AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I414.2205910.2.01
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Christian EGGER über die Beschwerde von (1). XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX und (3.) XXXX , geb. XXXX , die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, alle vertreten durch den Verein Legal Focus, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2021, Zlen. (1.) XXXX , (2.) XXXX und (3.) XXXX :
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Die Fremden, eine Frau (in der Folge als Erstbeschwerdeführerin bezeichnet) mit ihren zwei minderjährigen Kindern (in der Folge als Zweit- und Drittbeschwerdeführer bezeichnet), reisten legal am 8. Mai 2018 mit einem Touristenvisum in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 17. Mai 2018 Anträge auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin gab in ihrer Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17. Mai 2018 an, dass sie die ägyptische Staatangehörigkeit habe und islamischen Glaubens sei. Zu ihrem Fluchtgrund befragt führte sie an, dass sie ursprünglich nach Österreich gekommen sei, um ihren Cousin zu besuchen. Heute wäre sie zurückgeflogen. Als sie heute ihren Mann in der Früh angerufen habe, habe dieser ihr mitgeteilt, dass er von Personen der Moslembruderschaft und von den „Badu“ bedroht werde und sie auf keinen Fall zurückkommen solle, da ihr Leben und das der Kinder in Gefahr sei.
Für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer wurden keine weiteren Fluchtgründe geltend gemacht.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 4. Juli 2018 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie Angst um ihr Leben habe, da sie in Ägypten bedroht gewesen seien. Jeden Tag seien dort Bedrohungen und Explosionen gewesen und hätten sie dort in Angst gelebt. Auf Nachfrage gab sie an, dass die Polizei bedroht sei. Auf den Widerspruch angesprochen, wonach die Erstbeschwerdeführerin in der Erstbefragung angegeben habe, nach Österreich gekommen zu sein, um ihren Cousin zu besuchen und sie erst am 17.05.2018 durch ihren Mann von der Bedrohung in Kenntnis gesetzt worden sei, gab sie an, dass sie gefragt worden sei, ob sie jemanden besuche. Sie sei auch nicht gefragt worden, ob die Bedrohung bereits vorher bestanden habe. In Österreich lebe ihr Cousin. Sie lebe nicht mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt und habe etwa zwei bis dreimal pro Woche mit ihm Kontakt. Ihr älterer Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, sei gesund, beim jüngeren Sohn, dem Drittbeschwerdeführer, sei bereits in Ägypten eine Nervenschädigung festgestellt worden. Seit 2011 stehe er deshalb in Behandlung. Er sei alle drei Monate untersucht worden und bekomme alle sechs Monate eine Spritze. Die Behandlung in Ägypten sei hilfreich gewesen und sie sei mit der medizinischen Betreuung auch zufrieden. Die Behandlungskosten übernehme ihr Mann. Ihr Mann lebe und arbeite in Gamasa. Er sei Unteroffizier und arbeite in der Kriminalabteilung der Polizei. Sie sei gesund. Sie habe bis zu Heirat bei ihrer Familie in Dakahliya gelebt. Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass ihr Mann und sie mit den Kindern in Al Arish gewesen seien, wo sie bedroht worden seien und das Leben sehr schwer gewesen sei. Ihr Mann sei nach Gamasa versetzt worden und sie sei zu ihren Eltern. Das Jahr wisse sie nicht mehr. Sie habe ein normales Leben gehabt, habe aber gehört, dass die Kollegen ihres Mannes, die noch in Al Arish gearbeitet hätten, bedroht worden seien. Es seien auch viele getötet worden und sie sei bei vielen Begräbnissen gewesen. Dann habe sie nach dem Schulabschluss das Visum beantragt. Ihr Mann habe ihr oft erzählt, dass seine Polizeistation von der Muslimbruderschaft bedroht werde, diese solle gesprengt werden. Aber das sei sehr weit weg von ihr – ungefähr eine halbe Stunde. Sie habe daher nicht vorgehabt, hier einen Asylantrag zu stellen, aber dann habe ihr Mann sie angerufen und ihr gesagt, dass er bedroht worden sei. Er habe gesagt, ALBADW habe ihn bedroht, dass er entweder zu denen komme, sonst würden sie seine Kinder töten. Nachdem die Erstbeschwerdeführerin aufgefordert wurde, Einzelheiten der Bedrohung anzugeben, führt sie aus, dass die ALBADW sehr unberechenbar seien, sie würden immer eine Liste schreiben und es würden alle Leute, deren Namen auf der Liste stehen würden, umgebracht werden. Auf Frage, ob der Mann der Erstbeschwerdeführerin persönlich bedroht worden sei, oder ob die Polizei bzw. Polizeistation bedroht werde, gab sie an, dass sie das nicht wisse. Auf Frage, warum ihr Mann bedroht werde, gab sie an, dass sie den Grund nicht wisse, sein Name stehe auf einer Liste. Diese Liste könne sie nicht besorgen, sie sei beim ägyptischen Geheimdienst. Ihr Mann habe davon erfahren. Der letzte Vorgesetzte in Al Arish habe ihrem Mann davon erzählt. Auf Frage, warum ihr Mann dann noch in Ägypten sei, gab sie an, dass sie nur das sage, was ihr Mann ihr erzähle. Auf die Frage, wann es genau zu dieser Bedrohung ihres Mannes gekommen sei, gab sie an, dass dies gewesen sei, als sie in Al Arish gewesen seien. Auf Vorhalt, warum dann ihr Mann sie in Österreich angerufen habe, führte sie an, dass er in Al Arish bedroht worden sei und als er dann nach Gamasa versetzt worden sei, habe er erfahren, dass diese erfahren hätten, wo ihr Haus und ihre Kinder seien. Er habe sie angerufen und habe gesagt, dass sie wissen würden, wo die Kinder seien und hätten ihn mit den Kindern gedroht. Sie wisse nicht, wie ihrem Mann gedroht worden sei. Sie wisse auch nicht, wie oft ihm gedroht worden sei. Die Polizei könnte ihren Mann schon schützen, aber nicht jede Familie. Jeden Tag würden viele Leute getötet und es gebe viele Explosionen.
Mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24. August 2018 wurden die Anträge der Fremden internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen. Zugleich erteilte sie den Fremden keinen „Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung der Fremden nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gewährte den Fremden eine Frist für die freiwillige Ausreise von 2 Wochen ab Rechtskraft (Spruchpunkt VI.).
