ihrer Tätigkeit als Au-Pair in Österreich zu bleiben, jedoch würden die Soldaten seit ihrer Ausreise drei- bis viermal wöchentlich zu ihrer Mutter gehen und nach der Erstbeschwerdeführerin fragen. Ihr Vater sei Mitglied der Ginbot 7 gewesen und sie habe früher Briefe für ihn mitgenommen. An ihrem Arbeitsort hätten sich auch Mitglieder der Gruppierung versammelt. Genaueres wisse sie aber nicht.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich führte sie aus, dass sie einen Deutsch-Grundkurs besuche und ein wenig Deutsch spreche. Sie sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, habe keine sozialen Bindungen zu Österreich und lebe von der Grundversorgung.

3. Am 08.05.2018 wurden die früheren Au-Pair-Arbeitgeber der Erstbeschwerdeführerin vom Bundesamt als Zeugen einvernommen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2018 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Erstbeschwerdeführerin wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

6. Am 11.11.2019, 24.02.2020, 12.06.2020 und 25.02.2021 legte die Erstbeschwerdeführerin Integrationsunterlagen vor.

7. Am 09.07.2021 stellte die Erstbeschwerdeführerin für ihren in Österreich nachgeborenen Sohn, den Zweitbeschwerdeführer, schriftlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

8. Am 23.09.2021 wurde der Vater des Zweitbeschwerdeführers, ein äthiopischer Asylwerber, als gesetzlicher Vertreter vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen, wobei dieser im Wesentlichen zu Protokoll gab, dass der Zweitbeschwerdeführer keine eigenen Asylgründe habe.

9. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2021 wurde der Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz ebenso gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ihm wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

10. Auch gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

11. Am 19.05.2022 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Konvolut an Unterlagen der Erstbeschwerdeführerin ein, bestehend aus einer Stellungnahme des Präsidenten der Österreichisch-Äthiopischen Gesellschaft, kommentierten Kopien des bisherigen administrativen Verfahrensganges, Länderberichten zu Äthiopien, äthiopischen Dokumenten, diversen Fotos der Erstbeschwerdeführerin aus Äthiopien und Österreich, Integrationsunterlagen sowie medizinischen Unterlagen.

12. Am 02.06.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher die Erstbeschwerdeführerin und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde die Erstbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, Rückkehrbefürchtungen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt (s. Verhandlungsprotokoll). Die Erstbeschwerdeführerin legte medizinische Unterlagen (Beilage ./A), Alltagsfotos (Beilage ./B), Empfehlungsschreiben (Beilage ./C), eine Bestätigung der Mitgliedschaft bei der Österreichisch-Äthiopischen Gesellschaft (Beilage ./D) sowie ein Konvolut an Länderberichten zu Äthiopien (Beilage ./E) vor.

13. Am 14.06.2022 gaben die Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den Länderberichten der Staatendokumentation über Äthiopien ab.

14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.07.2022, W169 2197734-1/23E und W169 2248021-1/5E, wurden die Beschwerden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

15. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 04.10.2022, Zl. E 2316-2317/2022-8, die Behandlung der von den Beschwerdeführern gegen dieses Erkenntnis bei ihm eingebrachten Beschwerden ab.

16. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 18.04.2023, Zl. Ra 2022/18/0219 bis 0220-15, die gegen das bundesverwaltungsgerichtliche Erkenntnis eingebrachte außerordentliche Revision der Beschwerdeführer hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten zurück und hob im Übrigen das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass das Bundesverwaltungsgericht sich nicht hinreichend mit den Empfehlungen des UNHCR vom März 2022 auseinandergesetzt habe, wonach die Staaten dazu aufgerufen werden würden, Personen, die aus Gebieten stammten, welche von militärischen Aktionen oder Vertreibung betroffen oder instabil und unsicher seien, bis zur Stabilisierung der Situation, nicht in diese Gebiete abzuschieben. Das UNHCR erachtete es außerdem unter den derzeitigen Umständen, dem fortdauernden Konflikt und der Gewalt in Teilen des Landes sowie der weit verbreiteten internen Vertreibung von Menschen und der ernsten humanitären Lage für nicht angemessen, Schutzsuchenden aus Äthiopien den internationalen Schutz auf der Basis einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verweigern.

17. Mit Stellungnahme vom 08.08.2023 brachten die Beschwerdeführer aktuelle Berichte zur Sicherheits- und Versorgungslage in Äthiopien beim Bundesverwaltungsgericht ein und legten Integrationsunterlagen vor.

