BVwG W118 1431233-1

BVwGW118 1431233-19.10.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W118.1431233.1.00

 

Spruch:

W118 1431233-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. ECKHARDT als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.12.2012, Zl. 12 16.807-BAT, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchteil I. des Bescheides des Bundesasylamtes gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 09.10.2015 erteilt.

In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Afghanistan, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung gab der BF im Wesentlichen Folgendes an: Sein Bruder XXXX sei in Afghanistan ein Taliban-Kämpfer. Nach dem Einmarsch der Afrikaaner (gemeint wohl: der Amerikaner) hätte sein Bruder in den Iran flüchten müssen. Die Amerikaner seien fast jeden Tag zu ihm nach Hause gekommen und hätten nach dem Bruder gefragt. Sie hätten nicht geglaubt, dass der Bruder in den Iran geflüchtet sei. Er hätte auch ein Verhältnis mit einem Mädchen von seinem Onkel väterlicherseits gehabt. Die Familien seien auch dagegen gewesen. Er hätte auch Angst gehabt, die Amerikaner würden ihn festnehmen.

3. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der BF ergänzend im Wesentlichen an: Er hätte in der Provinz XXXX im Distrikt XXXX im Dorf XXXX gelebt. Er sei dort aufgewachsen und hätte dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Von dort aus sei er in den Iran gereist. Er hätte mit seinem Vater, seinen drei Brüdern und drei Schwestern gelebt. Die Mutter sei vor etwa fünf Jahren verstorben. Der ältere Bruder wäre zuletzt schon im Iran gewesen. Eine Schwägerin hätte ebenfalls bei ihnen gelebt. Das Haus hätte ihnen gehört. Die Onkel väterlicherseits lebten im Heimatdorf, die Onkel mütterlicherseits lebten in derselben Provinz. Die Familie besitze Agrarland (Gärten) und ein Haus. Von den Erträgen der Gärten hätten sie gut leben können.

Er hätte vier Jahre lang die Schule besucht. Danach hätte er dem Vater bis zu seiner Ausreise in der Landwirtschaft geholfen. Mit dem Vater habe er Kontakt, die Lage in Afghanistan sei unverändert. Der BF hätte Afghanistan vor sechs Jahren verlassen. Ungefähr fünf Jahre sei er illegal im Iran gewesen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, sein Bruder sei früher bei den Taliban gewesen, vor der amerikanischen Besatzung. Also nicht bei den jetzigen Taliban. Die Taliban seien damals gestürzt worden. Sein Bruder sei dann ohne Beschäftigung gewesen. Seine Onkel väterlicherseits seien mit ihnen verfeindet gewesen. Sie hätten den Bruder an die Regierung verraten und erzählt, dass der Bruder Taliban gewesen sei.

Dann seien die Amerikaner gekommen und hätten das Haus durchsucht. Der Bruder sei aber nicht zu Hause gewesen. Er sei zu Besuch bei einem Onkel mütterlicherseits gewesen. Die Amerikaner hätten nach Waffen gesucht, aber keine finden können. Der Bruder sei erst am nächsten Tag nach Hause gekommen. Der Vater hätte ihm vom Vorfall erzählt und gesagt, die Amerikaner glaubten, dass er immer noch aktiver Talib sei. Sein Bruder sei der Ansicht gewesen, dass die Amerikaner die Familie weiter belästigen würden, weshalb er drei Tage später beschloss, in den Iran auszureisen. Dies habe vor etwa acht bis neun Jahren stattgefunden.

Nach seiner Flucht hätten Probleme mit den Onkeln väterlicherseits begonnen. Sie seien ja schon früher mit ihnen verfeindet gewesen, aber nachdem das Familienoberhaupt geflüchtet sei, seien sie den Onkeln ausgeliefert gewesen, da der Vater ja ein alter Mann sei. Das Haus hätten sie zur Zeit der Taliban gebaut. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes hätten die Onkel und Cousins Anspruch auf das Grundstück erhoben. Zwei oder drei Mal hätten sich die Onkel deshalb an die Distriktsverwaltung gewandt. Zwei, drei Mal sei es auch zu einer Gerichtsverhandlung gekommen. Das Gericht hätte das Grundstück der Familie des BF zugesprochen. Die Onkel und Cousins hätten den Beschluss nicht akzeptiert und hätten sie belästigt und versucht, ihnen Angst einzujagen, indem sie an der Tür klopften.

Außerdem sei da noch die Sache mit der Cousine väterlicherseits gewesen. Diese sei ihm schon von Kind an versprochen gewesen. Tatsächlich hätten sie sich auch geliebt. Onkel und Cousins seien jedoch wegen der Grundstücksstreitigkeit von ihrem Versprechen abgekommen und hätten sich nicht daran halten wollen. Immer wenn er unterwegs gewesen sei, hätten sie ihm vorgeworfen, dass er die Schwester mitnehmen wollte. Einmal hätten sie ihn hinter der Moschee mit einem Gehstock geschlagen. Er hätte nicht einmal zu ihren Grundstücken gehen können, weil sie ihm immer auf dem Weg aufgelauert hätten.

Wegen des Bruders hätte er auch Probleme mit den Amerikanern gehabt. Diese hätten sie regelmäßig im Intervall von etwa 20 Tagen aufgesucht und hätten wissen wollen, wo der Bruder sei. Die Amerikaner würden auch nach acht, neun Jahren immer noch kommen. Ihr Stützpunkt befinde sich in der Nähe. Die Taliban hätten vor ein, zwei Jahren amerikanische Soldaten zerstückelt. Mit dieser Tat brächten die Amerikaner den Bruder in Verbindung. Sie glaubten, er sei noch immer aktiv.

Die Amerikaner seien mit einem Dolmetscher gekommen. Sie seien ins Haus gestürmt und hätten es nach Waffen und Beweisen durchsucht, aber nie etwas gefunden. Die Familie hätte keine andere Möglichkeit gehabt als zu bleiben.

Die Cousins hätten befürchtet, er könnte seine Cousine mit Hilfe der Frauen entführen. Diese hätten weiterhin ein gutes Verhältnis gehabt. Die Eltern der Cousine seien aber streng gewesen. Sie hätten sich nicht treffen können. Seit seiner Ausreise dürfe sie das Haus verlassen und es hätten mehrere um sie geworben. Sie wolle aber nur ihn heiraten. Wahrscheinlich werde sie aber auf Druck der Familie bald (einen anderen) heiraten. Durch das Verhältnis zu seiner Cousine hätte die Familie der Cousins einen schlechten Ruf bekommen. Im Dorf sei nämlich darüber gesprochen worden, warum ihn die Cousins geschlagen hätten. Die Cousins bzw. deren Schläge seien letztlich fluchtauslösend gewesen. Die Verlobung sei nach dem Einmarsch der Amerikaner gelöst worden. Der BF hätte seine Cousine vor sechs, sieben, acht Jahren zuletzt gesehen. Das sei bei einer Hochzeit gewesen. Davor auf dem Weg zu einer Quelle. Nach dem Sturz der Taliban habe er sie nicht mehr besucht.

