BVwG I409 1422879-4

BVwGI409 1422879-48.12.2015

AVG 1950 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
AVG 1950 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:I409.1422879.4.00

 

Spruch:

I409 1422879-4/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria alias Kamerun, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11. August 2015, Zl. 13-810598304/1365031, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. August 2015 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 35 AVG eine Mutwillensstrafe in der Höhe von 726 Euro verhängt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass Beschwerdeführerin trotz mehrfacher Belehrung über ihre Wahrheits- und Mitwirkungspflicht im Asylverfahren falsche Personaldaten und einen falschen Herkunftsstaat angegeben habe. Zudem habe sie gefälschte Dokumente in Vorlage gebracht und in ihrem Gesamtverhalten die Tätigkeit der belangten Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen und somit absichtlich das Verfahren verschleppt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 12. Oktober 2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass der Bescheid nicht konkretisiert sei, weil er weder Tatort noch Tatzeit noch die konkrete Handlung umschreibe; zudem sei eine allfällige Tat verjährt. Die Beschwerdeführerin habe ohnehin alle Dokumente richtig vorgelegt und ihrem Begehren auf einen Aufenthaltstitel sei Folge gegeben worden. Allerdings habe die Behörde bei der Ausstellung des Aufenthaltstitels letztlich selbst unrichtige Angaben zur Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin - entgegen den richtigen Feststellungen im Bescheid - in die Aufenthaltskarte aufgenommen. Somit hätten im Verfahren mehrere Beteiligte Fehler gemacht. Von mutwilliger Inanspruchnahme könne auch deshalb keine Rede sein, weil die Beschwerdeführerin die zuständige Behörde in Anspruch genommen und von dieser einen Aufenthaltstitel erhalten habe. Eine Verschleppung des Verfahrens durch allfällige unrichtige Angaben sei nicht erfolgt; auch nachdem die richtigen Angaben vorhanden gewesen seien, habe das Verfahren nicht erheblich schneller und nicht länger als übliche Asylverfahren gedauert.

Um die Beschwerdesache gemeinsam mit der Beschwerdeführerin erörtern zu können, wurde für den 19. November 2015 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Die Beschwerdeführerin verzichtete jedoch nach erfolgter Anberaumung der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 18. November 2015 auf deren Durchführung; mit Schreiben vom 30. November 2015 gab die belangte Behörde eine gleichlautende Verzichtserklärung ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen

Bescheid:

1. Feststellungen:

Der Name der Beschwerdeführerin lautet V. A.; sie ist am XXXX geboren und nigerianische Staatsangehörige.

Im Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz, also im Zeitraum zwischen Juni 2011 und (jedenfalls) März 2015, behauptete die Beschwerdeführerin jedoch wiederholt - trotz Hinweis auf die rechtlichen Konsequenzen - aus Kamerun zu stammen und den Namen V.

T. zu führen:

So stellte die Beschwerdeführerin am 17. Juni 2011 unter Angabe des Namens V. T. und der Staatsangehörigkeit Kamerun - somit im vollen Bewusstsein der Grund- und Erfolglosigkeit ihres Anbringens - einen Antrag auf internationalen Schutz; diese Identität behielt sie auch bei ihren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 20. und am 24. Juni 2011 bei.

Das Bundesasylamt konfrontierte die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme am 10. August 2011 erstmals mit ihrer Annahme, dass sie offensichtlich nicht aus Kamerun stamme. Nach der Erinnerung an ihre Wahrheits- und Mitwirkungspflicht insistierte die Beschwerdeführerin: "Ich bleibe bei meinen Angaben. Ich komme aus Kamerun."

In ihrer Einvernahme am 31. Oktober 2011 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis einer Sprachanalyse vom 13. September 2011 zur Kenntnis gebracht, wonach sie offensichtlich nicht aus Kamerun, sondern aus Nigeria stamme. Sie erklärte daraufhin: "Ich bleibe dabei, dass ich aus Kamerun stamme. Warum sollte ich lügen, ich bin nicht aus Nigeria." Nach einer Anmerkung in der Niederschrift reagierte die Beschwerdeführerin auf diesem Vorhalt "ungehalten und aufgebracht".