18. Am 09.08.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher die Erstbeschwerdeführerin und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde die Erstbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren Rückkehrbefürchtungen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt (s. Verhandlungsprotokoll).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest.

Sie sind Staatsangehörige von Äthiopien, gehören der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen und der Volksgruppe der Amhara an. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Amharisch.

Die Erstbeschwerdeführerin ist im Wesentlichen gesund und leidet an keiner groben oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus der Provinz Amhara, wobei sie in der Nähe der Stadt Bahir Dar geboren wurde und in der Stadt Gonder aufgewachsen ist. Im Herkunftsstaat besuchte sie zehn Jahre die Grundschule, anschließend eine Berufsschule und arbeite fünf Jahre als Köchin.

In Gonder leben weiterhin die Eltern und zumindest zwei der drei volljährigen Schwestern der Erstbeschwerdeführerin in einem Miethaus. Ihr Vater ist Bauer, ihre Mutter arbeitet als Haushaltshilfe und zwei Schwestern besuchen eine höhere Schule. Die finanzielle Lage der Familie ist ausreichend.

Die Erstbeschwerdeführerin ist seit 15.11.2020 kirchlich mit dem äthiopischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , verheiratet, welcher in Österreich als Asylwerber lebt. Der Zweitbeschwerdeführer ist ihr gemeinsamer, in Österreich geborener Sohn. Sie leben im gemeinsamen Haushalt.

Der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin stammt aus Bahir Dar. Er hat im Herkunftsstaat die Grund- und Mittelschule besucht und das Bachelorstudium „Natural Resource Management“ absolviert, wobei seine Eltern bis zum Abschluss dieses Studiums für seinen Lebensunterhalt aufgekommen sind. In der Folge hat er in einem staatlichen Unternehmen im Bereich Bodenmanagement sowie für ein Jahr und neun Monate im einem Privatunternehmen als „Junior Soil Survey Expert“ gearbeitet. Danach hat er das Masterstudium „Engineering Hydrology“ absolviert und nebenbei durch die Mitarbeit bei diversen Projekten sowie Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt finanziert. Die Familie des Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin lebt in Äthiopien. Zwei seiner Brüder haben bereits ihre Universitätsstudien abgeschlossen. Sie gehen beide einer Erwerbstätigkeit nach, sind selbsterhaltungsfähig und leben nicht mehr bei den Eltern. Die übrigen fünf Geschwister studieren. Finanziert werden ihre Studien durch die Eltern sowie durch die zwei erwerbstätigen Brüder des Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin. Seine Eltern sind Grundbesitzer und verfügen über circa drei Hektar Land. Sie bewirtschaften ihr Land in der Nähe der Stadt Bahir Dar selbst. In Österreich hat der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin das Masterstudium „European Studies – Management of EU-Projects“ abgeschlossen.

Die Beschwerdeführer können aufgrund der volatilen Sicherheitslage in der Region Amhara nicht dorthin zurückkehren. Aufgrund der prekären Versorgungslage können sie sich zudem nicht an einem anderen Ort wie der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba neu ansiedeln.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

1. Sicherheitslage

Die äthiopische Regierung hat im November 2021 einen landesweiten Ausnahmezustand verhängt, nachdem sich der Konflikt mit Rebellen der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) und der Oromo Liberation Army (OLA) ausgeweitetet hatte und ein Vormarsch auf die Hauptstadt Addis Abeba drohte. Mitte Dezember 2021 gab die TPLF einen Rückzug aus umkämpften Gebieten des Landes in die Provinz Tigray bekannt und bot die Aufnahme von Friedensgesprächen an. Die Regierung stoppte daraufhin ein weiteres Vorrücken ihrer Streitkräfte auf die Provinz Tigray. Mitte Februar 2022 wurde der Ausnahmezustand beendet. Ende März 2022 gab die äthiopische Regierung einen humanitären Waffenstillstand bekannt, um Hilfslieferung in die Provinz Tigray zu ermöglichen (Standard 15.02.2022; TS 16.02.2022; UNHCR 03.2022).

