BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W105.2131625.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerden 1. des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan 2. der XXXX, geb. XXXX StA. Russische Föderation und 3. der XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2016, Zlen 1.
1105141310/160217298, 2. 1105143304/160217328 und 3. 1105141103/160217336, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs 3 erster Satz BFA-VG
stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der Russischen Föderation. Beide sind die Eltern der Drittbeschwerdeführerin, ebenfalls Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die nunmehrigen Beschwerdeführer stellten am 11. 02. 2016 - nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet - Anträge auf internationalen Schutz.
Zu ihren Personen liegen keine EURODAC-Treffermeldungen vor. Eine Einsichtnahme in das Visa-Register hat ergeben, dass die Antragsteller über Visa der Kategorie B mit der Gültigkeitsdauer von 05.01.2016 bis 05.07.2016, ausgestellt durch italienische Vertretungsbehörden in Moskau, verfügen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete am 24.02.2016 ein alle Beschwerdeführer betreffendes Aufnahmegesuch gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") an Italien. Mit Schreiben jeweils vom 22.04.2016 stimmten die italienischen Behörden der Aufnahme der Antragsteller gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Im Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 11.02.2016 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass in Österreich abgesehen von seiner mit ihm eingereisten Ehegattin und seiner Tochter noch sein Bruder sowie seine Schwester leben würden. Er habe vor ca. 25 Tagen Afghanistan verlassen und habe sich über den Iran, die Türkei nach Griechenland begeben, wo er sich etwa 3 Tage aufgehalten habe. Danach sei er über unbekannte Länder nach Österreich gereist. Die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte die Angaben über die Reiseroute. Befragt, was sie über den Aufenthalt in den durchgereisten EU-Ländern angegeben könnten, erklärten die Beschwerdeführer, dass sie Griechenland nett fänden bzw. nichts Negatives dazu sagen könnten. Die Drittbeschwerdeführerin gab an, dass sie Angst habe und daher nichts dazu sagen könne.
Am 09.06.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Hierbei gab der Erstbeschwerdeführer nach Vorhalt, dass ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet und die Zustimmung Italiens zur Übernahme der Beschwerdeführer erteilt worden wäre bzw. nach Vorhalt zur beabsichtigten Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz zusammengefasst an, dass er nicht nach Italien wolle. Er habe von Anfang an nach Österreich kommen wollen, da hier sein Bruder und seine Schwestern leben würden und sie eine enge Beziehung untereinander hätten. In Italien habe er niemanden. Bezüglich seines Gesundheitszustandes gab er an, dass er Magenbeschwerden gehabt habe und daher in ambulanter Behandlung in K. gewesen sei. Er habe Medikamente bekommen und gehe es ihm jetzt besser. Am 15.06.2016 habe er eine Magenuntersuchung. Bezüglich der in Österreich bestehenden verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte gab der Erstbeschwerdeführer an, dass sein Bruder und zwei Schwestern in Österreich leben würden. Sie würden sich gegenseitig besuchen und habe ihm sein Bruder öfter € 100,00 gegeben. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte nach demselben Vorhalt, dass sie nicht nach Italien wolle, weil ihr Mann hier Verwandte habe. Bezüglich ihres Gesundheitszustandes gab sie an, dass es ihr gut gehe und sie nicht in ärztlicher Behandlung stehe. Die Drittbeschwerdeführerin gab zum selben Vorhalt an, dass sie in Österreich bleiben wolle, da sie hier Onkel und Tanten habe. Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie Probleme mit dem Herz habe. Diese Probleme habe sie seit 4 Jahren.
Vorgelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin.
2. Mit jeweiligen Bescheiden vom 15.07.2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 12 Abs. 2 zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
3. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde. Hierbei führten die Beschwerdeführer u. a. ins Treffen, dass in den konkreten Fällen - dies unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR - jeweils eine Erklärung Italiens, dass im konkreten Fall der Beschwerdeführer ein Mindeststandard für ein menschenwürdiges Leben sichergestellt sei, einzufordern gewesen wäre. Im weiteren verwiesen die Antragsteller darauf, dass hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens nur eine unzureichende Behandlung mit ihrem Vorbringen stattgefunden habe.
Einem Aktenvermerk der Landespolizeidirektion vom 12.10.2016 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer bei einer polizeilichen Nachschau im Hinblick auf die Vollziehung eines Festnahmeauftrages am 12.10.2016 nicht angetroffen werden konnten.