Begründend stellte die belangte Behörde zusammengefasst fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Fremden ihr Heimatland aus wohlbegründete Furcht vor Verfolgung verlassen hätten. Das Vorliegen von wohlbegründete Furcht vor Verfolgung habe die Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht, weshalb internationaler Schutz nicht gewährt werden könne. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer hätten keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich auf die Fluchtgründe der Erstbeschwerdeführerin bezogen.
Die Fremden würden in Ägypten genügend Rückhalt in Form von finanzieller Unterstützung durch die Familie haben. Ebenso wenig stehe die Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des Drittbeschwerdeführers einer Abschiebung entgegen. Schließlich führe eine Abwägung des Privat-und Familienlebens der Fremden mit dem Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-B-VG zulässig sei.
Gegen diese Bescheide haben die Fremden rechtzeitig und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und zusammengefasst ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Fluchtgründe schlüssig und glaubhaft angeführt habe. Der Zweit- und Drittbeschwerdeführer würden die Schule besuchen, ein wenig Deutsch sprechen und den Umgang mit anderen Kindern schätzen. Der Drittbeschwerdeführer leide an einer spastischen Diplegie. Es handle sich dabei um eine Körperbehinderung, bei welcher vor allem die Beine gelähmt seien. Der Drittbeschwerdeführer habe dadurch eine neurologische Fußfehlstellung beidseitig. Eine regelmäßige Physiotherapie und diverse Heilbehelfe seien verordnet worden. Es werde um Berücksichtigung des Gesundheitszustandes im Rahmen einer Gesamtabwägung ersucht.
Am 22. September 2020 und am 30. September 2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Verhandlung statt.
Mit rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2020 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
Am 7. Jänner 2021 wurde ein Festnahmeauftrag gegen die Fremden erlassen.
Am 16. Jänner 2021 wurden die Fremden festgenommen und in eine Familienunterkunft überstellt. Der Erstbeschwerdeführerin wurde mitgeteilt, dass die Abschiebung nach Kairo/Ägypten für den 18. Jänner vorgesehen sei.
Am 17. Jänner 2021 stellten die Fremden einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, dass ihre Rechtsvertretung die Beschwerde gegen das abgelehnte Asylverfahren eingebracht habe, sie jedoch keinerlei Informationen über den Verfahrensstand erhalten habe. Sie sei unerwartet von zu Hause abgeholt und festgenommen worden.
Die Gründe für den neuerlichen Asylantrag wären, dass ihr Sohn (Drittbeschwerdeführer) krank sei und er ohne Operation und ohne Physiotherapie nicht gehen könne. Sie könne nicht mehr nach Ägypten zurück. Zudem würden ihre Kinder (Zweit- und Drittbeschwerdeführer) hier in Österreich seit drei Jahren die Schule besuchen. Sie seien integriert und würden in Ägypten nicht mehr die Schule besuchen können. Darüber hinaus sei sie in Ägypten nicht versichert und könne sich die Behandlung ihres Sohnes nicht leisten. Der Drittbeschwerdeführer würde für den Rest seines Lebens gelähmt beziehungsweise stark eingeschränkt seien. Die Änderungen ihrer Fluchtgründe seien ihr seit der Geburt ihres Sohnes bekannt. Weiter Fluchtgründe habe sie nicht. Sie mache sich um Sorgen um ihre Kinder.
Für ihre Kinder wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.
Mit Mandatsbescheid vom 17. Jänner 2021 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass gemäß § 12a Abs. 4 AsylG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorliegen würden. Gleichzeitig sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass den Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt werde.
Begründend führt die Behörde aus, dass die Fremden ihre Folgeanträge am 17. Jänner 2021 und somit einen Tag vor den festgelegten Abschiebetermin gestellt hätten. Die Antragstellungen seien zur ungerechtfertigten Verhinderung beziehungsweise Verzögerung der Abschiebungen gestellt worden.
Am 18. Jänner 2021 wurde versucht die Fremden nach Ägypten auf dem Luftweg abzuschieben. Im Zuge des Boardings habe sich die Erstbeschwerdeführerin zu Boden fallen lassen, begann zu schreien und nach den BeamtInnen zu treten. Daher sei die Abschiebung abgebrochen worden und die Erstbeschwerdeführerin sei vorläufig festgenommen worden. Die Kinder seien in Abstimmung der Kinder- und Jugendhilfe in einer dafür vorgesehenen Unterkunft untergebracht worden.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2021 übermittelte die willkürlich vertretenen Fremden eine Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid, in der im Wesentlichen moniert wurde, dass sich der leibliche Vater der Kinder scheiden habe lassen und es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine alleinerziehende Mutter handle. Im Falle einer Abschiebung der Fremden würde der leibliche Vater die Kinder der Erstbeschwerdeführerin entziehen. Zugleich würde sich der Gesundheitszustand des minderjährigen Drittbeschwerdeführers maßgeblich verschlechtern.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2021 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 12a Abs. 4 AsylG fest, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorliegen und sprach aus, dass den Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt wird.
Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass die Fremden ihre Folgeanträge am 17. Jänner 2021 und somit einen Tag vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt hätten. Die Antragstellungen seien zur ungerechtfertigten Verhinderung beziehungsweise Verzögerung der Abschiebungen gestellt worden. Hinsichtlich der Behauptung, die Kinder der Erstbeschwerdeführerin würden von ihrem Ex-Mann bei einer Rückkehr nach Ägypten entzogen werden, werde auf die rechtskräftige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2020 verwiesen. Dasselbe gelte für den Gesundheitszustand des Drittbeschwerdeführers. In der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes sei der Gesundheitszustand sowie der Umstand, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Ägypten von ihrem Ex-Mann habe scheiden lassen berücksichtigt worden. Darüber hinaus seien bis dato hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Drittbeschwerdeführers keine aktuellen medizinischen Befunde vorgelegt worden. Zudem habe sich die Lage in Ägypten im Wesentlichen nicht geändert.
Mit Beschwerdeschriftsatz vom 29. Februar 2021 wird im Wesentlichen das bereits in der Vorstellung erstattete Vorbringen wiederholt. Im Falle der Abschiebung der Fremden würde der Ex-Mann die Kinder der Mutter entziehen. Die Erstbeschwerdeführerin hätte keine Chance mehr auf ihre Kinder. Darüber hinaus würde der Drittbeschwerdeführer in eine unmenschliche Situation geraten, da sich sein Gesundheitszustand maßgeblich und irreversibel verschlechtern würde.