Die im November 2020 begonnene militärische Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung in Addis Abeba und der Regierung der Region Tigray ist seit der Waffenstillstandsvereinbarung vom November 2022 zum Ruhen gekommen. Erste Schritte hin zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer wurden eingeleitet, ebenso zur politischen Konfliktlösung, die die Ernennung einer Interimsregierung für Tigray, gefolgt von verfassungskonformen Wahlen in Tigray vorsieht. Der Zugang für humanitäre Hilfe nach Tigray hat sich seit November 2022 deutlich verbessert und die Grundversorgung (Elektrizität, Bankenwesen, Internet) in Mekelle und in anderen Städten wurde wieder hergestellt (AA 10.05.2023).

Am 04.08.2023 wurde in der Region Amhara nach tagelangen Unruhen der Notstand ausgerufen. Mit dem Ausnahmezustand hat die äthiopische Regierung nun die Befugnis, die politischen und demokratischen Rechte auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Amharische Milizen, welche im Tigray-Konflikt noch an der Seite der äthiopischen Zentralregierung gekämpft haben, berichten, dass sie sich Kämpfe mit Regierungstruppen geliefert und die Kontrolle über mehrere Städte in der Region übernommen haben. Im April 2023 hatte die äthiopische Regierung entschieden, die regionalen Spezialeinheiten aufzulösen und zu zentralisieren (Zeit Online 04.08.2023). Die Regierung hat nach eigenen Angaben die Kontrolle über Städte und Gebiete in der Region Amhara an eine Miliz verloren. In den Städten Gonder, Lalibela, Debre Birhan und der Regionalhauptstadt Bahir Dar waren Schüsse zu hören. Die wichtigsten Straßen in der Region waren blockiert. Nach Angaben von Bewohnern kontrolliert die Miliz Fano bereits die Städte Gondar und Lalibela. Augenzeugen berichteten auch von schweren Kämpfen im Norden von Gondar, wo die Streitkräfte der Zentralregierung versuchten, die Stadt zurückzuerobern (Zeit Online 07.08.2023).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (10.05.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2091943/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84thiopien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_10.05.2023.pdf , Zugriff 10.08.2023

- Standard, der (15.02.2022): Äthiopien beendet landesweiten Ausnahmezustand, https://www.derstandard.at/story/2000133376307/aethiopien-beendet-landesweiten-ausnahmezustand , Zugriff 18.07.2022

- TS – Tagesschau (16.02.2022): Äthiopien hebt Ausnahmezustand auf, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/aethiopien-211.html , Zugriff 18.07.2022

- UNHCR (03.2022): Position on Returns to Ethiopia

- Zeit Online (04.08.2023): Äthiopien verhängt Notstand nach tagelangen Unruhen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-08/aethiopien-notstand-kaempfe-ministerpraesident , Zugriff 10.08.2023

- Zeit Online (07.08.2023): Äthiopische Regierung verliert Kontrolle über Gebiete in Amhara, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-08/aethiopien-amhara-unruhen , Zugriff 10.08.2023

2. Grundversorgung

Im Dezember 2021 warnte das Famine Early Warning Systems Network (FEWS NET) vor einem Rekordstand an benötigter humanitärer Hilfe für Äthiopien im Jahr 2022. Im selben Monat berichtete das World Food Programme (WFP) über einen großen Finanzierungsrückstand für die nächsten sechs Monate, welcher die Fähigkeit des Programms bedroht, wesentliche Nahrungsmittelbedürfnisse von Millionen Äthiopiern und Flüchtlingen abzudecken. Der kombinierte Effekt von Konflikt, Dürre, Überschwemmung, Wüstenheuschreckeninvasionen, Marktstörungen, Währungsabwertung, hohen Lebensmittelkosten und der COVID-19-Pandemie haben für geschätzte 13,6 Millionen Menschen im Land zu Nahrungsmittelunsicherheit geführt. Gesamt werden 22,3 Millionen Menschen in Äthiopien für humanitäre Hilfsleistungen anvisiert (UNHCR 03.2022). Die Provinz Tigray ist von extrem kritischer Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. In den am stärksten betroffenen Gebieten der östlich gelegenen Zonen Wag Hemra und North Wollo der Provinz Amhara besteht ebenso eine kritische Lage (FEWS 15.12.2021).

Die humanitäre Lage in Äthiopien ist katastrophal. Laut der UN-Nothilfeorganisation (OCHA) bedürfen etwa 29,7 Mio. Äthiopier humanitärer Unterstützung aufgrund von konflikt- bzw. klimabedingten humanitären Krisen. Die Zahlen sind damit gegenüber dem Vorjahr weiter gestiegen, vor allem auch im Zuge des Konflikts in Nordäthiopien und der Dürre in Südäthiopien. Mittlerweile sind bereits 24 Mio. Menschen von der Dürre betroffen. Die Zahl der Binnenvertriebenen ist landesweit geschätzt auf ca. drei Mio. Menschen zurückgegangen (AA 10.05.2023).

