BVwG W122 2260516-1

BVwGW122 2260516-131.8.2023

B-VG Art133 Abs4
GehG §15 Abs1
GehG §15 Abs5
GehG §20b
GehG §82
GehG §83

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W122.2260516.1.00

 

Spruch:

 

W122 2260516-1/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Mag. Dr. Martin DERCSALY, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom XXXX , GZ. XXXX , betreffend Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 15 Abs. 5 GehG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2023, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und ein ungerechtfertigter Verdienstentgang in der Höhe von € XXXX brutto festgestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin beantragte am XXXX den Ersatz ihres Verdienstentganges. Sie habe von XXXX bis XXXX ihren Nachtdienst in der Klinik XXXX versehen und sich in Folge der Überwachung eines mit Covid-19 infizierten Insassen selber infiziert. Da seitens der Justizanstalt XXXX eine Dienstunfallmeldung an die BVAEB gestellt worden wäre, beantrage sie den Ersatz des Verdienstentganges aufgrund ihres Krankenstandes.

2. Mit Bescheid vom XXXX wies die Bundesministerin für Justiz (in weiterer Folge: „belangte Behörde“) den Antrag der Beschwerdeführerin vom XXXX auf Ersatz des Verdienstentganges ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe ihren Nachtdienst von XXXX bis XXXX in der Klinik XXXX versehen und dabei einen stationierten Insassen der Justizanstalt XXXX bewacht. Die Beschwerdeführerin sei folgedessen am XXXX positiv auf Covid-19 getestet worden und im Zeitraum von XXXX bis einschließlich XXXX im Krankenstand gewesen, weshalb für diesen Zeitraum gemäß § 15 Abs. 5 GehG die pauschalierte Nebengebühr geruht habe. Ein Dienstunfall liege im konkreten Fall – nach Mitteilung der BVAEB – nicht vor. Da im gegenständlichen Fall sohin kein Dienstunfall vorliege, sei kein taxativ genannter Fall des § 15 Abs. 5 GehG 1956, welcher nicht zum Ruhen der pauschalierten Nebengebühren führe, erfüllt. Somit ruhe die pauschalierte Nebengebühr zu Recht, da die Beschwerdeführerin über einen Monat vom Dienst abwesend gewesen sei.

3. Mit Schriftsatz vom 29.09.2022 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin zusammengefasst vor, die belangte Behörde habe kein Beweisverfahren darüber geführt, ob ein Dienstunfall vorliege. Eine eigene rechtliche Beurteilung, ob ein Dienstunfall im gegenständlichen Verwaltungsverfahren vorliege nehme sie auch nicht vor. Bei dem Begriff „Dienstunfall“ handle es sich um eine Rechtsfrage, deren Lösung der belangten Behörde zustehe. Die Ausführungen der belangten Behörde würden sich lediglich darauf beschränken, dass nach der Mitteilung der BVAEB kein Dienstunfall vorliege, weshalb kein taxativ genannter Fall des § 15 Abs 5 GehG erfüllt sei. Die Beschwerdeführerin sei jedoch von XXXX bis XXXX aufgrund eines Dienstunfalles dienstunfähig gewesen, weshalb die Nebengebühren der Beschwerdeführerin gem. § 15 Abs. 5 Z 2 GehG zu Unrecht geruht hätten.

4. Mit Aktenvorlage vom XXXX legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Am 13.06.2023 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, bei welcher der Beschwerde der Beschwerdeführerin stattgegeben und ein ungerechtfertigter Verdienstentgang in der Höhe von € XXXX brutto festgestellt wurde. Am Ende der Verhandlung beantragte der Vertreter der belangten Behörde die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin steht als Justizwachebeamtin in einem öffentlich – rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Justizanstalt XXXX dienstzugeteilt.

Ein Insasse musste aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes ab XXXX stationär in der Klinik XXXX aufgenommen werden. Von XXXX bis XXXX verrichtete die Beschwerdeführerin in der Klinik XXXX Nachtdienst und bewachte den Insassen der Justizanstalt XXXX auf der Station XXXX . In jenem Zimmer, in dem der Insasse auf der Station XXXX untergebracht war, wurde ein Patient positiv auf Covid-19 getestet. Daraufhin wurden alle Patienten im Zimmer getestet, somit auch der Insasse. Am XXXX erlangte die Justizanstalt XXXX durch die Klinik XXXX Kenntnis von einer positiven Covid-19-Testung des zu bewachenden Insassen, weshalb die Beschwerdeführerin sodann am XXXX ebenfalls auf Covid-19 getestet wurde und dieser Test in weiterer Folge positiv ausfiel. Die Beschwerdeführerin befand sich daraufhin im Zeitraum von XXXX bis XXXX in behördlich angeordneter Absonderung. Im Zeitraum von XXXX bis einschließlich XXXX befand sie sich im Krankenstand. Die Anstaltsleiterin der Justizanstalt XXXX erstattete am XXXX die Meldung eines Dienstunfalles an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB). Die BVAEB qualifizierte die Infektion der Beschwerdeführerin als Berufskrankheit.