Am 7. März 2021 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben und darüber hinaus folgendes festgestellt:
1.1. Zu den Personen der Fremden
Die Fremden sind Staatsangehörige Ägyptens, sunnitischen Glaubens und gehören der Volksgruppe der Araber an. Ihre Identitäten stehen fest.
Es handelt sich bei den Fremden um eine volljährige Frau (die Erstbeschwerdeführerin) und ihre zwei minderjährigen Kinder (die Zweit- und Drittbeschwerdeführer). Der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweit- und Drittbeschwerdeführer ist in Ägypten aufhältig. Auch die Familie der Erstbeschwerdeführerin (ihre Eltern und drei Geschwister) lebt in Ägypten. Die Erstbeschwerdeführerin steht mit ihren Eltern in regelmäßigem Kontakt, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer auch mit ihrem Vater.
Sie lebten den überwiegenden Großteil ihres bisherigen Lebens in Ägypten, wurden dort sozialisiert und sprechen ihre Landessprache auf muttersprachlichem Niveau. Seit dem 08.05.2018 halten sie sich durchgehend in Österreich auf.
Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Sie hat in Ägypten eine zwölfjährige Schulausbildung sowie einen Universitätsabschluss als Buchhalterin absolviert und zwei Jahre lang ein Masterstudium besucht, ohne dieses jedoch abzuschließen. Sie lebte zuletzt bei ihrer Familie im Dorf Alarid bei Daqahliyya und wurde von ihrem damaligen Ehemann finanziell unterstützt. Im Juni 2019 ließ sich der Mann der Beschwerdeführerin in deren Abwesenheit von ihr scheiden. Der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin ist als Polizist auf einer Polizeistation in Gamasa – etwa 40 km von Alarid entfernt - tätig. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin bezieht in Ägypten eine Pension von zumindest monatlich 2.248 ägyptischen Pfund.
Die Erstbeschwerdeführerin hat in Österreich am 07.09.2020 ein ÖSD Zertifikat A1 „gut“ bestanden und besucht seit 15.09.2020 einen Deutschkurs A2. Sie pflegt in Österreich mehrere freundschaftliche Kontakte. Im Februar und April 2019 war sie für insgesamt 27 Stunden als Remunerantin für die Caritas Wien tätig. Sie arbeitet seit 03.08.2020 im Ausmaß von 10 Wochenstunden ehrenamtlich im Ute Bock Bildungszentrum. Ansonsten ging sie im Bundesgebiet keiner weiteren Tätigkeit nach und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung.
Der im Juli 2007 geborene Zweitbeschwerdeführer ist gesund und besuchte bis zu seiner Ausreise aus Ägypten die Schule. Er ist derzeit Schüler der vierten Klasse der Neuen Mittelschule, spricht gut Deutsch und hat altersadäquate freundschaftliche Kontakte.
Der im Mai 2010 geborene Drittbeschwerdeführer leidet an einer spastischen Diplegie aufgrund einer bilateralen posterioren parietalen Leucomalazie. Weder handelt sich dabei um eine lebensbedrohliche Erkrankung, noch gehört der Drittbeschwerdeführer dadurch der COVID-19-Risikogruppe an. Seine Krankheit manifestierte sich bereits ab seinem ersten Lebensjahr, wobei eine Diagnose in Ägypten erst im Jahr 2016 gestellt wurde.
In Österreich erhält der Drittbeschwerdeführer Physiotherapie (Laufbandtraining und Massagen) und besucht die Botoxambulanz. Ihm wurden als Hilfsmittel ICP-Sandalen und eine Unterschenkel-Nachtlagerungsschiene links verordnet.
Eine adäquate Behandlung ist auch in Ägypten möglich, wo sich der Drittbeschwerdeführer vor seiner Ausreise in regelmäßiger ärztlicher Behandlung in der Privatklinik „Dr. Amr Hasan AlHasany Neurology Clinic“ in Kairo befand. In Ägypten erfolgten orthopädische Kontrollen mit Röntgen und der Beschwerdeführer erhielt Hilfsmittel wie ICP-Schuhe, sowie alle sechs Monate eine Behandlung mit Botox. Eine Ampulle Botox kostet in Ägypten 2.300 ägyptische Pfund (entspricht derzeit ca. 124 Euro). Die Behandlung wurde in Ägypten von seinem Vater finanziert, der bei einer Rückkehr neuerlich dafür aufkommen wird können. Außerdem werden auch in Ägypten Physiotherapien angeboten.
In Ägypten besuchte der Drittbeschwerdeführer die Volksschule. Er besucht derzeit die vierte Klasse der Volksschule, wobei er aufgrund seiner krankheitsbedingten Bedürfnisse sonderpädagogische Unterstützung erhält. Er hat in der Schule Deutschkenntnisse erworben und Freundschaften geschlossen.
Ihren Lebensunterhalt in Ägypten bestritten die Zweit- und Drittbeschwerdeführer, ebenso wie ihre Mutter, durch die Einkünfte ihres Vaters. In Österreich leben sie von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Die Erstbeschwerdeführerin ist unbescholten, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind nicht strafmündig.
Die Fremden haben keine Verwandten in der EU.
Die Fremden reisten mit einem Touristenvisum legal am 8. Mai 2018 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 17. Mai 2018 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz.
Nach Abschluss des ersten Asylverfahrens durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2019, Zlen. I404 22059010-1/21E, I404 2205909-1/15E und I404 2205906-1/15E, hielten sich die Fremden unrechtmäßig in Österreich auf.
Die Abschiebung der Fremden war für den 18. Jänner 2021, 13:00 Uhr geplant.
Am 17. Jänner 2021 stellten die Fremden einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Ägypten zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.
Im gegeben Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
Frauen
Die Verfassung verpflichtet den Staat, die Gleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten (AA 13.6.2020; vgl USDOS 11.3.2020). Sie haben jedoch nicht die gleichen gesetzlichen Rechte und Chancen wie Männer. Gesetze und traditionelle Praktiken beeinträchtigten Frauen im Familien-, Sozial- und Wirtschaftsleben und Frauen sehen sich weit verbreiteter gesellschaftlicher Diskriminierung, Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit und Vorurteilen am Arbeitsplatz ausgesetzt, die ihren sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt behindern (USDOS 11.3.2020). Frauen sind von Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Männer (ET 15.12.2020).