Mit E-Mail vom 13.10.2016 wurde die zuständige Landespolizeidirektion davon in Kenntnis gesetzt, dass die geplante Dublin-Überstellung der Beschwerdeführer am 14.10.2016 storniert wurde, da die Beschwerdeführer seit 11.10.2016 laut Aussage der Unterkunftgeber abwesend seien.
Am 13.10.2016 informierte das BFA die italienische Dublin-Behörde vom erfolgten Überstellungsaufschub aufgrund der Abwesenheit der Beschwerdeführer. Unter einem wurde um eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate gemäß Art. 19 Abs. 4/ Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO ersucht.
Mit Schreiben vom 24.10.2016 verwiesen die Beschwerdeführer darauf, dass die gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO normierte Frist für die Überstellung abgelaufen sei und nunmehr eine Zuständigkeit Österreichs vorliege.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.10.2016, Zlen. W105 2131625-1/5E (ad Erstbeschwerdeführer), W105 2131618-1/5E (ad Zweitbeschwerdeführerin), W105 2131623-1/4E (ad Drittbeschwerdeführerin), wurde den Beschwerden gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, wurden die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben.
Begründend wurde ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der am 22.04.2016 eingelangten Zustimmung Italiens zur Übernahme der Beschwerdeführer die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO mit Ablauf des 22.10.2016 abgelaufen wäre und aufgrund des Umstandes, dass keine Fristverlängerung stattgefunden habe bzw. ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung seitens des BVwG nicht gewährt worden sei, ein Übergang der Zuständigkeit stattgefunden habe und Österreich nunmehr für die Führung der materiellen Verfahren zuständig sei.
5. Mit jeweiligen Bescheiden vom 22.11.2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz (neuerlich) ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 12 Abs. 2 zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO Italien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Parteien ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle. Des Weiteren würden alle Beschwerdeführer gleichlautende, negative Entscheidungen erhalten. Hinsichtlich der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wurde seitens der Behörde ausgeführt, dass diese kein Abschiebehindernis darstellen würden, zumal es sich bei den bestehenden Beschwerden um keine schweren körperlichen bzw. psychischen Krankheiten handeln würde. Aufgrund der seit 11.10.2016 bestehenden Abwesenheit der Beschwerdeführer sei eine Überstellungsaussetzung veranlasst worden.
6. Gegen die Bescheide richtet sich die am 08.12.2016 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachte, für alle Beschwerdeführer gleichlautende Beschwerde, in welcher die Antragsteller im Wesentlichen geltend machen, die behördlichen Entscheidungen vollinhaltlich anzufechten. Es sei zu bezweifeln, ob das BFA berechtigt sei, eine Entscheidung des BVwG "aufzuheben" und die bereits erteilte Zulassung des Verfahrens wieder rückgängig zu machen. Das BFA behaupte in den angefochtenen Bescheiden, die Zulassung des Verfahrens seitens des BVwG wäre irrtümlich erfolgt, da sie unbekannten Aufenthaltes gewesen seien. Sie seien jedoch durchgehend behördlich gemeldet und stets greifbar gewesen. Am 11.10.2016 seien sie in ihrer Flüchtlingspension gewesen, am 12.10. sei der Erstbeschwerdeführer im Krankenhaus gewesen, danach hätten sie Verwandte besucht. Das Vorbringen bezüglich der sie betreffenden Gefahren, in Italien menschenrechtswidriger Behandlung iSd Art. 2, 3 und 8 EMRK ausgesetzt zu sein, werde aufrecht erhalten. Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass das BFA es verabsäumt habe, sich mit ihrer konkreten Situation auseinanderzusetzen.
Dem Beschwerdeschriftsatz beigefügt wurden folgende Unterlagen:
* Meldebestätigungen der Beschwerdeführer
* Empfehlungsschreiben von SOS Mitmensch vom 29.11.2016
* Ambulanzbestätigung vom 12.10.2016 betreffend die Drittbeschwerdeführerin
* Kursbesuchsbestätigung des Diakonie Flüchtlingsdienstes vom 24.11.2016 betreffend den Besuch eines Pflichtschulabschlusskurses
* Bestätigungen des Hilfswerks Korneuburg vom 01.09.2016 und 27.07.2016 betreffend den Besuch eines Deutschkurses durch die Beschwerdeführer im Rahmen des Ehrenamtsprojektes "Integration"
* Anwesenheitsliste Eder Beteiligungsverwaltungs GmbH vom 11.10.2016
* Entlassungsbrief des Landesklinikums XXXX vom 16.08.2016 betreffend die Drittbeschwerdeführerin
7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2016 wurde den Beschwerden gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2017, Zlen. W105 2131625-2/4E (ad Erstbeschwerdeführer), W105 2131618-1/5E (richtig: W105 2131618-2/4E) (ad Zweitbeschwerdeführerin), W105 2131623-2/4E (ad Drittbeschwerdeführerin), wurden die Beschwerden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig erklärt.