Nachstehende pauschalierte Nebengebühren wurden der Beschwerdeführerin aufgrund der länger als einen Monat dauernden Abwesenheit vom Dienst im Zeitraum von XXXX bis XXXX ruhend gestellt:

a) Vergütung für besondere Gefährdung gemäß § 82 Abs. 3 Z 1 GehG in der Höhe von 11,11% im Sinne der Verordnung des Bundesministers für Justiz, BGBl. Nr. 190/1994 (Lohnart 4705)

b) Vergütung für wachespezifische Belastungen für Beamte des Exekutivdienstes (LA 4625) gemäß § 83 GehG (Erschwerniszulage)

c) Aufwandsentschädigung idH von mtl. EUR 21,10 (Lohnart 4515) im Sinne der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 04.05.1973, BGBl Nr. 227

d) Fahrtkostenzuschuss gemäß § 20b GehG 1956 (Lohnart 2602)

Insgesamt entging der Beschwerdeführerin sohin ein Betrag in der Höhe von EUR XXXX (brutto).

Es wurden seitens des Dienstgebers keine wirksamen Schutzvorkehrungen zur Verhinderung einer Ansteckung im Zuge der Dienstverrichtung durch die Beschwerdeführerin getroffen. Die Infizierung der Beschwerdeführerin mit dem Virus Covid-19 und der in weiterer Folge angetretene Krankenstand von XXXX bis einschließlich XXXX , können in einem ursächlichen Zusammenhang zum von der Beschwerdeführerin von XXXX bis XXXX verrichteten Nachdienst stehen, bei welchem sie einen auf Covid-19 positiv getesteten Insassen auf der Krankenstation bewachte.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage. Dass sich die Beschwerdeführerin im Zuge ihres Nachtdienstes von XXXX bis XXXX , bei welchem sie einen auf der Klinik XXXX stationär untergebrachten Insassen bewachte, mit dem Virus Covid-19 infizierte, ist unstrittig. Die Dauer des Krankenstandes der Beschwerdeführerin steht ebenso außer Streit sowie, dass die pauschalierten Nebengebühren für den Zeitraum von XXXX bis XXXX ruhend gestellt wurden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte die Beschwerdeführerin aus, mit dem infizierten Insassen öfter in einem Raum gewesen zu sein. Sie sei auch nicht in weiter Entfernung zum Insassen gestanden, sondern direkt am Bettrand, ohne Trennwand. Das erkennende Gericht konnte daher die Feststellung treffen, dass keine ausreichenden Schutzvorkehrungen seitens des Dienstgebers getroffen wurden. Die Frage, ob sie privat mit jemanden Kontakt hatte, der mit Covid-19 infiziert war, verneinte die Beschwerdeführerin. Sie sei auch nicht von anderen Personen informiert worden, mit jemanden Kontakt gehabt zu haben, der positiv getestet worden wäre. Für das erkennende Gericht liegt es daher nahe, dass sich die Beschwerdeführerin im Zuge ihres verrichteten Nachtdienstes mit dem Virus infizierte und sich in weiterer Folge in Krankenstand begab.

Dass die Anstaltsleiterin der Justizanstalt XXXX am XXXX die Meldung eines Dienstunfalles an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB) erstattete, ergibt sich aus dem Vorbringen der belangten Behörde. Aus dem Schreiben der BVAEB vom XXXX sowie vom XXXX geht hervor, dass sie die gegenständliche Infektionskrankheit als Berufskrankheit qualifizierte. Die Annahme der belangten Behörde, dass es sich um keinen Dienstunfall handle, wurde lediglich auf das Schreiben der BVAEB gestützt. In der mündlichen Verhandlung verneinte sie auch, weitere Informationen zu haben, wonach kein Dienstunfall vorliege. Im Schreiben der BVAEB vom XXXX an die Beschwerdeführerin wird ihr hingegen wiederum ein Rehabilitationsaufenthalt anlässlich ihres „Dienstunfalles“ vom XXXX genehmigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt - mangels derartiger gesetzlicher Bestimmungen - somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt steht der in der Angelegenheit maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

§ 82 Gehaltsgesetz (GehG) in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:

„Vergütung für besondere Gefährdung

§ 82. (1) Dem exekutivdienstfähigen Beamten des Exekutivdienstes gebührt für die mit seiner dienstplanmäßigen Tätigkeit verbundene besondere Gefährdung anstelle der im § 19b vorgesehenen Nebengebühr eine monatliche Vergütung von 7,30% des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4, soweit nicht für seine Verwendung gemäß Abs. 3 ein höheres Ausmaß festgesetzt ist.

