BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W135.2288069.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 16.01.2024, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz Verwaltungsgerichtverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Der Ausstellung des Behindertenpasses lag ein Sachverständigengutachten einer näher genannten Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.11.2022 zugrunde, in dem die Funktionseinschränkungen 1. „Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates“, bewertet nach der Positionsnummer 02.02.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 50 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „Unterer Rahmensatz, da Lumboischialgie, Schwäche der Rückenmuskulatur mit rezidivierenden Beschwerden und Hüfttotalendoprothese links, kein Hinweis für neurologisches Defizit.“), 2. „Zustand nach Mammakarzinom rechts 2004, Teilresektion“, bewertet nach der Positionsnummer 08.03.01 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „2 Stufen unter dem unteren Rahmensatz, da unauffällig“), 3. „Entfernung der Gebärmutter“, bewertet nach der Positionsnummer 08.03.02 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H., und 4. „Arterielle Hypertonie“, bewertet nach der Positionsnummer 05.01.01 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H., eingeschätzt wurden sowie aufgrund des mangelnden ungünstigen Zusammenwirkens des Leidens 1. mit den weiteren Leiden ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurde. Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde Folgendes ausgeführt: „Es liegen keine Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten, es besteht kein ausgeprägt eingeschränktes Gangbild. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule und Hüftgelenke im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können jedoch allein zurückgelegt werden. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Insbesondere konnte keine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit objektiviert werden. Ein- und Aussteigen ist möglich, da beide Hüftgelenke über 90° gebeugt werden können und beide Knie- und Sprunggelenke ausreichend beweglich sind. Ein sicheres Anhalten ist ebenfalls möglich, da die Gelenke beider oberer Extremitäten keine relevanten Funktionseinschränkungen aufweisen, der sichere Transport ist nicht erheblich erschwert. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar, insbesondere ist keine maßgebliche cardiopulmonale Funktionseinschränkung objektivierbar, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.“
Unter Zugrundelegung dieses Sachverständigengutachtens wurde der von der Beschwerdeführerin weiters gestellte Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), vom 06.02.2023 abgewiesen.
Am 16.06.2023 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis), welcher entsprechend einem Hinweis auf dem Antragsformular zutreffend auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gewertet wurde. Dem Antrag legte sie einen Nachweis bezüglich des akademischen Grades sowie einen Arztbrief eines näher genannten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 14.06.2023 bei, in dem u.a. die Diagnosen „Claudicatio spinalis“ und „funktionelle Vertebrostenose“ dokumentiert sind und ausgeführt wird, dass die Claudicatio spinalis zu einer deutlichen Einschränkung der Mobilität führe.
Die belangte Behörde holte ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie ein, welches am 03.10.2023, nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.10.2023, erstellt wurde. In diesem wurden die Funktionseinschränkungen 1. „Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Lumboischialgie, Schwäche der Rückenmuskulatur mit rezidivierenden Beschwerden und Hüfttotalendoprothese links, kein Hinweis für neurologisches Defizit“, 2. „Zustand nach Mammakarzinom rechts 2004, Teilresektion“, 3. „Entfernung der Gebärmutter“ und 4. „Hypertonie“ festgestellt. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Sachverständige Folgendes aus: „Eine relevante Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. […] Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung von einfachen Gehhilfe, die auch verwendet werden, zu bewältigen. Kraft und Koordination sind ausreichend.“
Mit Schreiben vom 06.10.2023 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs das eingeholte Sachverständigengutachten. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.
Mit E-Mail vom 24.10.2023 ersuchte die Beschwerdeführerin um eine Verlängerung der Frist, da sie Mitte November noch weitere Untersuchungen habe. Außerdem wolle sie sich rechtlich erkundigen, denn die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel bringe ihr nichts, wenn sie besonders nachmittags kaum 200 Meter gehen könne. Der Beschwerdeführerin wurde eine Fristverlängerung bis Ende November gewährt.
Am 29.11.2023 ersuchte die Beschwerdeführerin telefonisch um nochmalige Erstreckung der Frist, da sie aktuell mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus liege. Die Frist wurde bis Anfang Jänner verlängert.
Die Beschwerdeführerin brachte innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme ein.
Mit angefochtenem Bescheid vom 16.01.2024 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten vom 03.10.2023 nochmals übermittelt.
