Familienbonus Plus
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101183.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 16.6.2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 9. Juni 2020 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Einkommensteuer 2019 wurde mit Bescheid vom 9. Juni 2020 veranlagt.
Es ergab sich eine Gutschrift von € 410,00. Neben den Einkünften aus der Pensionsversicherung wurden ausländische Einkünfte in Höhe von € 1350,64, Sonderausgaben, der Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von € 341,28 und ein Familienbonus Plus in Höhe von € 187,56 bei der Steuerberechnung berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben und ausgeführt, die Gutschrift habe sich im Vergleich zum Vorjahr halbiert, obwohl die Verhältnisse gleichgeblieben wären. Lediglich eine Tochter habe ihre Ausbildung im September 2019 abgeschlossen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 8. Juli 2020 wies die Amtspartei die Beschwerde ab und führte aus, das Einkommen habe sich von 2018 auf 2019 erhöht. Ebenso seien die ausländischen Einkünfte geringer gewesen. Ebenso habe der Unterhaltsabsetzbetrag nicht zur Gänze berücksichtigt werden können.
Mit Vorlageantrag vom 16. Juli 2020 wurde die Berücksichtigung des Familienbonus beantragt und darauf hingewiesen, dass die Kindsmutter, wohnhaft in Deutschland, die Familienbeihilfe beantragen werde.
Im Einkommensteuerbescheid 2018 wurden Kinderfreibeträge für nicht haushaltszugehörige Kinder in Höhe von € 600,00 und ein Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von € 876,00 berücksichtigt, wodurch sich eine Gutschrift von € 923,00 ergab.
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am 6.10.2020 vorgelegt.
Es wurde ausgeführt: "Sachverhalt: Der Pflichtige beantragt für seine Kinder (wohnhaft bei Kindesmutter in Deutschland) den Familienbonus Plus. Für VNK1 K1 wurde ganzjährig Unterhalt geleistet, für VNK2 K2 bis September 2019. Die Kindesmutter hat einen Antrag auf Familienbeihilfe gestellt. Dieser wurde jedoch abgewiesen, da die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt wurden. Beweismittel: Unterhaltszahlungen Stellungnahme: Es wird beantragt, den Familienbonus Plus zu gewähren. Dem Grunde nach besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für die Kindesmutter."
Eine Erledigung nach § 300 BAO wurde von der Amtspartei mit Mail vom 8. Oktober 2020 abgelehnt.
Die Erledigung der Beschwerde wurde am 30.11.2020 telefonisch urgiert.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer beantragt für seine Kinder VNK1 K1 (geboren Datum1, wohnhaft bei Kindesmutter VN K1 in Deutschland) und VNK2 K2, (geboren Datum2, wohnhaft in Österreich) den Unterhaltsabsetzbetrag und den Familienbonus Plus. Für VNK1 K1 wurde ganzjährig Unterhalt geleistet, für VNK2 K2 bis September 2019.
Die Kindesmutter hat für VNK1 K1 einen Antrag auf Familienbeihilfe gestellt. Dieser wurde jedoch abgewiesen, da die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt wurden.
Für VNK2 K2 wurde der Familienbonus Plus zur Hälfte beim Kindesvater für 9 Monate anerkannt (lt. Bescheid € 187,56 - € 51,68 FBPlus für 9 Monate = 375,12 / 2 = 187,56).
Allerdings kein Unterhaltsabsetzbetrag (ohne Begründung).
Für K1 VNK1 wurde nur der Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von € 341,28 berücksichtigt. (€ 350,40 indexiert wegen Wohnsitz in Deutschland € 341,28)
Beweiswürdigung
Der vorliegende Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 sind von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:
- Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.
- Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6.
Abs. 3a lautet: Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
- Der Familienbonus Plus beträgt
- bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro;
- nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.
- Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
- Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab 1. Jänner 2019 auf Basis der zum Stichtag 1. Juni 2018 zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
- Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
- Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
- Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
- Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
- Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.
- Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrag beantragen.
- (Ehe-)Partner im Sinne der Z 3 ist eine Person, mit der der Familienbeihilfenberechtigte verheiratet ist, eine eingetragene Partnerschaft nach dem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz - EPG begründet hat oder für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Lebensgemeinschaft lebt. Die Frist von sechs Monaten im Kalenderjahr gilt nicht, wenn dem nicht die Familienbeihilfe beziehenden Partner in den restlichen Monaten des Kalenderjahres, in denen die Lebensgemeinschaft nicht besteht, der Unterhaltsabsetzbetrag für dieses Kind zusteht.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
- Leisten sie für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 58,40 Euro monatlich zu. Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, so steht der Absetzbetrag nur einmal zu.