Der Vater hätte sich zur Auflösung der Verlobung nicht geäußert. Die Geschwister würden nach wie vor auf dem Weg zu den Feldern belästigt. Er selbst hätte nicht zu den weit entfernten Feldern gehen können.

Auf Vorhalt, weshalb der BF bei der Erstbefragung angegeben hätte, die Amerikaner seien täglich gekommen, gab der BF an, das stimme, erst seien sie täglich gekommen, dann etwa monatlich. Die lange Feindschaft mit den Onkeln hätte er bei der Erstbefragung nicht angegeben, da der Dolmetscher gemeint hätte, dass er das beim nächsten Mal angeben solle. Er hätte sich an die Behörden gewandt, aber diese würden nur gegen Bezahlung arbeiten. Im Fall der Rückkehr würde er von seinen Cousins getötet werden. Auch, wenn er nach Kabul zurückkehren würde.

In Österreich lebe lediglich eine Cousine des BF. Sonstige soziale Beziehungen habe der BF nicht. Er verbringe seine Zeit mit seiner Cousine.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.12.2012 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II) ab und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Im Hinblick auf die Angaben zur Person folgte das Bundesasylamt im Wesentlichen den Ausführungen des BF. Das Bundesasylamt stellte fest, der BF sei afghanischer Staatsangehöriger, gesund, arbeitsfähig, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei Moslem (Sunnit). Er sei ledig und habe keine Kinder. Er verfüge über Verwandtschaft und Freunde in Afghanistan. Er hätte als Landwirt Berufserfahrung sammeln können. Er stamme aus der Provinz XXXX. Diese Provinz sei ohne Durchquerung besonders gefährlicher Gebiete zu erreichen.

Zu den Fluchtgründen stellte das Bundesasylamt fest, diese seien unglaubwürdig. Es hätte nicht festgestellt werden können, dass der BF aufgrund von Problemen mit den Amerikanern und/oder Verwandten väterlicherseits ausgereist sei. Es hätte auch keine sonstige besondere Gefährdung des BF festgestellt werden können. Im Fall der Rückkehr könnte der BF wieder bei der Familie wohnen. Der BF hätte Chance auf Arbeit. Er sei wirtschaftlich hinreichend abgesichert und würde somit in keine ausweglose Situation geraten. Er könnte in Afghanistan einer Arbeit nachgehen.

Hinsichtlich der Sicherheitslage in XXXX wurden damals aktuelle Länderberichte zugrunde gelegt. Ferner wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation gerichtet.

Die Angaben des BF seien zwar im Wesentlichen gleich geblieben, hätten jedoch aufgrund gleichbleibender Stehsätze sowie des oberflächlichen Inhalts nicht glaubhaft gemacht werden können. Eine konkret gegen den BF gerichtete asylrelevante Verfolgung hätte nicht festgestellt werden können. Die Aussagen seien vage und unpräzise geblieben. Der BF hätte nicht den Eindruck erwecken können, dass das Geschilderte persönlich Erlebtes darstellte. Die Antworten seien ausweichend und detailarm gewesen. Die Ausreise sei aufgrund von vagen Befürchtungen erfolgt. Eine konkrete Verfolgungsgefahr hätte nicht glaubhaft gemacht werden können.

Die Angaben zu den Besuchen der Amerikaner seien nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich gewesen. Die Angaben zu den Grundstücksstreitigkeiten seien erst in der Einvernahme gemacht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nicht die gesamte Familie die Flucht angetreten hat. Auch die Angaben zur Arbeit auf den Feldern bzw. deren Erreichbarkeit seien widersprüchlich gewesen, die Erklärungen für die Widersprüche nicht ausreichend. Die Befürchtung der Cousins, dass der BF die Cousine entführen könnte, sei ebenso nicht glaubhaft.

Als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Berufserfahrung könne der BF seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Auch die Sicherheitslage in XXXX spreche entsprechend der Anfrage-Beantwortung durch die Staatendokumentation nicht gegen eine Rückkehr, da die Taliban zwar wieder erstarken würden, sich ihre Angriffe aber primär gegen Führungskräfte, Mädchenschulen und Freiwillige Organisationen richte. Außerdem verfüge der BF über familiäre Anknüpfungspunkte. Zumindest sei eine Ansiedlung in Kabul, Mazar-i Sharif, Jalalabad oder Herat möglich. Die Situation in Kabul lasse eine solche Ansiedlung zu.

Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des BF diese nicht asylrelevant seien. Es liege eine private Auseinandersetzung vor, die in keinem Zusammenhang mit einem der in der GFK angeführten Verfolgungsgründe stehe. Eine konkret gegen den BF gerichtete Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sei nicht behauptet worden.

Eine ohne Repressionen verlaufene Hausdurchsuchung und eine bloß dreistündige Anhaltung stellten nach einer Entscheidung des VwGH mangels asylrechtlich relevanter Eingriffsintensität keine Verfolgungshandlung iSd GFK dar.

Überdies stehe dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die subjektive Furcht vor den Feinden schließe eine solche nicht aus. Da die Familie Haus und landwirtschaftliches Land besitze, müsste es dem BF relativ leicht fallen, sich der Verfolgung mit familiärer Unterstützung durch Übersiedelung in einen anderen Teil Afghanistans zu entziehen. Gerade in Kabul sei man grundsätzlich gewillt, Schutz zu gewähren.

Zur Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, die Sicherheitslage in XXXX stünde einer Rückkehr nicht entgegen, XXXX sei über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen. Der BF sei ein arbeitsfähiger Mann. Er sei vor seiner Ausreise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und hätte seinen Lebensunterhalt sichern können. Es bestünden familiäre Bezugspunkte, der BF sei mit den Gepflogenheiten im Heimatland vertraut.

Zur Ausweisungsentscheidung gab das Bundesasylamt an, der BF hätte keine geschützten Familienangehörigen in Österreich. Die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung würden das Interesse des BF am Aufenthalt in Österreich überwiegen.

5. Mit Schreiben vom 10.12.2012 erhob der BF eine Beschwerde gegen den angeführten Bescheid und beantragte dessen Aufhebung. Der Beschwerde ist ein Schreiben des BF beigefügt, in dem er im Wesentlichen sein Vorbringen wiederholt.

