BVwG W113 2138636-1

BVwGW113 2138636-121.11.2016

B-VG Art.133 Abs4
UIG §2 Z3
UIG §3
UIG §4 Abs1
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
UIG §2 Z3
UIG §3
UIG §4 Abs1
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W113.2138636.1.00

 

Spruch:

W113 2138636-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX und XXXX, beide vertreten durch Eisenberger & Herzog, Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 13.09.2016, Zl. BMLFUW-UW.4.1.9/0129-RD 1/2016, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 11.08.2016 begehrten die Antragsteller XXXX und XXXX unter Berufung auf § 4 Abs. 1 UIG die Übermittlung und Bekanntgabe der Bescheide betreffend die Anerkennung der beiden Organisationen XXXX und XXXX als Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000.

Mit angefochtenem Bescheid vom 13.09.2016 wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (in der Folge: belangte Behörde) den gegenständlichen Antrag ab. Begründen wurde ausgeführt, es handle sich bei den begehrten Informationen nicht um Umweltinformationen gemäß dem UIG.

Dagegen erhoben die Antragsteller (in der Folge: Beschwerdeführer) Beschwerde. Sie erachten sich in ihrem Recht gemäß § 4 Abs. 1 UIG auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei den informationspflichtigen Stellen vorhanden sind, in ihrem Recht, dass der Begriff "Umweltinformationen" nach § 2 UIG nicht entgegen der Richtlinie 2003/4/EG bzw. der Aarhus-Konvention ausgelegt und ihr Auskunftsbegehren auf dieser falschen Grundlage abgewiesen wird sowie ihrem Recht, dass dem gegenständlichen Antrag entsprochen wird, sofern keine gesetzlichen Ablehnungsgründe vorliegen, verletzt. Der angefochtene Bescheid möge behoben und der belangten Behörde aufgetragen werden, die begehrten Umweltinformationen den Beschwerdeführern zu übermitteln. Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führten die Beschwerdeführer aus, bei den begehrten Anerkennungsbescheiden handle es sich um Umweltinformation iSd des UIG bzw. der genannten Richtlinie.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde: Der angefochtene Bescheid wurde der Vertreterin der Beschwerdeführer am 19.09.2016 zugestellt. Dies ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführer sowie aus dem von der belangten Behörde übermittelten Zustellnachweis. Die Beschwerde wurde am 17.10.2016 bei der belangten Behörde - sohin innerhalb von vier Wochen - eingebracht.

Bei den begehrten Umweltinformationen handelt es sich um zwei Bescheide der belangten Behörde. Mit diesen Bescheiden, die mitsamt dem Verwaltungsakt vorgelegt wurden, wurden der XXXX und XXXX als Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannt. Aus den jeweiligen Begründungen der Bescheide ergibt sich, auf das Vorliegen welcher Voraussetzungen die belangte Behörde ihren Spruch stützt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden (vgl. § 8 Abs. 4 Umweltinformationsgesetz - in der Folge: UIG).

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde die Beschwerde innerhalb von vier Wochen und somit rechtzeitig iSd § 7 Abs. 4 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (in der Folge: VwGVG) bei der belangten Behörde als zuständiger Stelle eingebracht.

Zu A)

Unbestritten handelt es sich bei der belangten Behörde um eine informationspflichtige Stelle iSd § 3 Abs. 1 Z 1 UIG, handelt es sich bei den begehrten Informationen auf Grund des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (in der Folge: UVP-G 2000) doch um Angelegenheiten, die in Gesetzsache Bundessache sind.

Fraglich ist, ob die begehrten Informationen "Umweltinformationen" iSd des UIG bzw. der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (in der Folge: Umweltinformations-RL) darstellen.

Gemäß § 4 UIG wird jeder natürlichen oder juristischen Person ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei den informationspflichtigen Stellen vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, gewährt.

