BVwG W123 2213111-2

BVwGW123 2213111-228.2.2019

ABGB §914
BVergG 2006 §12 Abs1
BVergG 2006 §12 Abs3
BVergG 2006 §2 Z5
BVergG 2006 §4
BVergG 2006 §5
BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §347 Abs1 Z2
BVergG 2018 §79 Z4
BVergG 2018 §80 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W123.2213111.2.00

 

Spruch:

W123 2213111-2/18E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundige Laienrichter Dr. Friedrich RÖDLER als Mitglied der Auftraggeberseite und Mag. Hagen PLEILE als Mitglied der Auftragnehmerseite über den Antrag der 1 XXXX GmbH, XXXX und 2. XXXX GmbH, XXXX , beide vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH, Neutorgasse 47, 8010 Graz, betreffend das Vergabeverfahren "AMS Graz - West - Neuer Standort" des Auftraggebers Arbeitsmarktservice Österreich Bundesgeschäftsstelle, Treustraße 35-43, 1200 Wien, vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Marc-Aurel-Straße 6, 1010 Wien, vom 16.01.2019 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Dem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge das Nachprüfungsverfahren einleiten und die rechtswidrige Nicht-Zulassung der Antragsteller zur Teilnahme am Vergabeverfahren im Sinne des Schreibens der öffentlichen Auftraggeberin, Arbeitsmarktservice Österreich, im Vergabeverfahren "AMS Graz - West - Neuer Standort" vom 10.01.2019 für nichtig erklären, wird gemäß §§ 20 Abs. 1, 79 Z 4 und 80 Abs. 3 iVm 334 Abs. 2, 342 Abs. 1 und 347 Abs. 1 BVergG 2018 stattgegeben.

 

Die Entscheidung des Arbeitsmarktservice Österreich vom 10.01.2019, die Bewerbergemeinschaft XXXX GmbH/ XXXX GmbH nicht zum weiteren Verfahren zuzulassen, wird für nichtig erklärt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schriftsatz vom 16.01.2019 stellten die Antragsteller das im Spruch ersichtliche Begehren und brachten zur Begründung im Wesentlichen vor:

 

Gemäß Punkt 3.3 der Ausschreibungsunterlage sei als Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit eine Strafregisterbescheinigung, welche nicht älter als drei Monate sein dürfe, hinsichtlich jener Personen vorzulegen, in der Geschäftsführung von juristischen Personen als Bewerber tätig seien. Tatsächlich seien jedoch diese Nachweise gemäß Punkt 3.1 und 2.4 der Ausschreibungsunterlage erst vorzulegen, wenn im Zuge einer zweiten Phase gemäß Punkt 2.4 die Aufforderung hierzu ergehe. Das Ende der Teilnahmefrist sei mit Datum 14.11.2018, 12:00 Uhr, festgelegt worden.

 

Mit Schreiben vom 30.11.2018 habe der Auftraggeber die Erstantragstellerin um Aufklärung hinsichtlich Referenzen ersucht. Darüber hinaus sei kein Verbesserungsauftrag oder ein Auftrag um Aufklärung ergangen. Am 14.12.2018 sei mit Schreiben, gerichtet an die Erstantragstellerin, die Bewerbergemeinschaft darüber informiert worden, dass die geforderten Referenzprojekte akzeptiert würden. Zur weiteren Berücksichtigung im Verfahren sei die Bewerbergemeinschaft aufgefordert worden, die Nachweise über Befugnis und berufliche Zuverlässigkeit und die Nachweise der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorzulegen. Diesem Auftrag seien die Antragsteller mit Schreiben vom 19.12.2018 nachgekommen. Dabei sei irrtümlich übersehen worden, den Nachweis der Zuverlässigkeit auch hinsichtlich des vierten Geschäftsführers der Zweitantragstellerstellerin in Form einer Strafregisterbescheinigung vorzulegen. Ohne den Antragstellern die Möglichkeit zur Verbesserung einzuräumen, sei den Antragstellern mit E-Mail vom 10.01.2019 mitgeteilt worden, dass mangels Vorlage einer Strafregisterbescheinigung hinsichtlich des Geschäftsführers der Zweitantragstellerin der Teilnahmeantrag als unvollständig eingebracht gewertet und von der Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschieden werde.