Umgelegt auf den konkreten Fall bedeutet das:
Für K2 VNK2 wurde offenbar irrtümlich kein Unterhaltsabsetzbetrag angesetzt. Dieser steht jedoch für 9 Monate zu, der bisher berücksichtigte Betrag war demnach um € 394,20 zu erhöhen. (€ 43,80*9)
Zum Familienbonus Plus von K1 Emma:
Der Beschwerdeführer unterliegt zufolge seiner Beschäftigung den österreichischen Rechtsvorschriften. Somit kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG bestehen. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist (vgl. VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067 mit Hinweis auf VwGH 23.2.2010, 2009/15/0205).
Nach Art. 67 der Verordnung 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 besteht ein von der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich abgeleiteter, grundsätzlich und zufolge Haushaltsführung primärer Anspruch der Kindesmutter auf Differenzzahlung in Österreich.
Somit sind oben genannte Erfordernisse, neben der Unterhaltszahlung auch der Anspruch auf Differenzzahlung und somit Familienbeihilfe, als erfüllt anzusehen.
Gegenständlich ist wesentlich, dass für ein Kind Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlung besteht. Wer diese Familienleistung in Anspruch nehmen könnte, ist irrelevant (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/16/0133).
Im Urteil des EuGH 22.10.2015, C-378/14 - Tomislaw Trapkowski wurde schlussendlich festgehalten, dass Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind.
Wesentlich ist nicht ein Antrag oder eine tatsächliche Gewährung der Familienleistungen, sondern die Anspruchsvoraussetzung. Dies gilt auch dann, wenn allfällige Familienleistungen im Ausland höher wären und die Differenzzahlung betragsmäßig Null wäre (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2020, § 33 Tz 31).
Dass auch tatsächlich ein Antrag gem. § 4 Abs. 4 FLAG 1967 auf die Ausgleichszahlung/Differenzzahlung nach Ablauf des belangten KJ einzubringen ist, kann hierin nicht erkannt werden. Es genügt die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach.
In § 33 Abs. 3a EStG 1988 wird auf die Gewährung von Familienbeihilfe nach FLAG hingewiesen. Nachdem im FLAG klar auf einen Anspruch auf Familienbeihilfe verwiesen wird (§ 4 Abs. 1 FLAG 1967), gilt dies in teleologischer Auslegung auch für die Bestimmung im Einkommensteuergesetz.
Selbst in den Lohnsteuerrichtlinien - 769b - (für Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes allerdings nicht bindend), wird Folgendes angeführt:
"Sind die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohnt im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz und im Inland wird eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgeübt) im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 auch dann zu, wenn die Familienleistungen im Ausland höher sind und die Differenzzahlung betragsmäßig Null beträgt."
Das heißt also, dass selbst die Lohnsteuerrichtlinien lediglich einen grundsätzlichen Anspruch auf Familienleistung fordern.
Lt. Vorlagebericht besteht auch der Ansicht der Amtspartei nach dem Grunde nach Anspruch auf Familienbeihilfe für die Kindesmutter. Der Familienbonus Plus beträgt € 41,68 pro Monat, da das Kind im Kalenderjahr 2019 das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Der Familienbonus Plus ist also zur Hälfte (somit im Ausmaß von € 250,08 = 41,68*12) zu gewähren und der bisher berücksichtigte Betrag um diesen zu erhöhen.
Es ergibt sich folgende Steuerberechnung:
Steuerberechnung Einkommensteuer 2019 | | | |
| | | |
Gesamtbetrag der Einkünfte | | | |
(Lt. Bescheid) | | | 17.510,07 |
- Sonderausgaben | | | -730 |
| | | |
Einkommen | | | 16.780,07 |
| | Steuer | 1661,23 |
- Familienbonus Plus | | | 437,64 |
- Unterhaltsabsetzbetrag | | | 735,48 |
- Pensionistenabsetzbetrag | | | 304,23 |
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge | | | 183,88 |
Steuer sonstige Bezüge | | | 137,07 |
Anrechenbare Lohnsteuer | | | -1375,11 |
Gutschrift neu | | | -1054,16 |
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Linz, am 1. Dezember 2020
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 33 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |