B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2
AsylG 2005 §5 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W165.2134273.2.01
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX , 3) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX und 4) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2017, Zlen. 1105683906/160252441 (1), 1105684010/160252484 (2), 1105681901/160252522 (3) und 1105682005/160252565 (4), zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerden werden die angefochtenen Bescheide
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind deren gemeinsame minderjährige Kinder. Die Beschwerdeführer verließen ihren Herkunftsstaat Afghanistan über den Iran und gelangten über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich, wo diese am 16.02.2016 Anträge auf internationalen Schutz stellten. EURODAC-Treffermeldungen zufolge wurden die Beschwerdeführer am 09.02.2016 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt (GR2 09.02.2016).
Im Zuge der Erstbefragung vom 17.02.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Niederösterreich gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Vor ca. einem Monat habe er gemeinsam mit seiner Gattin und den beiden minderjährigen Kindern Afghanistan verlassen und sie seien über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt. In den durchreisten Ländern seien die Behörden jeweils sehr freundlich gewesen. Zielland sei Österreich gewesen, da hier die Flüchtlinge anerkannt würden. Sie hätten in keinem anderen Land um Asyl angesucht.
Im Zuge der Erstbefragung vom 17.02.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Niederösterreich gab die Zweitbeschwerdeführerin an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können, keine Medikamente einnehmen zu müssen und nicht schwanger zu sein. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte für die beiden minderjährigen Beschwerdeführer ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz. Diese hätten keine eigenen Fluchtgründe. In der Folge erstattete die Zweitbeschwerdeführerin gleichlautende Angaben zum Reiseweg und zur Behandlung in den durchreisten Ländern wie der Erstbeschwerdeführer.
Am 19.03.2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) an Kroatien.
Mit Schreiben vom 25.05.2016 wies das BFA die kroatischen Behörden auf das Verstreichen der Antwortfrist und die daraus resultierende Zuständigkeit Kroatiens aufgrund Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO hin.
Nach Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA am 28.07.2016 wies das BFA mit Bescheiden vom 28.07.2016 die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Kroatien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zuständig sei (I.). Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (II.).
Gegen die Bescheide vom 28.07.2016 erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht gleichlautende Beschwerden, in denen insbesondere auch eine Traumatisierung der beiden minderjährigen Beschwerdeführer durch die Ereignisse auf der Flucht geltend gemacht wurde.
Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.09.2016, GZ: W165 2134273-1/6E, W165 2134274-1/6E, W165 2134271-1/6E und W165 2134272-1/6E wurde den Beschwerden gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und wurden die bekämpften Bescheide behoben.
Neben diversen aktenwidrigen Feststellungen, unter anderem zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer und der Heranziehung einer unrichtigen zuständigkeitsbegründenden Rechtsgrundlage in den Bescheiden, reklamierte das Bundesverwaltungsgericht in den zitierten Erkenntnissen insbesondere, dass die Behörde keinerlei Feststellungen zum Gesundheitszustand der beiden minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer angestellt und weder den Erstbeschwerdeführer noch den Zweitbeschwerdeführer zum gesundheitlichen Befinden ihrer minderjährigen Kinder befragt hat.
Der Behörde wurde mit den behebenden Erkenntnissen aufgetragen, Ermittlungen zur aktuellen psychischen Verfassung der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers, insbesondere unter der angezeigt scheinenden Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Kinderpsychiatrie/Kinderpsychologie anzustellen und hiezu aktuelle Feststellungen zu treffen.