Die wirtschaftliche und humanitäre Lage hat sich 2022 weiter deutlich verschlechtert. Aufgrund anhaltender Inflation, extremer Devisenknappheit und steigender Weltmarktpreise für notwendige Importgütern droht ein wirtschaftlicher Zusammenbruch des Landes. Über 20 Mio. Menschen benötigen nach Schätzungen der äthiopischen Regierung humanitäre Hilfsleistungen. Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld o. ä. werden von der äthiopischen Regierung nicht erbracht. Rückkehrende können nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen (AA 10.05.2023).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (10.05.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2091943/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84thiopien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_10.05.2023.pdf , Zugriff 10.08.2023

- FEWS - Famine Early Warning System Network / World Food Programme (15.12.2021): Ethiopia Food Security Outlook, October 2021 to May 2022, https://fews.net/sites/default/files/documents/reports/FEWS%20NET%20Ethiopia%20Food%20Security%20Outlook_Oct%2021%20to%20May%2022_Final.pdf , Zugriff 18.07.2022

- UNHCR (03.2022): Position on Returns to Ethiopia

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund des sichergestellten und kriminaltechnisch untersuchten äthiopischen Reisepasses der Erstbeschwerdeführerin sowie der österreichischen Geburtsurkunde des Zweitbeschwerdeführers fest.

Die Feststellungen zur Staats-, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführer sowie zu ihrer Muttersprache folgen den gleichbleibenden und plausiblen Angaben im Rahmen des gesamten Verfahrens.

Die Erstbeschwerdeführerin erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2022, „seit 4 Monaten“ gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen (Verhandlungsprotokoll S. 18). Auch aus den dort vorgelegten medizinischen Unterlagen aus den Jahren 2018 bis 2022 (Anlage ./A und OZ 18) ließe sich keine grobe oder gar lebensbedrohliche Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin erkennen. Aus diesen geht nämlich im Wesentlichen eine Pollen-, Blüten- und Hausstauballergie, eine Dyspareunie, sowie eine allenfalls noch bestehende geringgradige Gastritis sowie Lymphadenitis hervor. Eine Erkrankung der Zweitbeschwerdeführers wiederum wurde nie behauptet.

Die Feststellungen zum Geburts- und Aufenthaltsort der Erstbeschwerdeführerin, ihrer Schulbildung, Ausbildung und Berufserfahrung in Äthiopien beruhen wiederum auf ihren gleichbleibenden Angaben im Verfahren.

Die Erstbeschwerdeführerin sagte auch selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2022 aus, dass ihre Mutter und zwei volljährige Schwestern weiterhin in Gonder in einem Mietshaus leben würden, ihre Mutter als Haushaltshilfe arbeite, die beiden Schwestern eine höhere Schule besuchen würden und die finanzielle Lage der Familie ausreichend sei. Zur dritten Schwester machte sie in dieser Verhandlung nur vage, schwer nachzuvollziehende Angaben über einen möglichen Aufenthalt in einem arabischen Land, sodass insoweit keine genauere Feststellung getroffen werden konnte. Infolge des unglaubhaften Fluchtvorbringens (vgl. Erkenntnis vom 28.07.2022, W169 2197734-1/23E und W169 2248021-1/5E) war zudem festzustellen, dass der Vater der Erstbeschwerdeführerin nicht verschollen ist, sondern ebenso bei der Familie lebt. In der mündlichen Verhandlung am 09.08.2023 führte sie zwar aus, dass sie seit zwei Wochen keinen Kontakt zu ihrer Familie mehr habe, dass ihre Familie aber nicht mehr am bislang angegebenen Ort leben würde, behauptete sie nicht (Verhandlungsprotokoll S. 3 f).

Die kirchliche Heirat der Erstbeschwerdeführerin ist ebenso aufgrund ihrer plausiblen Angaben und der vorgelegten Trauungsfotos glaubhaft. Der asylrechtliche Verfahrensstand des Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin ist aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.07.2022, W124 2199941-1/32E, in Zusammenschau mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 09.05.2023, Zl. Ra 2022/20/0273-15, ersichtlich. Dass es sich beim Zweitbeschwerdeführer um den gemeinsamen Sohn handelt, geht aus seiner Geburtsurkunde hervor. Der gemeinsame Haushalt geht aus Melderegisterauszügen hervor. Die weiteren Feststellungen zum Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin stützen sich gleichfalls auf das genannte bundesverwaltungsgerichtliche Erkenntnis.

