BVergG §122
BVergG §123
BVergG §125 Abs1
BVergG §125 Abs2
BVergG §125 Abs3
BVergG §125 Abs4
BVergG §125 Abs5
BVergG §126
BVergG §128 Abs1
BVergG §151 Abs3
BVergG §19 Abs1
BVergG §2 Z8
BVergG §292 Abs1
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs1
BVergG §312 Abs2 Z2
BVergG §318 Abs1
BVergG §319
BVergG §320 Abs1
BVergG §321 Abs1
BVergG §322
BVergG §325 Abs1
BVergG §6
BVergG §68 Abs1 Z5
BVergG §79 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
StGB §153
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
BVergG §12 Abs1 Z2
BVergG §122
BVergG §123
BVergG §125 Abs1
BVergG §125 Abs2
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BVergG §312 Abs1
BVergG §312 Abs2 Z2
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BVergG §321 Abs1
BVergG §322
BVergG §325 Abs1
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B-VG Art.133 Abs4
StGB §153
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W123.2112845.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundige Laienrichter Dr. Friedrich RÖDLER als Mitglied der Auftraggeberseite und Mag. Hagen PLEILE als Mitglied der Auftragnehmerseite über den Antrag der XXXX , vertreten durch Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/3, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Rahmenvereinbarung über Transport und Lagerung von österreichischen Autobahnvignetten - Gültigkeitszeitraum 2016, 2017 und 2018" des Auftraggebers Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG), Rotenturmstraße 5-9, 1011 Wien, vom 21.08.2015 zu Recht erkannt:
A)
I.
Dem Antrag, die als "Zuschlagsentscheidung" bezeichnete Entscheidung der Antragsgegnerin vom 12. August 2015, in der erklärt wird, dass beabsichtigt ist, der XXXX den Zuschlag zu erteilen, für nichtig erklären, wird stattgegeben.
Die Entscheidung des Auftraggebers vom 12.08.2015, der Firma XXXX den "Zuschlag" erteilen zu wollen (Bekanntgabe, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll), wird für nichtig erklärt.
Rechtsgrundlage: §§ 19 Abs. 1, 125, 128 Abs. 1 iVm 312 Abs. 2 Z 2, 320 Abs. 1 und 325 Abs. 1 BVergG 2006
II.
Dem Antrag, der Auftraggeberin aufzutragen, die von der Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühr für den Nachprüfungsantrag und für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu Handen der Rechtsvertretung der Antragstellerin binnen 14 Tagen (§ 19a RAO) zu ersetzen, wird stattgegeben.
Die Auftraggeberin ist verpflichtet, der Antragstellerin zu Handen ihrer Rechtsvertretung die für den Nachprüfungsantrag sowie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren von insgesamt EUR 3.078,00 binnen 14 Tagen ab Zustellung des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Rechtsgrundlage: 319 BVergG 2006
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 21.08.2015 stellte die Antragstellerin die im Spruch ersichtlichen Begehren und brachte im Wesentlichen Folgendes vor:
Das Angebot der Antragstellerin sei preislich an zweiter Stelle gereiht worden. Der Angebotspreis der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung betrage netto EUR 836.422,81, der Angebotspreis der Antragstellerin netto EUR 1.216.971,00. Die Differenz zwischen den beiden Angeboten betrage sohin 31,27 %. Ferner liege der Angebotspreis der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung um 33,62 % unter den Schätzkosten der Auftraggeberin.
Gegen den Geschäftsführer der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung, Herrn Mag. XXXX , sei ein Strafverfahren wegen teils vollendeter und teils versuchter Untreue gemäß § 153 Abs. 1 und Abs. 2 StGB anhängig. Die Anklage sei von der Staatsanwaltschaft Wien am 10. Februar 2014 erhoben worden. Das Strafverfahren sei daher auch bereits zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung anhängig gewesen. Zum Tatzeitpunkt sei der Angeklagte XXXX selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Antragstellerin gewesen. Es werde ihm vorgeworfen, dass er als Geschäftsführer die ihm eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Antragstellerin zu verfügen, missbraucht habe und die Antragstellerin vorsätzlich einen Betrag von EUR 7.049.651,13 geschädigt habe bzw. versucht habe, zu schädigen, in dem überhöhte Mietzinsvereinbarungen für die Antragstellerin abgeschlossen worden seien und erhöhte Zahlungen für die Instandhaltung einer Tankstelle geleistet worden seien. Weiters werde Herrn XXXX vorgeworfen, dass er in den Jahresabschlüssen 2006 bis 2010 der Antragstellerin das Eigenkapital der Gesellschaft um insgesamt EUR 4.512.201,11 zu hoch dargestellt habe. Begründet werde die Anklageschrift mit mehreren Gutachten von gerichtlich beeideten Sachverständigen und zahlreichen Zeugenaussagen. Die Antragstellerin habe unmittelbar nach Kenntnis der Vorwürfe gegen Herrn XXXX die Entlassung ausgesprochen.