Aufgrund der Behebung der Bescheide und der Zurückverweisung an die Behörde durch das Bundesverwaltungsgericht wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am 12.10.2016 neuerlich vor dem BFA einvernommen:
Der Erstbeschwerdeführer gab zu Protokoll, dass er gesund sei und in keiner ärztlichen Behandlung stehe, jedoch seine Frau derzeit in Behandlung stehen würde. Seinen Kindern gehe es jetzt gut, die Flucht sei jedoch sehr anstrengend für sie gewesen und sie hätten immer noch Angst, vor allem sein Sohn. In seiner früheren Einvernahme habe er gesagt, dass es keine Personen oder Verwandten in Österreich gebe, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis bestünde. Heute wolle er jedoch mitteilen, dass es einen seit fünf Jahren in Österreich lebenden Cousin gebe. Genaueres wisse er nicht, er würde jedoch regelmäßig mit dem Cousin telefonieren und einmal pro Woche mit diesem essen gehen. Befragt, wie lange er sich in Kroatien aufgehalten habe und wie er von Kroatien nach Österreich gelangt sei, gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, dass er mit seiner mitgereisten Familie zwischen sieben und acht Stunden in Kroatien gewesen sei und sie sich dort auf der Durchreise befunden hätten. Von Kroatien nach Österreich seien sie mit dem Zug gelangt. Der Zug sei von der Polizei für die Weiterfahrt organisiert worden. Sie seien die Nacht durchgefahren und in ein Flüchtlingslager in Österreich gekommen.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihrem Gesundheitszustand befragt an, dass es ihr nicht so gut gehe, sie habe heute wieder Migräne. Befragt, ob sie in ärztlicher Behandlung stehe, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie zehn Mal Massagen erhalten habe. An Medikamenten würde sie einen Sirup und täglich Tabletten nehmen. Dies helfe bei Migräne und gegen Blutarmut. Zu verwandtschaftlichen Beziehungen befragt, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie einen – namentlich genannten – Cousin in Österreich habe. Es handle sich um den Sohn ihrer Tante, es bestehe jedoch auch eine Familienverwandtschaft zur Familie ihres Mannes. Weiters gebe es eine in Österreich lebende Familie, ebenfalls Verwandtschaft mütterlicherseits. Die Frage, wie sie von Kroatien nach Österreich gelangt sei, beantwortete die Zweitbeschwerdeführerin damit, dass sie organisiert über eine Zugreise direkt nach Österreich gekommen seien. Der Zug sei "dort gewesen", sie seien in einer Schlange gestanden und nach und nach eingestiegen. Im Anschluss an die Zugfahrt seien sie noch mit einem Bus gefahren, von wo bis wohin, könne sie allerdings nicht angeben.
Im Akt finden sich neben den bereits im Zeitpunkt der Erlassung der behobenen Bescheide betreffend die Zweitbeschwerdeführerin vorgelegenen medizinischen Unterlagen Überweisungen der Zweitbeschwerdeführerin wegen Kopfschmerzen mit Übelkeit und wegen Sehstörungen (jeweils FÄB erbeten) durch einen Arzt für Allgemeinmedizin vom 06.10.2016 sowie eine Verordnung "10x Heilmassage, Diagnose: Cervikalsyndrom" vom 06.10.2016.
Am 19.10.2016 gab die Behörde ein Sachverständigengutachten zum psychischen Gesundheitszustand der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers in Auftrag.
Das multidimensionale (dh unter Einbeziehung mehrerer Personen, konkret der Eltern der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers und der Schulpsychologin der Drittbeschwerdeführerin) und multimethodische (dh unter Einbeziehung mehrerer Untersuchungsverfahren) erstellte Gutachten einer Sachverständigen auf dem Gebiet der Kinder-, Jugend- und Familienpsychologie vom 12.01.2017 führte zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung bei Würdigung der Gesamtbefundlage und unter Berücksichtigung aller Befundquellen und vorliegenden Informationen weder bei der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin noch beim minderjährigen Viertbeschwerdeführer ein Symptombild vorgelegen ist, welches aus fachlicher Sicht die Vergabe einer Störungsdiagnose gemäß den internationalen Klassifikationskriterien psychischer Störungen (ICD-10, Kapitel V der WHO) erlauben würde. Die Fragestellung, ob die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer aktuell an einer psychischen Erkrankung leiden würden, sei aus gutachterlicher Sicht zu verneinen.