(2) Die Vergütung nach Abs. 1 erhöht sich für jede der Bemessung zugrunde zu legende Stunde einer außerhalb des Dienstplanes erbrachten Dienstleistung um 0,1% des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4.

(3) Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung

1. jene Verwendungen zu bestimmen, mit deren Ausübung ein höherer Grad an Gefährdung verbunden ist, und hiefür unter Berücksichtigung des zeitlichen Ausmaßes dieser Gefährdung an Stelle des in Abs. 1 genannten Betrages einen entsprechend höheren Vergütungsbetrag festzusetzen und

2. den nach Abs. 2 der Bemessung zugrunde zu legenden Zeitanteil einer außerhalb des Dienstplanes erbrachten Dienstleistung zu bestimmen.

Die Verordnung bedarf der Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.

(4) Abweichend vom Abs. 2 beträgt die Erhöhung der Vergütung für die Beamten der Bundespolizei für jede zu berücksichtigende Stunde, die durch Freizeit ausgeglichen wird, 0,1% des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 abzüglich 1/173,2 der sich aus Abs. 1 oder Abs. 3 Z 1 ergebenden Vergütung.

(5) Ergeben sich bei Berechnung der nach den Abs. 2 und 4 der Bemessung zugrunde zu legenden Stunden Bruchteile von Stunden, so gebührt der verhältnismäßige Teil der Vergütung.

(6) Auf die nach Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 gebührende Vergütung sind anzuwenden:

1. § 15 Abs. 1 letzter Satz,

2. § 15 Abs. 4 und 5,

3. § 15a Abs. 2.“

§ 83 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2019 lautet auszugsweise:

„Vergütung für Beamte des Exekutivdienstes

§ 83. (1) Dem Beamten des Exekutivdienstes gebührt für wachespezifische Belastungen eine monatliche Vergütung. Diese Vergütung beträgt 119,2 €.

...

(3) Auf die Vergütung nach Abs. 1 sind anzuwenden:

1. § 15 Abs. 1 letzter Satz,

2. § 15 Abs. 4 und 5,

3. § 15a Abs. 2 und

4. § 82 Abs. 7.“

§ 15 Abs. 1, 5 und 5a Gehaltsgesetz 1956 (GehG)in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lauten:

„Nebengebühren

§ 15. (1) Nebengebühren sind

1. die Überstundenvergütung (§ 16),

2. die Pauschalvergütung für verlängerten Dienstplan (§ 16a),

3. die Sonn- und Feiertagsvergütung (Sonn- und Feiertagszulage) (§ 17),

4. die Journaldienstzulage (§ 17a),

5. die Bereitschaftsentschädigung (§ 17b),

6. die Mehrleistungszulage (§ 18),

7. die Belohnung (§ 19),

8. die Erschwerniszulage (§ 19a),

9. die Gefahrenzulage (§ 19b),

10. die Aufwandsentschädigung (§ 20),

11. die Fehlgeldentschädigung (§ 20a),

Anspruch auf eine Nebengebühr kann immer nur für Zeiträume bestehen, für die auch ein Anspruch auf Gehalt besteht.

...

(5) Ist die Beamtin oder der Beamte länger als einen Monat vom Dienst abwesend, ruht die pauschalierte Nebengebühr vom Beginn des letzten Tages dieser Frist an bis zum Ablauf des letzten Tages der Abwesenheit vom Dienst. Zeiträume

1. eines Urlaubs, währenddessen die Beamtin oder der Beamte den Anspruch auf Monatsbezüge behält, oder

2. einer Dienstverhinderung auf Grund eines Dienstunfalls oder

3. einer Dienstverhinderung auf Grund einer akuten psychischen Belastungsreaktion im Zusammenhang mit einem außergewöhnlichen Ereignis im Zuge der Dienstausübung einschließlich unmittelbar daran anschließender dienstfreier Tage bleiben außer Betracht. Fallen Zeiträume nach Z 1, 2 oder 3 in eine Abwesenheit im Sinne des ersten Satzes, verlängert sich die Monatsfrist oder verkürzt sich der Ruhenszeitraum im entsprechenden Ausmaß.