 

Die Entscheidung sei rechtswidrig, da der Auftraggeber den Antragstellern die Möglichkeit zur Verbesserung ihres Teilnahmeantrages einräumen hätte müssen; diese umso mehr, weil es sich im gegenständlichen Zusammenhang um einen bloßen Eignungsnachweismangel handle und dieser als behebbarer Mangel zu bewerten sei. Verfehlt sei die vom Auftraggeber im Vorfeld dieses Verfahrens vertretene Auffassung, dass bereits einmal eine Mängelbehebung eingeräumt worden sei, weshalb eine neuerliche Verbesserung nicht möglich wäre. Das Schreiben vom 30.11.2018 erfasse ausschließlich und alleine die namhaft gemachten Referenzen; das Schreiben vom 14.12.2018 sei auf Grund der Festlegung in der Ausschreibungsunterlage erfolgt und stelle daher ebenso keine Aufforderung zur Mängelbehebung dar.

 

2. Mit Schriftsatz vom 28.01.2019 erstattete der Auftraggeber eine Stellungnahme und wies auf das Schreiben vom 14.12.2018 an die Antragsteller hin. Mit E-Mail vom 19.12.2018 seien nochmals dieselben Strafregisterauszüge, wie dem Teilnahmeantrag beigelegt, vorgelegt worden. Abermals habe ein Strafregisterauszug für den Geschäftsführer der Zweitantragstellerin gefehlt. Bis zur Übermittlung der "Nicht-Zulassung zur Teilnahme" sei der fehlende Strafregisterauszug auch nicht nachgereicht worden. Erst mit Schreiben vom 17.01.2019 des Antragstellervertreters sei ein mit 11.01.2019 datierter Strafregisterauszug übermittelt worden. Somit ergebe sich nicht, dass zum relevanten Zeitpunkt, nämlich dem Ende der Teilnahmefrist am 14.11.2018, 12:00 Uhr, kein Ausschlussgrund der Bewerbergemeinschaft vorgelegen sei.

 

3. Am 05.02.2019 erstatteten die Antragsteller eine Replik zur Stellungnahme des Auftraggebers. Die erstmalige generelle Aufforderung, Nachweise im Sinne von Punkt 3.1 der Ausschreibungsunterlage vorzulegen, ohne, dass ein Hinweis darauf erfolgt wäre, dass ein Auszug eines einzigen Geschäftsführers bei den vorgelegten Nachweisen fehlen würde, sei mit Schreiben des Auftraggebers vom 14.12.2018 erfolgt. Im Sinne des Punktes 2.4 der Ausschreibungsunterlage sei offensichtlich durch das Schreiben vom 14.12.2018 die 3. Phase eingeleitet und den besten drei Bewerbern bzw. Bewerbergemeinschaften die Aufforderung übermittelt worden, die festgelegten Eignungsnachweise vorzulegen. Völlig unerklärlich sei es, wie der Auftraggeber zu der offensichtlich bewusst falschen Behauptung gelange, dass er mit Schreiben vom 14.12.2018 die Antragsteller bereits zur Mängelbehebung aufgefordert hätte. Ein konkreter Verbesserungsauftrag im Zusammenhang mit dem Nichtvorliegen des Strafregisterauszuges des Geschäftsführers sei zu keinem Zeitpunkt ergangen. Das Schreiben vom 14.12.2018 nehme nicht einmal ansatzweise dazu Stellung. Die Antragsteller wiesen wiederum auf die Verbesserungsfähigkeit dieses Mangels hin. Überdies würden die Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage auch ausdrücklich die Vorlage von Nachweisen zulassen, die nach dem Ende der Teilnahmefrist datiert seien.

