SchUG §42 Abs14
Schulpflichtgesetz 1985 §11 Abs1
Schulpflichtgesetz 1985 §11 Abs3
Schulpflichtgesetz 1985 §11 Abs4
Schulpflichtgesetz 1985 §12
VwGVG §28 Abs3 Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W129.2171882.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die gesetzliche Vertreterin XXXX , gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 05.09.2017, Zl. 003.103/0072-PAEXT/2017:
A)
Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Prüfung der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht nach § 11 Abs 3 SchPflG zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Mit Schriftsatz vom 29.08.2016 zeigte die gesetzliche Vertreterin (Mutter) der Beschwerdeführerin beim Stadtschulrat Wien die Teilnahme der Beschwerdeführerin an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2016/2017 gem. § 11 Abs 2 Schulpflichtgesetz an.
Das von der Mutter der Beschwerdeführerin ausgefüllte und unterfertigte Formular enthält die ausdrückliche Belehrung hinsichtlich der Verpflichtungen in Bezug auf die Vorbereitung auf die bzw. Anmeldung zur Externistenprüfung bzw. Vorlage des Externistenprüfungszeugnisses.
2. Mit Schreiben vom 12.07.2017 urgierte der Stadtschulrat für Wien bei der Mutter der Beschwerdeführerin die Vorlage des Externistenprüfungszeugnisses der Beschwerdeführerin.
3. Mit Mail vom 07.08.2017 legte die Mutter der Beschwerdeführerin ein Zeugnis der XXXX schule XXXX , vom 30.06.2017 über die erfolgreich bestandene erste Schulstufe (Schuljahr 2016/17) vor.
4. Mit Anwortmail vom 08.08.2017 teilte der Stadtschulrat für Wien der Mutter der Beschwerdeführerin mit, man habe feststellen müssen, dass die Mutter die Beschwerdeführerin nicht selbst im häuslichen Unterricht unterrichtet habe, sondern in eine Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht gegeben habe. Dafür wäre eine andere Anzeige, nämlich jene zur Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht, notwendig gewesen. Man werde im Bildungsministerium recherchieren, wann der Privatschule das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden sei.
5. Mit Rückmail vom selben Tag teilte die Mutter der Beschwerdeführerin mit, die Beschwerdeführerin sei sowohl im häuslichen Unterricht als auch an der Privatschule unterrichtet worden. Sie habe als Mutter abwarten wollen, ob sich der Unterrichtsbetrieb an der neu eingerichteten Schule bewähre. Die Schule sei eine mit Öffentlichkeitsrecht.
6. Mit neuerlichem Antwortmail vom selben Tag teilte die Referentin letztlich mit, die Sache bzw. weitere Vorgangsweise werde mit einem Juristen besprochen.
7. Mit neuerlichem Rückmail vom selben Tag teilte die Mutter der Beschwerdeführerin mit, dass das vorgelegte Zeugnis der Privatschule den Vermerk "( ) Öffentlichkeitsrecht verliehen mit Bescheid des BMUKK vom 8.3.2017, GZ: BMBF-24.410/0001-Präs.12/2017" aufweise.
8. Mit Schriftsatz vom 30.08.2017 zeigte die gesetzliche Vertreterin (Mutter) der Beschwerdeführerin beim Stadtschulrat Wien die Teilnahme der Beschwerdeführerin an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2017/2018 gem. § 11 Abs 2 Schulpflichtgesetz an.
9. Mit Bescheid vom 05.09.2017, GZ 003.103/0072-PAEXT/2017, untersagte der Stadtschulrat für Wien die Teilnahme der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2017/2018 (Spruchpunkt 1) und ordnete an, dass die Beschwerdeführerin im Schuljahr 2017/2018 ihre Schulpflicht durch die Teilnahme am Unterricht an einer in § 5 SchPflG genannten Schule zu erfüllen habe (Spruchpunkt 2). Zudem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen (Spruchpunkt 3).