6. Mit Datum vom 04.09.2014 fand eine Verhandlung vor dem BVwG statt, in deren Rahmen der BF im Wesentlichen seine im bisherigen Verfahren getätigten Aussagen bestätigte und ergänzte.

Eingangs der Verhandlung legte der BF Bestätigungen betreffend seine Eheschließung in Österreich nach islamischem Recht sowie seine Bemühungen um standesamtliche Eheschließung vor.

Ferner teilte der BF mit, seine Cousine, die mit ihm verlobt gewesen sei, sei am 20.07.2013 durch ihre Brüder getötet worden. Aber diese hätten behauptet, dass sie Selbstmord begangen hätte. Die Brüder hätten dem BF den Mord an der Schwester in die Schuhe geschoben. Nach den Angaben des Vaters des BF sei der Druck auf die Familie so sehr gestiegen, dass dieser beschlossen hätte, Afghanistan mit der Familie zu verlassen. Der Vater des BF sei geschlagen und misshandelt und am rechten Bein und am Rücken so schwer verletzt worden, dass er drei Wochen im Spital stationär behandelt werden musste. Seit sechs Monaten hätte der BF keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Er wisse nicht, ob sie sich noch in Afghanistan aufhalte.

Im Hinblick auf die vorgelegten umfangreichen Unterlagen zu den vorgebrachten Grundstücksstreitigkeiten konnte im Rahmen der Verhandlung mit Hilfe der Dolmetscherin geklärt werden, dass diese tatsächlich einen jahrelangen Rechtsstreit zwischen den vom BF genannten Personen und der Familie des BF dokumentieren.

Ferner konnte das komplexe Fluchtvorbringen dahingehend konkretisiert werden, dass am Beginn der Wunsch der Onkel väterlicherseits stand, das Grundstück der Familie des BF zu erlangen. Als die amerikanische Armee nach dem Bruder des BF suchte und dieser als Oberhaupt der Familie in den Iran flüchtete, versuchten Onkel und Cousins, die schwierige Lage der Familie des BF auszunutzen und das Grundstück der Familie an sich zu bringen. Außerdem hätten Sie nicht mehr gewollt, dass der BF die Cousine heiratet. Aus Warte der Cousins sei durch das Verlöbnis jedoch ein Schatten auf die Cousine gefallen. Nach ihrer Ansicht hätte die Cousine nur dann Aussicht auf Verheiratung gehabt, wenn der BF gestorben wäre.

Die Hausdurchsuchungen durch die amerikanische Armee seien nicht fluchtauslösend gewesen.

7. Mit Datum vom 18.09.2014 übermittelte die rechtliche Vertreterin des BF eine Stellungnahme, in der im Wesentlichen auf die sich stetig verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen wird. Die Lage sowohl des BF als auch die allgemeine Sicherheitslage würden unterschätzt. Verwiesen wird auf Berichte über die Ermordung unverheirateter Liebespaare. Ferner wird auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD zum Pashtunwali verwiesen sowie auf weitere Berichte, so etwa des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo betreffend Blutrache. Diesen Berichten entsprechend sei dem BF in jedem Fall subsidiärer Schutz zu gewähren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist afghanischer Staatsbürger, am XXXX geboren, und stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist Paschtune, sunnitischer Moslem und hat in der Zwischenzeit in Österreich nach islamischem Recht geheiratet. Der BF strebt eine standesamtliche Heirat in Österreich an.

Der BF ist in der Provinz XXXX im Distrikt XXXX im Dorf XXXX aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise mit seinem Vater, seinen drei Brüdern und drei Schwestern gelebt. Die Mutter ist etwa fünf Jahre vor der Ausreise verstorben. Der ältere Bruder hat sich zuletzt im Iran aufgehalten. Ferner hat eine Schwägerin bei der Familie des BF gelebt. Die Familie hat ein eigenes Haus besessen. Die Onkel väterlicherseits lebten im Heimatdorf, die Onkel mütterlicherseits lebten in der Provinz XXXX. Die Familie besitzt Agrarland (Gärten) und das angeführte Haus. Von den Erträgen der Gärten konnte die Familie in der Vergangenheit gut leben.

Der aktuelle Aufenthalt der Familie ist dem BF nicht bekannt, da er seit sechs Monaten vor dem Zeitpunkt der Verhandlung keinen Kontakt mehr hatte. Zu diesem Zeitpunkt teilte der Vater des BF diesem mit, dass er beabsichtige, mit der gesamten Familie aus Afghanistan zu fliehen.

Während der Herrschaft der Taliban war ein Bruder des BF ein Mitglied dieser Bewegung. Damals war es üblich, dass jede Familie eine männliche Person den Taliban zur Verfügung stellen sollte.

Nach dem Sturz der Taliban haben die Cousins väterlicherseits des BF dessen Bruder bei der amerikanischen Armee und der afghanischen Regierung angezeigt. Dieser verließ daraufhin Afghanistan. Seitens der amerikanischen Armee kam es in der Folge wiederholt zu Hausdurchsuchungen, die jedoch für die Flucht des BF nicht kausal waren.

Durch den Weggang des älteren Bruders als Familienoberhaupt (der Vater des BF konnte diese Rolle aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr wahrnehmen) kam es allerdings zu einer Schwächung der Familie. Diese versuchten sich die Cousins väterlicherseits zu Nutze zu machen, zumal die Familien betreffend die Grundstücke der Familie des BF in einem jahrelangen Rechtsstreit verfangen waren. Die Cousins versuchten, die Schwächung der Familie des BF zu nutzen, um die Grundstücke endgültig an sich zu bringen, nachdem sie auf dem Rechtsweg mehrfach unterlegen waren.

Außerdem nahmen die Cousins die Schwächung der Familie zum Anlass, um ein Eheversprechen mit ihrer Schwester aufzulösen, das dem BF bereits im Jugendalter gegeben worden war. Zwar war der BF bereit, sich mit diesem Umstand abzufinden, die Cousins fürchteten jedoch dennoch um die Ehre der Schwester. Dabei kam es zu mehreren tätlichen Übergriffen. Die Cousins brachten gegenüber dem Vater des BF ihren Standpunkt zum Ausdruck, solange der BF am Leben sei, werde ihre Schwester keine Aussicht haben, einen anderen Mann zu heiraten. Wenn er tot wäre, könnte man sagen, der Verlobte sei gestorben und es würde die Möglichkeit bestehen, dass sie einen anderen Mann heiratet.

In der Folge verließ der BF Afghanistan in Richtung Iran, zumal ihm seitens der Polizei keine Unterstützung zuteil wurde. Nach drei Jahren Aufenthalt im Iran erfuhr der BF jedoch, dass ihm auch dort nachgestellt wurde, weshalb er weiter nach Österreich flüchtete.