Gegen diesen Bescheid vom 16.01.2024 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin brachte sie zusammengefasst vor, der Gutachter habe sich nicht ausreichend mit den Auswirkungen der Mobilitätseinschränkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auseinandergesetzt. Insbesondere sei die im vorliegenden orthopädischen Befund vom 14.06.2023 beschriebene deutliche Einschränkung der Mobilität nicht berücksichtigt worden. Da sich die Beschwerden weiter verschlechtert hätten, sei ein MRT der Lendenwirbelsäule gemacht worden. Die darin angeführten Befunde würden erklären, weshalb sie nach maximal 150 bis 200 Metern aufgrund starker Schmerzen und nachlassender Kraft unbedingt eine Pause machen müsse. Eine operative Sanierung sei wegen der multifaktoriellen und multisegmentalen Pathologien in Zusammenschau mit allen zusätzlichen Faktoren kritisch zu sehen. Als konservative Maßnahmen seien regelmäßige sacral-epidurale Infiltrationen möglich, welche aber bisher nur kurzzeitig eine Linderung erbracht hätten. Auch habe sie eine akute infektiöse Endokarditis erlitten, welche einen ischämischen Insult ausgelöst habe. Der Insult habe ihre Gangunsicherheit noch verstärkt, die Endokarditis und der lange stationäre Aufenthalt hätten sie insgesamt sehr geschwächt. Am 15.02.2024 trete sie einen Rehabilitationsaufenthalt an. Der Beschwerde legte sie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei, darunter ein MRT-Befund der Lendenwirbelsäule vom 28.10.2023 und ein Arztbrief eines näher genannten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 23.11.2023, in dem u.a. ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin aus eigener Kraft und ohne Pause nur noch eine Gehstrecke von 150 bis 200 Metern meistern könne und auch eine Gehhilfe die Gehstrecke nicht relevant beeinflussen werde. Sie ersuchte, die erwähnten Befunde vollständig in die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einfließen zu lassen.
Aufgrund der erhobenen Einwendungen und der neu vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde im Rahmen einer beabsichtigten Beschwerdevorentscheidung ein weiteres Gutachten des bereits befassten Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 20.02.2024, basierend auf der Aktenlage, ein, in dem die Funktionseinschränkungen 1. „Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Lumboischialgie, Schwäche der Rückenmuskulatur mit rezidivierenden Beschwerden und Hüfttotalendoprothese links“, 2. „Zustand nach Mammakarzinom rechts 2004, Teilresektion“, 3. „Entfernung der Gebärmutter“ und 4. „Hypertonie“ festgestellt wurden. Begründend führte der Gutachter aus, dass sich im Vergleich zum Vorgutachten keine Änderung ergeben habe, da sich im letzten MRT kein Hinweis auf eine Vertebrostenose oder eine Myelopathie ergebe. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Sachverständige Folgendes aus: „Eine relevante Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. […] Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung von einfachen Gehhilfe, die auch verwendet wurde, zu bewältigen. Kraft und Koordination sind ausreichend; vorbehaltlich einer Änderung durch den nachher erlittenen cerebralen Insult.“
In der Folge nahm die belangte Behörde in Aussicht, ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Neurologie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, einzuholen. Den diesbezüglichen Begutachtungstermin sagte die Beschwerdeführerin allerdings aufgrund eines Rehabilitationsaufenthaltes ab.
Die belangte Behörde legte am 11.03.2024 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Im Begleitschreiben zur Beschwerdevorlage wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den Termin abgesagt habe. Eine Neuvergabe des Termins sei innerhalb der vorgegebenen Frist für die Beschwerdevorentscheidung nicht mehr möglich, weshalb die Beschwerde vorgelegt werde.
Mit Schreiben vom 12.03.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis und schloss das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.02.2024 an. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.