Mit den angefochtenen Bescheiden vom 17.02.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz abermals ohne die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Dublin III-VO zur Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 61 Abs. 1 FPG eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführer angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
In den Bescheiden wird festgehalten, dass die Beschwerdeführer weder an physischen oder psychischen Erkrankungen noch an einer schweren oder ansteckenden Krankheit leiden würden. In den die Drittbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer betreffenden Bescheiden wurden das Gutachtensergebnis wiedergegeben und Ausführungen zum Sachverständigengutachten getätigt.
Hinsichtlich der Begründung des Dublin-Tatbestandes wird unter den "Feststellungen" der Bescheide angeführt, dass die illegale Einreise der Beschwerdeführer in das Gebiet der Mitgliedstaaten im Zeitraum um den 16.02.2016 von Serbien nach Kroatien kommend, erfolgt sei und diese seither das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht wieder verlassen hätten. Die Zuständigkeit Kroatiens für die Asylverfahren sei seit Abschluss des Konsultationsverfahrens gemäß Dublin III-VO gegeben. Kroatien sei zudem mittels gesonderten Schreibens auf diesen Umstand hingewiesen worden. Beweiswürdigend wird dazu festgehalten, dass sich die von Serbien kommende illegale Einreise nach Kroatien unter Berücksichtigung des gesamten vorliegenden Sachverhalts, insbesondere aus den Angaben zur Reisebewegung, dem Ergebnis des Fingerabdruckvergleichs und aus dem Umstand, dass seitens Kroatiens keine Ablehnung im Hinblick auf die Zuständigkeit für die Asylverfahren erfolgt sei, ergeben würde. Zudem sei als notorisch anzusehen, dass im Zeitraum, als sich die Beschwerdeführer nach Österreich begeben hätten, die Reiseroute Griechenland-Mazedonien-Serbien-Kroatien-Slowenien-Österreich von beinahe allen Fremden genutzt worden sei, um illegal vom jeweiligen Herkunftsstaat nach Europa bzw. nach Österreich zu gelangen. Im Fall der Beschwerdeführer würde zudem kein einziger Hinweis auf eine andere als die vorstehend angeführte Reisebewegung nach Österreich bestehen, weshalb für die Behörde zweifelsfrei feststehe, dass die Beschwerdeführer von Serbien kommend, illegal nach Kroatien eingereist seien. Dass die illegale Einreise nach Kroatien im Zeitraum um den 16.02.2016 gelegen sein müsse, ergebe sich daraus, dass die Beschwerdeführer laut ihren eigenen Ausführungen in Griechenland aufhältig gewesen seien und am 16.02.2016 in Österreich die gegenständlichen Asylanträge gestellt hätten.