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst und sinngemäß aus, dass für die Beschwerdeführerin kein Nachweis iSd § 11 Abs 4 zweiter Satz SchPflG für die erste Schulstufe erbracht worden sei. Die Beschwerdeführerin habe zwar eine Privatschule besucht, diese sei jedoch nur eine Privatschule mit einem von der zuständigen Bundesministerin genehmigten Organisationsstatut. Ein solches Zeugnis stelle keinen geeigneten Nachweis iSd § 11 Abs 3 SchPflG dar. Somit sei der Nachweis des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichts iSd § 11 Abs 4 SchPflG nicht erfolgt und sei die Teilnahme der Beschwerdeführerin am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2017/2018 zu untersagen gewesen. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht der Beschwerdeführerin an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu sorgen. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfolge im öffentlichen Interesse an der ausreichenden Beschulung von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich.
10. Gegen diesen Bescheid erhob die gesetzliche Vertreterin der mj. Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, die zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes beinhaltet: Die Beschwerdeführerin habe eine (neu eingerichtete) Privatschule besucht, die sich in weiterer Folge bewährt habe und das Öffentlichkeitsrecht erhalten habe. Daher sei den Eltern der Beschwerdeführerin nicht erkennbar gewesen, dass eine Anzeige des Schulbesuches sowie die Ablegung der Externistenprüfung notwendig gewesen wären.
Für das Schuljahr 2017/18 sei erneut die Teilnahme am häuslichen Unterricht geplant; der Kindesvater plane eine Weltreise samt eigenständigem Unterricht für die Beschwerdeführerin. Falls die Weltreise nicht zustande käme, sei die Teilnahme am Unterricht der zweiten Schulstufe der XXXX -Schule XXXX angedacht.
Der häusliche Unterricht sei im Sinne des Gesetzes gleichwertig, es sei ein Zeugnis einer Schule mit Öffentlichkeitsrecht über die erfolgreich absolvierte 1. Schulstufe vorgelegt vorgelegt worden.
Hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung werde vorgebracht, dass keine Gefahr in Verzug festgestellt werden könne.
11. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27.09.2017 (eingelangt am 28.09.2017) wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Landesschulrates wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, 127 und 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, 65 und 73 f.).
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
2.2. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.
Nach § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG) besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
Laut § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit einem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.
Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.
Nach § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer öffentlichen oder an einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.
Nach Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem häuslichen Unterricht dem Landesschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Landesschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 2 leg. cit. geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist.
Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schule am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Landesschulrat anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht iSd § 5 zu erfüllen hat.
2.3. Was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG angeordneten "Prüfung" zu verstehen ist, ergibt sich aus den Regelungen des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG). Nach § 42 Abs. 14 SchUG gelten die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen auch für die auf Grund der §§ 11 Abs. 4, 13 Abs. 3 und 22 Abs. 4 SchPflG abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen.
Aus diesen Regelungen folgt, dass der "Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts" i.S.d. § 11 Abs. 4 SchPflG nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen abgelegte Prüfung (vgl. § 42 Abs. 14 SchUG) erbracht werden kann, deren Gesamtbeurteilung in dem über die Prüfung auszustellenden Zeugnis wenigstens mit "bestanden" beurkundet wurde (vgl. VwGH 29.5.1995, 94/10/0187; 25.4.2001, 2000/10/0187). Für den Fall, dass keine Prüfung abgelegt wird, schreibt das Gesetz (§ 11 Abs. 4 zweiter Satz SchPflG) der Schulbehörde zwingend vor, die Anordnung zu treffen, dass das Kind seine Schulpflicht i.S.d. § 5, also durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule (vgl. § 4 SchPflG) zu erfüllen habe (vgl. zuletzt etwa VwGH 27.3.2014, 2012/10/0154).