...“

§ 20b Gehaltsgesetz 1956 (GehG) lautet:

Fahrtkostenzuschuss

§ 20b. (1) Dem Beamten, der durch Erklärung beim Arbeitgeber einen Pauschbetrag gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c, d oder e EStG 1988 in Anspruch nimmt, gebührt ab dem Tag der Abgabe dieser Erklärung bei seiner Dienstbehörde, frühestens ab 1. Jänner 2008, ein Fahrtkostenzuschuss.

[…]

(4) Auf das Ruhen des Fahrtkostenzuschusses ist § 15 Abs. 5 anzuwenden. Der Fahrtkostenzuschuss ruht weiters während eines Zeitraumes, für den der Beamte Anspruch auf Leistungen nach den §§ 22 oder 34 der Reisegebührenvorschrift 1955 hat oder in dem die Bezüge des Beamten entfallen.

Die belangte Behörde war der Ansicht, dass es sich bei der Covid-19-Infektion der Beschwerdeführerin um eine Berufskrankheit und nicht um einen Dienstunfall handle, weshalb sie das Ruhen der pauschalierten Nebengebühren bejahte. Als Berufskrankheiten gelten gemäß § 177 ASVG die in der Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind. Voraussetzung für die Qualifikation als Berufskrankheit ist, dass die Krankheiten nachweisbar berufsbedingt sind und durch schädigende Stoffe oder Strahlen hervorgerufen werden. Es kann durchaus auch zu einer Konkurrenz von Arbeitsunfall und Berufskrankheit kommen (OGH 14.09.2004, 10 ObS 71/04w). Alle Berufskrankheiten, die "quasi unfallartig" entstehen, können somit auch Arbeitsunfälle bei Erfüllen der übrigen Voraussetzungen darstellen. Nur weil eine Infektion in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen wurde, bedeutet dies nicht, dass nicht doch im Einzelfall ein Arbeitsunfall vorliegen kann, die Aufnahme in die Liste bedeutet für die Versicherten etwa insoweit Vorteile als der Beweis der Erkrankung einfacher gelingen wird als die Infektion als Unfallgeschehen (OLG Wien 27.9.2022, 9 Rs 38/22g). Kann die Ansteckung mit einer Infektionskrankheit – wie auch eine Covid-19-Infektion – auf eine Arbeitsschicht zurückgeführt werden, ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu prüfen (siehe auch: Födermayr, Strukturfragen der österreichischen gesetzlichen Unfallversicherung – Zustand nach Covid-19, DRdA 2023, 190).

Unter einem Unfall versteht man ein im Allgemeinen von außen auf Geist und/oder Körper einwirkendes, meist plötzlich eintretendes, zumindest aber zeitlich eng begrenztes Ereignis, durch das eine Gesundheitsschädigung oder der Tod bewirkt wird (OGH 19.05.2021, 10 ObS 48/21p Rz 24).

Gemäß § 90 B-KUVG sind Dienstunfälle Unfälle, die sich – wie Dienstunfälle - im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen.

Nach der Judikatur des VwGH (04.02.2009, 2008/12/0062) können auch Infektionen wie zum Beispiel, Hepatitis nach einer Blutspende oder Darminfektion nach Aufnahme verdorbener Nahrung, als Unfall qualifiziert werden.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 175 Abs. 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen (= inneren) Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ereignen. Nach der Judikatur des OGH (10.07.2001, 10 ObS 120/01x) ist für den Unfallversicherungsschutz grundlegend, dass die unfallverursachende Handlung mit dem die Versicherungspflicht auslösenden Dienstverhältnis in einem inneren Zusammenhang steht.

Fallkonkret versah die Beschwerdeführerin unstrittig von XXXX bis XXXX ihren Nachtdienst auf der Klinik XXXX und überwachte dort einen mit Covid-19 infizierten Insassen. Die Beschwerdeführerin hielt sich längere Zeit im selben Raum wie der Insasse auf, ohne eine Trennwand oder effektive Lüftung. Ihre am XXXX diagnostizierte Covid-19 Infektion steht daher, wie beweiswürdigend ausgeführt, in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen (= inneren) Zusammenhang zu ihrer Dienstverrichtung. Als plötzlich bzw zumindest zeitlich eng begrenzt wird eine Einwirkung dann angesehen, wenn sie innerhalb einer Arbeitsschicht auftritt, was im gegenständlichen Fall zu bejahen ist, da der zu bewachende Insasse und die Beschwerdeführerin am XXXX ein positives Testergebnis aufwiesen.