Es liege mangelnde Zuverlässigkeit der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung gemäß § 68 Abs. 1 Z 5 BVergG vor. Nach der vergaberechtlichen Literatur sei ein Strafantrag oder eine Anklage bereits ausreichend, um eine schwere berufliche Verfehlung nachweislich festzustellen. Nach Ansicht der VK Lüneburg zur gleichlautenden Bestimmungen in Deutschland, stelle bereits ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer eines Bieters eine schwere Verfehlung dar, die zum Ausschluss des Bieters führen könne.
Die Antragstellerin brachte als weiteren Rechtwidrigkeitsgrund die nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung vor. Schon aufgrund der enormen Preisdifferenz zwischen dem Angebot der Antragstellerin und dem Angebot der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Der Antragstellerin würden keine Informationen darüber vorliegen, ob überhaupt eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt worden sei.
2. Am 26.08.2015 erstattete die Auftraggeberin eine Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag.
Zum Nachweis der schweren beruflichen Verfehlung wurde vorgebracht, dass ein bloßer Verdacht einer strafbaren Handlung nicht ausreiche, um eine schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 5 BVergG nachzuweisen. Die Auftraggeberin verwies diesbezüglich auf die Materialien.
Im Zusammenhang mit der Kostenschätzung sei festzuhalten, dass seit Beginn der Ausschreibung der gegenständlichen Leistungen mit 2004 die Firma der Antragstellerin bzw. dessen Vorgänger als Auftragnehmer hervorgegangen sei. Dies lag insbesondere daran, weil die Antragstellerin bei den (offen ausgeschriebenen) Vorgängerausschreibungen lediglich der einzige Bieter gewesen sei. Die ordnungsgemäß durchgeführte Kostenschätzung stütze sich daher in erster Linie auf Werte, die sich aus den mit der Antragstellerin abgeschlossenen Verträgen ergeben hätten. Das Angebot der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung sei dahingehend geprüft worden, ob die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar gewesen seien; insbesondere sei ein Preisspiegel erstellt worden. Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung sei die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung mit Schreiben vom 04.08.2015 ersucht worden, einzelne Positionen aufzuklären. Mit Schreiben vom 07.08.2015 habe die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung ein Auklärungsschreiben vorgelegt. Dadurch habe die Angemessenheit der Preise einzelner Leistungspositionen nachvollziehbar aufgeklärt werden können.
3. Mit Schriftsatz vom 28.08.2015 wies die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung zum Vorwurf der mangelnden Zuverlässigkeit gemäß § 68 Abs. 1 Z 5 BVergG auf die Entscheidung des VwGH vom 18.03.2009,2007/04/0234, hin, wonach dieser strenge Anforderungen an die für den Ausschluss wegen mangelnder Zuverlässigkeit und des Vorliegens einer schweren Verfehlung notwendigen Feststellungen und Nachweise festlege.
Zur Zusammensetzung des Gesamtpreises brachte die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung vor, dass die Preise ordnungsgemäß kalkuliert und betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien. Entgegen der von der Antragstellerin aufgestellten Annahme, die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung setze mehrheitlich pragmatisierte Mitarbeiter ein, handle es sich von bei den von ihr eingesetzten Mitarbeitern mehrheitlich um Angestellte. Die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung führe Werttransporte für zahlreiche andere Unternehmen innerhalb des gesamten Bundesgebietes durch. Aufgrund dessen könnten zum Teil Fahrten für die Auftraggeberin mit den Fahrten für andere Vertragspartner kombiniert bzw. zusammengefasst werden. Somit würden die auftragsgegenständigen Leistungen in einzelnen Fällen daher nur zur besseren Auslastung der Fahrten und Deckung der sowieso anfallenden Kosten dienen. Aus diesem Grund würden nicht die gesamten Kosten für diese Fahrten verrechnet, welche anfallen würden, wenn diese Fahrten alleine für die Auftraggeberin durchgeführt würden. Es werde für diese ein Deckungsbeitrag in Rechnung gestellt, der mit den von anderen Auftraggebern gezahlten Beträgen eine Kostendeckung der Fahrten sicherstelle.
4. Am 16.09.2015 erstattete die Antragstellerin eine weitere Stellungnahme und brachte vor, dass das Verwaltungsgericht Wien erst kürzlich zur GZ VGW-123/009/4792/2015 festgestellt habe, dass ein Strafantrag bereits ausreiche, um die Zuverlässigkeit eines Unternehmers zu verneinen. Wie bereits im Nachprüfungsverfahren dargestellt, sei die Auftraggeberin aufgrund der Preisdifferenzen verpflichtet gewesen, eine vertiefte Preisprüfung gegebenenfalls durch Hinzuziehung entsprechender sachkundiger Personen durchzuführen.