Nachdem der Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. November 2011 als unbegründet abgewiesen und sie nach Nigeria ausgewiesen worden war, erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 24. November 2011 das Rechtsmittel der Beschwerde an den Asylgerichtshof. Mit ihrer Beschwerde legte sie überdies zwei kamerunische Urkunden vor, um ihre Behauptung, aus Kamerun zu stammen, zu untermauern; weiters regte die Beschwerdeführerin die Beiziehung eines "Experten für Kultur" (gemeint wohl: für die kamerunische Kultur) an.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21. Dezember 2011 wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Begründend führt der Asylgerichtshof in diesem Erkenntnis (u.a.) aus, dass der Sachverhalt mangelhaft sei, zumal die entscheidungsrelevante Frage des Herkunftsstaates der Beschwerdeführerin nicht hinreichend geklärt sei. Die Feststellung, welche Staatsangehörigkeit die Beschwerdeführerin besitze und welcher Staat somit ihr Herkunftsland sei, bilde im vorliegenden Fall die Grundlage jedweder weiterer Prüfung.

In ihrer Einvernahme am 26. März 2012 wurde die Beschwerdeführerin mit dem Ergebnis einer Sprachanalyse vom 13. März 2012 konfrontiert, bei der erneut festgestellt wurde, dass sie offensichtlich nicht aus Kamerun, sondern aus Nigeria stamme. Auch bei dieser Gelegenheit beharrte sie darauf, nicht aus Nigeria zu stammen, und sie verwies auf die vorgelegten kamerunischen Urkunden, die ihre Herkunft belegen würden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. April 2012 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin nochmals als unbegründet abgewiesen und sie nach Nigeria ausgewiesen. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 20. April 2012 das Rechtsmittel der Beschwerde an den Asylgerichtshof, wobei sie (u.a.) die Einholung eines linguistischen Sprachgutachtens beantragte, zumal "beide Sprachanalysen" von ihr "als unrichtig anfochten" wurden.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. Mai 2012 wurde der bekämpfte Bescheid wieder behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG erneut zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Der Asylgerichtshof führte in diesem Erkenntnis, wie schon im Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, (u.a.) begründend aus, dass der Sachverhalt mangelhaft sei, zumal die entscheidungsrelevante Frage des Herkunftsstaates der Beschwerdeführerin nicht hinreichend geklärt sei. Die Feststellung, welche Staatsangehörigkeit die Beschwerdeführerin besitze und welcher Staat somit ihr Herkunftsland sei, bilde im vorliegenden Fall die Grundlage jedweder weiterer Prüfung.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2012 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck, "Ermittlungen dazu zu führen, ob seitens des Bundesasylamtes durch das wiederholte Hinwegsetzen über

die Ermittlungsaufträge des Asylgerichtshofes ... bei völlig

ungeklärtem Sachverhalt ein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt wurde."

Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 erstattete die Beschwerdeführerin eine "Befangenheitsanzeige" und beantragte, "den Akt einer/m unbefangenen Entscheider/in zuzuweisen." Die Befangenheit der Organwalterin des Bundesasylamtes wurde offenbar im Wesentlichen darin gesehen, dass "die entscheidungsrelevante Frage des Herkunftsstaates der Beschwerdeführerin noch immer nicht hinreichend geklärt erscheint".

Mit Schreiben vom 11. Juni 2012 benachrichtigte die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Organwalterin des Bundesasylamtes, dass das gegen sie - auf Anzeige der Beschwerdeführerin - geführte Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB eingestellt werde.

Mit Schreiben vom 29. August 2012 übermittelte die österreichische Botschaft in Abuja den Bericht einer Rechtsanwältin, wonach die von der Beschwerdeführerin vorgelegten kamerunischen Urkunden echt seien.

In der Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt am 9. Oktober 2012 erklärte diese: "Ich habe die Wahrheit gesagt und ich komme von Kamerun." Weiters legte sie der belangten Behörde einen "Antragsschein" für einen kamerunischen Personalausweis vor.