Frauen werden auch durch Einzelvorschriften des ägyptischen Rechts diskriminiert. Insbesondere im Familienrecht kommt es zu einer systematischen Ungleichheit und auch im islamischen Erbrecht sind diskriminierende Regelungen vorhanden. Gesellschaftlich herrscht ein konservatives Rollenbild vor. Im öffentlichen Leben sind Frauen präsent, aber deutlich unterrepräsentiert. Bei der Beurteilung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft ist nach der sozialen Stellung zu differenzieren. So sind die selbstbewusst und in angesehenen beruflichen Positionen oder öffentlichen Ämtern auftretenden Frauen in aller Regel Angehörige der Oberschicht (AA 13.6.2020).
Sexuelle Belästigungen und Übergriffe gegenüber Frauen finden häufig statt und werden in der Regel nicht strafrechtlich verfolgt (AA 13.6.2020; vgl. AI 18.2.2020, USDOS 11.3.2020). Die Regierung hat die Bemühungen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung priorisiert. Sexuelle Belästigung ist als Straftat definiert und kann mit bis zu sechs Monaten Haft geahndet werden (USDOS 11.3.2020). Dem Problem der verbreiteten sexuellen Gewalt wird vorherrschend durch Wegsehen und Verschweigen begegnet. Frauen, die sich öffentlich zu den Missständen und Übergriffen äußern, werden häufig in den Medien verunglimpft oder sogar strafrechtlich verfolgt. NGOs, die sich für die Rechte von Frauen und Gewaltopfern einsetzen, bemängeln das Fehlen einer Strategie der Regierung, sich dem Problem von Gewalt und Diskriminierung anzunehmen (AA 13.6.2020; vgl. AI 18.2.2020, ÖB 25.11.2020).
Genitalverstümmelung bei Frauen (englisches Akronym: FGM - Female Genital Mutilation) ist ein weit verbreitetes Phänomen, auch wenn die Praxis seit 2008 rechtlich verboten ist (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 13.3.2019). Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren Haft. Einem Bericht von UNICEF aus dem Jahr 2016 zufolge befindet sich Ägypten unter den Ländern mit der höchsten FGM-Rate. Eine Umfrage der Regierung von 2015 schätzt, dass 87 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren betroffen sind. Die Praxis ist in allen sozialen Schichten und Religionen verbreitet, ist jedoch in den ländlichen Gegenden Oberägyptens besonders prominent. Im Durchschnitt wird der Eingriff im Alter von zehn Jahren durchgeführt (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020).
Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Diese wird mit einer Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft. Das Gesetz wird jedoch nicht effektiv umgesetzt. Vergewaltigung in der Ehe ist nicht strafbar. Es gibt Berichte, dass die Polizei auf Opfer Druck ausübt, keine Anzeige zu erstatten (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).
Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem. Es gibt keine Gesetze, die häusliche Gewalt oder Missbrauch durch den Ehepartner verbieten. Sogenannte „Ehrverbrechen“ werden gesetzlich nicht anders geahndet als andere Verbrechen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Ägypten_(Stand_März_2020),_13.06.2020.pdf , Zugriff 18.1.2021
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html , Zugriff 19.1.2021
- ET - Egypt Today (15.12.2020): Decline in 2020 unemployment rate shows Egypt's economic progress amid COVID-19 crisis : Cabinet, https://www.egypttoday.com/Article/3/95376/Decline-in-2020-unemployment-rate-shows-Egypt-s-economic-progress , Zugriff 1.2.2021
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html , Zugriff 18.1.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/ÄGYPTEN__Asylländerbericht_(ALB)_für_2020__finale_Version_(GZ_Kairo-ÖB_KONS_1165_2020).pdf , Zugriff 21.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html , Zugriff 19.1.2021
Kinder
Artikel 80 der Verfassung garantiert umfassende Rechte für Kinder, wie z.B. das Recht auf Gesundheit, Bildung, Familie und Unterkunft. Die „Ägyptische Demographische und Gesundheitliche Umfrage“ hat 2014 Daten zu Kinderarbeit nach einem von UNICEF entwickelten Modul erhoben. Danach sind 7 % der Kinder zwischen sieben und 15 Jahren (ca. 1,6 Millionen) Opfer von Kinderarbeit. 2015 hat Ägypten einige Mechanismen eingeführt, um das Vorgehen der Regierung gegen Kinderarbeit besser zu koordinieren. Dazu gehört das „Nationale Koordinierungskomitee zur Bekämpfung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit“. Verschiedene staatliche Institutionen implementieren Hilfsprogramme in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Arbeitsminister Mohammad Saafan hat im Juni 2017 verkündet, dass im Vorjahr 23.316 Kinder durch staatliche Razzien aus der Kinderarbeit gerettet wurden (AA 13.6.2020).
Auch die Zahl der Straßenkinder ist hoch und nach offiziellen Angaben in den vergangenen Jahren stark angestiegen; Schätzungen gehen von bis zu einer Million auf der Straße lebenden Kindern aus (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Straßenkinder leben in einem Zustand der völligen Schutzlosigkeit. Sie sind häufig Opfer von Ausbeutung, körperlicher Gewalt und sexuellen Übergriffen (AA 13.6.2020). Das Ministerium bietet Straßenkindern Unterkünfte an, die von den Kindern jedoch häufig nicht genutzt werden, da Kinder laut der Zivilgesellschaft dort wie Kriminelle behandelt würden (USDOS 11.3.2020).
Der Bildungssektor stellt eine der größten Herausforderungen für Ägypten dar: Trotz gestiegener Investitionen ist die Infrastruktur an Bildungseinrichtungen noch lückenhaft (GIZ 6.2020g). Bildung, bzw. der Besuch der Grundschule ist verpflichtend und kostenlos (AA 13.6.2020; vgl. GIZ 6.2020g; USDOS 11.3.2020). Jedoch ist die Qualität der Schulbildung nicht ausreichend, um eine ausreichende Grundbildung zu gewährleisten (AA 13.6.2020; vgl. GIZ 6.2020g). Die bestehende Schulpflicht wird vielfach nicht durchgesetzt (AA 13.6.2020).
Die Verfassung schreibt vor, dass die Regierung Kinder vor allen Formen von Gewalt, Missbrauch, Misshandlung sowie kommerzieller und sexueller Ausbeutung schützt. Behörden registrieren jeden Monat Hunderte von Fällen von angeblichem Kindesmissbrauch (USDOS 11.3.2020).