Mit Schriftsatz vom 25.03.2024, eingelangt am 27.03.2024, brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ein. Darin führte sie zusammengefasst aus, sie habe während ihrer Abwesenheit aufgrund des Rehabilitationsaufenthaltes die Einladung zur neurologisch-psychiatrischen Untersuchung am 04.03.2024 bei der belangten Behörde erhalten, weshalb sie den Untersuchungstermin nicht einhalten habe könne. Zum Gutachten führte sie aus, dass im MRT zwar keine Vertebrostenose explizit angeführt werde, aber Neuroforamenstenosen und eine Bedrängung der Nervenwurzel L5 rechts. Zusätzlich habe ihr behandelnder Orthopäde neben multisegmentalen Neuroforamenstenosen bds. auch eine funktionelle Vertebrostenose und als Auswirkungen dessen eine Claudicatio spinalis diagnostiziert. Des Weiteren sei die zweite Seite des MRT-Befundes mit den Diagnosen eines Baastrup-Phänomens im Bereich L3-L5 und einer hochgradigen, fettigen Atrophie der autochthonen Rückenmuskulatur nicht in das Gutachten übernommen worden. Auch diese Diagnosen wären zu berücksichtigen gewesen. Ebenso sei auch die Beurteilung des behandelnden Orthopäden hinsichtlich der Gehstrecke und der möglichen Therapieoptionen nicht berücksichtigt worden. Schließlich ergebe sich auch aus dem Entlassungsbericht eines näher genannten Rehazentrums, dass die Wirbelsäulenbeschwerden das Bewegungsausmaß deutlich limitieren würden, die Kraft und Ausdauer stark vermindert sei und insgesamt eine stark reduzierte Leistungsfähigkeit mit deutlicher Dyspnoe bereits bei geringster Anstrengung vorliege, was mit einer deutlich reduzierten Gehstrecke verbunden sei. Für längere Wegstrecken benötige sie zwei Stöcke. Der Stellungnahme legte sie einen ärztlichen Entlassungsbericht eines näher genannten Rehazentrums vom 13.03.2024 – betreffend einen Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 15.02.2024 bis zum 14.03.2024 – bei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz aus, dass vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen ist. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) in der Sache selbst zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des Menschen mit Behinderungen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.
Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.
Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, erlassen.
Der für die hier begehrte Zusatzeintragung relevante § 1 Abs. 4 Z 3 der zitierten Verordnung hat folgenden Wortlaut:
„§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. ... 2. …3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.“
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (nunmehr § 1 Abs. 4 Z 3) Folgendes ausgeführt:
„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
[...]
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
[…]
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht. Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:
Die belangte Behörde holte zur Beurteilung der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Antragstellung zunächst geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden ein, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierendes Sachverständigengutachten eines näher genannten Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 03.10.2023 ein. Darin hielt der beigezogene Gutachter fest, im Vordergrund würden belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden stehen, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität sei aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung von einfachen Gehhilfen, die auch verwendet würden, zu bewältigen. Die Kraft und Koordination seien ausreichend.
Im Rahmen ihrer Beschwerdeschrift machte die Beschwerdeführerin allerdings eine Verschlechterung ihres Zustandes geltend. Diesbezüglich führte sie aus, bei ihr sei eine akute infektiöse Endokarditis vorgelegen, welche am 28.11.2023 schließlich einen ischämischen Insult ausgelöst habe. Aus diesem Grund sei sie von 28.11.2023 bis zum 02.01.2024 stationär in Krankenhäusern aufhältig gewesen, weshalb es ihr auch nicht möglich gewesen sei, von der ihr im Rahmen des Parteiengehörs gewährten Stellungnahmemöglichkeit Gebrauch zu machen. Durch den Insult habe sich ihre Gangunsicherheit noch verstärkt, darüber hinaus sei sie durch die Endokarditis und den langen stationären Krankenhausaufenthalt insgesamt sehr geschwächt.
Der Beschwerde legte sie unter anderem einen Patientenbrief einer näher genannten Klinik vom 22.12.2023 – betreffend einen stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 28.11.2023 bis zum 22.12.2023 – bei. Darin wird ausgeführt, dass zum Entlassungszeitpunkt weiterhin eine leichte Feinmotorikstörung der rechten Hand sowie eine Gangunsicherheit und eine allgemeine Leistungs- und Kraftminderung nach dem langen stationären Aufenthalt vorliege. Auch im weiters vorgelegten Entlassungsbrief einer näher genannten Klinik vom 29.12.2023 – betreffend einen stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 22.12.2023 bis zum 02.01.2024 – ist sowohl im Aufnahmestatus als auch in der Statuserhebung vom 27.12.2023 eine minimale Feinmotorikstörung der rechten Hand und eine Gangunsicherheit dokumentiert.
Zur Beurteilung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Zustandsverschlechterung holte die belangte Behörde in der Folge aber lediglich ein Aktengutachten des bereits befassten Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 20.02.2024 ein. Ein orthopädisch/unfallchirurgisches Gutachten ist im gegebenen Zusammenhang allerdings nicht dazu geeignet, um die bei der Beschwerdeführerin in Folge eines Insults bestehenden und damit dem neurologischen Fachgebiet zuzuordnenden Funktionseinschränkungen zu beurteilen. Der befasste orthopädische Sachverständige ging dementsprechend in seinem Gutachten vom 20.02.2024 auch nicht auf die aus dem Insult resultierenden Funktionseinschränkungen ein.