2.4. Die belangte Behörde vertritt die Rechtsansicht, dass für die Beschwerdeführerin kein ausreichender Erfolgsnachweis iSd § 11 Abs 4 SchPflG erbracht wurde, weswegen der häusliche Unterricht für das Schuljahr 2017/18 zwingend zu untersagen war.
2.5. Nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich aus dem Aufbau und Inhalt des Schulpflichtgesetzes eindeutig – unbeschadet der gegebenenfalls eintretenden Pflicht zur Vorlage eines entsprechenden Zeugnisses (zB Externistenprüfungszeugnis) – ein grundsätzlich gleichberechtigtes und gleichwertiges Nebeneinander der einzelnen Möglichkeiten, der allgemeinen Schulpflicht nachzukommen. Die "allgemeine Schulpflicht" (besser wohl: allgemeine Unterrichtspflicht, so auch Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14.Aufl., Anm. 2 zur Überschrift des Abschnittes I "Allgemeine Schulpflicht" [S.488]) kann erstens durch den Besuch von öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen (§§ 4-10 SchPflG), zweitens durch die Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht (§ 11 SchPflG), darunter auch der häusliche Unterricht, drittens durch Besuch von Schulen, die keiner gesetzlich geregelten Schulart entsprechen (§ 12 SchPflG) und viertens durch Besuch von im Ausland gelegenen Schulen (§ 13 SchPflG) erfüllt werden.
Die "Genehmigung" (besser: Nicht-Untersagung) des häuslichen Unterrichts erfüllt somit gewissermaßen nicht einen Selbstzweck, sondern dient primär der Absicherung der Erfüllung der Schulpflicht (Unterrichtspflicht). Auch der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass sich die Regelungen des Schulpflichtgesetzes hinsichtlich häuslichen Unterricht ausschließlich auf die Frage beziehen, ob ein Kind durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht bereits seine Schulpflicht erfüllt, oder ob es dazu des Besuches einer allgemeinen Pflichtschule bedarf (vgl. VwGH 29.1.2009, 2008/10/0332 m.w.N.). Dieser Rechtsstandpunkt wird implizit auch von der belangten Behörde selbst vertreten, wenn sie im gegenständlich angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung mit der Begründung des öffentlichen Interesses an einer ausreichenden Beschulung von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich ausschließt.
2.6. Es besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Zweifel, dass sich das Gesetz sowohl mit dem Begriff "Erfolg des Unterrichts" als auch mit dem Erfordernis des Nachweises desselben durch eine Prüfung auf das einzelne schulpflichtige Kind und nicht auf die Qualität der Privatschule bzw. des häuslichen Unterrichts bezieht; denn der "Erfolg des Unterrichts" kann nur unter dem Gesichtspunkt seiner Auswirkungen auf Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistungen des betreffenden Kindes beurteilt und einer "Prüfung" unterzogen werden (vgl. etwa VwGH 28.4.1997, 97/10/0060). Zur Zulässigkeit dieser Prüfung führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. April 2001, Zl. 2000/10/0187, aus, dass mit dem Elternrecht auf häuslichen Unterricht die periodische Prüfung dieser Kinder durch staatliche Organe, aber auch die zwangsweise Einschulung bei Nichterreichung des Unterrichtszieles vereinbar sind.
2.7. Für den gegenständlichen Beschwerdefall bedeutet dies wie folgt:
Zwar hat die belangte Behörde zutreffend festgehalten, dass für die Beschwerdeführerin kein Erfolgsnachweis iSd § 11 Abs 4 SchPflG vorgelegt wurde, denn die Beschwerdeführerin ist zu keiner Prüfung angetreten, die gem. § 42 Abs 14 SchUG und der darauf beruhenden Verordnung über die Externistenprüfungen durchgeführt wurde. Jedoch wurde für die Beschwerdeführerin ein (positives) Zeugnis einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht für das Schuljahr 2016/17 vorgelegt.