Das gesetzliche Alter zur Eheschließung ist 18 Jahre (USDOS 11.3.2020). Gemäß Daten von 2014 waren 17 % aller Frauen vor ihrem 18. Geburtstag, und 2 % aller Frauen bereits vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet (UNICEF 2.2020). Weiters sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von mindestens fünf Jahren und Geldstrafen von bis zu 200.000 Ägyptischen Pfund wegen Verurteilung der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie vor. Die Regierung setzt das Gesetz nicht ausreichend durch (USDOS 11.3.2020).
Es gibt keine Jugendstrafanstalten, die den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger entsprechen. Immer wieder werden Minderjährige im Zuge von politischen Prozessen inhaftiert (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Menschenrechtsorganisationen berichten, dass auch Minderjährige in Haft misshandelt werden (USDOS 11.3.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden im März 2020 die Schulen bis zum Ende des Schuljahres geschlossen. Das neue Schuljahr begann im Oktober 2020 in hybrider Form mit einem Mix aus Online- und Präsenzunterricht (Ahram 4.11.2020). Nachdem im Herbst lange versucht wurde, neuerliche Schulschließungen zu vermeiden (Ahram 4.11.2020, EI 21.12.2020), wurden ab 2.1.2021 alle Schulen und Universitäten bis auf weiteres geschlossen (ES 1.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Ägypten_(Stand_März_2020),_13.06.2020.pdf , Zugriff 18.1.2021
- Ahram Online (4.11.2020): Egyptian cabinet dismisses reports on closing schools, universities over coronavirus concerns, http://english.ahram.org.eg/NewsContent/1/64/390010/Egypt/Politics-/Egyptian-cabinet-dismisses-reports-on-closing-scho.aspx , Zugriff 25.1.2021
- EI - Egyptian Independent (21.12.2020): Egypt’s Education Ministry: school attendance no longer mandatory amid COVID-19 surge, https://egyptindependent.com/egypts-education-ministry-school-attendance-no-longer-mandatory-amid-covid-19-surge/ , Zugriff 25.1.2021
- ES - Egyptian Streets (1.1.2021): Egypt Halts In-Class Education and Postpones Exams Amid Rising COVID-19 Cases, https://egyptianstreets.com/2021/01/01/egypt-halts-in-class-education-and-postpones-exams-amid-rising-covid-19-cases/ , Zugriff 25.1.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020g): LIPortal, das Länder-Informations-Portal: Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/ , Zugriff 20.1.2021
- UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (2.2020): Global Databases – Child Marriage, https://data.unicef.org/wp-content/uploads/2020/04/Child-marriage-database_Apr2020.xlsx , Zugriff 25.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html , Zugriff 19.1.2021
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 11.3.2020).
Die Behörden verlangten sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung verhängt zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 11.3.2020).
Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 13.6.2020). Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 11.3.2020).
Es besteht keine zentrale Meldepflicht (DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019). Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DEB 3.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Ägypten_(Stand_März_2020),_13.06.2020.pdf , Zugriff 18.1.2021
- DEB - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, https://kairo.diplo.de/blob/1504098/ed993d3218a2f43cdbae47f47c9650da/merkblatt-rechtsverfolgung-in-aegypten-data.pdf , Zugriff 21.1.2021
- DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade / Australian Government (17.6.2019): DFAT Country Information Report – Egypt, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-egypt.pdf , Zugriff 21.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html , Zugriff 19.1.2021
Grundversorgung und Wirtschaft
Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben keinen Zugang zu diesem System (AA 13.6.2020).
Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geschlossen und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 13.6.2020).
Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an besonders Bedürftige sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 13.6.2020).
Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind (AA 13.6.2020; vgl. USSSA 9.2019). Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen (AA 13.6.2020).
Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 13.6.2020).
Ägypten hat per se gute Voraussetzungen um im globalen Wettbewerb zu bestehen und verfügt über eine verhältnismäßig gut diversifizierte Wirtschaft, was bei der Absorbierung von externen wie internen Schocks hilft (WKO 9.2020). Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt etwa die Hälfte des BIP bei (GIZ 11.2020c). Schätzungsweise 63 Prozent aller ägyptischen Arbeitskräfte gehören dem informellen Sektor an; er umfasst fast 50 Prozent aller nicht-landwirtschaftlichen Arbeitsplätze einen überwältigenden Anteil von 30-40 Prozent der Wirtschaft des Landes (MEI 22.6.2020; vgl. WKO 9.2019).
Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt (GIZ 11.2020c).
Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurück bleiben (GIZ 11.2020c).
Die Armutsquote (2019) ist auf ca. 32,5 % gestiegen (die höchste seit 2000). Rund 8,6 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 11.2020c). Über USD 20 Mrd. werden jährlich von ägyptischen Migranten aus dem Ausland rücküberwiesen. Diese Überweisungen sind für die Bevölkerung und den Konsum unverzichtbar (WKO 9.2020).
Das dreijährige IWF-Hilfs- und Reformprogramm inklusive Subventionskürzungen ist abgeschlossen. Nun müssen die positiven makroökonomischen Effekte auch die Bevölkerung erreichen. Weiterhin ist der Plan mit einem Wirtschaftswachstum von 6% dem hohen Bevölkerungswachstum entgegenzuwirken. Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2018/2019 konnte mit einem BIP-Wachstum von 5,6 % der höchste Wert in 10 Jahren erreicht werden. Mittelfristig verfolgt Ägypten einen Top-Down-Ansatz mit Megaprojekten (Infrastruktur, Landwirtschaft) durch den Staat und das Militär (WKO 9.2020).
Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2019/2020 konnte trotz COVID-19 im 2. Quartal 2020 noch ein Wachstum von 3,5 % (Ziel war 6 %) erreicht werden. Laut IWF soll Ägypten mit einem Plus von 2 Prozent im Jahr 2020 eines der wenigen Länder mit einem Wirtschaftswachstum sein. Obgleich ein so geringes Wachstum kein Grund zum Feiern ist, steht Ägypten im internationalen Vergleich laut div. Analysten verhältnismäßig gut da. Bemerkenswert ist ein vom Präsidenten angekündigtes und bereits teilweise umgesetztes Rettungs- bzw. Konjunkturpaket über 100 Mrd. Ägyptische Pfund (ca. 6 Mrd. Euro). Manche Analysten beurteilen die Lage etwas prekärer und sehen 30 % des nominalen BIP gefährdet. Da sämtliche Einnahmequellen Ägyptens wohl teils massive Einbrüche (v.a. Tourismuseinnahmen, Remittances, Suezkanalgebühren, ausländische Investitionen) verzeichnen werden, steht die ägyptische Wirtschaft jedenfalls vor neuen Herausforderungen (WKO 9.2020).