Gegen die Bescheide wurden fristgerecht gleichlautende Beschwerden erhoben, in denen zusammengefasst ausgeführt wird:
Die Beschwerdeführer seien am 12.10.2016 erneut vor dem BFA einvernommen worden und hätten hierbei angegeben, organisiert über eine Zugreise und ohne Umgehung von Grenzkontrollen nach Österreich eingereist zu sein. Das BFA habe keine Ermittlungen durchgeführt und wiederum die Anträge gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Kroatien für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei. Im vorliegenden Fall könne von einer illegalen Überschreitung der Landgrenze zwischen Serbien und Kroatien nicht die Rede sein. Die Beschwerdeführer hätten weder Grenzkontrollen umgangen noch die Grenze mittels eines ge- oder verfälschten Visums überschritten. Die Beschwerdeführer seien zunächst von der Türkei kommend in Griechenland eingereist. Sodann seien sie mit dem Flüchtlingsstrom über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien gereist, um nach Österreich zu gelangen. Die Reise sei mit Bus und Bahn erfolgt. Jedes Mal, wenn die Beschwerdeführer irgendwo umgestiegen seien, hätte es Uniformierte und Personen von UNHCR gegeben, die ihnen geholfen und ihnen gesagt hätten, "wo es weitergehe". Sie hätten nichts für die Reise bezahlt, da diese staatlich organisiert gewesen sei und die Grenzübertritte zumindest staatlich geduldet gewesen seien. Die Beschwerdeführer seien auf der Reise auch mit Essen und Trinken versorgt worden. Die Beschwerdeführer hätten bei ihren Einvernahmen schlüssig und nachvollziehbar zu verstehen gegeben, im Februar 2016 über die sogenannten Balkanroute nach Österreich eingereist zu sein. Ab 18.11.2015 hätten die Behörden in Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien damit begonnen, die asylsuchenden Menschen insofern zu "selektieren", als nur mehr Personen mit syrischer, afghanischer oder irakischer Staatsangehörigkeit ein- und weiterreisen hätten dürfen. Die Beschwerdeführer seien genau zu jenem Zeitpunkt in Kroatien eingereist, zu dem ihnen aufgrund ihrer afghanischen Staatsangehörigkeit die Weiterreise nach Österreich gestatten worden sei. Weder die mazedonischen noch die serbischen, kroatischen oder slowenischen Behörden hätten die Einreise der Beschwerdeführer gestattet, hätte Österreich nicht zuvor gegenüber diesen Staaten zu erkennen gegeben, dass es drittstaatsangehörigen Asylsuchenden unter bestimmten Voraussetzungen zur Asylantragstellung in Österreich oder Deutschland die Einreise gestatten würde. Die Beschwerdeführer seien zu einem Zeitpunkt von Serbien nach Kroatien eingereist, zu dem die West-Balkanroute geöffnet gewesen sei. In diesem Kontext habe es die Behörde vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGH vom 16.11.2016, RA 2016/18/0172 bis 0177-10 und RA 2016/18/0224 bis 0227-10 unterlassen, konkrete Ermittlungen zur Ein- bzw. Durchreise der Beschwerdeführer nach Kroatien vorzunehmen. Die Umstände der Einreise der Beschwerdeführer würden für die Heranziehung des in Art. 14 Dublin III-VO normierten Zuständigkeitstatbestandes sprechen. Hilfsweise könne für eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung der Asylanträge der Beschwerdeführer auch die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ins Treffen geführt werden. Die Beschwerdeführer seien mittlerweile seit über einem Jahr in Österreich aufhältig und überdurchschnittlich um ihre Integration in die Gesellschaft bemüht. Die Zweitbeschwerdeführerin sei als besonders vulnerabel anzusehen, da sie an schwerer Migräne sowie Depressionen leide. Im Falle der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers müsse auf die spezielle Vulnerabilität der Kinder eingegangen werden. Eine solche Abwägung sei den Bescheiden jedoch nicht zu entnehmen. Unter einem wurde der Antrag gestellt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Den Beschwerden war neben verschiedenen Kursteilnahmebestätigungen ein Bericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 02.12.2016 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin angeschlossen:
"Diagnose: Depressive Störung, Spannungskopfschmerz, V.a. Migräne.
Psychopathologisch: Es bestehen Ein- und Durchschlafstörungen, erhöhte Reizbarkeit, vermehrte Weinerlichkeit".
Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2017 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Behebung der angefochtenen Bescheide:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine
Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine
Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das
Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).
Erlässt die Verwaltungsbehörde nach einer Behebung gemäß § 21 Abs. 3 letzter Satz BFA-VG neuerlich eine Unzulässigkeitsentscheidung, diesfalls jedoch außerhalb des Zulassungsverfahrens, und erweist sich diese wiederum als rechtswidrig, kann eine Behebung grundsätzlich nicht nach § 21 Abs. 3 AsylG erfolgen und ist dann auf die allgemeine Bestimmung des § 28 Abs. 3 VwGVG zurückzugreifen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl und Fremdenrecht, Stand 15.01.2016, K 12 zu § 21).
