GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §7
GSVG §8
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:G312.2257419.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , VSNR: XXXX , vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin, in 8010 Graz, vom XXXX .2022 gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle XXXX , vom XXXX .2022, GZ: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2022, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom XXXX , GZ: XXXX , stellte die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (im Folgenden: belangte Behörde) fest, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz: BF) von 01.01.2017 bis 31.12.2017 sowie von 01.01.2020 bis 31.12.2020 gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit a ASVG der Unfallversicherung unterliege.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF seit 2002 eine Tätigkeit als Aufsichtsrat ausübe, der belangten Behörde jedoch keine Unterbrechungserklärung übermittelt hätte. Der BF hätte selbst angegeben, dass er in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen von 01.01.2017 bis 31.12.2017 sowie von 01.01.2020 bis 31.12.2020 weiterhin im Firmenbuch als Aufsichtsrat eingetragen gewesen wäre und auch beabsichtigt hätte, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen. Im Ergebnis könne von einer unterjährigen Beendigung der betrieblichen Tätigkeit gemäß § 7 GSVG nicht ausgegangen werden.
Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass er für das Jahr 2020 die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten hätte, da er in den Monaten Jänner, März, April, Juni, Juli sowie August 2020 überhaupt keine Vergütungen als Aufsichtsrat erhalten hätte. Auch wenn der BF im Firmenbuch eingetragen gewesen wäre, hätte er diese Tätigkeit ruhend gestellt. Faktischer Beginn der betrieblichen Tätigkeit wäre sohin September 2020 gewesen und wäre davor jedenfalls keine Versicherungspflicht nach dem GSVG gegeben. Daher sei für den Zeitraum Jänner 2020 bis August 2020 keine Pflichtversicherung festzustellen. Hinsichtlich des Kalenderjahres 2017 habe der BF von September bis Dezember keine Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt. Es wäre bezüglich der Einkommensabgrenzung im Jahr 2017 zwar das gesamte Kalenderjahr zur Ermittlung des Gesamteinkommens des BF heranzuziehen, basiere dies jedoch auf einer verfassungsrechtlichen Grundsätzen zuwiderlaufenden Bestimmung. Es sei mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, dass der BF, welcher mit September 2017, sohin nicht am Ende des Kalenderjahres, seine vorzeitige Alterspension angetreten habe, ohne sachliche Rechtfertigung viel schlechter gestellt sei, als ein vergleichbarer Dienstnehmer/Korridorpensionist, welcher mit 01.01. eines Kalenderjahres seine vorzeitige Pension antrete. Die entsprechende Bestimmung habe aufgrund der Unvereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unangewendet zu bleiben, weshalb der BF ebenfalls im Zeitraum von 01.09.2017 bis 31.12.2017 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit a ASVG unterliege.
Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt von der belangten Behörde am 22.07.2022 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am 21.10.2022 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Teilnahme des BF, seiner Rechtsvertreterin sowie einer Vertreterin der belangten Behörde statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist seit dem Jahr 2012 als Aufsichtsrat bei der XXXX (Firmenbuchnummer: XXXX ) tätig und bezieht Vergütungen aus dieser Tätigkeit.
Der BF war weiters im Zeitraum von 01.01.2017 bis 31.12.2017 sowie vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 Vorstand der XXXX (Firmenbuchnummer: XXXX ) sowie ab 15.10.2019 der XXXX (Firmenbuchnummer: XXXX x) tätig.
Der BF bezieht seit 01.09.2017 eine vorzeitige Alterspension (Korridorpension) nach dem ASVG, welche mit 01.09.2020 in eine Alterspension umgewandelt wurde.
Der in Rechtskraft erwachsene Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt für das Jahr 2017 vom 30.11.2018 weist unter anderem Einkünfte des BF aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 46.191,90 auf.
Am 29.01.2019 wurde der BF seitens der belangten Behörde informiert, dass er von 01.01.2017 bis 31.12.2017 in die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG sowie der Unfallversicherung nach dem ASVG einbezogen wurde.