 

4. Am 14.02.2019 erstattete der Auftraggeber in Ergänzung seiner bisherigen Stellungnahmen eine weitere Stellungnahme und wies einleitend darauf hin, dass eine vergaberechtskonforme Eignungsprüfung durchgeführt worden sei. Gegenständlich sei keine alleinige Abgabe einer Eigenerklärung durch die Antragsteller erfolgt, sondern diese habe vielmehr bereits Nachweise, insbesondere Strafregisterauszüge, ihrem Teilnahmeantrag beigelegt. Habe ein Unternehmen wie die Antragsteller bereits dem Teilnahmeantrag Nachweise beigelegt, so seien diese Nachweise zu prüfen und bei Feststellung eines Mangels habe ein Mängelbehebungsauftrag zu ergehen. Ein zweiter Mängelbehebungsauftrag sei nicht erforderlich, sondern rechtswidrig. Mit Schreiben vom 14.12.2018 sei eine Aufforderung zur Mängelbehebung ergangen, der im Übrigen ausreichend spezifiziert gewesen sei, da ausdrücklich auf Punkt 3.3 c) des Teilnahmeantrags verwiesen worden sei. Bis zur Versendung der Nicht-Zulassung zur Teilnahme sei der Mangel nicht behoben worden. Das Nachreichen von erst im Nachhinein beigeschafften Nachweisen führe zu einer materiellen Verbesserung der Wettbewerbsstellung, da die Antragsteller jedenfalls über einen längeren Zeitraum verfügen würden, um den Teilnahmeantrag auszuarbeiten.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

 

1. Das Arbeitsmarktservice Österreich Bundesgeschäftsstelle hat die gegenständlichen Leistungen als Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung nach § 34 Z 3 BVergG 2018 ausgeschrieben. Das Ende der Teilnahmefrist war mit 14.11.2018, 12:00 Uhr, festgelegt.

 

2. Die Ausschreibungsunterlage lautet auszugsweise:

 

2 KRITERIEN FÜR DIE TEILNAHME

 

[...]

 

2.4 Auswahl der BewerberInnen

 

[...]

 

3. Phase: Die besten drei Bewerber bzw. Bewerbergemeinschaften werden jedenfalls mit gesondertem Schreiben aufgefordert, die festgelegten Eignungsnachweise innerhalb einer drei-Tages-Frist vorzulegen. Der Auftraggeber behält sich ausdrücklich das Recht vor, auch mehr als drei oder alle Bewerber bzw. Bewerbergemeinschaften aufzufordern alle oder einzelne der geforderten Eignungsnachweise vorzulegen. Jene Bewerber bzw. Bewerbergemeinschaften, die die geforderten Nachweise unvollständig, mit Abänderungen der Vorlage oder nicht zeitgerecht erbringen, werden ausgeschieden.

 

[...]

 

3 EIGNUNGSNACHWEISE

 

3.1 Allgemeines zu den Nachweisen

 

Das Vorliegen der vom Auftraggeber geforderten Eignungsanforderungen ist von jedem Bewerber mittels Formblatt A, jedem Mitglied einer allfälligen Bewerbergemeinschaft mittels Formblatt B und von jedem notwendigen Subunternehmer mittels Formblatt C durch Eigenerklärung zu bestätigen. [...]

 

Sämtliche (erst mit gesonderten Schreiben) geforderten Nachweise sind von den BewerbernInnen/Mitgliedern einer BewerberInnengemeinschaft in der festgelegten Fassung jeweils zweifach in Papierform und auf Datenträger als ein Acrobat Reader Dokument ("pdf-Datei") vorzulegen. [...]

 

[...]

 

3.3 Nachweise über Befugnis und berufliche Zuverlässigkeit

 

Es ist Nachweis zu erbringen (MUSSKRITERIEN):

 

[...]