Die gegenständlichen Entscheidungen des BFA sind auf der Grundlage eines mangelhaften Verfahrens ergangen, weshalb eine Behebung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu erfolgen hatte:
Zur Klärung der Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens ergibt sich die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit der Frage, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedsstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12). Dies, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande und in der Rechtssache vom 07.06.2016 C-155/15, Karim/Schweden.
Im gegenständlichen Fall stützt das BFA die Zuständigkeit Kroatiens in den angefochtenen Bescheiden auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO und geht dabei davon aus, dass jedenfalls eine illegale Einreise der Beschwerdeführer nach Kroatien erfolgt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0172 bis 0177, in einem gleichgelagerten Fall, in dem Antragsteller über die Balkanroute nach Österreich gelangt sind, wobei über die näheren Umstände, wie sich die Ein- bzw. Durchreise in die EU, insbesondere nach Kroatien gestaltet hat, keine Feststellungen getroffen wurden, nachstehende Erwägungen getroffen:
"Die Revision wendet sich gegen die Rechtsansicht des BVwG, dass der Grenzübertritt der revisionswerbenden Parteien aus einem Drittstaat kommend in die Republik Kroatien illegal erfolgt sei und die Zuständigkeit der Republik Kroatien für die Prüfung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung begründe. Sie weist mit ausführlicher Begründung darauf hin, dass die revisionswerbenden Parteien von den staatlichen Sicherheitsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten organisiert und geduldet über die "Balkanroute" nach Österreich gelangt seien. Ein in diese Richtung gehendes Vorbringen hatten die revisionswerbenden Parteien bereits bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Protokoll gegeben. Daraus folgert die Revision, dass von einem illegalen Grenzübertritt in die Republik Kroatien iSd Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung nicht ausgegangen werden könne.
Im Zusammenhang mit der von der Revision angesprochenen Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien (Vrhovno sodi??e Republike Slovenije) am 14. September 2016 ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gestellt, das zur dortigen ZI. C-490/16 protokolliert worden ist. Dem Ersuchen liegt ein Fall zugrunde, in dem ein syrischer Asylwerber zunächst von der Türkei nach Griechenland und von dort über Mazedonien, Serbien und Kroatien nach Slowenien gelangt war. Dabei durchquerte er die Republik Kroatien organisiert mit dem "Flüchtlingsstrom". Serbische Behörden hatten ihn zu einem für den Grenzübertritt bestimmten Ort begleitet und dort in die Aufsicht kroatischer staatlicher Stellen übergeben, die ihm weder die Einreise in die Republik Kroatien verweigert noch ein Verfahren im Hinblick auf seine Abschiebung aus dem kroatischen Hoheitsgebiet eingeleitet oder geprüft hatten, ob er die Voraussetzungen für eine legale Einreise in die Republik Kroatien erfüllt hätte. Die kroatischen Behörden organisierten vielmehr die Beförderung zur slowenischen Staatsgrenze.
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts fragt der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien beim EuGH (unter anderem) an, ob die Voraussetzung des "irregulären Grenzübertritts" nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zu verneinen ist, wenn ein Mitgliedstaat den Grenzübertritt in sein Hoheitsgebiet hoheitlich und zum Zwecke der Durchreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union organisiert.
Nach dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien könnte die Beantwortung dieser Fragen auch für die gegenständlichen Verfahren von Bedeutung sein und dazu führen, dass der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH abzuwarten wäre (vgl. dazu die maßgeblichen Kriterien nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C.I.L.F.I.T. (283/81, ECLI:E:C: 1982:335).
Allerdings hat das BVwG sich mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien in der angefochtenen Entscheidung nicht auseinandergesetzt. Es hat insbesondere keine Tatsachenfeststellungen darüber getroffen, wie sich die Ein- bzw. Durchreise der revisionswerbenden Parteien in die Europäische Union, insbesondere nach Kroatien gestaltet hat und ob es sich dabei um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt hat, die mit jenen ident oder vergleichbar wären, die dem slowenischen Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegen. Derartige Schlüsse lassen sich auch aus der nicht näher begründeten rechtlichen Beurteilung des BVwG, die Einreise der revisionswerbenden Parteien in die Republik Kroatien sei "illegal" erfolgt, nicht ziehen.