Der in Rechtskraft erwachsene Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes XXXX für das Jahr 2020 vom 21.12.2021 weist unter anderem Einkünfte des BF aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 9.609,15 auf.
Am 21.02.2022 wurde der BF seitens der belangten Behörde informiert, dass er von 01.01.2020 bis 31.12.2020 in die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG sowie der Unfallversicherung nach dem ASVG einbezogen wurde.
Bei dem in den Einkommensteuerbescheiden betreffend die Veranlagungsjahre 2017 und 2020 ausgewiesenen Beträgen von EUR 46.191,90 und EUR 9.609,15 handelt es sich um jene Gelder, die der BF für seine Tätigkeit als Aufsichtsrat erhalten hat.
Eine Einstellung der selbstständigen Tätigkeit des BF als Aufsichtsrat ist im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht erfolgt, sodass eine durchgehende betriebliche Tätigkeit des BF vorliegt.
Der BF unterliegt somit im Zeitraum von 01.01.2017 bis 31.12.2017 sowie von 01.01.2020 bis 31.12.2020 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit a ASVG.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte, des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts, sowie aus der am 21.10.2022 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der, dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.
Der oben angeführte Sachverhalt wurde von keiner Verfahrenspartei in Frage gestellt.
2.2. Die belangte Behörde ist der Ansicht, dass keine Beendigung der betrieblichen Tätigkeit des BF vorliege, weshalb von einer unterjährigen Beendigung der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 7 GSVG nicht ausgegangen werden könne.
Der BF vertritt hingegen die Rechtsauffassung, dass eine durchgehende Ausübung der die Pflichtversicherung begründende Tätigkeiten nicht vorliege, da er im Jahr 2020 vor September keine Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt habe. Hinsichtlich des Kalenderjahres 2017 wäre zwar das gesamte Kalenderjahr zur Ermittlung des Gesamteinkommens des BF heranzuziehen gewesen, lasse sich dieses Vorgehen jedoch mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbaren, da der BF, welcher nicht am Ende des Kalenderjahres, sondern mit September 2017, seine vorzeitige Alterspension angetreten habe, ohne sachliche Rechtfertigung viel schlechter gestellt werde, als ein vergleichbarer Dienstnehmer/Korridorpensionist, welcher mit 01.01. eines Kalenderjahres seine vorzeitige Pension antrete. Nach Ansicht des BF unterliege er somit im Zeitraum von 01.09.2017 bis 31.12.2017 sowie von 01.01.2020 bis 31.08.2020 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit a ASVG.
Die Frage, ob in den in Beschwerde gezogenen Zeiträumen eine betriebliche Tätigkeit des BF, welche eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausgelöst hat, vorgelegen ist bzw. inwieweit eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des BF bedingt durch die Heranziehung des gesamten Kalenderjahres 2017 zur Ermittlung seines Gesamteinkommens besteht, ist im gegenständlichen Fall einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass der BF von 01.01.2017 bis 31.08.2017 sowie von 01.09.2020 bis 31.12.2020 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit a ASVG unterlag.
Verfahrensgegenständlich strittig ist, ob die belangte Behörde zu Recht von einer Pflichtversicherung des BF aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat im Zeitraum von 01.09.2017 bis 31.12.2017 sowie im Zeitraum von 01.01.2020 bis 31.08.2020 ausgegangen ist.
Die belangte Behörde ist der Ansicht, dass es sich vorliegend um ein bloßes zeitweises Nichttätigsein des BF im Sinne der Rechtsprechung des VwGH handle, welches keine Beendigung der betrieblichen Tätigkeit bedeute und daher im vorliegenden Fall von einer unterjährigen Beendigung der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 7 GSVG nicht ausgegangen werden könne.