Ca. sechs Monate vor der Verhandlung kam die Cousine des BF zu Tode. Die Schuld daran wird dem BF gegeben.

Zur aktuellen Lage in Afghanistan werden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:

Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht.

(Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013)

Laut afghanischer Verfassung ist es Präsident Karzai nicht erlaubt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren.

Die afghanische Nationalversammlung ("Shuraye Melli") besteht aus dem Unterhaus (Volksvertretung, "Wolesi Jirga") und dem Oberhaus (Ältestenrat/Senat, "Meshrano Jirga"), die nach dem Modell eines klassischen Zweikammersystems gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 18. September 2010 statt. Die Auseinandersetzung um die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen hielt Monate an.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S. 7; United States, Country on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, vom 19. April 2013, S. 1, Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, vom April 2013; derstandard.at, "Afghanische Wahlkommission bestätigt Liste für Präsidentschaftswahl", vom 20. November 2013; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan vom Januar 2014, S.

4)

Beim ersten Termin der Präsidentschaftswahlen am 05.04.2014 errangen Abdullah Abdullah mit 45 Prozent sowie Ahraf Ghani mit 31,6 Prozent die meisten Stimmen. Die Stichwahl fand am 14.06.2014 statt und war von Gewalt überschattetet. Die Wahlbeteiligung betrug dennoch fast 60 Prozent. Erste Resultate werden am 02.07.2014, das Endergebnis wird am 22.07.2014 erwartet. Abdullah und Ghani erhoben bereits gegenseitige Betrugsvorwürfe.

(Der Standard, Afghanistan: 250 Tote am Wahltag vom 15.06.2014)

Die Stichwahl für das Präsidentenamt in Afghanistan ist von Anschlägen, Angriffen und Gefechten mit etwa 250 Toten überschattet worden. Nach Angaben von Regierung und Provinzbehörden wurden am Wahltag 176 Aufständische, 44 Zivilisten und 29 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Der Samstag war damit der blutigste Wahltag in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001.

(Die Presse, Rund 250 Tote am Wahltag in Afghanistan vom 15.06.2014)

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde. In der afghanischen Verfassung ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert und das Gesetz der Sharia wird nicht in dieser erwähnt. Jedoch wird Afghanistan als islamische Republik beschrieben, in welcher der Islam eine heilige Religion ist. Demzufolge darf es kein Gesetz geben, welches mit dem Glauben und der Religionspraxis im Islam in Konflikt gerät.

(IDEA [The International Institute for Democracy and Electoral Assistance]: Afghanistan: "An Electoral Management Body Evolves"; NDI [National Democratic Institute]: "Political Parties in Afghanistan - A Review of the State of Political Parties after the 2009 and 2010 Elections", vom Juni 2011; AREU [Afghanistan Research and Evaluation Unit]: "Women's Economic Empowerment in Afghanistan 2002-2012" vom Juli 2013)

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans. Anstrengungen, die zur Sicherung der bisherigen Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013, S. 4 und vom 31. März 2014, S.4)

Am Nato-Gipfeltreffen in Chicago im Mai 2012 wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012, S. 2)

Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 12)

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 1)

Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012)

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.

Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 15)

Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits-Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.

Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)

Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.

Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1f)

Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.

Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 16 f.)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 11)

In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einem Selbstmordanschlag acht Menschen getötet worden. Ziel des Attentäters sei ein Bus mit Militärangehörigen im stark abgesicherten Gebiet in der Nähe der Universität gewesen, teilte die Polizei heute mit. Mindestens fünf der Toten gehörten zur Luftwaffe. Bei der Explosion seien zudem 13 weitere Menschen verletzt worden. Vor zwei Wochen fand in Afghanistan eine Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Das Wahlergebnis sollte eigentlich heute bekanntgegeben werden.

(ORF-online; http://www.orf.at/ #/stories/2236311/, Acht Tote bei Selbstmordanschlag in Kabul, 02.07.2014)

Bei tagelangen Gefechten in der südafghanischen Provinz Helmand sind nach offiziellen Angaben mehr als 330 Menschen getötet worden, darunter Dutzende Zivilisten. Das Innenministerium in Kabul teilte am Sonntag mit, mindestens 250 Taliban-Kämpfer seien unter den Toten der vergangenen zehn Tage. Nach Angaben der Provinzregierung kamen mindestens 32 Angehörige der Sicherheitskräfte und 50 Zivilisten ums Leben, darunter Frauen und Kinder. Der Sprecher der Provinzregierung, Omar Zwak, sagte, rund 3200 Familien seien vor der Gewalt geflohen. Die Gesundheitsbehörden in Helmand meldeten mehr als 300 Verwundete.

Am vorvergangenen Freitag hatten nach Zwaks Angaben mehr als 1000 Taliban-Kämpfer in den Distrikten Nawzad, Sangin, Kajaki und Musa Qala Stellungen der Sicherheitskräfte angegriffen. Diese begannen daraufhin eine Gegenoffensive. Zwak sagte, die Aufständischen seien weitgehend zurückgeschlagen worden, Gefechte dauerten aber noch an. Die Taliban waren in den vergangenen Jahren von offenen Großangriffen auf Sicherheitskräfte abgekommen und hatten vor allem auf Anschläge mit Sprengfallen gesetzt. Ihre Offensive gegen afghanische Sicherheitskräfte im Süden könnte einen Strategiewechsel vor dem Auslaufen des NATO-Kampfeinsatz zum Jahresende signalisieren.

(DiePresse.com,http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/3829431/Sudafghanistan_Hunderte-Tote-nach-tagelangen-Kaempfen?from=suche.intern.portal , 29.06.2014)

Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind nach Polizeiangaben drei US-Soldaten getötet worden. Der an einem Motorrad befestigte Sprengsatz explodierte den Angaben zufolge gestern in der Nähe einer Patrouille der NATO-geführten Afghanistan-Truppe ISAF. Die ISAF bestätigte den Vorfall im Bezirk Nad Ali in der südafghanischen Provinz Helmand. Pentagon-Vertreter erklärten, es habe sich um US-Soldaten gehandelt. Die islamistischen Taliban bekannten sich in einer Textbotschaft zu dem Attentat.