Dem angefochtenen Erkenntnis haften daher Feststellungsmängel an, deren Beseitigung erforderlich ist, um klären zu können, ob die gegenständlichen Verfahren wegen ihrer im Vergleich zum slowenischen Vorabentscheidungsverfahren gleich- oder ähnlich gelagerten Sachverhalte bis zur Entscheidung über das genannte Vorabentscheidungsversuchen auszusetzen wären (vgl. § 38 AVG).
Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben."
Verfahrensgegenständlich stellt das BFA in den bekämpften Bescheiden fest, dass die Beschwerdeführer illegal von Serbien nach Kroatien eingereist seien und daher die Zuständigkeit Kroatiens für die Prüfung der gegenständlichen Asylverfahren in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet liege. In den dagegen erhobenen Beschwerden wurde insbesondere vorgebracht, dass im gegenständlichen Fall kein illegaler Grenzübertritt in das Schengengebiet vorliegen würde. Die Einreise der Beschwerdeführer sei zumindest geduldet gewesen.
Vor dem Hintergrund der o.e. jüngsten Judikatur des VwGH erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Ein- bzw. Durchreise der Beschwerdeführer in die EU, insbesondere nach Kroatien, als mangelhaft. Auch im vorliegenden Fall wurden die diesbezüglichen näheren Umstände, konkret, ob es sich bei der Einreise der Beschwerdeführer nach Kroatien und bei deren Durchbeförderung durch Kroatien um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt hat, nicht ermittelt und folglich auch keine Tatsachenfeststellungen darüber getroffen.
Entsprechende Feststellungen sind unterblieben, obwohl der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin in ihren Einvernahmen am 16.10.2016 unter näheren Ausführungen angaben, dass die Reise nach Österreich staatlich organisiert erfolgt sei. Aufgrund dieses Vorbringens kann eine behördlich organisierte Reisebewegung jedenfalls nicht vorweg ausgeschlossen werden.
Indem die Behörde nur Teilaspekte der Reisebewegungen der Beschwerdeführer ermittelt und festgestellt hat (nämlich, dass diese um den Zeitraum 16.02.2016 in das Gebiet der Mitgliedstaaten von Serbien kommend nach Kroatien eingereist seien und das Gebiet der Mitgliedsstaaten seither nicht verlassen hätten), hat sie die Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, zumal damit auch keine ganzheitliche Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführer vorgenommen wurde.
Die Behörde hat zwar im fortgesetzten Verfahren die ihr mit den behebenden Erkenntnissen aufgetragenen Erhebungen zum psychischen Gesundheitszustand der beiden minderjährigen Beschwerdeführer durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens gepflogen. Die nach dem Zeitpunkt der Erlassung der behobenen Bescheide und nach dem Zeitpunkt der behebenden Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit dem Vorabentscheidungsersuchen Sloweniens Zl. C-490/16 ergangene, Feststellungen zum Reiseweg gebietende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Ra 2016/18/0172 bis 0177 vom 16.11.2016), ist, wie dargestellt, im fortgesetzten Verfahren jedoch gänzlich unberücksichtigt geblieben. Den nunmehr angefochtenen Bescheiden haften daher Feststellungsmängel an, deren Beseitigung erforderlich ist, um klären zu können, ob in den gegenständlichen Verfahren im Vergleich zum slowenischen Vorabentscheidungsverfahren (Zl. C-490/16) ein gleich- oder ähnlich gelagerter Sachverhalt vorliegt.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, waren nach den dargestellten Erwägungen die angefochtenen Bescheide nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und war die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht im Ergebnis weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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