Der BF moniert, dass er vor September 2020 die Einkunftsgrenzen über der Geringfügigkeit nicht überschritten hätte. Hinsichtlich der Einkommensabgrenzung im Jahr 2017 wäre zwar das gesamte Kalenderjahr zur Ermittlung des Gesamteinkommens des BF heranzuziehen gewesen, basiere dies jedoch auf einer verfassungsrechtlichen Grundsätzen zuwiderlaufenden Bestimmung, weshalb eine Abgrenzung mit 01.09.2017 vorzunehmen gewesen wäre.
Den Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet somit im Kern die Frage, ob die belangte Behörde im Anlassfall zu Recht das Bestehen einer Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG im Zeitraum 01.09.2017 bis 31.12.2017 sowie 01.01.2020 bis 31.08.2020 festgestellt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist, in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen, der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG überschreiten werde. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.
Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG beginnt mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit. Hat jedoch der Versicherte die Meldung nicht binnen einem Monat nach Eintritt der Voraussetzungen für den Beginn der Pflichtversicherung (§18 Abs. 1 GSVG) erstattet, beginnt die Pflichtversicherung mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Einkünfte die Grenze des § 25 Abs. 4 GSVG übersteigen (§ 6 Abs. 4 Z 1 GSVG). Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG endet mit dem Letzten des Kalendermonates in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit erfolgt. Hat der Versicherte die Abmeldung nicht binnen einem Monat nach Eintritt der Voraussetzungen für das Ende der Pflichtversicherung (§ 18 Abs. 1 GSVG) erstattet, endet die Pflichtversicherung mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit erfolgt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, dass er die betriebliche Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt beendet hat.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG sind von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung Personen hinsichtlich ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, deren Einkünfte (§ 25 GSVG) aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr das Zwölffache des Betrages nach § 25 Abs. 4 GSVG nicht übersteigen, ausgenommen. Dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung nach § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz GSVG abgegeben haben.
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG endet bei den im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Personen die Pflichtversicherung mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeiten erfolgt; hat der Versicherte die Abmeldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 GSVG erstattet, mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeiten erfolgt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, dass er die betrieblichen Tätigkeiten zu einem früheren Zeitpunkt beendet hat.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a 2. Teilstrich ASVG unterliegen alle in der Kranken- oder Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversicherten der Unfallversicherung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausgesprochen, dass sich diese grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung grundsätzlich Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde (vgl. VwGH 17.12.2015, 2013/08/0165; 14.11.2012, 2010/08/0215; 20.03.2014, 2013/08/0012).
Zum Begriff "betriebliche Tätigkeit" in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG knüpft der VwGH an den Betriebsbegriff i.S. einkommensteuerrechtlicher Regelungen an. Dies ergibt sich insbesondere aus der tatbestandsmäßigen Verbindung dieses Begriffes mit den Einkommenstatbeständen gemäß den §§ 22 und 23 EStG 1988: Die Begriffseinordnung ist im gegebenen Zusammenhang deswegen von Bedeutung, weil die Versicherungspflicht auf die "betriebliche Tätigkeit" abstellt. Beginn und Ende der betrieblichen Tätigkeit sind für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht von Bedeutung (vgl. zur Bedeutung der Wortfolge "betriebliche Tätigkeit" in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG VwGH 18.12.2003, 2000/08/0068, mwN, vgl. auch VwGH 17.12.2015, 2013/08/0165 u.a.).
Voraussetzung für eine Pflichtversicherung nach 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ist, dass eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen wurde und diese im zu beurteilenden Zeitraum (noch) vorliegt (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0122, mwN).
Bezüglich der Einführung des § 7 Abs. 4 GSVG wird in den Erläuterungen zu BGBl. 139/1997 (886 der Beilagen XX. GP 112) Folgendes ausgeführt:
"Der Beginn der Pflichtversicherung richtet sich für Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, die die Aufnahme ihrer Tätigkeit rechtzeitig binnen einem Monat gemeldet haben (§ 18 GSVG) nach dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit. Hat jemand diese Meldung unterlassen, so wird er rückwirkend mit Beginn des Kalenderjahres in die Pflichtversicherung einbezogen. Dies deshalb, da es aus verwaltungstechnischen Gründen ausgeschlossen ist, den tatsächlichen Beginn von Amts wegen festzustellen. Auf die Bestimmung des § 54 GSVG wird in diesem Zusammenhang hingewiesen. Doch auch im Fall der rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung soll der Versicherte glaubhaft machen können, dass er zu einem anderen Zeitpunkt als den Jahresbeginn seine betriebliche Tätigkeit begonnen hat."