Hiezu wurden nachstehende Feststellungen getroffen sowie erfolge nachstehende Würdigung:
"1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer reisten über eine unbekannte Reiseroute in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten ein. Am 11.02.2016 suchten sie in Österreich um die Gewährung internationalen Schutzes an. Sie waren bei ihrer Einreise im Besitz von gültigen italienischen Schengen-Visa der Kategorie B, gültig vom 05.01.2016 - 05.07.2016.
Das BFA richtete am 24.02.2016 ein alle Beschwerdeführer betreffendes Aufnahmegesuch an Italien, welchem die italienischen Behörden mit am 22.04.2016 eingelangtem Schreiben gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zustimmten.
Italien übermittelte letztlich eine mit 08.06.2015 datierte Darstellung betreffend Versorgung und Unterbringung von Familien mit Kindern und vulnerablen Personen in einem sog. "SPRAR-Projekt". Im Speziellen gibt Italien laut Zusicherung, wonach bei Überstellung von Familien mit minderjährigen Kindern die Wahrung der Familieneinheit sowie die Unterbringung in einer familiengerechten Einrichtung sichergestellt werde, die konkret vorgesehene Unterkunft für die betreffende Familie bekannt, sofern zumindest fünfzehn Tage die Überstellung vorangekündigt wird.
* Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.
* Konkrete, in den Personen der beschwerdeführenden Parteien gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
* Zu beachtende besondere private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.
Die Beschwerdeführer konnten bei einer fremdenpolizeilichen Nachschau am 12.10.2016 in ihrer Unterkunft nicht angetroffen werden und waren seit 11.10.2016 abwesend.
Der Erstbeschwerdeführer war in Österreich wegen Cholecystolithiasis (Gallensteinen) und einer am 12.08.2016 erfolgten Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) von 11.08.2016 bis 16.08.2016 in stationärer Behandlung im Landesklinikum Korneuburg-Stockerau. Der Erstbeschwerdeführer war wegen Thoraxschmerzen am 15.06.2016 in ärztlicher Behandlung, wobei die durchgeführten Untersuchungen (EKG, Echocardiographie) keine Anhaltspunkte für herzorganische Ursachen der angegebenen Beschwerden ergaben. Die Drittbeschwerdeführerin befand sich ebenso wegen rezidivierender Thoraxschmerzen am 15.06.2016 in ärztlicher Behandlung. Infolge der durchgeführten Untersuchungen (EKG, Echocardiographie) konnte kein Hinweis auf eine kardiologische Genese der geschilderten Beschwerden festgestellt werden. Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass bei den Beschwerdeführern etwaige lebensbedrohliche Erkrankungen (im Endstadium) bestehen, bezüglich derer es in Italien keine adäquate medizinische Behandlung gebe.
Hinsichtlich der medizinischen Betreuung haben Asylwerber in Italien dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsangehörige. Die medizinische Versorgung umfasst unter anderem die freie Wahl des Haus- bzw. Kinderarztes, kostenlose Arzt- und Hausbesuche, Rezepte und kostenfreie Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylsuchende mit psychischen Problemen haben ebenfalls das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. Daneben wird psychologische bzw. psychiatrische Betreuung von spezialisierten NGOs, Privaten oder im Rahmen diverser Projekte, für welche auch Dolmetscher und interkulturelle Mediatoren zur Verfügung stehen, angeboten. Beim Vorliegen schwerer psychischer Beeinträchtigungen wird der Betroffene an einen Psychologen des öffentlichen Gesundheitssystems verwiesen.
Besondere private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Die Drittbeschwerdeführerin besucht aktuell einen Pflichtschulabschlusskurs. Die Beschwerdeführer besuchten im Jahr 2016 einen Deutschkurs im Rahmen des Ehrenamtsprojektes "Integration".