Mit Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25. Oktober 2012 wurde mitgeteilt, dass der "Antragsschein" für einen kamerunischen Personalausweis, der von der Beschwerdeführerin zur Vorlage gebracht wurde, eine Fälschung sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. November 2012 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin erneut als unbegründet abgewiesen und sie nach Nigeria ausgewiesen. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 das Rechtsmittel der Beschwerde an den Asylgerichtshof, wobei sie (u.a.) die Einholung eines linguistischen Sprachgutachtens beantragte und behauptete, dass Nigeria nicht ihr Herkunftsstaat sei und dass sie dort nie gelebt habe.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 1. Oktober 2013 wurde der bekämpfte Bescheid ein weiteres Mal behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Der Asylgerichtshof führte begründend (u.a.) aus, dass das Bundesasylamt "zur vollständigen Abklärung der Herkunft der Beschwerdeführerin ... eine weitere (nicht telefonische, sondern persönliche) Sprachanalyse" einzuholen haben werde.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013 erstattete die Beschwerdeführerin eine "Zweite Befangenheitsanzeige im 4. Rechtsgang" und beantragte, "den Akt einer/m unbefangenen Entscheider/in zuzuweisen." In diesem Schriftsatz führt die Beschwerdeführerin aus, dass nach Ansicht des Asylgerichtshofes immer noch ein mangelhafter Sachverhalt vorliege, zumal die entscheidungsrelevante Frage des Herkunftsstaates noch immer nicht hinreichend geklärt erscheine.

In ihrer Einvernahme am 17. September 2014 wurde die Beschwerdeführerin mit dem Ergebnis des linguistischen Sprachgutachtens vom 30. August 2014 konfrontiert, das erneut zum Ergebnis gelangte, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre Hauptsozialisierung nicht in Kamerun, sondern in Nigeria erfahren habe. Sie erwiderte: "Ich komme nicht aus Nigeria. Vieles was im Gutachten steht, stimmt nicht".

Im Vorfeld ihrer am 12. März 2015 erfolgten Eheschließung mit einem österreichischen Staatsangehörigen nigerianischer Herkunft legte die Beschwerdeführerin dem zuständigen Standesamt letztlich Urkunden vor, die sie als nigerianische Staatsangehörige mit dem Namen V. A. ausweisen. Im Wege der Österreichischen Botschaft in Nigeria gelang es der belangten Behörde, die Identität der Beschwerdeführerin und damit auch deren nigerianische Staatsangehörigkeit zu verifizieren.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. August 2015 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin erneut als unbegründet abgewiesen; zugleich wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 für auf Dauer unzulässig erklärt und der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 erteilt.

Dieser im vierten Rechtsgang erlassene Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Abschließend ist festzustellen, dass sich die Beschwerdeführerin bei der mutwilligen Stellung ihres Antrages auf internationalen Schutz einer falschen Identität bediente und auch einen unzutreffenden Herkunftsstaat angab. Durch dieses rechtsmissbräuchliche prozessuale Verhalten, das sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen des Bundesasylamtes bzw. der belangten Behörde erheblich belastete, erschlich sich die Beschwerdeführerin als Asylwerberin sowohl eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet als auch Versorgungsleistungen aus der Grundversorgung. Erst zum Zwecke ihrer Eheschließung mit einem österreichischen Staatsangehörigen, also als sie bereits auf die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Asylgesetz 2005 hoffen konnte, deckte sie ihre wahre Identität bzw. Herkunft auf.

Derzeit wohnt die vermögenslose Beschwerdeführerin mit ihrem Mann und ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt; sie lebt vom Arbeitslosengeldbezug ihres Ehemannes sowie von der Familienbeihilfe, der Mindestsicherung und der Mietzinsbeihilfe.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im Übrigen auf die Ausführungen unter Punkt 3.3. verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur (funktionellen) Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im vorliegenden Beschwerdefall ist somit eine Einzelrichterzuständigkeit gegeben.

3.2. Zur anzuwendenden Rechtslage:

§ 35 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013, lautet:

"Mutwillensstrafen

§ 35. Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

3.3. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

1. Soweit die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde rügt, dass der Bescheid nicht konkretisiert sei, weil er weder Tatort noch Tatzeit noch die konkrete Handlung umschreibe, und eine allfällige Tat zudem verjährt sei, ist sie zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Mutwillensstrafe nach § 35 AVG, wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Disziplinarmittel handelt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1973, Zl. 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, sowie das zu § 34 AVG ergangene und auf den vorliegenden Beschwerdefall übertragbare Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1994, Zl. 92/10/0469, VwSlg. Nr. 14.064 A/1994).

Daraus folgt, dass das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung einer Mutwillensstrafe grundsätzlich keine Anwendung findet, zumal § 36 zweiter Satz AVG lediglich anordnet, dass die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes über den Strafvollzug (das sind die §§ 53 bis 54d VStG) sinngemäß anzuwenden sind, nicht aber jene über die Strafbemessung, über die Verjährung oder etwa über die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat (das sind die §§ 19, 31 und 44a VStG). Im Übrigen sind auch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes weder unmittelbar noch analog anzuwenden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 2009, Zl. 2007/07/0119).