(ORF-Online, Drei US-Soldaten bei Anschlag in Afghanistan getötet vom 21.06.2014)

Drei Selbstmordattentäter der Taliban haben in Afghanistan Anschläge auf Nato-Lastwagen verübt. An der Grenze zu Pakistan im Osten des Landes hätten sich Polizisten und Taliban-Kämpfer daraufhin einen Schusswechsel geliefert, meldeten afghanische Offizielle. Alle drei Angreifer seien getötet worden, hieß es aus der Provinzregierung. Einer habe sich selbst in die Luft gesprengt, die beiden anderen seien von Polizisten erschossen worden. Die Taliban bekannten sich zu den Anschlägen. Die Attentäter hätten die Wagen auf dem Parkplatz des Nato-Quartiers in der Provinz Nangarhar attackiert, sagte ein Sprecher der Grenzpolizei. Der Gebäudekomplex am Torkham-Checkpoint liegt an einer wichtigen Route für Lieferungen der Nato in Afghanistan - die meisten Transporte der Truppe laufen über diesen Grenzposten. Der durch die Anschläge ausgelöste Schaden ist offenbar verheerend. Der Provinzregierung zufolge wurden durch Explosionen, die bei dem Schusswechsel ausgelöst wurden, 37 Nato-Benzinlaster beschädigt oder gänzlich zerstört.

(Spiegel-Online,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-taliban-anschlag-auf-nato-lastwagen-a-976069.html , vom 19.06.2014)

Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.

(ANSO, Quarterly Report ,vom April 2013)

Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen.

(ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013)

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu.

(ANSO, Quarterly Report, vom April 2013)

Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind.

(UNAMA-Annual Report vom Februar 2014)

Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72 Prozent in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen.

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert.

(Der Spiegel: "Abzug aus Afghanistan", 6. Oktober 2013)

Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen:

Provinz Wardak:

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul. Wardak ist für die Aufständischen perfekt positioniert, welche die naheliegenden Bergdörfer unter Kontrolle haben, und sie als Basen für ihre Selbstmordattentate in die Stadt nützen. Rebellen greifen bereits hier amerikanische und afghanische Kräfte an und führen Selbstmordattentate durch. Es herrscht die Angst, dass der Abzug der amerikanischen Spezialeinheiten die Rebellen ermutigt.

(Reuters: Analysis: "Afghan security vaccum feared along gateway to Kabul" vom 13. März 2013)

Die Taliban-Rebellen und die al-Qaida-Kämpfer sehen Wardak als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul.

(BBC: "Taliban bombers hit Afghanistan Wardak intelligence HQ" vom 8. September 2013)

Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:

Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:

1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).

Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.

Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.

Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.

Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.

Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 27ff.)

Allerdings hat die Ernennung der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.

(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)

So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.

(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vgl. Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:

"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)

Geschlechtsspezifische Verfolgung:

Während sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat, bleibt die vollumfängliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter und dementsprechend die Wahrung der Rechte der Frauen fragil und unzureichend. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden.

Die Situation der Frauen war bereits vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes geprägt. So war die Burka auch vor der Taliban-Herrschaft bei der ländlichen weiblichen Bevölkerung ein übliches Kleidungsstück. Viele Frauen tragen sie noch immer, weil sie sich damit vor Übergriffen sicher fühlen. Während Frauenrechte in der Verfassung und teilweise im staatlichen Recht gestärkt werden konnten, liegt ihre Verwirklichung für den größten Teil der afghanischen Frauen noch in weiter Ferne. Gesetze zum Schutz und Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit.

Die Lage der Frauen unterscheidet sich je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark. In weiten Landesteilen erlaubt es die unbefriedigende Sicherheitslage den Frauen nicht, die mit Überwindung der Taliban und ihrer frauenverachtenden Vorschriften erwarteten Freiheiten wahrzunehmen. Die meisten sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und im Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird und in dem kaum qualifizierte Anwältinnen oder Anwälte zur Verfügung stehen, in den seltensten Fällen möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage - oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt - Frauenrechte zu schützen.

Frauen werden weiterhin im Familien-, Erb-, Zivilverfahrens- sowie im Strafrecht benachteiligt. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Straftatbestands "Ehebruch", wonach selbst Opfer von Vergewaltigungen bestraft werden können. Fälle, in denen Frauen wegen "Ehebruchs" von Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern umgebracht werden (so genannte "Ehrenmorde"), kommen besonders in den paschtunischen Landesteilen vor. Im August 2010 hatten Taliban in der Provinz Kundus ein unverheiratetes Liebespaar wegen "Ehebruchs" öffentlich gesteinigt, was durch Präsident Karzai verurteilt wurde. Im August 2010 haben die Taliban in der Provinz Badghis eine Witwe wegen Ehebruchs gehängt, die vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes schwanger geworden war. Am 8. Dezember 2010 haben Taliban in der Provinz Takhar eine Frau wegen angeblichen Ehebruchs erschossen. Die AIHRC verurteilte die Tat.

Das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen liegt bei 15 Jahren, obwohl ein Mindestheiratsalter von 16 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Zwangsheirat bereits im Kindesalter, "Austausch" weiblicher Familienangehöriger zur Beilegung von Stammesfehden sowie weit verbreitete häusliche Gewalt kennzeichnen die Situation der Frauen. Opfer sexueller Gewalt sind auch innerhalb der Familie stigmatisiert. Das Sexualdelikt wird in der Regel als "Entehrung" der gesamten Familie aufgefasst. Sexualverbrechen zur Anzeige zu bringen hat aufgrund des desolaten Zustands des Sicherheits- und Rechtssystems wenig Aussicht auf Erfolg. Der Versuch endet u.U. mit der Inhaftierung der Frau, sei es aufgrund unsachgemäßer Anwendung von Beweisvorschriften oder zum Schutz vor der eigenen Familie, die eher die Frau oder Tochter eingesperrt als ihr Ansehen beschädigt sehen will.

Viele Frauen sind wegen sogenannter Sexualdelikte inhaftiert, weil sie sich beispielsweise einer Zwangsheirat durch Flucht zu entziehen versuchten, vor einem gewalttätigen Ehemann flohen oder weil ihnen vorgeworfen wurde, ein uneheliches Kind geboren zu haben.

Berichte der Afghanischen Menschenrechtskommission und der VN Mission in Afghanistan, UNAMA, registrierten eine steigende Anzahl von angezeigten Misshandlungen, Vergewaltigungen, Zwangsehen und ähnlichen v.a. gegen Frauen gerichtete Straftaten. Weitgehend besteht aber Einigkeit darüber, dass diese Zunahme im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass solche Straftaten vermehrt angezeigt werden. Auch eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Die internationale Gemeinschaft in Afghanistan verfolgt sehr aufmerksam die Umsetzung des Gesetzes zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2009, welches viele Straftaten erstmalig einführte.