 

c) Nachweis, dass gegen die/den BewerberIn - sofern es sich um juristische Personen, handelsrechtliche Personengesellschaften, eingetragene Erwerbsgesellschaften oder Arbeitsgemeinschaften handelt - gegen physische Personen, die in der Geschäftsführung tätig sind, kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, das ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt (in Österreich Vorlage einer Strafregisterbescheinigung, welche nicht älter als 3 Monate ist).

 

[...]

 

B) Erklärung einer Bewerbergemeinschaft

 

[...]

 

Weiters erklärt jedes Mitglied der Bewerbergemeinschaft, dass er/sie die vom Auftraggeber verlangten Eignungskriterien (siehe Punkte 3.3 bis 3.6) auf Aufforderung unverzüglich (innerhalb einer drei-Tages-Frist) beibringen kann.

 

3. Die Antragsteller haben am 13.11.2018 fristgerecht einen Teilnahmeantrag abgegeben, inklusive der Erklärung gemäß B) der Ausschreibungsunterlage ("Erklärung einer Bewerbergemeinschaft"). Dem Teilnahmeantrag lagen bereits Eignungsnachweise, insbesondere Strafregisterauszüge von Personen, die in der Geschäftsführung tätig sind, bei.

 

4. Am 30.11.2018 übermittelte der Auftraggeber unter dem Betreff "Aufklärungsersuchen zu Ihrem Teilnahmeantrag" ein Schreiben an die Erstantragstellerin und wies auf Mängel bei den benannten Referenzen im Teilnahmeantrag hin. Die Erstantragstellerin wurde ersucht, zu den aufgezeigten Mängeln Stellung zu nehmen. Dieser Aufforderung kam die Erstantragstellerin mit Schreiben vom 06.12.2018 fristgerecht nach.

 

5. Am 14.12.2018 richtete der Auftraggeber unter dem Betreff Vergabeverfahren "AMS Graz West - Neuer Standort" ein Schreiben an die Erstantragstellerin. Dieses lautet auszugsweise:

 

"Wir nehmen Bezug auf Ihren Teilnahmeantrag vom 13.11.2018 in Verbindung mit Ihrer Stellungnahme vom 06.12.2018 samt Anlagen wie folgt:

 

Aufgrund der ausdrücklichen Bestätigung Ihrerseits, dass die geforderten Referenzprojekte den Anforderungen in den Teilnahmeunterlagen entsprechen, werden diese akzeptiert. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 68 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 eine falsche Erklärung bezüglich der Eignung einen Ausschlussgrund darstellt.

 

Zur weiteren Berücksichtigung im Verfahren fordern wir Sie hiermit auf, die Nachweise über Befugnis und berufliche Zuverlässigkeit gemäß Punkt 3.3 a) bis e) und die Nachweise der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäß Punkt 3.4 b) und c) bis spätestens

 

Donnerstag, den 20.12.2018, 09:00 Uhr (einlangend)

 

[...] vorzulegen.

 

In Ermangelung der vollständigen und fristgerechten Vorlage der Nachweise und schriftlicher Bestätigung zu den geforderten Referenzprojekten, sehen wir uns gezwungen, Ihren Teilnahmeantrag gemäß Punkt 2.4 auszuscheiden."

 

6. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Auftraggebers vom 14.12.2018 übermittelten die Antragsteller am 19.12.2018 die "gewünschten Nachweise" und erklärten gemäß Pkt. 3.3 e) der Ausschreibungsunterlage, dass "kein Ausschlussgrund im Sinne des § 78 BVergG 2018 vorliegt und die berufliche Zuverlässigkeit gegeben ist".