§ 2 UIG lautet:

"Umweltinformationen

§ 2. Umweltinformationen sind sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über

1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;

2. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt, die sich auf die in Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken;

3. Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie zB Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, Verwaltungsakte, Umweltvereinbarungen und Tätigkeiten, die sich auf die in den Z 1 und 2 genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz;

4. Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts;

5. Kosten/Nutzen-Analysen und sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die im Rahmen der in Z 3 genannten Maßnahmen und Tätigkeiten verwendet werden;

6. den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich - soweit diesbezüglich von Bedeutung - Kontamination der Lebensmittelkette, Bedingungen für menschliches Leben sowie Kulturstätten und Bauwerke in dem Maße, in dem sie vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder - durch diese Bestandteile - von den in den Z 2 und 3 aufgeführten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen sind oder sein können."

§ 19 Abs. 7 und 8 UVP-G 2000 lauten:

"(7) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs. 6 erfüllt und in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(8) Dem Antrag gemäß Abs. 7 sind geeignete Unterlagen anzuschließen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs. 6 erfüllt werden und auf welches Bundesland/welche Bundesländer sich der Tätigkeitsbereich der Umweltorganisation erstreckt. Eine Ausübung der Parteienrechte ist in Verfahren betreffend Vorhaben möglich, die in diesem Bundesland/in diesen Bundesländern oder daran unmittelbar angrenzenden Bundesland/Bundesländern verwirklicht werden sollen. Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft veröffentlicht auf der Homepage des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine Liste jener Umweltorganisationen, die mit Bescheid gemäß Abs. 7 anerkannt wurden. In der Liste ist anzuführen, in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist."

Die belangte Behörde verweist die Beschwerdeführer in ihrer Begründung auf die im Internet öffentlich verfügbare Liste, aus der der Name der jeweiligen Umweltorganisation, deren Adresse, deren Tätigkeitsbereich sowie das Datum des anerkennenden Bescheides und dessen Aktenzahl hervorgehen. Im Übrigen handle es sich bei den begehrten Anerkennungsbescheiden nicht um Umweltinformationen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, ist der Begriff der Umweltinformation vor dem Hintergrund der europarechtlichen Grundlagen grundsätzlich weit zu verstehen (VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0123, mVa 29.05.2008, 2006/07/0083; 24.10.2013, 2013/07/0081; 08.04.2014, 2012/05/0061; oder zuletzt 16.03.2016, Ra 2015/10/0113; vgl. auch EuGH 26.06.2003, Rs C-233/00 ), wobei das UIG als Einschränkung Geheimhaltungspflichten und Mitteilungsschranken neben Bestimmungen über den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen vorsehen (vgl. VwGH 15.06.2004, 2003/05/0146). Die Bekanntgabe von Informationen soll demnach die Regel sein; die Ausnahmen sind restriktiv zu interpretieren.

Trotz des weiten Begriffsverständnisses von "Umweltinformation" ist der belangten Behörde im Ergebnis zuzustimmen. Die Beschwerdeführer begehren die Anerkennungsbescheide der beiden Umweltorganisationen. Wie sich aus den Ausführungen der Beschwerde ergibt, soll die Information nicht nur den konstitutiven Spruch über die Anerkennung, sondern vor allem jene Informationen der Bescheidbegründung erfassen, aus denen sich ergibt, worauf die belangte Behörde ihren Ausspruch gestützt hat. Der Hinweis der belangten Behörde, die wesentlichen Informationen seien ohnehin im Internet öffentlich zugänglich, geht daher ins Leere.

Mit der Anerkennung als Umweltorganisation kann diese ihre Parteienrechte in Verfahren nach dem UVP-G 2000 wahrnehmen. Die von den Beschwerdeführern begehrte Information besteht also im Kern in der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde darüber, dass die beiden Organisationen künftig eine Parteistellung in UVP-Verfahren wahrnehmen können. Dabei handelt es sich um eine rein verfahrensrechtliche Frage, der im jeweiligen konkreten Verfahren Bedeutung zukommt. Dort wird es den Beschwerdeführern - für den Fall, dass sie selber Verfahrensparteien sind - im Übrigen nicht verwehrt sein, die Parteistellung der Umweltorganisationen in Frage zu stellen.

