BVwG L502 2157344-1

BVwGL502 2157344-127.4.2021

AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §6 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L502.2157344.1.00

 

Spruch:

 

L502 2157344-1/33E

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2017, FZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.05.2020 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I des Bescheides wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass dieser zu lauten hat:

 

„Der Antrag auf internationalen Schutz vom 29.07.2015 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG abgewiesen.“

 

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 29.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zuge dessen legte er ein Identitätsdokument als Beweismittel vor, das in Kopie zum Akt genommen wurde.

 

2. Am 30.07.2015 erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In der Folge wurde das Verfahren zugelassen.

 

3. Am 08.03.2017 wurde er beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen.

 

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II). Ihm wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

 

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 06.04.2017 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

 

6. Gegen Spruchpunkt I des am 12.04.2017 zugestellten Bescheides wurde mit Schriftsatz seiner vormaligen Vertretung vom 04.05.2017 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Die Spruchpunkte II und III blieben unangefochten und erwuchsen in Rechtskraft.

 

7. Mit 16.05.2017 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

 

8. Nach Aufforderung des BVwG vom 29.05.2017 legte der BF mit Eingabe vom 30.06.2017 weitere Beweismittel vor.

 

9. Das BVwG führte am 20.05.2020 eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF in dessen Anwesenheit und der einer Vertreterin durch, in der er weitere Beweismittel vorlegte.

 

10. Mit 04.06.2020 langte eine Stellungnahme der vormaligen Vertretung des BF beim BVwG ein.

 

11. Mit 06.11.2020 richtete das BVwG im Wege der Staatendokumentation des BFA ein Erhebungsersuchen an die ÖB Amman.

 

Das abschließende Ergebnis dieser Erhebungen langte am 14.04.2021 beim BVwG ein.

 

12. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des AJ-Web, des Melde- sowie des Strafregisters.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

 

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist staatenloser Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe und gehört der muslimischen Glaubensgemeinschaft an.

 

Er wurde in XXXX im israelischen Autonomiegebiet des Westjordanlands (auch: Westbank) geboren. Auf einem im Stadtteil XXXX gelegenen Grundstück erbaute sein Großvater ein Eigenheim, in welchem er bei seinen Eltern und Geschwistern aufwuchs. Nach dem Abschluss der Schullaufbahn mit der Matura im Jahr 2003 beabsichtigte er eine universitäre Laufbahn einzuschlagen, gelangte aber über die Teilnahme an Vorbereitungskursen bis 2004 nicht hinaus.

 

Die Angehörigen des BF sind ebenso wie er selbst als palästinensische Flüchtlinge bei der UN-Hilfsorganisation UNRWA in der Region XXXX mit dem Wohnort XXXX in Jordanien registriert. Die entsprechende Registrierungskarte wurde 2004 ausgestellt. Er selbst verfügt auch über einen Personalausweis der palästinensischen Autonomiebehörde, ausgestellt am 07.09.2010.

 

Er ist in Österreich seit 2019 unselbständig erwerbstätig.

 

Er wurde im Jahr 2016 wegen eines Suchtmitteldelikts zu einer dreimonatigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt, die endgültig nachgesehen wurde.

 

1.2. Der BF unterliegt bei einer Rückkehr in das Westjordanland weder einer individuellen Verfolgung durch israelische Sicherheitskräfte noch einer solchen durch Mitglieder der palästinensischen Organisationen Hamas oder Fatah.

 

Er ist bei einer Rückkehr nach Jordanien keinerlei individueller Verfolgung ausgesetzt.

 

Er kann bei einer Rückkehr nach Jordanien oder in das Westjordanland als staatenloser palästinensischer Flüchtlinge den Beistand der UNRWA vor Ort in Anspruch nehmen, sofern er diesen in Anspruch nehmen möchte.

 

1.3.1. Die Palästinensischen Gebiete bestehen aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem. Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt. 137 Staaten erkennen Palästina als unabhängigen Staat an.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO – Palestinian Liberation Organisation) wurde 1964 gegründet, 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt und erhielt den Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. 1993 kam es zum Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO. Im Jahr 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel. Die PLO ist die Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen, darunter die Fatah, die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Arabische Befreiungsfront, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und die Palästinensische Volkspartei (PPP). Hamas und Islamischer Dschihad sind nicht in der PLO vertreten.