 

7. Mit Schreiben vom 10.01.2019 (Betreff "Nicht-Zulassung zur Teilnahme) teilte der Auftraggeber den Antragstellern mit, dass deren Bewerbergemeinschaft nicht zum weiteren Verfahren zugelassen wird. Als Grund wurde angeführt, dass trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist kein Nachweis gemäß Punkt 3.3. c) der Ausschreibungsunterlage hinsichtlich des handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführers der Zweitantragstellerin vorgelegt worden und dieser auch nicht im ANKÖ hinterlegt sei.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien (samt Beilagen). Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen des Auftraggebers bzw. der vorgelegten Dokumente der Antragsteller keine Bedenken ergeben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit des Antrages:

 

Gemäß Art 135 Abs. 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

 

Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 5 BVergG ist das Arbeitsmarktservice Österreich. Es ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 BVergG (st Rspr zB BVwG 19. 1. 2015, W123 2015052-2/19E; 4. 12. 2015, W149 2112412-2/28E; 19. 6. 2017, W123 2161157-1/2E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 5,7 Millionen und liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 Z 4 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs. 3 BVergG ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

 

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit e B-VG ist sohin gegeben.

 

Der Antrag wurde innerhalb der Anfechtungsfrist gemäß § 343 Abs. 1 BVergG eingebracht. Die Pauschalgebühr wurde jedenfalls in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs. 1 BVergG iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018). Ein sonstiger Grund für die Unzulässigkeit des Antrages nach § 344 Abs. 2 BVergG liegt nicht vor.

 

Inhaltliche Beurteilung

 

1. Vorweg ist festzuhalten, dass die gegenständliche Ausschreibungsunterlage nicht angefochten wurde und daher bestandfest ist. Alle am Vergabeverfahren Beteiligten, inklusive des Auftraggebers, sind daran gebunden (ständige Rechtsprechung, vgl. VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065). Die Festlegungen der Ausschreibung sind für alle am Vergabeverfahren Beteiligten bindend (vgl. EuGH 22.06.1993, Rs C-243/89 , Kommission/Dänemark-Brücke über den Storebaelt, Slg. 1993, I 3353, Rn 39; VwGH 07.09.2009, 2007/04/0090). Die Bieter müssen sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese vom öffentlichen Auftraggeber beurteilt werden, gleichbehandelt werden (vgl. EuGH 25.04.1996, Rs-C 87/94 , Wallonische Autobusse, Rz 54).

 

Allfällige Rechtswidrigkeiten können auch von der Vergabekontrollbehörde nicht mehr aufgegriffen werden (vgl. VwGH 07.11.2005, 2003/04/0234). Die Festlegungen der Ausschreibung sind der Auftragsvergabe zugrunde zu legen (vgl. VwGH 07.09.2009, 2007/04/0090 mwN; 14.04.2011, 2008/04/0065). Es ist von einer strengen Bindung an die Ausschreibungsunterlagen auszugehen (vgl. BVA 30.04.2009, N/0021-BVA/10/2009-28; BVA 02.05.2011, N/0021-BVA/10/2011-33), andernfalls ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegen würde (vgl. EuGH 22.06.1993, Rs C-243/89 ; vgl. BVA 28.11.2008, N/0131-BVA/12/2008-29).

 

Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen hat nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekontrolle und dem einschlägigen Schrifttum auch im Vergaberecht nach den Regeln der §§ 914f ABGB zu erfolgen (vgl. BVA 18.01.2008, N/0118-BVA/04/2007-36; 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; 28.06.2007, N/0057-BVA/11/2007-25 mwN; Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1). Demnach kommt es nicht auf den von einer Partei vermuteten Zweck der Ausschreibungsbestimmungen an, sondern ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibung maßgeblich (siehe VwGH 19.11.2008, 2007/04/0018, 2007/04/0019; 29.03.2006, 2004/04/0144, 0156, 0157;

ebenso ua BVA 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; BVA 02.05 2011, N/0021-BVA/10/2011-33 mwN; ua BVwG 01.08.2014, W187 2008946-1/23E;

BVwG 17.06.2014 W139 2003185-1/33E und W139 2005967-1/23E).

 

2. Gemäß § 20 Abs. 1 BVergG sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

 

Gemäß § 79 Z 4 BVergG muss beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung, beim wettbewerblichen Dialog und bei der Innovationspartnerschaft die Eignung grundsätzlich zum Zeitpunkt des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist vorliegen.