Im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die offizielle Arbeitslosenrate zum Ende des 2. Quartals 2020 auf 9,6 % gestiegen; von 7,5 % zum selben Zeitpunkt im Jahr zuvor bzw. 7,7 % zum Ende des 1. Quartals 2020 (AN 17.8.2020). Zum Ende des 3. Quartals 2020 ist die Arbeitslosenrate auf 7,3 % gesunken, wobei die Arbeitslosenrate unter Männern bei 5,8 % und bei Frauen bei 15,2 % lag (ET 15.12.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Ägypten_(Stand_März_2020),_13.06.2020.pdf , Zugriff 18.1.2021
- AN - Arab News (17.8.2020): Egypt’s unemployment rate rises due to coronavirus, https://www.arabnews.com/node/1720631/business-economy , Zugriff 1.2.2021
- ET - Egypt Today (15.12.2020): Decline in 2020 unemployment rate shows Egypt's economic progress amid COVID-19 crisis : Cabinet, https://www.egypttoday.com/Article/3/95376/Decline-in-2020-unemployment-rate-shows-Egypt-s-economic-progress , Zugriff 1.2.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020c): LIPortal - Das Länder-Informations-Portal: Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 20.1.2021
- MEI - Middle East Institute (22.6.2020): Egypt’s sizeable informal economy complicates its pandemic response, https://www.mei.edu/blog/egypts-sizeable-informal-economy-complicates-its-pandemic-response , Zugriff 20.1.2021
- USSSA - U.S. Social Security Administration (9.2019): Social Security Programs Throughout the World: Africa, 2019 – Egypt, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/africa/egypt.pdf , Zugriff 1.2.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich | AußenwirtschaftsCenter Kairo (22.9.2020): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegypten-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 21.1.2021
Medizinische Versorgung
Neben den relativ zahlreichen, sehr teuren Kliniken und Krankenhäusern mit internationalem Renommee gibt es in Ägypten ein Netz von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die vom Leistungsniveau europäischer Standards abweichen (MSZ o.D.). In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 30.11.2020). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängeln in der staatlichen Versorgung – mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 6.2020g).
Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 13.6.2020). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 6.2020g). Der Mangel an eigenen finanziellen Mitteln ist gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit, irgendeine medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen (MSZ o.D.). Informelle Zuzahlungen stellten im Jahr 2017 60 % der Gesundheitsausgaben dar (OBG 2020).
Aktuell soll eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden (GIZ 6.2020g). Im Jahr 2018 wurde ein Gesetz zur universellen Krankenversicherung (UHI) verabschiedet. Es gab lange Diskussionen um einen universellen Versicherungsschutz, aber die Dynamik nahm nach dem Start eines Pilotprojekts in Port Said im Juli 2019 zu. Im Mai 2020 kündigte Premierminister Mostafa Madbouly an, dass ein oberster Gesundheitsrat geschaffen werden soll, um den Sektor zu stärken. Der Rat hat die Aufgabe, eine einheitliche Gesundheitsstrategie für das Land zu entwickeln und die Entwicklung der nationalen Krankenhäuser zu beschleunigen. Der universelle Versicherungsschutz soll in den kommenden Jahren nach und nach ausgerollt werden bis 2023 sollen voraussichtlich 15-17 Millionen Menschen abgedeckt sein (OBG 2020).
Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 13.6.2020). Jedoch stellen nachgemachte oder gefälschte Medikamente ein Problem dar (OBG 2020).
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Programme initiiert, um die Aufklärung und Behandlungsergebnisse bei einer Reihe von Krankheiten zu verbessern. Die im Oktober 2018 gestartete Kampagne "100 Million Healthy Lives" soll die allgemeine Gesundheit der Ägypter durch Prävention und Früherkennung verbessern. Die Bekämpfung von Covid-19 nimmt im Jahr 2020 den größten Teil der Aufmerksamkeit im Gesundheitswesen in Anspruch (OBG 2020).
Hepatitis C ist in Ägypten weit verbreitet, ca. 20% der Bevölkerung ist betroffen (AA 30.11.2020). Durch flächendeckende Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen soll die Krankheit bis 2023 eliminiert werden. Personen, bei denen die Infektion diagnostiziert wird, werden zur kostenlosen Behandlung an Krankenhäuser überwiesen (OBG 2020).
Im öffentlichen Gesundheitswesen besteht für Psychartrie nur eine minimale Versorgung (AA 13.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (30.11.2020): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5 , Zugriff 21.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Ägypten_(Stand_März_2020),_13.06.2020.pdf , Zugriff 18.1.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020g): LIPortal, das Länder-Informations-Portal: Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/ , Zugriff 20.1.2021
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium Polen (o.D.): Informacje dla podróżujących – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt , Zugriff 20.1.2021
- OBG - Oxford Business Group (2020): What's next as Egypt rolls out universal health insurance, https://oxfordbusinessgroup.com/overview/new-era-universal-health-insurance-scheme-work-alongside-existing-programmes-improve-overall , Zugriff 20.1.2021
Rückkehr
Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (AA 13.6.2020).
Von repressiven Maßnahmen gegen zurückgekehrte Aktivisten und ihre Familienangehörigen ist, angesichts der allgemeinen Repression gegen Angehörige der Organisation im Land, bei Führungskadern auszugehen. Prominente regimekritische Aktivisten müssen mit Ausreisesperren, Inhaftierung und Strafverfolgung rechnen. Der ägyptische Staat stellt Nachforschungen zu exilpolitischen Aktivitäten im Ausland und daran beteiligten Personen an. Vermutete politische Aktivitäten im Ausland können selbst bei nur kurzen Aufenthalten (z.B. zur Teilnahme an Seminaren) zu längeren Befragungen, und nach Rückkehr u.U. zu Festsetzungen durch die Sicherheitsbehörden führen (AA 13.6.2020).
Alle ein- oder ausreisende Personen (Ägypter und Ausländer gleichermaßen) werden mit dem nationalen Fahndungsbestand abgeglichen. Ägyptische Staatsangehörige können bei freiwilliger Rückkehr nicht ohne Vorlage einer ägyptischen ID oder eines von einer ägyptischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokumentes (Laissez-Passer) wieder nach Ägypten einreisen (AA 13.6.2020).
IOM betreibt seit 1991 ein Regionalbüro in Kairo und führt eine Vielzahl von Unterstützungsprojekten für Migranten und Rückkehrer durch (AA 13.6.2020). Unter Anderem gibt es finanzielle Unterstützungsleistungen für Rückkehrer beispielsweise bei Firmengründungen. Die Hilfe für unbegleitete Migrantenkinder (UMCs), die alleine das Mittelmeer auf der Suche nach einem neuen Leben in Europa überquerten, wird ausgeweitet. Es werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes bei Rückkehr und Reintegration im Mittelpunkt steht (IOM o.D.).
Für die Einreise ist ein negativer PCR-Test erforderlich, der nachweislich nicht älter als 72 Stunden sein darf, bei Einreise über die Flughäfen von London Heathrow, Paris oder Frankfurt nicht älter als 96 Stunden. Das Testergebnis muss in englischer oder arabischer Sprache vorgelegt werden. Ansonsten droht eine Verweigerung der Einreise (AA 30.11.2020; vgl. USEMB 18.1.2021). Seit 17.1.2021 müssen alle Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne antreten (USEMB 18.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (30.11.2020): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5 , Zugriff 21.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Ägypten_(Stand_März_2020),_13.06.2020.pdf , Zugriff 18.1.2021
- IOM Egypt - International Organization for Migration (o.D.): Assisted Voluntary Return and Reintegration, https://egypt.iom.int/en/assisted-voluntary-return-and-reintegration , Zugriff 20.1.2021
- USEMB - U.S. Embassy in Egypt (18.1.2021): COVID-19 Information - Last updated: 1/18/2021, https://eg.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/ , Zugriff 20.1.2021
1.3. Zu den Fluchtmotiven der Fremden
Die Erstbeschwerdeführerin brachte vor, dass ihre Familie in Ägypten von der Muslimbruderschaft bedroht werde.
Beim gegenständlichen Folgeantrag gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Behandlung ihres Sohnes (Drittbeschwerdeführer) in Ägypten nicht möglich sei. Er sei krank könne ohne Physiotherapie und ohne Operation nicht gehen. Darüber hinaus sei sie geschieden worden.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung der Fremden nach Ägypten eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Fremden haben keinen Fluchtgrund behauptet, der seit der Entscheidung ihres vorigen Asylverfahrens entstanden oder bekannt geworden wäre.
Es existieren keine Umstände, die einer Abschiebung entgegenstünden. Der Fremde verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Ägypten ist seit der Entscheidung über den vorigen Antrag der Fremden auf internationalen Schutz nicht eingetreten, insbesondere nicht auf ihr Vorbringen bezogen. Zudem wurde im Vorverfahren die Lage der Menschen mit Behinderung und die Lage der geschiedenen Frauen in Ägypten berücksichtigt.
Der gegenständliche Folgeantrag wird voraussichtlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuweisen sein.
Der erste Asylantrag der Fremden wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2020 nach Durchführung einer Verhandlung am 22. September 2020 sowie am 30. September 2020 rechtskräftig abgewiesen. Insbesondere wurde die gesundheitliche Funktionsbeeinträchtigung des Drittbeschwerdeführers sowie der Umstand der Scheidung der Erstbeschwerdeführerin der Entscheidung im Vorverfahren zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften, unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Verfahrenszahlen I404 22059010-1, I404 2205909-1 und I404 2202906-1.
2.1. Zu den Personen der Fremden
Da die Fremden den österreichischen Behörden identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt haben, stehen ihre Identitäten fest.
Die Feststellungen zu Familienstand, Konfession, Volksgruppenzugehörigkeit und zu ihrer in Ägypten erfolgten Hauptsozialisierung ergeben sich aus dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu Zlen. I404 22059010-1/21E, I404 2205909-1/15E und I404 2205906-1/15E.
Die vorliegenden familiären Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsstaat sind durch die Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Vorverfahren belegt.
Die Feststellung zum Aufenthalt der Fremden ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Erwerbsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich aus dem Vorverfahren.
Die Feststellungen zur Ausbildung und Integration der Erstbeschwerdeführerin sowie zur erfolgten Scheidung im Juni 2019 von ihrem Ehemann ergeben sich aus dem Vorverfahren.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand, Schulbildung und zur Integration des Zweitbeschwerdeführers ergeben sich aus dem Vorverfahren.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Drittbeschwerdeführers ergibt sich aus dem Vorverfahren. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den Länderfeststellungen zu Ägypten in Zusammenschau mit den Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin sich ergibt, dass die spastische Diplegie des Beschwerdeführers auch in Ägypten behandelbar ist. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigte die Erstbeschwerdeführerin, dass der Drittbeschwerdeführer auch in Ägypten Behandlungen mit Botox und ICP-Schuhe erhalten hat. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.07.2018 hatte sie zudem erklärt, mit der medizinischen Betreuung in Ägypten zufrieden gewesen zu sein. Zu dem in der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2020 vorgelegten „Medical Report“ ist auszuführen, dass dieser schlecht lesbar ist und die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage war, dazu nähere Angaben zu tätigen. Laut Angaben der Erstbeschwerdeführerin handle es sich um eine Bestätigung eines Krankenhauses, dass ein Medikament nicht verfügbar ist. Angeführt ist in diesem Schreiben, dass „Botulinum Toxin“ für mehrere Injektionen bis zum Alter von 21 Jahre vom Patienten benötigt und dieses derzeit hier nicht verfügbar ist. Auf diesem Schreiben ist ein unleserlicher Stempel angebracht.
Dabei handelt es sich aber offensichtlich nicht um die Klinik „Dr. Amr Hasan AlHasany Neurology Clinic“, in welcher der Drittbeschwerdeführer zuletzt in Behandlung stand und laut vorgelegter Unterlagen Injektionen bekam. Dies ergibt ein Vergleich der vorgelegten Unterlagen, zumal das Logo der Dr. Amr Hasan AlHasany Neurology Clinic keinerlei Ähnlichkeiten mit dem Stempel des vorgelegten Dokumentes aufweist.
Weiters wurde am 29.09.2020 eine Bestätigung des Gesundheitsamtes vom 27.09.2020 nachgereicht. Darin ist festgehalten, dass die Ampullen „Botulinum Toxin Type A“ in den staatlichen Krankenhäusern nicht zur Verfügung stehen und der Preis pro Ampulle 2.300 ägyptische Pfund kosten wird.
Insoweit kann jedenfalls geschlossen werden, dass der Drittbeschwerdeführer weiterhin in der „Dr. Amr Hasan AlHasany Neurology Clinic“ seine Behandlungen mit Botox fortsetzen wird können. Dies wurde auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 30.09.2020 auch nicht bestritten.