Die Palästinensische Autonomiebehörde wurde 1994 nach Abschluss der Osloer Verträge zwischen Israel und der PLO gegründet. Grundpfeiler des politischen Systems sind der Präsident, die Regierung unter Vorsitz eines Premierministers sowie das Parlament, der sogenannte Legislativrat (PLC) mit 132 Sitzen. Das Wahlrecht sieht Verhältniswahl (Landesebene) und Direktwahl (Bezirksebene) vor. Die letzten Wahlen in der Westbank und Gaza fanden im Januar 2006 statt; die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen. Der Legislativrat tagt seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Juni 2007 nicht mehr. Der Präsident der PA wird vom Volk direkt gewählt. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Januar 2005 statt. Die Amtszeit von Präsident Abbas ist formal seit 2009 abgelaufen.

Nach dem Erdrutschsieg der Hamas [Anm.: bei den Wahlen im Jahr 2006] begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Hamas und Fatah, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen, als die Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA, Palestinian Authority) übernahm. Von diesem Zeitpunkt an war Palästina zweigeteilt, in einen von der Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von der Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst.

In den letzten Jahren sind mehrere Versöhnungsversuche zwischen Fatah und Hamas gescheitert bzw. bleiben weiterhin erfolglos. Am 12.10.2017 unterzeichneten Fatah und Hamas in Kairo erneut ein Versöhnungsabkommen. Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Versuch, den seit mehr als zehn Jahren bestehenden Konflikt zwischen den beiden wichtigsten politischen Bewegungen in Palästina zu überwinden. Neben der Fatah gibt es in der Westbank eine Reihe kleiner palästinensischer Parteien, die relativ frei operieren. Gegen Anhänger der Hamas und Rivalen von Präsident Abbas innerhalb der Fatah geht die PA jedoch hart vor. Israel hält politische Aktivisten fest und verhaftet sie, wenn sie als Bedrohung für die israelische Sicherheit wahrgenommen werden.

Die palästinensischen Gebiete sind seit Juni 1967 von Israel besetzt und seit Mai 1994 sind Teile der Gebiete unter begrenzter palästinensischer Selbstverwaltung durch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA). In den A-Gebieten (aktuell 17,2 Prozent des Westjordanlands) ist die PA zuständig für die zivile Verwaltung und tagsüber für die innere Sicherheit. In den B-Gebieten (23,8 Prozent der Westbank) ist die PA für die zivile Verwaltung zuständig und Israel für die innere Sicherheit. In den C-Gebieten (Siedlerstraßen, Naturschutzgebiete, die israelischen Siedlungen, militärischen Einrichtungen und sonstige sicherheitsrelevante Gebiete, die insgesamt ca. 60 Prozent des Gebietes ausmachen) ist die PA nur für Bildung und Gesundheitsversorgung [Anm.: der palästinensischen Bevölkerung] zuständig. Die Genehmigung von entsprechender Infrastruktur ist jedoch Sache der israelischen Zivilverwaltung. Für alle auf das Land bezogenen Angelegenheiten wie Landvergabe, Planung und Bau, Infrastruktur und Wasser sowie für die innere Sicherheit ist Israel zuständig. Theoretisch behält Israel in der Westbank nur in Zone C die volle Kontrolle, tatsächlich beeinflusst Israels Kontrolle im Gebiet C alle Einwohner der Westbank. Es gibt 166 A- und B-Gebiete, in denen sich die palästinensische Bevölkerung konzentriert, und die verstreut - wie Inseln - im C-Gebiet liegen. Die diese Gebiete umgebenden Landreserven sind oftmals als C-Gebiet deklariert, und Israel verbietet das Bebauen oder landwirtschaftliche Nutzen dieses Landes.