3.2. Verfahrensgegenständlich wurden in den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheiden 2017 und 2020 unbestritten Einkünfte des BF aus selbständiger Tätigkeit ausgewiesen.
Die Tätigkeit des BF als Aufsichtsrat ist eine "betriebliche" Tätigkeit, weil sie sich als Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben darstellt und keinesfalls der Privatsphäre einer Person angehört (VwGH vom 18.12.2003, Zl. 2000/08/0068). Bei der Tätigkeit eines Aufsichtsrats überwiegt, auch wenn für die Ausübung der Tätigkeit keine Betriebsmittel benötigt werden, die Selbständigeneigenschaft. Ein Aufsichtsrat ist in der Regel nebenberuflich tätig und erhält für seine Leistungen eine Aufwandsentschädigung. Es handelt sich dabei um Einkommen im Sinne des EStG, das entsprechend versteuert werden muss. Da in der Regel zur Ausübung der Tätigkeit eines Aufsichtsrats außer der Einbringung seiner speziellen Kenntnisse und seiner Erfahrung keine Betriebsmittel notwendig sind, sie dennoch als selbständige Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988 zu qualifizieren ist, ist die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG gegeben (BMSG. 28. 6. 2000, 122.742/2–7/99).
Nachdem die Einkünfte des BF aus selbständiger Tätigkeit in den Jahren 2017 und 2020 insgesamt die Versicherungsgrenzen überschreiten und eine anderweitige Pflichtversicherung aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat weder nach dem GSVG noch einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist, sind die Voraussetzungen für den Eintritt der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Zeit von 01.01.2017 bis 31.12.2017 sowie von 01.01.2020 bis 31.12.2020 gegeben.
Hinsichtlich der Bedenken des BF ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof (VwGH vom 29. März 2006, Zl. 2004/08/0094) hierzu ausführt, dass für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht nur der Beginn und das Ende der betrieblichen Tätigkeit von Bedeutung ist. Dabei ist das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind. Tritt daher z. B. ein Vortragender immer wieder auf, so ist auch während jener Zeit eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen, in welcher er (vorübergehend) keine Vortragstätigkeit entfaltet (VwGH vom 18.12.2003, Zl. 2000/08/0068). Weiters führt der Verwaltungsgerichtshof im selben Erkenntnis aus, dass die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auch auf Einkünfte gegründet werden kann, bei denen es sich um Tantiemen (Verwertung von Urheberrechten) handelt, die für Werke geleistet wurden, die in früheren Jahren geschaffen worden sind, sofern diese versicherungspflichtige Tätigkeit auch noch im betreffenden Kalenderjahr ausgeübt wurde (VwGH vom 19.10.2005, Zl. 2003/08/0276).
Hat die selbständige Tätigkeit einmal begonnen, so reicht die bloße Behauptung, in den maßgeblichen Leistungszeiträumen nicht selbständig tätig gewesen zu sein, nicht aus. Es wäre daher am Versicherten anhand der für eine Beendigung der betrieblichen Tätigkeit in Frage kommenden Kriterien ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten, ab welchem Zeitpunkt und wie lange eine Unterbrechung derselben vorgelegen ist. Die Last der substantiierten Glaubhaftmachung für eine Beendigung liegt ausschließlich beim Versicherten (vgl. VwGH 21.12.2005, 2003/08/0126 = VwSlg 16791 A/2005).
Bereits aus diesen höchstgerichtlichen Ausführungen ergibt sich, dass die Glaubhaftmachung einer Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeiten ausschließlich beim BF gelegen ist.