2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt iSd § 35 AVG mutwillig, wer sich (u.a.) im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 2012, Zl. 2011/01/0271, VwSlg. Nr. 18.337 A/2012, mwN).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden.

Die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Beschwerdefall gegeben:

2.1. Zunächst ist der Umstand herauszustreichen, dass Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 die Glaubhaftmachung ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. dazu etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 2015, Zl. Ra 2015/19/0143). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0279).

Das bedeutet, dass neben der Person des Asylwerbers dem Herkunftsstaat im Asylverfahren eine zentrale Bedeutung zukommt: Der Asylwerber determiniert mit der Bekanntgabe seines Herkunftsstaates in seinem Antrag auf internationalen Schutz - im Zusammenhalt mit dem geltend gemachten, individuellen Fluchtgrund - den Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens, wobei es sich bei der Gewährung von Asyl bzw. von subsidiärem Schutz nicht um einen amtswegig zu erlassenden, sondern um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 2006, Zl. 2003/20/0345). Sowohl der Herkunftsstaat als auch der persönliche Fluchtgrund müssen also vom Asylwerber in seinem Antrag auf internationalen Schutz behauptet und überdies zumindest glaubhaft gemacht werden.

Die hohe Relevanz des behaupteten Herkunftsstaates aber auch der Identität, unter der ein Asylwerber im Asylverfahren auftritt, erschließt sich etwa daraus, dass das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative immerhin einen Abweisungsgrund für einen Antrag auf internationalen Schutz darstellt (vgl. § 3 Abs. 3 Z 1 sowie § 8 Abs. 3 und 6 Asylgesetz 2005). So ordnet die Gesetzesbestimmung des § 11 Abs. 2 Asylgesetz 2005 unmissverständlich an, dass bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, "auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber" abzustellen ist (zum Vorhandensein einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Nigeria sowie zur Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der nigerianischen Behörden vgl. zB das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. August 2015, Zl. I409 2112470-1, mwN auf die ständige Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichtes).

Tritt ein Asylwerber unter einer Aliasidentität auf oder macht er falsche Angaben zu seinem Herkunftsstaat, läuft diese Prüfung zwangsläufig ins Leere.

2.2. Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet das, dass die offenbare Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens der Beschwerdeführerin darin begründet liegt, dass sie ihren Antrag auf internationalen Schutz absichtlich unter Verwendung einer falschen Identität stellte und damit zwar die Verfolgung der Person "V. T.", nicht jedoch die Verfolgung ihrer eigenen Person behauptete. Außerdem handelte sie mutwillig, indem sie ihre nigerianische Herkunft verschleierte und behauptete, Staatsangehörige von Kamerun zu sein. Die Mutwilligkeit ist also darin zu sehen, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf internationalen Schutz ab ovo bewusst unrichtig begründete, sodass ihr die tatsächliche Grund- und Aussichtslosigkeit ihres dergestalt gestellten Asylantrages jedenfalls bewusst war.

Abgesehen von der Mutwilligkeit ihres prozessualen Verhaltens kann der Beschwerdeführerin aber auch eine Verschleppung ihres Asylverfahrens zur Last gelegt werden, weil sie mit der Angabe einer Aliasidentität und eines falschen Herkunftsstaates ganz offenkundig auch bezweckte, die belangte Behörde bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes in die Irre zu leiten, um eine rasche Beendigung ihres Asylverfahren zu vereiteln und um überdies - nach der Abweisung eines Asylantrages als unbegründet - ihre Außerlandesbringung zu erschweren oder gar zu verhindern.

Auf diese Weise gelang es der Beschwerdeführerin, dreimal den jeweils abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vor dem Asylgerichtshof erfolgreich zu bekämpfen und eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Aufhebung dieser Bescheide zu erreichen. Tragender Aufhebungsgrund der besagten Erkenntnisse war jedes Mal die - nach Ansicht des Asylgerichtshofes - mangelhafte Ermittlungstätigkeit des Bundesasylamtes in Bezug auf den Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin.