1.3.2. Knapp 60 Prozent der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft, davon sind gut die Hälfte registrierte Palästina-Flüchtlinge. Die Beziehungen zwischen Palästinensern und Jordaniern sind ambivalent. Obwohl Palästinenser heute mehr als die Hälfte der jordanischen Gesamtbevölkerung ausmachen und die jordanische Wirtschaft auf das Kapital und das Know-How der palästinensisch-stämmigen Bevölkerung angewiesen ist, sind Palästinenser bislang politisch nicht angemessen repräsentiert. Der Zugang zu Posten im öffentlichen Dienst und bei den Sicherheitskräften ist zwar möglich, aber erschwert. Der aufenthaltsrechtliche Status der Palästinenser ist nicht einheitlich. Ein Teil der in Jordanien lebenden Palästinenser fühlt sich zunehmend von erneuter Staatenlosigkeit bedroht. Mehr als zwei Millionen bei der UNRWA registrierte Palästinaflüchtlinge (Anm.: die UNRWA ist eine für die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen zuständige UN-Hilfsorganisation) leben in Jordanien. Die meisten palästinensischen Flüchtlinge sind im Besitz der vollen jordanischen Staatsbürgerschaft, was ihnen die gleichen Rechte wie anderen jordanischen Bürgern verleiht. In Jordanien gibt es zehn offizielle palästinensische Flüchtlingslager, in denen mit fast 370.000 Menschen in etwa 18 Prozent der insgesamt in Jordanien lebenden Palästinenser leben. Fast 10.000 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien haben um die Unterstützung der UNRWA in Jordanien angesucht.

 

1.3.3. Von den hochgerechnet 13,35 Millionen Palästinensern weltweit Ende 2019 leben 3,02 Millionen im Westjordanland. 26,6 Prozent der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland sind Flüchtlinge, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut werden. Im Westjordanland gibt es über 800.000 registrierte Flüchtlinge, von denen etwa ein Viertel in 19 Lagern lebt. Die meisten anderen leben in Städten und Dörfern des Westjordanlands. Einige Lager befinden sich in der Nähe größerer Städte, andere in ländlichen Gebieten. Im Westjordanland gibt es die größte Anzahl von palästinensischen Flüchtlingslagern der UNRWA, welche Unterkunft, Schulen, Ausbildungszentren, Gesundheitsversorgung, Gemeinschaftszentren und Zentren zur Frauenförderung, sowie Soforthilfe bei Notfällen und soziale Leistungen bietet. In einigen Fällen beschränkten Bewegungseinschränkungen den Zugang zu Dienstleistungen und Ressourcen der UNRWA.

 

Israel schränkt die Bewegungsfreiheit von Palästinensern in den besetzten palästinensischen Gebieten, zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen, nach Israel und ins Ausland ein. Von diesen Einschränkungen sind nur Palästinenser betroffen, nicht aber Israelis und Ausländer.

 

Palästina verfügt über keinerlei Souveränitätsrechte, was die Einreise und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern betrifft. Allein zuständig für die Erteilung von Visa ist der Staat Israel Im Westjordanland kontrolliert Israel alle Ein- und Ausreisepunkte. Israel überwacht auch alle Auslandsreisen aus der Westbank. Es schränkt die Bewegungsfreiheit der Palästinenser durch ein System von Ein- und Ausreisegenehmigungen ein. Die Einreise von Palästinensern, die aus dem Ausland in die Westbank einreisen, hängt von mehreren Bedingungen ab, einschließlich ihres Registrierungsstatus und der Art ihrer Ausweisdokumente. Alle Einreisepunkte werden von Israel kontrolliert. Bei der Rückkehr aus dem Ausland werden die Bewohner des Westjordanlands angewiesen, über die Allenby/King Hussein-Brücke über Jordanien zu reisen. Bewohner des Westjordanlands benötigen für die Einreise nach Jordanien für den Transit keine besondere Koordination oder Visa.

 

Das Gesetz der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sieht Bewegungsfreiheit innerhalb der Westbank, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor, und die PA-Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen, mit einigen Ausnahmen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und der sonstigen im Zuge des Verfahrens vom BF vorgelegten Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einsichtnahme in die og. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, die Einsichtnahme in länderkundliche Informationsquellen der Staatendokumentation zu Jordanien und dem Westjordanland sowie die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters, des AJ-Web und des Grundversorgungsdatensystems.

 

2.2. Die Identität und die Zugehörigkeit des BF zur palästinensischen Volksgruppe sowie die aus letzterer resultierende Staatenlosigkeit waren auf der Grundlage der von ihm vorgelegten Identitätsdokumente, im Einzelnen der Identitätskarte der palästinensischen Autonomiebehörde und der Registrierungskarte von UNRWA, sowie der dazu eingeholten Auskunft von UNRWA feststellbar. Die Feststellung der Zugehörigkeit zur muslimischen Religionsgemeinschaft stützt sich auf die entsprechenden Angaben des BF schon während des erstinstanzlichen Verfahrens.