Wie unter Punkt II.1.2. festgehalten wurde, wurde zwar der Krieg zwischen der äthiopischen Regierung und der TPLF beendet, jedoch brachen nunmehr Unruhen in der Region Amhara aus, die aktuell im August 2023 in einen bewaffneten Konflikt zwischen amharischen Milizen und der äthiopischen Zentralregierung mündeten. Aufgrund dieser kriegerischen Auseinandersetzungen ist es den Beschwerdeführern nunmehr unmöglich, in ihre Heimatregion Amhara zurückzukehren. Sie können aber aufgrund der katastrophalen humanitären Lage, in welcher ein wirtschaftlicher Zusammenbruch des Landes droht, auch nicht in ein anderes Gebiet wie insbesondere der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ausweichen und sich dort neu ansiedeln, da aus diesem Grund nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie dort – auch mithilfe des Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin/Vater des Zweitbeschwerdeführers – für ihren Unterhalt sorgen könnten.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer folgt aus einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister bzw. der Strafunmündigkeit des Zweitbeschwerdeführers.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation in Äthiopien:

Die Feststellungen zur Situation in Äthiopien beruhen auf den angeführten Quellen. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Äthiopien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zum Spruchteil A)

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mit weiteren Nachweisen).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; VwGH 08.09.2016, Zl. 2016/20/0063).

Eine Rückkehr der Beschwerdeführer in ihre Heimatregion würde aus den schon beweiswürdigend genannten Gründen der dort aktuell geführten kriegerischen Auseinandersetzungen die reale Gefahr einer ernsthaften Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt aufgrund eines innerstaatlichen Konfliktes bedeuten.

In einem weiteren Schritt ist somit gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu prüfen. Demnach ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 11 AsylG 2005, K15). Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Ob dies der Fall ist, erfordert eine ganzheitliche Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Für die Beurteilung der Lage kann es zum Beispiel (mit) relevant sein, ob der Betroffene – erforderlichenfalls – vor Ort ein Netzwerk wie etwa Familie, Freunde oder Bekannte vorfindet, die ihn unterstützen können (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

Das UNHCR führte in seiner Position zu Abschiebungen nach Äthiopien vom März 2022 aus, dass in der aktuellen Situation eines laufenden Konflikts und anhaltender Gewalt in Teilen des Landes, umfangreicher Binnenvertreibung und einer ernsten humanitären Lage die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative als nicht angemessen betrachtet wird (UNHCR Position on Returns to Ethiopia, März 2022, S. 9 f: „In the current circumstances, with ongoing conflict and violence in parts of the country, large-scale internal displacement, and severe humanitarian needs, UNHCR does not consider it appropriate for States to deny persons from Ethiopia international protection on the basis of an internal flight or relocation alternative.“). Dies hat Indizwirkung (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/18/0521). Auch wenn sich diese Erwägungen auf den inzwischen beigelegten Tigray-Konflikt bezogen, hat sich infolge des nunmehr neu ausgebrochenen Konfliktes in der Region Amhara zwischen der äthiopischen Regierung und amharischen Milizen und der anhaltend schlechten humanitären Lage sowie der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage, in der Äthiopien am Rande eines wirtschaftlichen Kollapses steht, an der grundlegenden Situation wenig verändert, geschweige denn verbessert. Es kann daher in dieser allgemeinen Lage in Übereinstimmung mit diesen Erwägungen den Beschwerdeführern nicht zugemutet werden, sich in einer anderen Region wie insbesondere der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba neu anzusiedeln, da nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Lage sind – auch mithilfe des Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin/Vaters des Zweitbeschwerdeführers – für ihren Unterhalt so weit zu sorgen, dass sie dort ein Leben ohne unbillige Härten führen könnten. Es besteht somit keine innerstaatliche Fluchtalternative für die Beschwerdeführer.

In Ermangelung von Ausschlussgründen war den Beschwerdeführern daher gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr zu erteilen.

Infolge der Gewährung des subsidiären Schutzstatus waren die übrigen Spruchpunkte III. – VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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