Ex post betrachtet steht nach der Offenlegung ihrer tatsächlichen Identität bzw. Herkunft fest, dass das Bundesasylamt jedoch mit seiner Annahme stets richtig lag, die Beschwerdeführerin stamme - entgegen ihren Behauptungen - nicht aus Kamerun, sondern aus Nigeria. Es muss angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin auf der unzutreffenden Angabe ihrer Identität und ihres Herkunftsstaates deswegen beharrte, weil sie davon ausging, als Staatsangehörige Kameruns Chancen auf die Zuerkennung von Asyl oder auf subsidiären Schutz zu haben, die sie im Fall der Offenlegung ihrer wahren Identität bzw. ihres wahren Herkunftsstaates nicht gehabt hätte.

Bezeichnend für die Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens der Beschwerdeführerin ist, dass der zuletzt - im vierten Rechtsgang - erlassene Bescheid, mit dem der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 erteilt worden war, unbekämpft in Rechtskraft erwuchs, obwohl die belangte Behörde mit diesem Bescheid ihren Asylantrag erneut in Bezug auf Nigeria als unbegründet abwies.

2.3. Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe - gegen die sich die Beschwerde übrigens nicht wendet - ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von 726 Euro derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten werden kann (vgl. dazu etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1999, Zl. 98/12/0406).

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Strafrahmen des § 35 AVG in der Höhe von bis zu 726 Euro voll ausschöpfte.

Allerdings besteht für das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der vorsätzlichen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht und über einen Zeitraum von über vier Jahren gesetzten Täuschungshandlungen der Beschwerdeführerin keine Veranlassung, die von der belangten Behörde festgesetzte Strafhöhe zu reduzieren. Angesichts dieses gravierenden Fehlverhaltens kann nämlich eine Verhaltensänderung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer besonders auffallenden Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheitspflicht und dem - eine redliche Antragstellung verlangenden - gesetzlichen Ordnungsrahmen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nur durch die Verhängung der Höchststrafe erzielt werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin der belangten Behörde gefälschte bzw. fremde, dh auf den Namen ihrer Aliasidentität ausgestellte Urkunden vorlegte sowie in ihrem Besitz befindliche, identitätsbezeugende Dokumente zurückhielt. Außerdem versuchte sie, die Organwalterin der belangten Behörde durch die Erstattung zweier "Befangenheitsanzeigen" und einer Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs unter Druck zu setzen.

Zu Lasten der Beschwerdeführerin ist auch der von ihr verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des Bundesasylamtes (bzw. der belangten Behörde) zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass sie sich durch die Stellung eines grundlosen Asylantrages während des - von ihr mutwillig in Gang gesetzten und dann auch noch prolongierten - Asylverfahrens Leistungen aus der Grundversorgung erschlich, beanspruchte sie nicht nur erhebliche personelle Ressourcen der belangten Behörde (aber auch des Asylgerichtshofes), sondern der Bund wurde durch ihr Verschulden zudem mit hohen Barauslagen belastet, zumal diese aufgrund der Kostentragungsregelung des § 70 Asylgesetz 2005 nicht auf die Beschwerdeführerin überwälzt werden können - allein das linguistische Gutachten vom 30. August 2014 schlug mit 2.231 Euro zu Buche.

Nicht zuletzt ist bei einem Verhalten, wie es die Beschwerdeführerin an den Tag gelegt hat, auch der schädliche Effekt auf die Verfahrensdauer in den Verfahren über Anträge anderer Asylwerber zu beachten. Ein solches Verhalten muss sich nämlich mit seiner durch eine langjährige und über mehrere Rechtsgänge verlaufende, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten der Position redlicher Antragsteller auswirken.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Sanktionshöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände wurden von der Beschwerdeführerin hingegen nicht ins Treffen geführt, zumal sich die Beschwerde auch nicht gegen die Strafhöhe richtet.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Beschwerdeführerin bei der Bemessung der Strafhöhe nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass - nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG - § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist und auch sonst keine gesetzliche Grundlage dafür besteht, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1994, Zl. 92/10/0469, VwSlg. Nr. 14.064 A/1994).

3. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG absehen, weil die Parteien des Beschwerdeverfahrens ausdrücklich darauf verzichteten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist; § 25a Abs. 4 VwGG ist im vorliegenden, keine Verwaltungsstrafsache, sondern eine Mutwillensstrafe betreffenden Beschwerdefall nicht anwendbar. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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