 

Die Feststellungen zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung und zu seiner Erwerbstätigkeit in Österreich ergaben sich aus dem Inhalt der von ihm vorgelegten Unterlagen sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

 

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 30.07.2015 brachte er zu seinen Antragsgründen befragt vor, dass er als Palästinenser in XXXX von israelischen Sicherheitskräften verfolgt und misshandelt worden sei, er sei auch dreimal inhaftiert gewesen. Er habe Angst um sein Leben gehabt.

 

Anlässlich seiner Einvernahme am 08.03.2017 vor dem BFA führte er aus, dass er sei anläßlich der Aufnahme eines Studiums von Angehörigen der Hamas wie auch der Fatah verdächtigt worden, dass er „für die Israelis arbeite“. „Die Israelis“ wiederum hätten ihn verdächtigt für eine der palästinensischen Organisationen zu arbeiten, weshalb er zwischen 2003 und 2010 vier Mal verhaftet worden sei. Er sei aus Angst vor den genannten Organisationen ausgereist.

 

In seiner Beschwerde machte er keine darüber hinaus gehenden Angaben.

 

2.3.2. Soweit er seine Antragsgründe in einen Zusammenhang mit einem durchgehenden Aufenthalt im Westjordanland, im Genaueren in XXXX , bis zur behaupteten Ausreise ca. Ende des Jahres 2013 (vgl. Erstbefragung, AS 15) stellte, war für das Gericht schon nicht feststellbar, dass er sich tatsächlich in den Jahren vor der Einreise in die Europäische Union via Griechenland im Jahr 2015 im Westjordanland aufgehalten hat.

 

Unstrittig war zwar seine Geburt in XXXX im Westjordanland und seine Registrierung bzw. eine Ausweisausstellung durch die palästinensische Autonomiebehörde im Jahr 2010 (vgl. OZ 5 und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 5 und 6). Als glaubhaft, weil plausibel erachtete das Gericht auch seinen Werdegang bis 2004 mit Blick auf seine schulische Laufbahn bis 2003 und die versuchte, wenn auch nicht weiter fortgesetzte Aufnahme eines Studiums bis 2004.

 

Der beigebrachten Registrierungskarte von UNRWA aus dem Jahr 2004 war wiederum zu entnehmen, dass seine Herkunftsfamilie, also er selbst sowie seine Eltern und drei Schwestern, als palästinensische Flüchtlinge in Jordanien, im Genaueren in der Region XXXX , registriert ist und als deren dortiger Wohnort XXXX , ein Dorf nahe Amman, festgehalten wurde (vgl. OZ 6), was auf einen Wohnsitz ebendort seit 2004 hinwies. Das zuständige UNRWA Büro berichtete im Hinblick auf diese Information auch, dass ein späterer Wegzug der Familie von XXXX nicht registriert wurde (vgl. die von der Vertretung des BF in der Verhandlung vorgelegte schriftliche Auskunft von UNRWA vom 20.08.2017).

 

In dieses Bild fügte sich, dass er auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bejahte, dass seine Familie auch Sachleistungen der UNRWA bezogen hat (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 10).

 

Diese maßgeblichen Indizien wiesen daher auf einen langjährigen Aufenthalt des BF in Jordanien hin bzw. wiedersprachen sie seiner Behauptung eines solchen bis 2014 im Westjordanland.

 

In sich konsistent war zwar die zeitliche Abfolge von der Abreise aus dem, wenn auch nicht genau feststellbaren, Land seines letzten Aufenthalts bis zur Einreise in die Europäische Union. Denn jenen Zeitpunkt, an dem er seine frühere Heimat tatsächlich verlassen habe, datierte er ca. 1,5 Jahre vor den Tag der Erstbefragung, also ca. Ende 2013/Anfang 2014, danach habe er sich ca. ein Jahr lang in Istanbul aufgehalten, ehe er via Griechenland und verschiedene Stationen in Ländern des Balkans bis Österreich gelangte, wo er Ende Juli 2015 seinen Antrag stellte. Ungeklärt blieb dabei aber, ausgehend von wo genau er Ende 2013/Anfang 2014 seine Reise angetreten hatte.