Internationale Aufmerksamkeit erregte im Frühjahr 2009 die Verabschiedung des schiitischen Personenstandsgesetzes durch das Parlament. Es enthielt zahlreiche Frauen diskriminierende Bestimmungen. Nach massiven Protesten unterzeichnete Präsident Karzai am 19. Juli 2009 eine überarbeitete Fassung des Gesetzes, die er als Dekret in Kraft setzte. Bislang ist das Gesetz vom Parlament nicht wieder aufgenommen worden. Die Zivilgesellschaft begrüßte die in Kraft getretene Fassung des Gesetzes mehrheitlich; mehr sei in Anbetracht der politischen Kräfteverhältnisse nicht zu erreichen. Das in Kraft getretene Gesetz stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf dar. Gestrichen wurden unter anderem die höchst umstrittenen Passagen, die regeln sollten, wie häufig die Eheleute einander zu Geschlechtsverkehr verpflichtet sind. Zudem wurden einige Textstellen getilgt, die die Ehe mit/unter Minderjährigen bestrafen und diese damit implizit anerkannten sowie ein Artikel abgeändert, der das Verlassen des Hauses durch die Frau an die Zustimmung des Mannes knüpfte.

Zahlreiche Bestimmungen stehen aber im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen Afghanistans, vor allem zur Konvention zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW). Zwar erhält der Ehemann in der von Präsident Karzai in Kraft gesetzten Fassung kein "Vetorecht" mehr, wenn seine Frau das Haus verlassen möchte, doch darf die Frau nur zu "legalen Zwecken" ausgehen, und auch dies nur "in dem Maße, wie örtliche Gewohnheit es zulässt". Problematisch sind daneben unter anderem Bestimmungen zum Vormundschaftsrecht von Vater und Großvater, zur Einschränkung des Rechts der Frau zu arbeiten, zur Polygamie, zur finanziellen Kompensation für Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen, zur Verweigerung des Unterhalts durch den Mann bei Verweigerung "ehelicher Rechte" durch die Frau und zu Unterschieden im Erbrecht zwischen Männern und Frauen, v.a. in Bezug auf Immobilien.

Die Situation der Frau in Afghanistan wird in der Theorie durch die Verabschiedung des "Gesetzes zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen" (EVAWGesetz) verbessert, das am 19. Juli 2009 von Präsident Karzai unterzeichnet wurde. Das EVAW-Gesetz genießt nach seinem Schlussartikel Vorrang vor allen entgegenstehenden Normen. Es enthält zahlreiche Bestimmungen und hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen in allen Formen zu bekämpfen und zur Schaffung eines Bewusstseins von der Würde und den Rechten der Frau beizutragen. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden, die es nach einer UNAMA-Studie von Dezember 2010 zum Teil gar nicht kennen, weit entfernt.

Traditionell sind Mädchen und Frauen in der Region Herat in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit aufgrund eines ausgeprägt traditionellen Verhaltenskodex besonders stark eingeschränkt. In dieser Region wird - mit abnehmender Tendenz - eine erhebliche Zahl von Selbstverbrennungen von Frauen verzeichnet. Überwiegend handelt es sich dabei um aus Iran zurückgekehrte Flüchtlingsfrauen, von denen angenommen wird, dass sie sich hauptsächlich aus Verzweiflung wegen Zwangsverheiratung selbst verbrannt haben. Verlässliche Statistiken liegen nicht vor.

Frauen waren unter den Taliban (1996 bis 2001) von jeglicher Bildung ausgeschlossen. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen liegt Schätzungen zufolge in der Größenordnung von 10 Prozent.

Nach Angaben von UNICEF können nur 18 Prozent der Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren lesen und schreiben. Für die wenigen hochqualifizierten Afghaninnen hat sich jedoch der Zugang zu adäquaten Tätigkeiten bei der Regierung verbessert. Die Entwicklungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen bleiben durch die strenge Ausrichtung an Traditionen und fehlender Schulbildung weiterhin wesentlich eingeschränkt. Wiederholte Gasangriffe auf Mädchenschulen (zuletzt am 25. August 2010, Totja-Oberschule, Kabul - der fünfte mutmaßliche Gasangriff auf eine Mädchenschule in Kabul 2010; 2011 wurden keine derartigen Vorkommnisse bekannt) bestätigen, dass Schulbildung für Mädchen immer noch von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wird.

Im Juni 2008 wurde der mit Unterstützung von UNIFEM erarbeitete National Action Plan for Women of Afghanistan (NAPWA) von der Regierung gebilligt. NAPWA soll helfen, die Situation der Frauen in Afghanistan zu verbessern, insbesondere ihre Diskriminierung zu beenden, die Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen und ihnen volle und gleichberechtigte Beteiligung in allen Lebensbereichen (Wirtschaft, Gesundheit, Bildung) zu gewähren. Die staatlichen Institutionen sind jedoch bisher nicht fähig, die Vorgaben des NAPWA wirksam durchzusetzen. Oft liegt dies auch an den weiterhin bestehenden, den Forderungen des NAPWA entgegenstehenden kulturell verankerten Traditionen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S 20ff, und vom 4. Juni 2013, S. 12f, 31. März 2014, S. 13.)

Derzeit steht ein vom afghanischen Parlament verabschiedeter Gesetzesentwurf in der Kritik der EU, westlicher Regierungen und von Menschenrechtsorganisationen. Dieser Entwurf soll das afghanische Strafrecht dahingehend abändern, dass ein "Verbot der Befragung von Personen als Zeugen" vorgesehen wird. Davon betroffen sind Verwandte, Kinder, Ärzte und Anwälte der mutmaßlichen Täter. Opfer und Zeugen von häuslicher Gewalt sind somit zum Schweigen verurteilt. Präsident Karzai und sein Kabinett haben eine Überarbeitung der umstrittenen Passage angeordnet. Die neue Formulierung ist bisher nicht bekannt. Auch bei einer geplanten Änderung ist zu befürchten, dass die Position der Frauen weiter geschwächt wird, da über das Vernehmungsverbot hinaus ein sehr weitreichendes Zeugnisentschlagungsrecht vorgesehen ist. Da der Begriff der Familie nicht definiert ist, kann dies künftig dazu führen, dass die Bewohner des gesamten Dorfs vom Zeugnisentschlagungsrecht profitieren.

(derstandard.at: Afghanistan: "Geplantes Gesetz schränkt Rechte der Frauen drastisch ein" vom 5. Februar 2014; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Afghanistan: Neues Gesetz beschneidet Frauenrechte drastisch" vom 5. Februar 2014, Statement by EU High Representative Catherine Ashton on the Criminal Procedure Code in Afghanistan vom 10. Februar 2014, The Guardian "Hamid Karzai orders changes to draft law amid fears for Afghan women" vom 17. Februar 2014, The Guardian:

"Campaigners welcome Hamid Karzai's intervention on domestic abuse law" vom 17. Februar 2014)

In der Provinz Balkh ist die Lage der Frauen laut der Frauenbeauftragten der Regionalregierung zwar besser als in anderen Provinzen. Allerdings wird gerade hier v.a. in den letzten beiden Jahren von einer Welle von Selbstmorden von jungen Frauen berichtet. Die meisten schlucken Rattengift oder Pestizide. Als Grund werden Zwangsheiraten oder das Verbot, die Ausbildung fortzusetzen, angenommen.