Diesbezüglich ist der Behörde beizupflichten, dass die gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen wären, den Schulbesuch dieser Schule nach § 11 Abs 1 iVm Abs 3 SchPflG noch vor Beginn des Schuljahres 2016/17 anzuzeigen (da die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes eben erst im Verlauf des Schuljahres mit Bescheid der Bildungsministerin vom 8.3.2017,GZ:
BMBF-24.410/0001-Präs.12/2017, erfolgte).
2.8. Dennoch bedeutet das vorgelegte Zeugnis aufgrund der genannten Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes, dass die Beschwerdeführerin ihre Schulpflicht im Schuljahr 2016/17 durch den Besuch einer privaten "Statutschule" mit Öffentlichkeitsrecht (§ 12 SchPflG) und nicht durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht (§ 11 SchPflG) erfüllt hat. Auch wenn die Beschwerdeführerin somit gewissermaßen "heimlich" (aufgrund des Besuchs der Schule in anderem Bundesland konnte die belangte Behörde auch nicht im Wege des § 16 SchPflG Kenntnis von diesem Schulbesuch erhalten) und auf eigenes Risiko mit dem Schulbesuch der Privatschule " XXXX " begann – spätestens mit Erhalt des Öffentlichkeitsrechtes ist die Schule als zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet zu qualifizieren.
Somit erweist sich aber der zu Beginn des Schuljahres 2016/17 nicht untersagte häusliche Unterricht im gegenständlichen Fall letztlich als obsolet bzw. faktisch gegenstandslos. Angesichts des vorgelegten positiven Zeugnisses kann eben nicht von einer "Nichterreichung des Unterrichtszieles" iSd VwGH-Erkenntnisses vom 25.04.2001, Zl. 2000/10/0187, gesprochen werden.
Nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts erübrigt sich damit jedoch die ex-post-Prüfung des zureichenden Unterrichtserfolges iSd § 11 Abs 4 erster Halbsatz SchPflG, da sich die Beschwerdeführerin rein faktisch nicht (mehr) in diesem System des häuslichen Unterrichts befunden hat.
2.9. Soweit die belangte Behörde in ihrem Vorlageschreiben (Seite 5) an das Bundesverwaltungsgericht sinngemäß die Gefahr des Missbrauches moniert ("alle Möglichkeiten offen halten"), ist ihr entgegenzuhalten, dass die gegenständliche Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs 4 SchPflG nicht der Anwendbarkeit des § 11 Abs 3 SchPflG entgegensteht, sodass die belangte Behörde berechtigt ist, drohenden Missbrauch der gesetzlichen Regelungen des häuslichen Unterrichts auch in die Erwägungen der ex-ante-Prüfung der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts nach § 11 Abs 3 SchPflG einfließen zu lassen.
2.10. Da die belangte Behörde keine Erhebungen zur Frage der Gleichwertigkeit nach § 11 Abs 3 SchPflG vorgenommen hat, ist der Sachverhalt jedoch in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.
Eine Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt im vorliegenden Fall deshalb in Betracht, weil die belangte Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat bzw. weil es den maßgebenden Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur neuerlichen Prüfung der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht nach § 11 Abs 3 SchPflG im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Folglich war das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Zu B)
3.8. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Soweit ersichtlich besteht keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage der Zulässigkeit der (alternativen) Erfüllung der Schulpflicht (hier: Teilnahme am Unterricht an einer privaten Schule mit Öffentlichkeitsrecht) anstelle der ursprünglich angestrebten Teilnahme am häuslichen Unterricht bzw. zur Rechtsfrage, ob eine Schulbehörde auch dann verpflichtet ist, die Teilnahme am häuslichen Unterricht für das folgende Schuljahr zu untersagen, wenn eine Schülerin oder Schüler anstelle eines Erfolgsnachweises iSd § 11 Abs 4 SchPflG eine (positive) Bestätigung über die tatsächlich wahrgenommene und iSd SchPflG gleichwertige Alternative zum häuslichen Unterricht vorlegt.
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