 

Dass er in der mündlichen Verhandlung als Erklärung für die Registrierung seiner Familie in Jordanien (bloß) die Heirat einer seiner Schwestern ebendort nannte, überzeugte nicht, weil nicht nachvollziehbar wäre, dass alleine aus diesem Grund die gesamte Familie, die abgesehen von dieser Schwester seiner Behauptung nach in XXXX aufhältig gewesen sei, in Jordanien registriert worden wäre. Im Übrigen war ihm der Zeitpunkt dieser Heirat selbst nicht erinnerlich (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 11).

 

In dieses Bild fügte sich letztlich auch, dass er keine substantiierten Angaben zu seinem Lebenswandel in den Jahren von 2004 bis 2014 machte.

 

Die von ihm vorgelegte Identitätskarte der palästinensischen Autonomiebehörde aus 2010, die sowohl in arabischer als auch in hebräischer Sprache abgefasst wurde, enthielt wiederum als Ausstellungsort „ XXXX “. Welcher Ort mit diesem Namen aber konkret gemeint war, konnte nicht festgestellt werden, zumal es eine gleichnamige Gemeinde etwa auch in Jordanien in Grenznähe gibt. Aus welchem Anlass diese Karte zu diesem Zeitpunkt ausgestellt worden war, erhellte ebenso wenig, zumal der BF auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eine Erklärung dafür anbot, die nicht überzeugte. Er meinte nämlich, er sei anläßlich eines Ausflugs ans Tote Meer von israelischen Soldaten angehalten und sein Ausweis sei kontrolliert worden, wobei diese von ihm verlangt hätten, dass er den beschädigten Ausweis sofort bei der nächstgelegenen Behörde neu ausstellen lassen solle, die in „ XXXX “ gewesen sei. Abgesehen davon, dass die Lage dieses Ortes nicht genau feststellbar war, erschien es nicht als plausibel, weshalb er zutreffendenfalls nicht in XXXX , seinem behaupteten Wohnort und zugleich Sitz palästinensischer Behörden, einen neuen Ausweis erhalten hätte.

 

In einer Gesamtbetrachtung dessen war zu folgern, dass seiner Behauptung eines durchgehenden Aufenthalts in XXXX vor einer behaupteten Ausreise Ende 2013/Anfang 2014 nicht zu folgen war, was in weiterer Folge auch auf die Frage der Glaubhaftigkeit seiner Antragsgründe durchschlug, denn diese bezogen sich ausschließlich auf diesen Ort.

 

2.3.3. Soweit er diesbezüglich zum einen – wie er schon in der Erstbefragung behauptete – vermeinte, in XXXX von israelischen Sicherheitskräften verfolgt worden sei, war dieses Vorbringen per se schon mit Widersprüchen belastet.

 

In der Erstbefragung sprach er ausdrücklich noch von drei Inhaftierungen. In der erstinstanzlichen Einvernahme nannte er wiederum vier Verhaftungen in den Jahren 2003, 2004, 2005 und 2010. In der mündlichen Verhandlung vermeinte er, es sei zu mehr als drei Festnahmen gekommen, aber drei davon seien ihm noch „in sehr guter Erinnerung“, nämlich in den Jahren 2001, 2004 und 2010. In späterer Folge erwiderte er auf Vorhalt dessen, was eine letzte Festnahme im Jahr 2010 mit einer dadurch bewirkten Ausreise im Jahr 2015 zu tun habe, es habe auch nach 2010 noch „ständig“ Probleme gegeben, manchmal sei er für einen oder auch zwei Tage „mitgenommen“ worden.

 

Hierbei fiel neben diesen verschiedenen Widersprüchen noch auf, dass er erstinstanzlich ausdrücklich nur von Festnahmen bis 2010 sprach, die zweitinstanzlich behaupteten sich jedoch weit darüber hinaus gezogen hätten, er diese aber vorerst gar nicht ins Treffen führte.

 

Darüber hinaus war es nicht als plausibel anzusehen, dass israelische Sicherheitskräfte ihn über einen derart langen Zeitraum immer wieder verfolgt haben sollten, wenn abgesehen von seinem kurzen Universitätsbesuch von 2003 bis 2004 aus seinem Vorbringen kein konkreter Anlass dafür zu gewinnen war.

 

Dem behaupteten Verfolgungsinteresse von israelischen Sicherheitskräften war im Lichte dessen kein Glauben zu schenken.