5. Mit Schriftsatz vom 16.09.2015 brachte die Auftraggeberin zum Punkt Preisplausibilität des Angebotes der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung eine ergänzende Stellungnahme ein.
Eine vertiefte Angebotsprüfung sei nicht schon aufgrund der Tatsache, dass ein Angebotspreis erheblich unter den Angeboten der Mitbewerber liege, durchzuführen, sondern erst dann, wenn die in § 125 Abs. 3 BVergG taxativ aufgezählten Gründen vorliegen würden. Aus Sicht der Auftraggeberin sei bei der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung kein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorgelegen. Aus diesem Grund sei daher keine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen gewesen. Nach der Judikatur komme es nicht allein darauf an, ob der Angebotspreis der Zuschlagsempfängerin weit unter dem aus den Angeboten anderer Bieter errechneten Durchschnittspreisen gelegen sei. Außerdem dürfe die Qualifikation eines Angebotes z.B. als "Unterangebot" nicht allein durch den Vergleich mit den Preisen anderer Angebote erfolgen. Daraus folge, dass aus einem reinen Preisvergleich zwischen eingelangten Angeboten nicht darauf geschlossen werden dürfe, dass das günstigere Angebot unterpreisig oder nicht plausibel sei. Auch wenn der Schätzwert des Auftraggebers zu hoch gegriffen sei, könne dieser dennoch nicht den ausschlaggebenden Grund für die Verpflichtung des Auftraggebers darstellen, eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen zu müssen.
Im Zuge der Preisprüfung habe sich zunächst der Umstand gezeigt, dass das Angebot der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung deutlich unter der Kostenschätzung der Auftraggeberin bzw. des Angebotspreises des einzigen Mitbewerbers gelegen sei. Bei einer näheren Betrachtung der Sachlage, seien jedoch diese Unterlagen näher zu hinterfragen gewesen. Dies insbesondere deshalb, weil die Antragstellerin als langjähriger einziger Auftragnehmer die Preise und in weiterer Folge die Kostenschätzung bestimmt habe. Aus diesem Grund sei auch die Kostenschätzung der Auftraggeberin - im Nachhinein betrachtet oder in Kenntnis des aktuellen Angebotsergebnisses - zu hoch gegriffen gewesen. Daraus folge, dass sowohl die Kostenschätzung der Auftraggeberin als auch der Angebotspreis der Antragstellerin in die Beurteilung, ob ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis bzw. auffällige Einheitspreise vorliegen würden, nicht bzw. nur bedingt einzubeziehen seien. Mit dem vorliegenden Angebotspreis der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung sei der Auftraggeberin vielmehr klar geworden, welche realistischen Preise am Markt tatsächlich möglich seien.
Obwohl für die Auftraggeberin kein Anhaltspunkt zu sehen gewesen sei, dass im Verhältnis zur Leistung ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorgelegen habe, habe die Auftraggeberin dennoch eine vertiefte Angebotsprüfung zu einzelnen Positionen durchgeführt. Die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung sei aufgefordert worden, zu den Positionen 1 1.1.1 und 2 1.1.1. Stellung zu nehmen. Diese Zweifel an der Angemessenheit der Einheitspreise der einzelnen Positionen seien durch die Aufklärung ausgeräumt worden.
Auch sämtliche andere Positionen bzw. Einheitspreise seien für die Auftraggeberin nicht auffällig gewesen. Dennoch habe die Auftraggeberin auch diese Positionen im Sinne einer Plausibilitätsprüfung hinterfragt. Im Zuge dieser Durchsicht seien z. B. die Positionen 2 1.1.3.1 bis 2 1.1.3.9 bzw. die Positionen 2
1.1.4.1. bis 2 1.1.4.7 als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt worden. Dies vor allem auch in Zusammenschau mit der vorliegenden Aufklärung der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung. Es sei am Markt allgemein bekannt, dass die XXXX über eine flächendeckende Verfügbarkeit bzw. über ein enges Tourengefüge verfüge. Die Auftraggeberin habe daher schlüssig davon ausgehen können, dass es sich bei den auszuliefernden Vignetten um ein reines Mitnahmeprodukt handle und somit die angebotenen Preise auskömmlich seien bzw. nur geringe Zusatzkosten durch die Mitnahme der Vignetten der Auftraggeberin verursacht würden.
6. Am 22.09.2015 fand vor dem Bundesvergabeamt eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
Zur vertieften Angebotsprüfung wird von der AG vorgebracht, dass die Position 2.1.1.3 für die AG nicht auffällig war, da zwischen den Preisen der beiden Bieter kein so großer Unterschied erkennbar war. Hingewiesen wird darauf, dass die XXXX ein großes Unternehmen ist. Die vertiefte Angebotsprüfung ist im Vergabeakt festgehalten. Möglicherweise haben wir nicht jeden Gedankengang im Vergabebericht dokumentiert.
XXXX : Ich habe die Kostenschätzung aufgrund der derzeit verrechneten Preise seitens Loomis durchgeführt. Dann habe ich mir gedacht, es wurde bis jetzt genug daran verdient, der Markt gibt wie man sieht einiges her. Darum wurde der Preisspiegel erstellt. Der Preisspiegel ist in unserem Unternehmen Vorgabe.
[...]
XXXX : Eine vertiefte Angebotsprüfung wurde durchgeführt, aber nicht weil der Gesamtpreis zu niedrig war. Die vertiefte Angebotsprüfung hat auf Positionsebene stattgefunden. Im Zuge dessen wurde ein Preisspiegel erstellt. Auffällig waren lediglich zwei Positionen. Bezüglich dieser Positionen gab es gesetzlich eine Verpflichtung zu überprüfen, dies hat stattgefunden. Die anderen Positionen waren nicht auffällig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1. Die Auftraggeberin hat die gegenständliche Rahmenvereinbarung im Wege eines offenen Verfahrens ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde in Österreich sowie EU-weit am 09.06.2015 bekannt gemacht.
2. Die Angebotsöffnung erfolgte am 20.07.2015. Es langten 2 Angebote ein. Laut Angebotsöffnungsprotokoll beträgt das Angebot der Antragstellerin EUR 1.216.971,00 (ohne USt), das Angebot der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung EUR 836.419,75 (ohne USt).
3. Am 04.08.2015 richtete die Auftraggeberin an die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung unter dem Betreff "Aufforderung zur Aufklärung gemäß § 126 BVergG 2006 idgF" ein Schreiben. Dieses lautet auszugsweise:
Pos 2. AUSLIEFERUNG VOM SICHERHEITSLAGER AN VERTRIEBSDACHORGANISATIONEN (VDO) UND DIREKTVERTRIEBSSTELLEN (GEMÄß TEIL D.2/D.3)
POS. 1. 1. 1
Abholung und Auslieferung an Vertriebsdachorganisationen (Wien/Österreich)
Bei dieser Position wurde ein unseres Erachtens verhältnismäßig niedriger Preis im Vergleich zu Pos 1 - Pos 1.1.1 angeboten. Wie klären Sie diesen Umstand auf?
4. Mit Schriftsatz vom 07.08.2015 nahm die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung zum Schreiben der Auftraggeberin vom 04.08.2015 Stellung. Die Aufklärung zur Position 2 Position 1.1.1 lautete wie folgt:
Die Leistungen der Pos 2. POS. 1.11 können durch unser Unternehmen im Zuge bereits durchzuführender Fahrten innerhalb Wiens abgedeckt werden, dienen daher nur zur besseren Auslastung der Fahrten und der sowieso anfallenden Kosten. Aufgrund dessen werden nicht die gesamten Kosten für die Fahrten verrechnet, welche anfallen würden, wenn diese Fahrten alleine für den Auftraggeber durchgeführt würden. Es wird für diese Fahrten ein Deckungsbeitrag in Rechnung gestellt, der mit den von anderen Auftraggebern bezahlten Beträgen eine Kostendeckung der Fahrten sicherstellt.
5. Die Angebotsprüfung zu Bieter Nr. 2 (= präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung) lautet auszugsweise:
4.2.4 Prüfung der Preisangemessenheit
Nachdem der angebotene Gesamtpreis 34% unter der Kostenschätzung liegt und in Position 1 Pos. 1.1.1 ein verhältnismäßig hoher Einheitspreis im Vergleich zu Position 2 Pos 1.1.1 bzw. umgekehrt in Position 2 Pos 1.1.1 ein verhältnismäßig niedriger Einheitspreis im Vergleich zu Position 1 Pos. 1.1.1 vorliegt, wurde eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt.
Die Angebotsprüfung erfolgte nach den Vorgaben und Richtlinien der ASFINAG und iSd BVergG.
Insbesondere wurde das Angebot dahingehend geprüft, ob die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar sind.
Durchgeführte Prüfungsschritte: Zunächst wurde ein Preisspiegel erstellt, aus dem Abweichungen der Einheitspreise bzw. der Positionspreise im Vergleich zu der Kostenschätzung und dem Mitbieter ersichtlich sind.
Dieser Preisspiegel wurde ua auf hohe Abweichungen bei den Einheitspreisen gegenüber der Kostenschätzung bzw. gegenüber den übrigen Bietern untersucht.
Insbesondere bei den vom Bieter günstig angebotenen Positionen haben wir geprüft, ob
1. alle in der Ausschreibung angeführten Leistungen auch tatsächlich in der Kalkulation berücksichtigt wurden
2. die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind
Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung wurde auch geprüft, ob im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind. Abgesehen davon wurde geprüft, ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind.
Ergebnis der vertieften Angebotsprüfung
Als Ergebnis der durchgeführten vertieften Prüfung kann festgehalten werden, dass sämtliche Preise betriebswirtschaftlich aufklärbar waren und nachvollziehbar sind (siehe dazu im Detail Punkt 4.2.5).
4.2.5 Schriftliche und mündliche Aufklärungen
Mit Schreiben vom 4. August 2015 wurde der Bieter XXXX wie folgt um Aufklärung ersucht:
"Im Zuge der Überprüfung der Preise wurden nachfolgende Sachverhalte festgestellt:
Pos. 1. "Vignettenabholung beim Produzenten und Auslieferung an Vertriebsdachorganisationen (VDO) und Transport zum Sicherheitslager des AN (gemäß Teil D.2/D.3)"
Pos. 1.1.1 Abholung und Auslieferung an Vertriebsdachorganisationen (Wien/Österreich)
Bei dieser Position wurde ein unseres Erachtens verhältnismäßig hoher Preis im Vergleich zu Pos 2. - Pos. 1.1.1 angeboten. Wie klären sie diesen Umstand auf?
Pos. 2. Auslieferung vom Sicherheitslager an Vertriebsdachorganisationen (VDO) und Direktvertriebsstellen (gemäß Teil D.2/D.3) Pos. 1.1.1 Abholung und Auslieferung an Vertriebsdachorganisationen (Wien/Österreich)
Bei dieser Position wurde ein unseres Erachtens verhältnismäßig niedriger Preis im Vergleich zu Pos 1. - Pos. 1.1.1 angeboten. Wie klären sie diesen Umstand auf?"
Die XXXX legt am 7. August 2015 fristgerecht ein Schreiben vor und erläutert die Kalkulation wie folgt:
Zu Position 1, Pos. 1.1.1. "Die in dieser Position angeführten Tätigkeiten müssen gesondert ausgeführt werden, d.h. diese sind nicht mit anderen Fahrten wie Pos 2. - Pos. 1.1.1 zu verbinden. Darüber hinaus sind für diese Leistungen längere Zeiten anzusetzen, da die Fahrtstrecken größer sind, bei der Abholung beim Produzenten allenfalls Wartezeiten und Zeiten für eine geordnete Übergabe einzurechnen sind. Aufgrund der Vorgaben ist auch einzukalkulieren, dass Fahrten mit 2-Mann-Besetzung durchzuführen sind."
Zu Position 2, Pos 1.1.1 "Die Leistungen der Pos. 2. POS. 1.11 können durch unser Unternehmen im Zuge bereits durchzuführender Fahrten innerhalb Wiens abgedeckt werden, dienen daher nur zur besseren Auslastung der Fahrten und der sowieso anfallenden Kosten. Aufgrund dessen werden nicht die gesamten Kosten für die Fahrten verrechnet, welche anfallen würden, wenn diese Fahrten alleine für den Auftraggeber durchgeführt würden. Es wird für diese Fahrten ein Deckungsbeitrag in Rechnung gestellt, der mit den von anderen Auftraggebern gezahlten Beträgen eine Kostendeckung der Fahrten sicherstellt."
Der Aufforderung um Aufklärung wurde fristgerecht nachgekommen. Die Angemessenheit der Preise einzelner Leistungspositionen konnte nachvollziehbar aufgeklärt werden. Aufgrund der erfolgten Aufklärung sind die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar und plausibel.
6. Der seitens der Auftraggeberin erstellte Preisspiegel zeigt in der Position 2 1.1.3 "Auslieferung an Direktvertriebsstellen in Österreich", 1.1.3.1 bis 1.1.3.8, Abweichungen der Einheitspreise von über 15% zwischen dem Angebot der Antragstellerin und dem Angebot der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung. Eine vertiefte Angebotsprüfung hinsichtlich dieser Position kann dem Vergabeakt nicht entnommen werden.
7. Am 12.08.2015 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass die Auftraggeberin beabsichtige, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren der Firma XXXX , zu erteilen.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung :
Zu A)
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit der Anträge
Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung handelt, in Senaten.
Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs- Aktiengesellschaft (ASFINAG). Diese ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 BVergG. Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 1.260.000,00, sodass es sich gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 BVergG um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren ist entsprechend § 312 Abs. 1 und 2 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit. e B-VG gegeben.
Da das Vergabeverfahren weder widerrufen noch ein Zuschlag erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht in concreto gemäß § 312 Abs. 2 Z 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers zuständig.
Der Antrag wurde innerhalb der Anfechtungsfrist gemäß § 321 Abs. 1 BVergG eingebracht. Die Pauschalgebühr wurde jedenfalls in entsprechender Höhe entrichtet (§ 318 Abs. 1 Z 1 BVergG iVm § 1 BVwG-PauschGebV). Ein sonstiger Grund für die Unzulässigkeit des Antrages nach § 322 Abs. 2 BVergG liegt nicht vor.
Inhaltliche Beurteilung des Antrages
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 19 Abs. 1 BVergG sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
Gemäß § 125 Abs. 1 BVergG ist die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.
Gemäß § 125 Abs. 2 BVergG ist bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.