Außerdem wurde festgestellt, dass der Vater des Drittbeschwerdeführers für die Behandlung weiter aufkommen wird können. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass er auch die Behandlungen vor der Ausreise finanziert hat. Wenn die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung angibt, dass er dies bei einer Rückkehr nicht übernehmen wird, so wird diesem Vorbringen kein Glauben geschenkt. So hat die Erstbeschwerdeführerin selbst angegeben, dass ihr Ex-Ehemann mit seinen Kindern noch in Kontakt steht. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum er für seinen Sohn bei seiner Rückkehr nicht die notwendige Behandlung weiter übernehmen sollte. Darüber hinaus ist entgegen dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin der Ex-Ehemann für das Aufkommen des Unterhalts der Kinder verpflichtet (siehe dazu 1.3.15 Relevante Bevölkerungsgruppen- geschiedene Frauen zum Vorverfahren Zlen. I404 22059010-1/21E, I404 2205909-1/15E und I404 2205906-1/15E).
Dass auch in Ägypten Physiotherapien angeboten werden, wurde von der Erstbeschwerdeführerin nicht bestritten und wird auch durch die Länderfeststellungen belegt (siehe dazu die Ausführungen in 1.3.15 Relevante Bevölkerungsgruppen - Menschen mit Behinderung zum Vorverfahren Zlen. I404 22059010-1/21E, I404 2205909-1/15E und I404 2205906-1/15E).
Die Feststellungen zur Ausbildung des Drittbeschwerdeführers in Ägypten und zur Integration in Österreich ergeben sich aus den Vorverfahren.
Die Feststellung zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus den Speicherauszügen aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes.
Die Unbescholtenheit der Fremden ergibt sich aus den Einsichtnahme in das Österreichische Strafregister.
Die Feststellung, dass die Fremden über keine Familienangehörigen in Österreich oder der EU verfügen, ergibt sich aus dem Vorverfahren.
Die Feststellung hinsichtlich ihrer Einreise und Antragstellung in Österreich ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung, wonach das erste Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung zur geplanten Abschiebung und zur weiteren Asylantragstellung der Fremden ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Nicht zuletzt sind seit dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren im Herkunftsstaat nicht einmal behauptetermaßen Änderungen vorgefallen, die Einfluss auf das Ergebnis der Beurteilung hätten.
2.3. Zu den Fluchtmotiven der Fremden
Die Fremden behaupten im vorliegenden Folgeverfahren, dass der Drittbeschwerdeführer ohne operiert zu werden und ohne weitere Physiotherapie nicht mehr gehen könne. In Ägypten gäbe es für den Drittbeschwerdeführer keine Behandlung. Darüber hinaus seien ihre Kinder seit 3 Jahren in Österreich. Zudem habe sich ihr Ehemann von ihr scheiden lassen.
Das Vorbringen bezieht sich auf einen Sachverhalt, der vor der Einreise und damit dem ersten Asylverfahren der Fremden vorgelegen sind. Es ist damit von der Rechtskraft der früheren Entscheidung umfasst und darum nicht geeignet, eine neue meritorische Entscheidung über den Antrag der Fremden herbeizuführen. So ist der gesundheitliche Zustand des Drittbeschwerdeführers im ersten Asylverfahren berücksichtigt worden, ebenfalls der Umstand, dass sich der Ehemann im Juni 2019 scheiden hat lassen. Darüber hinaus wurde im Vorverfahren bezüglich der Länderberichte insbesondere die Lage von geschiedenen Frauen und die Lage von Menschen mit Behinderung in Ägypten berücksichtigt (vgl. Punkt 1.3.15 zum Vorverfahren Zlen. I404 22059010-1/21E, I404 2205909-1/15E und I404 2205906-1/15E).
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Abschiebung der Fremden eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 dazu bedeuten oder eine ernsthafte Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, weil dies bereits im ersten geprüft wurde und seither eine diesbezügliche Lageänderung weder behauptet noch in den Länderfeststellungen berichtet wurde.
Somit konnte die Feststellung getroffen werden, dass der Folgeantrag zurückgewiesen werden wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z. 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z. 3).
Weiter ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z. 1).
Die angeführte Rückkehrentscheidung ist seit Oktober 2020 rechtskräftig. Wie auch bereits dargetan, ist kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre. Der Sachverhalt hat sich seither nicht maßgeblich geändert, und die Fremden hätten ihr Vorbringen bereits im früheren Verfahren erstatten können, was gemäß § 20 Abs. 1 BFA-VG zu beachten ist, da dieser laut § 22 Abs. 1 BFA-VG bei der Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes sinngemäß gilt.
Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, insbesondere handelt es sich bei den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen weder um glaubhafte nachträglich eingetretene Änderungen noch um nachträglich hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung des BFA zu erwarten ist. Dies insbesondere im Lichte des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes nach Durchführung zweier Verhandlungen.
Daraus ergibt sich, dass die Fremden einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt haben, und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil den Fremden keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat droht. Nach all dem wird der Folgeantrag der Fremden voraussichtlich abermals zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.
Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum die Erstbeschwerdeführerin für sich und für ihre minderjährigen Kinder - im Alter von fast 14 und fast 11 Jahren – den Lebensunterhalt nach ihrer Rückkehr nicht bestreiten können sollte, sei es mit Gelegenheitsarbeit oder einer anderen Tätigkeit. Zudem kann sie ihr Ex-Ehemann, welcher die Fremden bis zu ihrer Ausreise finanziell unterstützte weiterhin unterstützten. Wie im Vorverfahren festgestellt bezieht ihr Ex-Mann eine monatliche Pension in der Höhe von 2.248 ägyptischen Pfund und ist für das Aufkommen des Unterhalts der Kinder verpflichtet (vgl. Punkt 1.3.15 zum Vorverfahren Zlen. I404 22059010-1/21E, I404 2205909-1/15E und I404 2205906-1/15E). Darüber hinaus verfügt die Erstbeschwerdeführerin über Familiäre Anknüpfungspunkte. So leben ihre Eltern und ihre drei Geschwister in Ägypten. Die Fremden lebten bis zu ihrer Ausreise bei ihrer Familie im Dorf Alarid bei Daqahliyya. Es besteht ganz allgemein in Ägypten keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.
Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für die Fremden ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Die Fremden führen in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben.
Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.
Die Entscheidung war mit Beschluss zu treffen, da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies so vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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