Diese Anerkennungsbescheide enthalten definitionsgemäß keine Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen oder Faktoren, weiters keine Informationen über Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts, Kosten/Nutzen-Analysen etc. oder den Zustand der menschlichen Gesundheit (vgl. die in Ennöckl/Maitz, UIG² § 2 Rz 5 und 6 angeführte Judikatur).

Es handelt sich aber auch nicht um Maßnahmen, die sich auf Umweltbestandteile oder Faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder um Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz. Maßnahmen gemäß § 2 Z 3 UIG beinhalten zwar grundsätzlich auch Verwaltungsakte, wie Bescheide, die sich auf Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken sowie Maßnahmen und Tätigkeiten zu deren Schutz. Dabei reicht bereits die Möglichkeit einer solchen Auswirkung (Einflusswirkung) aus, damit die grundsätzliche Eignung als Umweltinformation gegeben ist (vgl. VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0123 mVa 24.10.2013, 2013/07/0081). Die Beschwerdeführer argumentieren, bei der Anerkennung einer Umweltorganisation, die sie dazu legitimiert, ihre Parteienrechte wahrzunehmen, handle es sich um einen Verwaltungsakt, der sich auf Umweltbestandteile und -faktoren auswirkt oder wahrscheinlich auswirkt bzw. eine Maßnahme zum Schutz dieser.

Damit verkennen die Beschwerdeführer aber, dass die gegenständlich sehr abstrakte Möglichkeit einer Auswirkung - etwa wenn die Umweltorganisation in einem künftigen UVP-Verfahren ihre Parteistellung wahrnimmt und auf die Vorschreibung von Auflagen hinwirkt oder die Abweisung eines Genehmigungsantrags erwirkt - als "Maßnahme" nicht ausreicht, um die Einordnung als "Umweltinformation" zu erlangen (vgl. Ennöckl/Maitz, UIG² § 2 Rz 7 mVa Kramer, Umweltinformationsgesetz, Öko-Audit-Verordnung, Umweltzeichenverordnung, S. 25; vgl. aber auch die Entscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts 21.02.2008, BVerwG 4 C 13.07, wo nicht zwischen "mittelbar" und "unmittelbar" unterscheiden wird, wobei es hier um einen geplanten Flughafenausbau ging).

Nach Ennöckl/Maitz, UIG² § 2 Rz 7, sei weiter strittig, ob die rechtliche Bewertung umweltrelevanter Vorgänge als Information über die Umwelt anzusehen sei. Dies werde in der deutschen Literatur zumindest in Fällen, die sich auf die Bewertung eines konkreten umweltrelevanten Sachverhalts beziehen, bejaht. Der Verwaltungsgerichtshof verneint zwar das Vorliegen einer Umweltinformation in der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als gewerbsmäßig zu qualifizieren ist, wertet aber das Verlangen nach Bekanntgabe des Inhalts eines betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsbescheides als solches um Bekanntgabe von Umweltdaten (VwGH 02.06.1999, 99/04/0042).

Vor diesem Hintergrund ist die Möglichkeit der Auswirkung der Anerkennungsbescheide als "Maßnahmen" iSd § 2 Z 3 UIG zu abstrakt und würde die Subsumierung dieser Bescheides unter den Begriff der "Umweltinformation" diesen überstrapazieren.

Die belangte Behörde hat die von den Beschwerdeführern begehrte Auskunft daher zu Recht verweigert.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es gibt zwar Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofs zur Frage, was vom Begriff der "Umweltinformation" umfasst ist, an einer Rechtsprechung zur konkreten Frage, ob es sich bei den Anerkennungsbescheiden von Umweltorganisationen nach dem UVP-G 2000 um Umweltinformationen handelt, fehlt es jedoch.

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