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie der erteilten Schengen-Visa ergeben sich aus den - in den Verwaltungsakten dokumentierten - Auskünften aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres und aus der Rechtsgrundlage der italienischen Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer seitens Italiens leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt den Verwaltungsakten ein - zwischen der österreichischen und der italienischen Dublin-Behörde ab.
Die Gesamtsituation des Asylwesens sowie die spezielle Unterbringungssituation für Familien im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO und Familien) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Aus den in den angefochtenen Bescheiden dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine begründeten Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die Unterbringung, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Italien, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Die von Italien mit Schreiben vom 08.06.2015 erfolgte Darstellung der geeigneten Unterbringung und Versorgung von Familien mit (minderjährigen) Kindern befindet sich ebenfalls im Verwaltungsakt.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan.
Die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und erfolgten medizinischen Behandlungen des Erstbeschwerdeführers ergeben sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden ärztlichen Unterlagen. Die Feststellung, dass bei der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin keine schwerwiegenden Krankheitszustände bestehen, ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen bzw. den vorgelegten medizinischen Unterlagen.
Die Feststellungen bezüglich der medizinischen Versorgung und Betreuung von Asylwerbern in Italien basieren auf den Länderinformationen, die den angefochtenen Bescheiden vom BFA zugrunde gelegt wurden.
Die Feststellung, wonach die Drittbeschwerdeführerin in Österreich einen Pflichtschulabschlusskurs besucht, ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung des Diakonie Flüchtlingsdienstes. Die Feststellung, derzufolge die Beschwerdeführer in Österreich einen Deutschkurs (wobei das Niveau des belegten Kurses nicht genannt wurde) besucht haben, ergibt sich aus den vorgelegten Bestätigungen des Hilfswerkes Korneuburg.
Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführer bei einer fremdenpolizeilichen Nachschau am 12.10.2016 in ihrer Unterkunft nicht angetroffen werden konnten und seit 11.10.2016 abwesend waren, ergeben sich aus der im Akt einliegenden Mitteilung einer Landespolizeidirektion vom 12.10.2016.
Die Feststellung des Nichtvorliegens ausgeprägter familiärer Nahebeziehungen der beschwerdeführenden Parteien in Österreich basiert auf ihren eigenen Angaben.
Es leben zwar ein Bruder sowie zwei Schwestern des Erstbeschwerdeführers in Österreich. Die Beschwerdeführer haben jedoch nicht dargetan, mit diesen Angehörigen des Erstbeschwerdeführers im selben Haushalt zu leben, vielmehr beschränkt sich der Kontakt untereinander laut Angaben des Erstbeschwerdeführers lediglich auf wechselseitige fallweise Besuche, was per se noch keine außergewöhnliche Nahebeziehung indiziert. Ungeachtet der regelmäßigen materiellen Unterstützung durch den genannten Bruder des Erstbeschwerdeführers stehen die beschwerdeführenden Parteien zu dem Genannten aber in keinem Abhängigkeitsverhältnis, da sie gegebenenfalls in Österreich Zugang zum Grundversorgungsleistungen für Asylwerber haben und ebenso im Falle einer Überstellung nach Italien erforderlichenfalls Versorgungsleistungen für Asylwerber in diesem Staat in Anspruch nehmen können. Daneben würden allerdings für die in Österreich niedergelassenen Angehörigen der Beschwerdeführer keine Hinderungsgründe bestehen, die Beschwerdeführer von Österreich aus in Italien materiell durch Geldüberweisungen zu unterstützen. Es durften angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführer sich bloß aufgrund der Stellung von im Ergebnis nicht zulässigen Asylanträgen in Österreich aufgehalten haben, weder diese noch die Angehörigen des Erstbeschwerdeführers erwarten, dass ihnen der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet wird."
9. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.09.2017, Ra 2017/20/0045 bis
0047-8, wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit nachstehendem Inhalt aufgehoben:
"1 Der Erstrevisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, ist der Ehegatte der Zweitrevisionswerberin, einer Staatsangehörigen der Russischen Föderation. Beide sind die Eltern der Drittrevisionswerberin, ebenfalls Staatsangehörige der russischen Föderation. Die revisionswerbenden Parteien stellten am 11. Februar 2016 - nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet - Anträge auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheiden jeweils vom 5. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge auf internationalen Schutz - ohne in die Sache einzutreten - gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) Italien zuständig sei (Spruchpunkt I.). Unter einem ordnete die Behörde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien an und stellte fest, dass "demzufolge" gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Italien zulässig sei.