Gemäß § 125 Abs. 3 BVergG muss der Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 4 und 5 vertieft prüfen, wenn
1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,
2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 79 Abs. 4 aufweisen, oder
3. nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.
Gemäß § 125 Abs. 4 BVergG ist bei einer vertieften Angebotsprüfung zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob
1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind;
2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen;
3. die gemäß § 97 Abs. 3 Z 3 geforderte oder vom Bieter gemäß § 109 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.
Gemäß § 125 Abs. 5 BVergG muss im Zuge der vertieften Angebotsprüfung der Auftraggeber vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung verlangen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen bzw. der vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise zu erfolgen. Der Auftraggeber hat insbesondere Erläuterungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Erbringung der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, die Originalität der vom Bieter angebotenen Leistung, die am Ort der Leistungserbringung geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen oder die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an den Bieter bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen.
Gemäß § 128 Abs. 1 BVergG ist über die Prüfung der Angebote und ihr Ergebnis eine Niederschrift zu verfassen, in welcher alle für die Beurteilung der Angebote wesentlichen Umstände festzuhalten sind.
Die Auftraggeberin bringt in der ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2015 zur vertieften Angebotsprüfung vor, dass diese nicht aufgrund der Tatsache durchzuführen sei, dass ein Angebotspreis erheblich unter den Angeboten der Mitbewerber liege. Damit verkennt die Auftraggeberin, dass nach Kropik als Ausgangspunkt für die Preisprüfung insbesondere der geschätzte Auftragswert und ein Vergleich der Angebotspreise der Bieter zur Verfügung stehen (Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel (Hrsg), Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar, § 125 Rz 8). Ob ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorliegen kann, ergibt sich aus dem Vergleich mit der Kostenermittlung des Auftraggebers, sowie aus dem Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote. Beide Vergleiche geben einen Überblick, ob ein unverhältnismäßig niedriger Gesamtpreis vorliegen könnte. Ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis liegt bereits dann vor, wenn die Differenz zwischen der Kostenermittlung des Auftraggebers bzw. der Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote über 15% ("grobe Abweichung") beträgt (Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 125 Rz 28). Auch in der vergaberechtlichen Judikatur wurde ein Vergleich mit der Kostenschätzung bzw. ein Vergleich mit den Angeboten der Bieter als zulässig erachtet (siehe etwa B-VKK 27.11.2003, S-18/03; VfGH 22.09.2003, B 1211/01; BVA 07.04.2005, 06N-04/05-31; BVA 20.06.2006, N/0032-BVA/12/2006-19; BVwG 19.12.2014, W123 2013963-2/24E; siehe auch Rindler in Gast [Hrsg.], BVergG-Leitsatzkommentar, E 33 zu § 125).
Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung ist der Auftraggeber verpflichtet, die vom Bieter im Rahmen eines Aufklärungsgespräches abgegebenen Erklärungen kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Die Feststellung, dass es sich um angemessene und nicht spekulative Preise handelt, ist objektiv zu begründen. Aus dem Prüfbericht muss hervorgehen dass die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind (Rindler in Gast, BVergG-Leitsatzkommentar, E 51 zu § 125).
Die vertiefte Angebotsprüfung hat so detailliert und umfangreich zu sein, dass eine ausreichend begründete Schlussfolgerung, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann, möglich ist (Rindler in Gast, BVergG-Leitsatzkommentar, E 52 zu § 125).
Die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung liegt nicht im Ermessen des Auftraggebers. Angebote sind einer solchen zu unterziehen, wenn sie (1) einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, (2) zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 79 Abs. 4 aufweisen, oder (3) nach der Angemessenheitsprüfung begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen. Jedenfalls im "klassischen" Bereich legt der Gesetzeswortlaut dar, dass sich die Prüfung nicht auf den Angebotspreis (Gesamtpreis) zu beschränken hat. Um für den Auftraggeber nachteilige Spekulationen hintanzuhalten, sind auch Einheitspreise zu hinterfragen. Auftraggebern ist zu empfehlen, im Zweifelsfällen jedenfalls eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen und diese hinsichtlich sämtlicher überprüften Preise (des Gesamtpreises wie auch einzelner Einheitspreise) entsprechend detailliert zu dokumentieren, um damit in einem allfälligen Vergabekontrollverfahren dem Vorwurf einer nicht hinreichenden bzw. nicht hinreichend dokumentierten (vertieften) Angebotsprüfung zu entgehen (Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht³ [2010] Rz 1411 ff).