Zwar beabsichtigte die belangte Behörde ausgehend vom Akteninhalt offenkundig die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens und lud die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch zu einer medizinischen Begutachtung. Dieser Begutachtungstermin wurde von der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Rehabilitationsaufenthaltes aber abgesagt. Aus dem diesbezüglichen Aktenvermerk der belangten Behörde ergibt sich Folgendes: „Der ärztliche Dienst teilte mit, dass die Kundin den Termin abgesagt hat und somit eine Neuvergabe des Termines sich nicht mehr innerhalb der vorgegebenen BEVE-Frist ausgehen würde. Daher wird der Fall dem BVwG vorgelegt“ (vgl. den Aktenvermerk vom 07.03.2024).
In der Folge nahm die belangte Behörde von der beabsichtigten Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens Abstand und legte dem Bundesverwaltungsgericht am 11.03.2024 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt vor, dies unter Verweis auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin den Termin abgesagt habe und eine Neuvergabe innerhalb der Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht möglich sei.
Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Beschwerde bekannt gab, dass sie am 15.02.2024 einen Rehabilitationsaufenthalt in einer näher genannten Einrichtung antreten werde. Für die belangte Behörde hätte es damit unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Dauer von Rehabilitationsaufenthalten erkennbar sein müssen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der geplanten Untersuchung – diese hätte ausgehend von den Angaben der Beschwerdeführerin am 04.03.2024 stattfinden sollen (vgl. hierzu die Stellungnahme vom 25.03.2024) – noch auf Reha sein würde und damit den Untersuchungstermin nicht wahrnehmen werde können.
Abgesehen davon sei festgehalten, dass die Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 46 zweiter Satz BBG zwölf Wochen ab Einbringung der Beschwerde beträgt. Ausgehend vom Einbringungszeitpunkt der Beschwerde bei der belangten Behörde am 14.02.2024 wäre damit die Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung erst am 08.05.2024 abgelaufen und nicht wie von der Behörde angenommen am 27.03.2024 (vgl. hierzu AS 15 des Verwaltungsaktes). Die belangte Behörde hätte damit nach der Terminabsage noch rund zwei Monate Zeit gehabt, weitere Ermittlungsschritte zu setzen und anschließend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, insbesondere da die belangte Behörde die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens offensichtlich ebenfalls für notwendig erachtete. Nichtsdestotrotz machte die belangte Behörde in der Folge nicht von der Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch, um die in der Beschwerde vorgebrachte, zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes – insbesondere der Gangunsicherheit – aufgrund eines Insult und die hierzu vorgelegten medizinischen Unterlagen einer Beurteilung zuzuführen.
Das von der belangten Behörde geführte Ermittlungsverfahren ist damit bereits im angeführten Umfang nicht dazu geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsfeststellung beizutragen.
Darüber hinaus brachte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit der Beschwerde den von ihr bereits mit E-Mail vom 24.10.2023 angekündigten MRT-Befund der Lendenwirbelsäule vom 28.10.2023 in Vorlage. Ebenso legte sie einen Arztbrief eines näher genannten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 23.11.2023 sowie den bereits vorliegenden Vorbefund desselben Facharztes vom 14.06.2023 vor.
In diesem Zusammenhang holte die belangte Behörde – wie oben ausgeführt – ein ergänzendes Aktengutachten des bereits befassten Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 20.02.2024 ein. Darin hielt der Sachverständige nach auszugsweiser Wiedergabe des MRT-Befundes und der Arztbriefe vom 14.06.2023 und vom 23.11.2023 fest, dass sich im Vergleich zum Vorgutachten keine gesundheitlichen Änderungen ergeben würden, da im letzten MRT-Befund kein Hinweis auf eine Vertebrostenose oder eine Myelopathie bestehe.
Diesbezüglich ist aber darauf hinzuweisen, dass bereits in dem im Rahmen der Antragstellung in Vorlage gebrachten orthopädischen Arztbrief vom 14.06.2023 als Diagnosen eine funktionelle Vertebrostenose sowie eine Claudicatio spinalis (Schmerzen im Rahmen einer Verengung des Spinalkanals bzw. einer Vertebrostenose) angeführt werden und festgehalten wird, dass die Claudicatio spinalis zu einer deutlichen Einschränkung der Mobilität führe. Diese Diagnosen sind auch im aktuellen Arztbrief vom 23.11.2023 dokumentiert und wird hierzu ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund dieser Pathologien aus eigener Kraft und ohne Pause nur noch eine Gehstrecke von 150 bis 200 Metern meistern könne. Eine Gehhilfe könne zwar verwendet werden, diese werde die Gehstrecke aber nicht relevant beeinflussen.