3 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 28. Oktober 2016 wurde den dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben.
4 Begründend führte das BVwG aus, das BFA habe am 24. Februar 2016 auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Dublin III-VO gestützte Aufnahmeersuchen an Italien gerichtet. Italien habe mit Note vom 22. April 2016 den Aufnahmeersuchen ausdrücklich zugestimmt. Aufgrund der am 22. April 2016 eingelangten Zustimmungserklärung Italiens zur Rückübernahme der revisionswerbenden Parteien habe die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO nach sechs Monaten mit Ablauf des 22. Oktober 2016 geendet. Fristverlängerungen aus den in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Gründen hätten nicht stattgefunden bzw. sei ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung nicht gewährt worden. Es habe somit ein Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO stattgefunden und es sei "Österreich somit nunmehr für die Führung der materiellen Verfahren zuständig".
5 Diese Entscheidung blieb unbekämpft.
6 Mit den daraufhin am 22. November 2016 ergangenen Bescheiden des BFA wurden wiederum die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz - ohne in die Sache einzutreten - als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Italien zur Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei, sowie gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien angeordnet und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.
7 Begründend führte das BFA aus, dass das BVwG die Bescheide vom 5. Juli 2016 mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2016 behoben habe, weil es von der Tatsache ausgegangen sei, die Überstellungsfrist wäre abgelaufen. Die revisionswerbenden Parteien seien jedoch seit 11. Oktober 2016 unbekannten Aufenthaltes gewesen.
8 Auch gegen diese Bescheide erhoben die revisionswerbenden Parteien fristgerecht Beschwerden, in welchen sie vorbrachten, dass mit Erkenntnis des BVwG vom 28. Oktober 2016 die Verfahren zur inhaltlichen Behandlung in Österreich zugelassen worden seien. Das BFA behaupte, dass die Zulassung der Verfahren durch das BVwG "irrtümlich erfolgt" sei und verweise dazu auf eine angeblich existierende "Auskunft der Unterkunftgeberin". Es sei anzuzweifeln, ob das BFA überhaupt berechtigt sei, eine Entscheidung des BVwG "aufzuheben" und die bereits erteilte Zulassung der Verfahren wieder rückgängig zu machen. Die Behauptungen des BFA seien überdies faktisch falsch. Die Revisionswerber seien durchgehend behördlich gemeldet und immer greifbar gewesen. Die nunmehr angefochtenen Bescheide des BFA seien nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch grundsätzlich rechtswidrig, weil das BFA nicht zuständig und befugt gewesen sei, derartige Entscheidungen zu treffen.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A). Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).
10 Begründend stellte das BVwG - soweit im vorliegenden Fall relevant - fest, dass die revisionswerbenden Parteien bei einer fremdenpolizeilichen Nachschau am 12. Oktober 2016 nicht in ihrer Unterkunft hätten angetroffen werden können und seit 11. Oktober 2016 abwesend gewesen seien. Beweiswürdigend führte das BVwG aus, dass sich diese Feststellungen "aus der im Akt einliegenden Mitteilung einer Landespolizeidirektion vom 12.10.2016" ergeben würden.
11 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, die Behauptung der revisionswerbenden Parteien, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist vor Erlassung der angefochtenen Bescheide abgelaufen sei, sei unzutreffend, weil das BFA mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 eine Verlängerung der Frist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf achtzehn Monate erwirkt habe. Die revisionswerbenden Parteien seien ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen und hätten der Behörde ihren Aufenthaltsort nicht bekanntgegeben bzw. seien nicht auffindbar gewesen. Die Zulassung der Verfahren durch das BVwG stünde einer späteren zurückweisenden Entscheidung des BFA nicht entgegen.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit - soweit für die vorliegende Entscheidung relevant - im Wesentlichen vorgebracht wird, dass das BVwG (wie zuvor das BFA) durch die Missachtung der Bindungswirkung der eigenen, in Rechtskraftwirkung erwachsenen Entscheidung von der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sei (Hinweis (unter anderen) auf das Erkenntnis vom 21. Juni 2010, 2008/19/0379 bis 0384).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der gegenständlichen Revision und der Verfahrensakten durch das BVwG sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:
14 Die Revision ist im Hinblick auf das dargestellte Vorbringen zulässig und auch berechtigt.
15 Das BVwG hat zunächst mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2016 die Bescheide des BFA vom 5. Juli 2016 behoben und die Verfahren der revisionswerbenden Parteien über die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG zugelassen.