 

Gemäß § 80 Abs. 3 BVergG kann der öffentliche Auftraggeber die Vorlage, Vervollständigung bzw. Erläuterung bestimmter Nachweise binnen einer angemessenen Frist von bestimmten Bewerbern oder Bietern bzw. Parteien der Rahmenvereinbarung verlangen, sofern dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist.

 

3. Einleitend ist festzuhalten, dass das Fehlen von Eignungsnachweisen (wie gegenständlich das Fehlen eines Strafregisterauszugs eines Geschäftsführers) grundsätzlich als behebbare Mängel zu qualifizieren sind (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg.], § 129 Rz 85). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Mängel (nur dann) als unbehebbar zu qualifizieren, deren Behebung nach Angebotsöffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen kann. Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln ist darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde (VwGH 12.05.2011, 2008/04/0087). Beim Fehlen des Nachweises einer im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandenen Befugnis, handelt es sich um einen behebbaren Mangel (VwGH 29.03.2006, 2003/04/0192).

 

Ferner hat nach der ständigen Rechtsprechung ein Mängelbehebungsauftrag bzw. Aufklärungsersuchen für den Bieter hinreichend klar und präzise zu sein (siehe etwa VwGH 12.09.2016, Ra 2015/04/0081). Nur im Falle eines klaren und präzisen Mängelbehebungsauftrages käme aber eine neuerliche bzw. mehrfache Aufforderung zur Aufklärung bzw. Verbesserung desselben Mangels wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht mehr in Betracht (siehe dazu bereits BVwG 12.10.2018, W139 2200549-2/32E mwN).

 

4. Der Auftraggeber hat durch die gegenständlich erfolgte Nicht-Zulassung zur Teilnahme der Antragsteller die oben (unter Rn 3) angeführten Grundsätze nicht eingehalten. Dies aufgrund nachfolgender Erwägungen:

 

Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bringt der Auftraggeber insbesondere vor, dass die Antragsteller mit Schreiben vom 14.12.2018 zur Mängelbehebung aufgefordert worden seien, der Mangel (in concreto: Fehlen des Strafregisterauszugs eines Geschäftsführers) jedoch in weiterer Folge nicht behoben worden sei. Entgegen diesem Vorbringen kann jedoch das Schreiben vom 14.12.2018 nicht als "Mängelbehebungsschreiben" bzw. als "Aufforderung zur Mängelbehebung" qualifiziert werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass dem Schreiben vom 14.12.2018 kein einziger (expliziter) Hinweis zu entnehmen ist, dass es sich dabei um eine Aufforderung zur Mängelbehebung handeln hätte sollen. Das Schreiben vom 14.12.2018 enthält lediglich den pauschalen Hinweis auf die Punkte 3.3 bzw. 3.4 der Ausschreibungsunterlage und erging offenkundig (wie von den Antragstellern zutreffend dargelegt) auf Grund der eigenen bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen gemäß Punkt 2.4 iVm Punkt 3.1, um die Phase 3 des Auswahlverfahrens einzuleiten (vgl. dazu die plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen in der Replik der Antragsteller vom 05.02.2019, Seite 4 f).

 

Zutreffend führt der Auftraggeber zwar aus, dass die Antragsteller ihre Eignung nicht durch die alleinige Abgabe einer Eigenerklärung nachgewiesen hätten, sondern bereits ihrem Teilnahmeantrag Eignungsnachweise, insbesondere Strafregisterauszüge, beigelegt hätten und offenkundig hatten die Antragsteller bereits sämtliche gemäß Punkt 3.3 und 3.4 der Ausschreibungsunterlage zu erbringende Eignungsnachweise (mit Ausnahme einer einzigen Strafregisterbescheinigung eines Geschäftsführers) ihrem Teilnahmeantrag beigelegt. Warum es dann aber dem Auftraggeber im Schreiben vom 14.12.2018 nicht möglich gewesen sein soll, mit einem einzigen Wort darauf hinzuweisen, dass lediglich ein Strafregisterauszug eines einzigen Geschäftsführers im Teilnahmeantrag fehlt, erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht.