 

2.3.4. Soweit er, erst beginnend mit seiner Einvernahme vor dem BFA, von einer Verfolgung durch die – palästinensischen Organisationen - Hamas und Fatah sprach, litt die Glaubhaftigkeit dessen bereits darunter, dass er diesen Sachverhalt in der Erstbefragung überhaupt nicht erwähnte.

 

Wiewohl Angaben zu den Antragsgründen in einer Erstbefragung lediglich auf wenige Eckpunkte der konkreten Umstände beschränkt bleiben sollen, so ist doch zu erwarten, dass ein Antragsteller auf die maßgeblichen Antragsgründe zumindest grundsätzlich hinweist. Ein Unterbleiben dessen ist daher als Indiz für die mangelnde Glaubhaftigkeit erst später behaupteter Antragsgründe zu werten.

 

Darüber hinaus belastete die vage und substanzlose Darstellung dieses Verfolgungsszenarios dessen Glaubhaftigkeit. So vermeinte er zuletzt in der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Dauer bzw. Häufigkeit dieser Verfolgung bloß, diese sei „immer“ geschehen. Auch der Frage, aus welchen Gründen die genannten Organisationen ihn über einen so langen Zeitraum belangt haben sollten, konnte er mit keiner plausiblen und substantiierten Antwort begegnen.

 

Auch dem behaupteten Verfolgungsinteresse von Mitgliedern der Hamas und der Fatah war im Lichte dessen kein Glauben zu schenken.

 

2.3.5. Insgesamt betrachtet fehlte sohin auch dem Vorbringen des BF zu den von ihm geäußerten Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf das Westjordanland eine substantiierte Tatsachengrundlage. Die Gefahr einer individuellen Verfolgung bei einer Rückkehr konnte er damit nicht glaubhaft darlegen.

 

2.3.6. Im Hinblick darauf, dass er und seine Angehörigen in Jordanien als palästinensische Flüchtlinge bei der UNRWA registriert sind, und auf die daraus zu folgernde Frage nach einer allfälligen individuellen Bedrohung ebendort, war festzustellen, dass er über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg nicht einmal ansatzweise ein Vorbringen in diese Richtung erstattete.

 

2.3.7. Aus diesen Feststellungen war letztlich wiederum zu folgern, dass er nicht daran gehindert wäre, bei einer Rückkehr als staatenloser Palästinenser nach Jordanien oder ins Westjordanland den Beistand der UNRWA (neuerlich) in Anspruch zu nehmen.

 

2.4. Die Länderfeststellungen stellen sich in den für die gg. Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar. In der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen.

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

 

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.

 

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

 

Zu A)

 

1.1. Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 2 AsylG ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Liegt einer der in Abs. 1 genannten Ausschlussgründe vor, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Abs. 2 ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 AsylG gilt.

 

Gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention findet dieses Abkommen keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.

 

Gemäß Art 12 Abs 1 lit a der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Statusrichtlinie) ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.

 

1.2. In seinem Erkenntnis vom 12.09.2013, U 1053/2012-14, führte der Verfassungsgerichtshof aus:

 

„Der Beschwerdeführer legte im Asylverfahren eine auf seine Person ausgestellte „UNRWA Registration Card“ vor. Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht – in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation „aus irgendeinem Grund“ nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, „ipso facto“ den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten „ipso facto“-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK „aus irgendeinem Grund“ wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 76).

Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, „so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt“. Eine ausdrückliche Regelung, die die – in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL vorgesehene – „ipso facto“-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA „aus irgendeinem Grund“ weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der „ipso facto“-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallenden Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH, El Kott, Rz 76). Somit dürfte es sich bei Satz 2 des Art. 12 lit. a der Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung in der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte.“

(Vgl. auch VfGH U 706/2012-15 vom 29.06.2013)

 

1.3. Im Urteil vom 17.06.2010, C31/09, Nawras Bobol, welchem der Antrag einer staatenlosen Palästinenserin aus Gaza an die ungarischen Behörden auf Anerkennung als Flüchtling nach Art. 1 Abschn. D 2. Satz der GFK zugrunde lag, zumal sie nunmehr außerhalb des Tätigkeitsgebiets der UNRWA lebe, stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass "für die Zwecke der Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Person den Schutz oder Beistand einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des UNHCR genießt, wenn sie diesen tatsächlich in Anspruch nimmt. Sofern sie diesen nicht tatsächlich in Anspruch nimmt, kann sie ihren Antrag auf Anerkennung als Flüchtling jedenfalls nach Art. 2 lit c der Richtlinie (sinngleich: Art. 1 Abschn. A der GFK) prüfen lassen. Mit der Registrierung der betreffenden Person bei der UNRWA liegt ein ausreichender Nachweis für die tatsächliche Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA vor“ (Rn 52-54).

 

1.4. Aus den Feststellungen oben zur Person des BF wie auch aus seiner Aussage über Versorgungsleistungen zu Gunsten seiner Angehörigen war für das gg. Verfahren abzuleiten, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Jordanien oder ins Westjordanland angesichts der Registrierung bei der UNRWA in Jordanien als staatenloser palästinensischer Flüchtling (neuerlich) bei Bedarf der Beistand dieser Organisation zukommt. Dies ungeachtet dessen, in welchem Umfang es bisher schon der konkreten Inanspruchnahme dieser Leistungen der UNRWA bedurfte oder die Angehörigen bis dato über ausreichende eigene Existenzgrundlagen verfügten bzw. weiterhin verfügen.

 

Damit steht für das erkennende Gericht fest, dass auch der BF grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Status-RL fällt.

 

Im Sinne des og. Judikats ist er daher a priori in Anwendung des § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, es sei denn, es wäre darüber hinaus gehend festzustellen, dass im gg. Fall dieser Schutz „aus irgendeinem Grund nicht oder nicht länger gewährt wird“, was wiederum zur Folge hätte, dass ihm „ipso facto“ der Flüchtlingsstatus zukommen würde.

 

1.5. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu ausgesprochen, dass die nationalen Behörden für „die Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz im Sinne dieser Bestimmung [...] tatsächlich nicht länger gewährt wird, […] zu prüfen [haben], ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets [zwangen] und somit daran [hinderten], den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen“ (EuGH 19.12.2012, C-364/11, El Kott u.a., Rz 61).

 

Folglich war das Vorbringen des BF hinsichtlich des Vorliegens solcher Gründe zu prüfen, wobei im Falle des Nichtzutreffens die durch Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 der Status-RL vorgenommene Privilegierung im Hinblick auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus „ipso facto“ nicht zum Tragen käme.

 

1.6. In der Rechtssache C-507/19 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. Mai 2019, hat der EuGH mit Urteil vom 13.01.2021 wie folgt erkannt.

„Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen, dass zur Feststellung, ob der Schutz oder Beistand des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) nicht länger gewährt wird, im Rahmen einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des fraglichen Sachverhalts alle Operationsgebiete des Einsatzgebiets des UNRWA zu berücksichtigen sind, in deren Gebiete ein Staatenloser palästinensischer Herkunft, der dieses Einsatzgebiet verlassen hat, eine konkrete Möglichkeit hat, einzureisen und sich dort in Sicherheit aufzuhalten.

Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2011/95 ist dahin auszulegen, dass nicht angenommen werden kann, dass der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, wenn ein Staatenloser palästinensischer Herkunft das Einsatzgebiet des UNRWA ausgehend von einem Operationsgebiet dieses Einsatzgebiets, in dem er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und in dem das UNRWA nicht imstande war, ihm seinen Schutz oder Beistand zu gewähren, verlassen hat, sofern er sich zum einen aus einem anderen Operationsgebiet dieses Einsatzgebiets, in dem er sich nicht in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden hatte und in dem er den Schutz oder Beistand des UNRWA hatte in Anspruch nehmen können, freiwillig in dieses Operationsgebiet begeben hat und sofern er zum anderen auf der Grundlage ihm vorliegender konkreter Informationen vernünftigerweise nicht damit rechnen konnte, in dem Operationsgebiet, in das er eingereist ist, durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren oder in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet, aus dem er ausgereist ist, zurückkehren zu können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Im Lichte dieser Erwägungen des EuGH konnte es letztlich auch dahin gestellt bleiben, ob sich der BF zuletzt in Jordanien oder im Westjordanland aufgehalten hatte, weil beide Regionen Operationsgebiete von UNRWA sind.

 

1.7. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des erkennenden Gerichtes die Voraussetzungen in Form der Feststellung von „nicht vom Beschwerdeführer zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen“ für den Wegfall des Beistands von UNRWA nicht gegeben.