Daraus folgt für das Bundesverwaltungsgericht: Wenn nach Kropik bereits bei einer Abweichung des Gesamtpreises zwischen erst- und zweitgereihtem Angebot von über 15% eine vertiefte Angebotsprüfung notwendig ist, dann trifft dies umso mehr auf den gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt zu, in welchem der Angebotspreis der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung den geschätzten Auftragswert sowie den Gesamtpreis der Antragstellerin um ca. 30% überschreitet. Dies entspricht auch der bisherigen vergaberechtlichen Judikatur zur vertieften Angebotsprüfung (siehe dazu die oben zitierten Judikatur). Gleiches gilt für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 22.09.2003, B 1211/01:
Wenn ein Angebotspreis zwischen erst- und zweitgereihten Bieter um bloß 6,7% noch keine zwingende vertiefte Angebotsprüfung erfordert, bedeutet dies aber im Umkehrschluss, dass bei der gegenständlichen (krassen) Preisabweichung eine vertiefte Angebotsprüfung zwingend geboten ist.
Von einer solchen Verpflichtung ist im Übrigen die Auftraggeberin offenbar selbst ausgegangen und hat - entsprechend § 125 Abs. 5 BVergG - die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung zu einer verbindlich schriftlichen Aufklärung hinsichtlich zweier Positionen aufgefordert. Anzumerken ist jedoch, dass lediglich bei einer einzigen als zu niedrig erachteten Position (Position 2 1.1.1) eine Aufforderung zur Aufklärung seitens der Auftraggeberin ergangen ist. Die Auftraggeberin hat demgegenüber eine vertiefte Angebotsprüfung hinsichtlich der Position 2 1.1.3 gänzlich unterlassen. Dies trotz des Umstandes, dass die Einheitspreise zwischen den beiden Angeboten teilweise um 15% auseinanderliegen (39,50 versus 27,50). Insgesamt beträgt die Preisdifferenz bei dieser Position EUR -121.215,00. Der Senat erachtet die teils gravierenden Differenzen zwischen den angebotenen Einheitspreisen als Umstand, der die Auftraggeberin auch bei der Position 2 1.1.3 verpflichtet hätte, gemäß § 125 Abs. 4 BVergG zu prüfen und nach § 125 Abs. 5 BVergG von der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung eine verbindliche schriftliche Aufklärung über einzelne Positionen zu verlangen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2015 behauptet die Auftraggeberin, dass sie auch die Position 2 1.1.3 einer Preisplausibilitätsprüfung unterzogen hat. Schriftliche Aufzeichnungen im Vergabeakt finden sich dazu jedoch nicht. Daher liegt die Rechtswidrigkeit der gesondert anfechtbaren Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchem Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, bereits darin begründet, dass sich aus dem Vergabeakt keine schriftliche Dokumentation über die Prüfung der Position 2 1.1.3 entnehmen lässt. Der Versuch der Auftraggeberin, die Plausibilität der Einheitspreise in der Position 2 1.1.3 nachträglich (im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht) darzulegen, kann keinesfalls die gesetzlich verpflichtende Prüfung nach § 125 BVergG substituieren. Diese erhellt sich schon aus dem Umstand, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren die Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchem Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, bereits ergangen ist. Eine solche Entscheidung setzt aber eine ordnungsgemäß durchgeführte Angebotsprüfung iSd § 122 ff BVergG zwingend voraus. Dies ergibt sich schon aufgrund des systematischen Aufbaus im BVergG 2006 (vgl. "Prüfung der Angebote und Ausscheiden von Angeboten" §§ 122 bis 129 BVergG und demgegenüber "Wahl des Angebotes für den Zuschlag", § 130 f BVergG bzw. "Abschluss von Rahmenvereinbarungen, § 151 Abs. 3 BVergG). Gegenständlich wurde jedoch eine ordnungsgemäße Angebotsprüfung gemäß § 125 BVergG hinsichtlich des Angebotes der präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung nicht durchgeführt, da im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung nur eine einzige auffällig niedrige Position hinterfragt worden ist. Diese ist auch im Vergabeakt dokumentiert. Sonstige schriftliche Aufzeichnungen zu anderen auffällig niedrig angebotenen Positionen können dem Vergabeakt nicht entnommen werden. Selbst die Auftraggeberin räumte in der mündlichen Verhandlung ein, dass "möglicherweise wir nicht jeden Gedankengang im Vergaberecht dokumentiert haben".
Über die Prüfung der Angebote und ihr Ergebnis ist eine Niederschrift zu verfassen, in welcher alle für die Beurteilung der Angebote wesentlichen Umstände festzuhalten sind. Der Niederschrift kommt vor allem für den Fall eines Vergabekontrollverfahrens besondere Bedeutung zu. Sie dient gleichsam einer "ex-post-Kontrolle" des Auftraggeberverhaltens und gewährleistet damit im Sinne des Gebotes der Transparenz die Nachvollziehbarkeit jener Auftraggeberentscheidungen, denen das Ergebnis der Angebotsprüfung zu Grunde liegt. Dabei ist zu bedenken, dass die Angebotsprüfung im weitesten Sinne einerseits die Prüfung der Ausschreibungskonformität und andererseits die Bestbieterermittlung erfasst (Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Rz 1368; siehe dazu auch Gölles in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 128 Rz 4).