Fallgegenständlich übte der BF seit 2012 eine Tätigkeit als Aufsichtsrat aus, wobei er zu keinem Zeitpunkt eine Unterbrechungserklärung an die belangte Behörde übermittelt hat. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er die betriebliche Tätigkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingestellt hat, was durch Vorlage von diesbezüglichen Nachweisen (zB durch eine Einstellungsanzeige gegenüber über dem Finanzamt) hätte erfolgen können.
Ebenso wurde keine Ruhendmeldung seiner Tätigkeit ins Firmenbuch der XXXX eingetragen und war den vorgelegten Firmenbuchauszügen zu entnehmen, dass der BF in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen weiterhin im Firmenbuch als Aufsichtsrat eingetragen war. Der BF führte dazu in der mündlichen Verhandlung aus, dass er eine Eintragung der Ruhendmeldung seiner Tätigkeit ins Firmenbuch nicht beabsichtige (vgl. Verhandlungsschrift S. 8).
Eine Beendigung (oder auch nur zeitlich befristete Unterbrechung) der betrieblichen Tätigkeit des BF ist so nicht einmal ansatzweise erkennbar, vielmehr liegt geradezu typischerweise eine durchgehende betriebliche Tätigkeit des BF als Aufsichtsrat vor. Da der BF keine Anhaltspunkte darlegen konnte, wonach seine Tätigkeit unterjährig unterbrochen wurde, ist von einer ganzjährigen Versicherungspflicht des BF gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auszugehen.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach welcher das bloße zeitweise Nichttätigsein, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes noch keine Beendigung der betrieblichen Tätigkeit darstellt, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden. Vom erkennenden Gericht ist daher festzustellen, dass aus den genannten Gründen dem BF eine Glaubhaftmachung der Beendigung seiner betrieblichen Tätigkeit nicht gelungen ist.
Der bloße Umstand, dass der BF im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Einkünfte unter der Geringfügigkeitsgrenze erzielte, lässt auch keinen anderen Schluss zu. Festzuhalten ist, dass die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zwar nur dann eintritt, wenn bestimmte jährliche Einkommensgrenzen überschritten werden (was gegenständlich der Fall war), es ist aber – entgegen dem Vorbringen des BF - nicht erforderlich, dass in jedem Monat der Tätigkeit Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt werden (vgl. Scheiber in Sonntag (Hrsg.), GSVG Jahreskommentar 10. Auflage, 2021, § 2 RZ 64a; VwGH vom 13.11.2013, Zl. 2013/08/0054), weshalb auch sein Vorbringen, wonach er von September 2017 bis Dezember 2017 sowie von Jänner 2020 bis August 2020 keine Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt hätte, ins Leere läuft. Denn für eine Beendigung der betrieblichen Tätigkeit kommt es nicht darauf an, dass keine Einkünfte erzielt wurden oder ein zeitweises Nichttätigsein vorliegt, solange weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt sind (vgl. VwGH 2010/08/0145).
Dass der BF im genannten Zeitraum - wie vorgebracht - lediglich Einkünfte unter der Geringfügigkeitsgrenze lukriert habe, ändert daran nichts, weil die betriebliche Tätigkeit das ganze Jahr über durchgehend ausgeübt wurde (vgl. Scheiber in Sonntag (Hrsg.), GSVG Jahreskommentar 10. Auflage, 2021, § 2 Rz 65; VwGH vom 25.10.2006, Zl. 2004/08/0205). Dass dies im hier maßgeblichen Zeitraum der Fall, folgt bereits aus dem genannten Umstand, dass der BF keine Ruhendmeldung seiner Tätigkeit ins Firmenbuch der XXXX eintrug und selbst vorbrachte, dass er auch weiterhin beabsichtige, seine Tätigkeit erneut aufzunehmen.
Zudem stellt die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG in Zusammenschau mit der Bestimmung des § 25 GSVG für die Feststellung der Beitragsgrundlage (= Beurteilungskriterien für die Überschreitung der Versicherungsgrenze) auf eine Jahresbetrachtung (Kalenderjahr) ab.