Unter Berücksichtigung der diagnostizierten funktionellen Vertebrostenose und der der Beschwerdeführerin mit Arztbrief vom 23.11.2023 attestierten Gehstreckenlimitierung greift damit die Begründung des befassten orthopädischen Sachverständigen im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu kurz. Insbesondere hätte sich der Sachverständige näher mit der in den vorliegenden Befunden vom 14.06.2023 und vom 23.11.2023 attestierten funktionellen Vertebrostenose – d.h. in der Symptomatik einer Vertebrostenose entsprechend – und den daraus resultierenden Funktionseinschränkungen bzw. des resultierenden Ausmaßes der Gehstreckenlimitierung auseinandersetzen müssen.
Abgesehen davon sei noch darauf hingewiesen, dass der befasste orthopädische Sachverständige in der Zusammenfassung relevanter Befunde in seinem Gutachten vom 20.02.2024 lediglich die erste Seite des MRT-Befundes vom 28.10.2023 wiedergegeben hat. Die auf der zweiten Seite angeführten Diagnosen eines „Baastrup-Phänomens L3-L5“ und einer „hochgradig fettigen Atrophie der autochthonen Rückenmuskulatur“ blieb von ihm hingegen unerwähnt und ergeben sich auch aus dem Gutachten keine Anhaltspunkte, dass diese Diagnosen bei der Beurteilung berücksichtigt worden wären.
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 03.10.2023 und das ergänzende Aktengutachten vom 20.02.2024 werden daher den Anforderungen an die Schlüssigkeit und Vollständigkeit eines Gutachtens in Bezug auf die im gegenständlichen Verfahren entscheidungserhebliche Frage zum tatsächlichen Ausmaß der vorliegenden Wirbelsäulenbeschwerden und der daraus resultierenden Gehstreckenlimitierung nicht gerecht. Die vorliegenden Gutachten sind somit ergänzungsbedürftig und daher im gegebenen Zusammenhang ebenfalls nicht geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsklärung beizutragen.
Im gegenständlichen Fall ist somit davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt bzw. die Ermittlung des Sachverhaltes in entscheidungswesentlichen Fragen an das Verwaltungsgericht delegiert hat.
Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen, mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten des Bundesverwaltungsgerichts kann das gegenständliche Verfahren im Vergleich zur belangten Behörde nicht rascher, sondern nur kostenintensiver durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten durchgeführt werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren ein höherer Aufwand verbunden ist.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da, wie bereits ausgeführt, der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Die belangte Behörde wird sich im fortgesetzten Verfahren mit dem bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Zustand nach einem Insult und den daraus resultierenden Funktionseinschränkungen, insbesondere der von der Beschwerdeführerin behaupteten Gangunsicherheit, sachgerecht auseinanderzusetzen und ein entsprechendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Neurologie, welches geeignet ist, eine allfällige neurologische Funktionseinschränkung einer sachgerechten Beurteilung zuzuführen, einzuholen haben. Die Gutachtenserstellung wird auf Grundlage einer eingehenden persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin zu erfolgen haben.
Ebenso wird sich die belangte Behörde erneut mit den Wirbelsäulenbeschwerden und der daraus resultierenden Gehstreckenlimitierung und der Schmerzsymptomatik bzw. mit dem hierzu im Rahmen der Beschwerde vorgelegten MRT-Befund vom 28.10.2023 und dem orthopädischen Arztbrief vom 23.11.2023 befassen zu haben. Zu berücksichtigen ist hierbei auch der von der Beschwerdeführerin im Verfahren eingewendete und durch die vorliegenden orthopädischen Unterlagen bestätigte Haltungsverfall. In der nachgereichten physiotherapeutischen Entlassungsdokumentation vom 12.03.2024 wird diesbezüglich auch festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin zwar im Sitzen und im Stehen mit minimaler Unterstützung einer Hand gegen die Schwerkraft aufrichten könne, im freien Stand bzw. beim Gehen diese Position aber nicht halten könne, was ebenfalls in die Beurteilung einzufließen haben wird.
Schließlich wird sich die belangte Behörde auch mit dem weiteren Beschwerdeeinwand, dass die Beschwerdeführerin in Folge der Endokarditis und des langen stationären Krankenhausaufenthaltes sehr geschwächt sei, sachgerecht auseinanderzusetzen haben, dies unter besonderer Berücksichtigung des gemeinsam mit der Stellungnahme vom 25.03.2024 vorgelegten ärztlichen Entlassungsberichts einer näher genannten Rehabilitationsanstalt vom 13.03.2024, in dem in der Ergometrie eine möglich Belastung bis lediglich 47 W – dies entspricht 50 % des Sollwerts – festgestellt wurde.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