Dem Gebot der Transparenz im Vergabeverfahren kommt insbesondere in der Wahl des Angebotes für den Zuschlag eine elementare Bedeutung zu, da die Entscheidung des Auftraggebers, aus welchen Gründen er einen bestimmten Bieter einen Zuschlag erteilen möchte, objektiv nachvollziehbar sein muss (Koller in Gast, BVergG-Leitsatzkommentar, E 3. zu § 128).
Die schriftliche Dokumentation der vertieften Angebotsprüfung ist jedoch aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter im Sinne des § 19 Abs. 1 BVergG zwingend geboten. Dadurch, dass die Auftraggeberin dies unterlassen hat, liegt ein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 BVergG vor (Koller in Gast, BVergG-Leitsatzkommentar E 4. zu § 128).
Nach der Rechtsprechung des Bundesvergabeamtes ist bei einer nicht vollständigen Angebotsprüfung eine (angefochtene) Zuschlagsentscheidung als rechtswidrig anzusehen. Die Vergabekontrolle ist grundsätzlich nicht dazu berufen, anstelle des Auftraggebers die Prüfung der Angebote zu vervollständigen bzw. gänzlich durchzuführen. Vielmehr obliegt ihr die Nichtigerklärung von rechtswidrigen Entscheidungen des Auftraggebers. Allenfalls kann im Zuge des Nachprüfungsverfahrens hervorkommen, dass der mangelhaft durchgeführten Angebotsprüfung kein wesentlicher Einfluss für den Ausgang des Verfahrens im Sinne des § 325 Abs. 1 Z 2 BVergG zukommt. Die diesbezüglichen Ermittlungen der jeweiligen Vergabekontrolleinrichtung dienen jedoch nicht der Funktion, umfangreich und kostspielige Prüfungsschritte, die der Auftraggeber wahrzunehmen hat, zu ersetzen (siehe Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Rz 1360 mwN). In diese Richtung ist wohl auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu interpretieren, wonach die Nachprüfungsbehörde im Rahmen der Prüfung der Antragslegitimation nicht dazu berufen ist, anstelle des Auftraggebers einen allenfalls notwendigen Verbesserungsauftrag zu erteilen (siehe dazu grundlegend VwGH 18.03.2009, 2007/04/0095).
Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren, dass es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist, gleichsam "anstelle der Auftraggeberin" die präsumtive Partei der Rahmenvereinbarung zur Aufklärung über die Position 2 1.1.3 aufzufordern und somit die unterlassene vertiefte Angebotsprüfung "nachzuholen".
Gemäß § 325 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm nach § 322 Abs. 1 Z 5 geltend gemachten Recht verletzt (Z 1), und die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens vom wesentlichen Einfluss ist (Z 2).
Die Materialien sehen einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens dann, wenn die festgestellte Rechtswidrigkeit Auswirkungen auf den Verfahrensausgang haben könnte (RV 1171 BlgNR XXII. GP 141). Es genügt also eine potentielle Relevanz für den Ausgang des Vergabeverfahrens. Es muss wenigstens die Möglichkeit bestehen, dass bei rechtskonformer Vorgangsweise des Auftraggebers ein anderes Ergebnis des Vergabeverfahrens möglich ist. (Reisner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 325 Rz 12).
Durch die unterlassene Prüfung der Angemessenheit der Preise sind die Antragsteller jedenfalls in einem von ihnen im verfahrenseinleitenden Schriftsatz unter Pkt. 6. bezeichneten subjektiven Recht verletzt. Diese Rechtswidrigkeit ist auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Auftraggeberin - bei ordnungsgemäßer Prüfung - zu einem anderen Ergebnis (etwa dem Ausscheiden des Angebotes der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung) gelangen hätte können. Schon aus diesem Grunde war daher dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung stattzugeben (siehe dazu bereits BVwG 19.12.2014, W123 2013963-2/24E). Somit muss aber auf das Vorbringen der Antragstellerin betreffend berufliche Zuverlässigkeit der präsumtiven Partei der Rahmenvereinbarung gemäß § 68 Abs. 1 Z 5 BVergG nicht mehr eingegangen werden.
Zu Spruchpunkt II.
Gemäß § 319 Abs 1 BVergG hat der vor dem Bundesverwaltungsgericht wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 BVergG entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber.
Die Antragstellerin hat die Pauschalgebühren in der gesetzlich geschuldeten Höhe tatsächlich bezahlt. Die Antragstellerin hat mit ihrem Nachprüfungsantrag obsiegt, da das Bundesverwaltungsgericht dem Nachprüfungsantrag stattgegeben hat. Die Auftraggeberin ist daher verpflichtet, der Antragstellerin die tatsächlich geschuldete und bezahlte Pauschalgebühr in der Höhe von € 3.078,00 zu ersetzen.
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu insbesondere das bereits zitierte Erkenntnis des VwGH vom 18.03.2009, 2007/04/0095); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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