Somit konnte der BF der belangten Behörde nicht substantiiert entgegentreten, wenn diese zur Recht von einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen ausgeht.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterliegen alle selbständigen Erwerbstätigen, die in der Kranken- oder Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sind, der Unfallversicherung nach dem ASVG. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Pflichtversicherung des BF in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG (auch) für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2017 sowie von 01.01.2020 bis 31.12.2020 festgestellt.
Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Einkommensabgrenzung:
Der BF brachte weiters vor, dass es dem OGH zufolge bei Fällen von Kindergeldrückforderungen möglich sei, vorzulegen, das keine grenzüberschreitenden Einkünfte erzielt worden wären, um in einem solchen Fall eine Rückzahlung zu vermeiden. Anhand des Umstandes, dass der BF im Zeitraum Jänner 2020 bis August 2020 keine entsprechenden Einkünfte erzielt und entsprechende Abgrenzungen vorgelegt habe, sei es sachlich nicht gerechtfertigt für das komplette Jahr 2020 eine Feststellung der Pflichtversicherung vorzunehmen. Dieses Grundprinzip erstrecke sich in weiterer Folge auf die Feststellung der Pflichtversicherung für das gesamte Jahr 2017. Es ergebe sich ansonsten eine Ungleichbehandlung zwischen Menschen, die rein aufgrund ihres Geburtsdatums unterjährig in Pension gehen – so auch der BF – und Personen, die am Neujahrstag Geburtstag hätten und in diesem entsprechend in Pension gehen. Für erstere bestehe die Gefahr, dass – wie im vorliegenden Fall – eine Pflichtversicherung für das gesamte Kalenderjahr schlagend werde, obwohl mit Antritt der vorzeitigen Alterspension keine Tätigkeiten, welche die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, vorliegen.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass diese Bedenken vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt werden.
Dem Gesetzgeber ist es – insbesondere auch im Interesse der Verwaltungsökonomie – gestattet, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. OGH vom 19.01.1994, 10 ObS 253/93)
Durch die Schaffung des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG hat der Gesetzgeber eine sachlich gerechtfertigte Regelung getroffen, indem er bei der Beurteilung ob die Versicherungsgrenze überschritten wurde, auf das gesamte Kalenderjahr abstellt bzw. durch die Regelungen der §§ 6 und 7 GSVG bei den in § 2 Abs 1 Z 4 GSVG genannten Personen für den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung auf die Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit abstellt.
Diese pauschalierte Ermittlung des Einkommens erscheint verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes von einer Durschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen darf (zB VfSlg 3595, 5318, 8457). Dass dabei Härtefälle entstehen können, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (zB VfSlg 3568, 9908, 10.276). Dem Gesetzgeber muss es – insbesondere auch im Interesse der Verwaltungsökonomie – gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. Machacek, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof2, 89f).
Wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, ist diesem Vorbringen weiters entgegenzuhalten, dass die vom BF eingebrachte Bestimmung des § 8 KBGG (Kinderbetreuungsgeldgesetz) ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, eine Abgrenzung der Einkünfte im Anspruchszeitraum vorzunehmen, wobei für die Ermittlung der Zuverdienstgrenze nur jene Einkünfte maßgeblich sind, die aus einer während des Anspruchszeitraums ausgeübten Tätigkeit stammen (OGH 13.09.2021, 10 ObS 123/21). Festzuhalten ist, dass auch in diesem Fall keine monatliche Betrachtung vorgenommen wird, sondern vielmehr geprüft wird, ob der Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte die Zuverdienstgrenze überschritten hat (vgl. dazu VfGH vom 27.11.2018, G75/2018).
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wie in der Beschwerde vorgebracht, kann daher nicht erblickt werden. Die Anregung des BF auf Einleitung eines Gesetzprüfungsverfahrens wird daher nicht aufgegriffen.
Zusammenfassend gehen die Beschwerdegründe ins Leere. Die Beschwerde erweist sich aus den genannten Gründen als unbegründet und war daher abzuweisen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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