16 Gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG ist, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des BFA im Zulassungsverfahren stattzugeben ist, das Verfahren zugelassen.
17 § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG enthält selbst keine Anordnung, wie über eine Beschwerde zu entscheiden ist, sondern knüpft lediglich - im Hinblick auf die im Asylverfahren geltende Unterteilung in das Zulassungsverfahren und zugelassene Verfahren -
an die Stattgebung einer gegen die Entscheidung des BFA im Zulassungsverfahren erhobenen Beschwerde an und sieht als Rechtsfolge einer solchen Stattgebung die Zulassung des Verfahrens vor. Dabei nahm der Gesetzgeber unverkennbar auf eine - bezogen auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens - vom Verwaltungsgericht nach § 28 VwGVG getroffene Sachentscheidung Bezug. Eine solche liegt etwa dann vor, wenn das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gelangt, entgegen der Ansicht der Verwaltungsbehörde stelle sich anhand des (allenfalls nach ergänzenden Ermittlungen) festgestellten Sachverhaltes eine Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz als nicht dem Gesetz entsprechend dar. Bei einer solcherart die behördliche Antragszurückweisung aufhebenden Entscheidung handelt es sich aus verfahrensrechtlicher Sicht um eine gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Form eines Erkenntnisses zu treffende Entscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2016, Ra 2016/19/0208, unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur Bindung an die die Aufhebung tragenden Gründe einer im asylrechtlichen Zulassungsverfahren ergangenen Berufungsentscheidung im Rahmen der vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Rechtsstufe geltenden und in diesem Punkt inhaltlich gleichgelagerten Rechtslage des AsylG 2005).
18 Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden - wenn das Verwaltungsgericht wie im vorliegenden Fall den angefochtenen Bescheid aufhebt - verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
19 Das bedeutet, dass bei der Erlassung der Ersatzentscheidung die Verwaltungsbehörden und auch das Verwaltungsgericht selbst an die vom Verwaltungsgericht in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden sind; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Die schon vor der Erlassung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2017, Ra 2016/18/0293).
20 Gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 steht die Zulassung des Asylverfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen, das ändert aber nichts an der nach § 28 Abs. 5 VwGVG gegebenen Bindungswirkung.
21 Im gegenständlichen Fall beruhen die neuerlich zurückweisenden Entscheidungen des BFA sowie deren Bestätigung durch das BVwG mit nunmehr angefochtenem Erkenntnis auf Sachverhaltsannahmen - nämlich dass die revisionswerbenden Parteien flüchtig gewesen seien -, die bereits vor Erlassung des Erkenntnisses des BVwG vom 28. Oktober 2016 vorlagen, jedoch vom BVwG in dieser Entscheidung nicht berücksichtigt wurden. Damit liegt aber kein geänderter Sachverhalt vor, der der dargelegten Bindungswirkung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG des - auch vom BFA unbekämpft gebliebenen - Erkenntnisses vom 28. Oktober 2016 entgegenstehen würde. Vielmehr waren das BFA, das im Übrigen von der Abwesenheit der revisionswerbenden Parteien vor Erlassung dieses Erkenntnisses Kenntnis erlangte, aber ein darauf Bezug nehmendes Vorbringen im ersten Verfahren vor dem BVwG nicht erstattet hatte, und das BVwG an die in diesem Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung, wonach in den vorliegenden Fällen die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO mit Ablauf des 22. Oktober 2016 geendet habe und daher die Verfahren zuzulassen seien, gebunden, was sowohl das BFA als auch das BVwG verkannt haben.
22 Das angefochtene Erkenntnis war somit bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Behebung des bekämpften Bescheides:
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:
"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:
"KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 12
Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Artikel 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des
Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines
seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese
Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen."
Bei der Erlassung einer Ersatzentscheidung sind sowohl die Verwaltungsbehörden als auch das Verwaltungsgericht selbst an die vom Verwaltungsgericht geäußerte Rechtsanschauung gebunden. Im vorliegenden Fall liegt keine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage vor, gem. § 28 Abs 5 VwGVG liegt Bindungswirkung vor. Im weiteren wird auf die oben dargestellten rechtlichen Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen und werden diese zum Gegenstand der rechtlichen Würdigung des gegenständlichen Erkenntnisses erklärt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
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