(Neue Züricher Zeitung: "Verliebte junge Frauen schlucken Rattengift" vom 6. Februar 2014)

Außereheliche Beziehungen:

In Fällen außerehelicher Beziehungen kann den Beteiligten die Todesstrafe oder auch eine Haftstrafe drohen: In Afghanistan sind außereheliche Beziehungen (insbesondere auch Ehebruch) sowohl im Strafgesetz als auch gemäß der Scharia verboten und gelten als ehrverletzend - vor allem für die Familie der Frau. Deshalb kann es auch zu Ehrenmorden an der Frau wie auch am Mann kommen. Alle vor- oder außerehelichen Beziehungen gelten in Afghanistan als Zina-Vergehen. Sowohl in der Scharia wie auch im afghanischen Strafgesetz gilt Zina als schweres Verbrechen und wird bestraft. Zina bezeichnet im Islam den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die nicht verheiratet sind. Sowohl Frauen als auch Männer werden wegen Zina strafrechtlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt. Gemäß der Scharia reicht die Bestrafung für Zina von Auspeitschungen bis hin zur Steinigung. In Afghanistan gibt es viele Vorfälle und Morde aufgrund von Ehrverletzungen, in einigen Regionen kommt es zu Steinigungen. Ob der außereheliche Geschlechtsverkehr freiwillig war oder nicht, ist meistens nicht von Bedeutung: Es wird kaum eine Differenzierung zwischen Vergewaltigung und einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gemacht.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 10. Juni 2013)

Schädliche traditionelle Praktiken sind in Afghanistan weiterhin weit verbreitet und kommen in unterschiedlichem Ausmaß landesweit sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gemeinschaften und in allen ethnischen Gruppen vor. Die schädlichen traditionellen Bräuche, die in diskriminierenden Ansichten zur Rolle und Position der Frauen in der afghanischen Gesellschaften wurzeln, betreffen in unverhältnismäßig hohem Maße Frauen und Mädchen. Zu diesen Bräuchen gehören unterschiedliche Formen der Zwangsheirat, einschließlich Kinderheirat; Hausarrest und Ehrenmorde. Zu den Formen der Zwangsheirat in Afghanistan gehören:

(i) "Verkaufsheirat", bei der Frauen und Mädchen gegen eine bestimmte Summe an Geld oder Waren oder zur Begleichung einer Familienschuld verkauft werden

(ii) baad dadan, eine Methode der Streitbeilegung gemäß Stammestraditionen, bei der die Familie der "Angreifer" der Familie, der Unrecht getan wurde, ein Mädchen anbietet, zum Beispiel zur Begleichung einer Blutschuld

(iii) baadal, ein Brauch, bei dem zwei Familien ihre Töchter austauschen, um Hochzeitskosten zu sparen

(iv) Zwangsverheiratung von Witwen mit einem Mann aus der Familie des verstorbenen Ehemanns

Wirtschaftliche Unsicherheit und der andauernde Konflikt sind Gründe, warum das Problem der Kinderheirat fortbesteht, da diese oftmals die einzige Überlebensmöglichkeit für das Mädchen und seine Familie angesehen wird.

Nach dem EVAW-Gesetz stellen einige schädliche traditionelle Bräuche einschließlich des Kaufs und Verkaufs von Frauen zu Heiratszwecken, die Benutzung von Frauen als Mittel zur Streitbeilegung nach dem "baad"-Brauch sowie Kinder- und Zwangsheirat Straftatbestände dar. Die Umsetzung des Gesetzes erfolgt jedoch wie oben festgestellt langsam und inkonsistent.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.

Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f)

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)

Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.04.2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM vom Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen

(Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

Die traditionelle erweiterten Familien- und Gemeinschaftsstrukturen der afghanischen Gesellschaft bilden weiterhin den vorwiegenden Schutz- und Bewältigungsmechanismus, insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Infrastruktur nicht so entwickelt ist. Afghanen sind auf diese Strukturen und Verbindungen zum Zweck der Sicherheit und des wirtschaftlichen Überlebens, einschließlich des Zugangs zur Unterkunft und eines angemessenen Niveaus des Lebensunterhaltes angewiesen.

Alleinstehende Männer und Kernfamilien können unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft in städtischen oder semi-urbanen Gegenden mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung leben.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 06.08.2013).

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 14)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)

Risikogruppen:

In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013" geht UNHCR (HCR/EG/AFG/13/01) von folgenden "möglicherweise gefährdeten Personenkreisen in Afghanistan" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen

• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen

• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter

• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden

• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben

• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen

• Frauen

• Kinder

• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind

• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)

• Angehörige ethnischer (Minderheiten‑)Gruppen

• an Blutfehden beteiligte Personen

• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen

Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person inter-nationalen Schutzes bedürfen.

Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen, wie etwa:

• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern

• Zwangsrekrutierung

• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen

• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren

• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung

• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden und glaubwürdigten Angaben des BF im Rahmen der Einvernahme und der Verhandlung vor dem BVwG.

Der BF erweckte im Rahmen der Verhandlung einen ausgesprochen authentischen, einfachen und geradlinigen Eindruck und zeichnete auf überzeugende Weise das Bild einer archaischen Gesellschaft, in der Vorstellungen von Ehre herrschen, die mit den Maßstäben westlicher Gesellschaften nicht zu fassen sind.

Unterstützt wurde dieser Eindruck durch die Dokumente betreffend den angeführten Rechtsstreit, deren Authentizität für den erkennenden Richter aufgrund deren Umfangs, der Detailgetreue und des - wie von der rechtskundigen Dolmetscherin, die diese Dokumente auch übersetzt hat, in der Verhandlung bestätigt - stimmigen äußeren Erscheinungsbildes außer Zweifel steht.

Ferner stützen die zugrunde gelegten Länderfeststellungen, die aus Quellen stammen, an deren Verlässlichkeit kein Grund zu zweifeln besteht, die Angaben des BF.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

gegen Weisungen gemäß Artikel 81a Abs. 4.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Gemäß § 3 Abs. 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, können mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt werden, wenn die Rechtssache in diesem Zeitpunkt

zur Zuständigkeit eines Senates des Asylgerichtshofes gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Senates oder des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes gehört und alle Mitglieder dieses Senates bzw. der Einzelrichter dem Senat des Asylgerichtshofes angehört haben bzw. hat;

zur Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds des Asylgerichtshofes gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes gehört und es sich um denselben Organwalter handelt.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (idF GFK) droht.

Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 6.10.1999, 99/01/0279, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH vom 06.10.1998, ZI. 96/20/0287; VwGH vom 23.07.1999, ZI. 99/20/0208).

Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt beizupflichten, wenn es zum Ausdruck bringt, dass dem Vorbringen des BF keine Asylrelevanz zukommt. Im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG wurde klargestellt, dass die Hausdurchsuchungen durch die amerikanischen Streitkräfte nicht ursächlich für die Flucht des BF waren. Hinzu kommt, dass Hausdurchsuchungen in der beschriebenen Form - auch hier wird dem Bundesasylamt zuzustimmen sein - nicht die für die Gewährung von Asyl erforderliche Verfolgungsintensität aufgewiesen haben. Von der Anwendung unverhältnismäßiger Mittel wurde vom BF nicht berichtet.

Bei den beschriebenen Bedrohungen durch die Cousins wiederum handelt es sich um eine private Auseinandersetzung. Ein Konnex zu einem der Konventionsgründe ist jedoch nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Zusammenhang wurden zugegebener Maßen ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Beschwerdeführers, vor denen dieser in Afghanistan nicht effektiv geschützt werden kann und die ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen, glaubhaft vorgebracht.

Demgemäß wäre von einer drohenden Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention auszugehen und zu prüfen, ob die dem Beschwerdeführer drohende Gefahr mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung im Zusammenhang steht, wobei der Konventionsgrund ein wesentlicher Faktor für die Verfolgung sein, jedoch nicht als einziger oder beherrschender Faktor vorliegen muss (vgl. dazu Putzer, Asylrecht, 2. Auflage, Rz 76).

Im vorliegenden Fall käme allenfalls der Konventionsgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in Frage.

Dass die Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "Familie" von Asylrelevanz sein kann, wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon wiederholt klargestellt (vgl. dazu VwGH 28.08.2009, Zl. 2008/19/1027; 11.11.2009, Zl. 2008/23/0366; 09.09.2010, Zl. 2007/20/1091; 12.03.2002, Zl. 2001/01/0399). Ein Spannungsfeld zwischen einer Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur Familie einer verfolgten Person (unter dem Gesichtspunkt des Konventionsgrundes der Zugehörigkeit zu einer "sozialen Gruppe") einerseits und rein kriminellen, keinem Konventionsgrund zuordenbaren Bedrohungen andererseits, wie es durchaus vorliegen kann, besteht im vorliegenden Fall jedoch nicht. Der BF wird nämlich nicht wegen seiner Zugehörigkeit zu seiner Familie verfolgt, sondern weil sich seine Cousins aus kriminellen Gründen seiner entledigen wollten. Dass die archaischen Moralvorstellungen vor Ort die Folie für diese kriminellen Machenschaften bilden, ändert daran nichts. Tatsächlich wird dem BF ein moralisch verpöntes Verhalten nach seinen eigenen Angaben nur unterstellt und als Vorwand missbraucht. Doch selbst wenn er ein solches Verhalten selbst gesetzt hätte, würde sich am Ergebnis nichts ändern.

Gründe für die Gewährung des Status des Asylberechtigten liegen somit nicht vor.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.2.2004, Zl. 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.3.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095).

Der Schutzbereich des Artikels 3 EMRK umfasst nicht nur Fälle, in denen der betroffenen Person unmenschliche Behandlung (absichtlich) zugefügt wird. Auch die allgemeinen Umstände, insbesondere unzulängliche medizinische Bedingungen im Zielstaat der Abschiebung können - in extremen Einzelfällen - in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK fallen. Allgemein ist der Rechtsprechung des EGMR zu entnehmen, dass "allein" schlechtere oder schwierigere (auch kostenintensivere) Verhältnisse in Bezug auf die medizinische Versorgung nicht ausreichen, um - in Zusammenhang mit einer Abschiebung - in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu reichen. Dazu sei - jeweils - das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erforderlich. Der EGMR betonte weiters im Fall Bensaid gg. Vereinigtes Königreich, dass auf die "hohe Schwelle" des Artikels 3 besonders Bedacht zu nehmen sei, wenn der Fall nicht die "direkte" Verantwortung eines Vertragsstaates (des abschiebenden Staates) für die Zufügung von Leid betreffe (vgl. Putzer/Rohrböck, Leitfaden für Asylrecht (2007) Rz 183, mwH).

Eine Verletzung des Artikels 3 EMRK ist im Falle einer Abschiebung nach der Judikatur des EGMR, der sich die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts angeschlossen haben, jedenfalls nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. hiezu EGMR ‚ U 2.5.1997, D vs. United Kingdom, Nr. 30240/96; EGMR E 31.5.2005, Ovdienko Iryna and Ivan vs. Finland, Nr. 1383/04 sowie VfGH vom 6.3.2008, Zl. B 2400/07, mwH).

Bei der Provinz Wardak handelt es sich aktuell um eine der gefährlichsten Provinzen Afghanistans; vgl. insb. oben Pkt. "Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes".

Darüber hinaus war der BF in seiner Heimat Übergriffen durch seine Verwandten ausgesetzt, ohne dass die Möglichkeit bestanden hätte, Hilfe durch die Behörden zu erlangen.

Eine Ansiedlung in Kabul oder in einer der anderen größeren Städte erscheint mangels familiären Netzwerks und mangels entsprechender Berufsausbildung nicht als gangbar. Auf die Bezug habende Rechtsprechung des VfGH aus der jüngeren Vergangenheit ist zu verweisen (vgl. etwa VfGH 11.12.2013, U 2643/2012; VfGH 13.9.2012, U 370/2012; VfGH 13.9.2012, U 1513/2012; VfGH 7.6.2013, U 2436/2012; VfGH 6.6.2013, U 2666/2012).

Aus den in das Verfahren eingebrachten internationalen Länderberichten ergibt sich unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sohin, dass dieser im Fall einer Abschiebung nach Afghanistan in eine aussichtlose Situation kommen würde, sodass diese im Blickwinkel des Artikels 3 EMRK unzulässig ist.

Zu Spruchpunkt III:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Dem Beschwerdeführer war daher gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der gesetzlich vorgesehenen Dauer zu erteilen.

Zu Spruchpunkt IV:

Da der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des im Spruch bezeichneten Bescheides stattzugeben war, war Spruchpunkt III. dieses Bescheides pro forma (ersatzlos) zu beheben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die o.a. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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