 

Die gewählte Vorgangsweise des Auftraggebers erscheint umso verwunderlicher, als dieser noch im Schreiben vom 30.11.2018 die Antragsteller unter klarem Hinweis darauf, dass es sich dabei um ein "Aufklärungsersuchen" bezüglich mangelhafter Referenzangaben handelte, aufgefordert hatte, zu diesen Mängeln Stellung zu nehmen. Warum es aber dann in weiterer Folge (am 14.12.2018) dem Auftraggeber nicht möglich gewesen sein sollte, hinreichend klar und präzise zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei diesem Schreiben erstens um einen Mängelbehebungsauftrag handelt und zweitens, welcher konkrete Mangel durch die Antragsteller zu beseitigen wäre, ist für das Bundesverwaltungsgericht wiederum nicht nachvollziehbar.

 

5. Soweit schließlich der Auftraggeber behauptet, dass die Antragsteller ihre Eignung auch deshalb nicht nachzuweisen vermochten, weil der nachträglich (seitens der Antragsteller unaufgefordert) vorgelegte Strafregisterauszug mit 11.01.2019 datiert und sich somit daraus nicht ergebe, dass zum relevanten Zeitpunkt (14.11.2018, 12.00 Uhr) kein Ausschlussgrund vorgelegen sei, sind diese Ausführungen für die gegenständlich zu beurteilende Rechtsfrage unbeachtlich: Gegenstand des Nachprüfungsantrages ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers, die Antragsteller nicht zum weiteren Verfahren zuzulassen und in diesem Zusammenhang damit, ob das Schreiben vom 14.12.2018 hinreichend konkretisiert war bzw. ob der Auftraggeber die Antragsteller zur Mängelbehebung auffordern hätte müssen. Aufgrund der obigen Ausführungen (vgl. insbesondere Rn 3 und 4) kam der Senat zum Ergebnis, dass die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, da es sich beim Fehlen des Nachweises einer Strafregisterbescheinigung um einen behebbaren Mangel handelt. Im Zuge eines rechtmäßigen Verbesserungsverfahrens, welches durch den Auftraggeber durchzuführen ist und durch das Bundesverwaltungsgericht nicht substituiert werden kann (siehe dazu bereits grundlegend VwGH 18.03.2009, 2007/04/0095), ist dann den Antragstellern die Möglichkeit zu geben, nachzuweisen, dass zum relevanten Zeitpunkt (14.12.2018, 12.00 Uhr) kein Ausschlussgrund vorlag. Insofern ist die rechtswidrige angefochtene Entscheidung iSd § 347 Abs. 1 Z 2 BVergG auch von wesentlichem Einfluss.

 

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 339 Abs. 1 Z 3 BVergG kann, soweit dem weder Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen, die Verhandlung ungeachtet eines Parteiantrages entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben oder dass er abzuweisen ist.

 

Gegenständlich konnte - ungeachtet des Antrages der Antragsteller und des Auftraggebers - von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits aus der Aktenlage (vgl. Schriftsätze der Parteien sowie vorgelegter Vergabeakt des Auftraggebers) feststand, dass dem Antrag stattzugeben war. Abgesehen davon handelt es sich bei der Interpretation von Ausschreibungsbestimmungen bzw. bei der Auslegung des Schreibens vom 14.12.2018 um Rechtsfragen, die nicht mit den Parteien zu erörtern sind. Schließlich wurde das Parteiengehör iSd § 45 Abs. 3 AVG zugunsten des Auftraggebers gewahrt, da diesem Gelegenheit gegeben wurde, sich zu dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Antragsteller vom 16.01.2019 sowie deren Replik vom 05.02.2019 zu äußern.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (zur Bestandkraft der Ausschreibung vgl. etwa VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; zur Abgrenzung behebbare und unbehebbare Mängel siehe etwa VwGH 12.05.2011, 2008/04/0087). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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