Bei Wegunfällen sei von der Judikatur näher ausgeführt worden, dass dieser Zusammenhang nicht nur dann besteht, wenn die versicherte Beschäftigung der einzige Grund des Weges ist. Ist eine eindeutige Aufteilung des Weges im dienstbedingte und eigenwirtschaftlich dominierte Teilstücke nicht möglich, dann besteht der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auf dem gesamten Weg, wenn er zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich auch der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt war (VwGH 04.07.2000, 94/12/0160).

Übertragen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die Infektion ihre einzige Ursache nicht zweifelsfrei im zu bewachenden Patienten haben muss. Es muss aus der risikogeneigten Tätigkeit der Beschwerdeführerin innerhalb der Justizwache davon ausgegangen werden, dass ein sonst üblicher Schutz bei Kundenkontakt wie zum Beispiel: Trennwände, Abstand, Lüftungspausen durch die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer dienstlichen Tätigkeit nicht eingehalten werden konnte.

Um dem Versicherten den Beweis der notwendigen Zusammenhänge etwas zu erleichtern, bedient man sich eines sogenannten modifizierten Anscheinsbeweises (RIS-Justiz RS0110571). Dabei stützt man sich darauf, dass ein bestimmter Geschehensverlauf typisch und es daher wahrscheinlich ist, dass im konkreten Einzelfall auch dieser typische Geschehensverlauf und kein atypischer gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266).

Wendet man diese Grundsätze nun auf eine Covid-19-Infektion an, so stellt die Infektion einen Unfall iSd § 175 Abs 1 ASVG dar. Kann der Versicherte – mit Hilfe des Anscheinsbeweises – nachweisen, dass es – etwa durch Nennung einer konkreten Indexperson oder durch Nachweise einer großen Anzahl von Infizierten in seinem Tätigkeitsbereich – wahrscheinlich ist, dass er sich – während einer Arbeitsschicht – im geschützten Lebensbereich infiziert hat und ist nicht ebenso wahrscheinlich, dass die Infektion im ungeschützten Privatbereich stattgefunden hat, so liegt das Infektionsgeschehen innerhalb des geschützten Bereichs und daher ein Arbeitsunfall vor (siehe auch: Födermayr, Strukturfragen der österreichischen gesetzlichen Unfallversicherung – Zustand nach Covid-19, DRdA 2023, 190).

Die Beschwerdeführerin hatte im Patientenzimmer unmittelbar am Krankenbett Wachedienst zu versehen und war dadurch im Zuge ihrer Dienstverrichtung einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt, weshalb dies für einen Anscheinsbeweis ausreicht, dass sie sich im Zuge ihrer Dienstverrichtung infizierte. Sie verneinte es auch, sich im Privatbereich infiziert zu haben. So wurde die – zwei Tage später schwer erkrankte - Tochter der Beschwerdeführerin noch negativ getestet, als die Beschwerdeführerin bereits Covid19-Symptome hatte.

Die Tatsache der erhöhten Risikoneigung des Wachedienstes führte nicht nur zur Anerkennung als Berufskrankheit im Allgemeinen, sondern im Fall der Beschwerdeführerin bei einer Infektion- höchstwahrscheinlich- im Zuge der Bewachung eines positiv getesteten Patienten auch zu einem Dienstunfall und somit zu einer Ausnahme der Kürzung der Nebengebühren und sonstigen Zahlungen gemäß § 15 Abs. 5 Z 2 GehG.

Ist die Beamtin oder der Beamte länger als einen Monat vom Dienst abwesend, ruht die pauschalierte Nebengebühr gemäß § 15 Abs. 5 GehG. Ein Ruhen pauschalierter Nebengebühren bleibt jedoch dann außer Betracht, wenn gemäß § 15 Abs. 5 Z 2 GehG ein Dienstunfall vorliegt. Aufgrund dessen, dass ein Dienstunfall vorliegt, verbleibt daher kein Raum für eine Ruhendstellung von Nebengebühren oder anderen Leistungen.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen war der Beschwerde daher stattzugeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es ist von der höchstgerichtlichen Judikatur hinreichend geklärt, dass einerseits auch Infektionen als Dienstunfall eingestuft werden können und dass andererseits auch eine weitere mögliche Ursache für die Erkrankung der Zuordnung in die dienstliche Sphäre nicht schadet.

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