 

Der BF hatte zur Begründung seines Schutzbegehrens behauptet, er sei zum Verlassen seiner behaupteten Herkunftsregion und somit des Schutzbereichs der UNRWA gezwungen gewesen, weil er dort aus von ihm behaupteten Gründen durch die Hamas, die Fatah oder die israelischen Sicherheitskräfte mit gravierenden Eingriffen in seine Rechtssphäre, die seinen weiteren Aufenthalt unmöglich gemacht hätten, betroffen und pro futuro bedroht gewesen sei. Aus vom BVwG in seiner Beweiswürdigung näher dargestellten Gründen war diesem Vorbringen jedoch mangels glaubhafter Angaben dazu nicht zu folgen und damit schon diesbezüglich das Vorliegen von „nicht (vom Beschwerdeführer) zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen“ nicht festzustellen.

 

Anderweitige außerhalb des Einflussbereichs des BF liegende Gründe für die Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des Beistands der UNRWA wurden weder behauptet noch waren sie von Amts wegen festzustellen.

 

Aus der sohin für den BF bei einer Rückkehr nach Jordanien oder ins Westjordanland bestehenden Möglichkeit den Beistand der UNRWA (neuerlich) in Anspruch nehmen können war folgerichtig zu schließen, dass er damit auch nicht den privilegierten Schutz von Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Status-RL genießt.

 

2. Der Vollständigkeit halber ist im Hinblick auf den dem BF erstinstanzlich zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten anzumerken, dass derartige Gründe, die zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen, nicht als Ursache für den Wegfall des Beistands angesehen werden können. Bei einer Interpretation des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 in dem Sinne, dass eine Situation, die die Gewährung von subsidiären Schutz erfordert, „als irgendein Grund“ im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren wäre, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass es zu einer Asylgewährung aus Gründen kommt, die aber in Wahrheit lediglich die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen. Dementsprechend wird im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.12.2012, C-364/11 (Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.) auch klargestellt, dass die Richtlinie 2004/83 - im Gegensatz zur Genfer Konvention, die nur die Flüchtlingseigenschaft regelt - zwei unterschiedliche Schutzregelungen vorsieht, nämlich zum einen die Flüchtlingseigenschaft und zum anderen den durch den subsidiären Schutz gewährten Status. Daher sei die Wendung „genießt … den Schutz dieser Richtlinie“ in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2004/83 als Verweis allein auf die Flüchtlingseigenschaft aufzufassen, da sonst dieser Unterschied zwischen dem durch die Genfer Konvention und dem durch diese Richtlinie gewährten Schutz verkannt würde; diese Bestimmung geht nämlich auf Art. 1 Abschnitt D der Genfer Konvention zurück, in deren Licht diese Richtlinie auszulegen ist. Jedenfalls schließt Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 dadurch, dass er sich allein auf die Flüchtlingseigenschaft bezieht, niemanden vom subsidiären Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie aus, und deren Art. 17, der die Gründe für den Ausschluss vom subsidiären Schutz aufführt, nimmt in keiner Weise auf die Gewährung des Schutzes oder Beistands einer Organisation wie des UNRWA Bezug (Rn 66 – 68). Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass vom europäischen Gesetzgeber eine Vermengung der einzelnen Schutzformen (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutzstatus) beabsichtigt war und sind daher Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes gesondert zu prüfen. In diesem Sinne verweist auch der § 6 Abs. 2 letzter Satz AsylG auf die Geltung des § 8 AsylG.

 

3. In seiner Entscheidung vom 01.03.2018, Ra 2017/19/0273, hat der VwGH dargelegt, dass „nur eine relevante Sachverhaltsänderung – was die Gründe für die Zuerkennung dieses Status durch das BFA angeht – die Rechtskraftwirkung der erstinstanzlichen Entscheidung durchbrechen kann“ (vgl. auch Ra 2017/18/0274-11 v. 23.01.2018, Rz 24 und 25).

 

Diesbezüglich verweist das erkennende Gericht im gg. Fall darauf, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid auf das Westjordanland als Herkunftsregion des BF abstellte, was für das erkennende Gericht, wie oben dargelegt wurde, nicht feststellbar war. Vielmehr war davon auszugehen, dass er in Jordanien als palästinensischer Flüchtling registriert ist.

 

4. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen Spruchteil I des erstinstanzlichen Bescheides in Anwendung von § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG abzuweisen.

 

5. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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