Außergewöhnliche Belastung, Diätverpflegung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7106315.2016
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom 20.08.2015 gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom 12.08.2015 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrenslauf
Am 10.08.2015 brachte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) eine Erklärung zur AbeinehmerInnenveranlagung 2014 mittels amtlichen Vordrucks (L1-2014) ein. Darin machte er ausschließlich eine Behinderung von 50% geltend und beantragte den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung für Gallen-, Leber und Nierenkrankheit sowie Magenkrankheit und andere innere Erkrankungen.
Mit Bescheid vom 12.08.2015 veranlagte die belangte Behörde den Bf. zur Einkommensteuer 2014. Abgesetzt wurde der Freibetrag wegen eigener Behinderung (§ 35 Abs. 3 EStG 1988). Die beantragte Berücksichtigung eines Freibetrags für Diätverpflegung wurde hingegen - ohne Begründung - nicht vorgenommen.
Mit persönlich überreichtem Schreiben vom 20.08.2015 erhob der Bf. Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 und ersuchte um Berücksichtigung einer Gallen-Diät.
Die belangte Behörde ersuchte den Bf. mit Schreiben vom 27.08.2015 im Vorhaltswege zur Vorlage einer Bescheinigung des Bundessozialamtes/Eintragung im (Behinderten)Pass, wenn er das Diätkostenpauschale als Kosten der Behinderung geltend machen wolle, ansonsten genüge eine allgemeine ärztliche Bestätigung.
Da sich in dem bereits 1993 ausgestellten Behindertenpass ein Hinweis auf Diäterfordernis erst mit 14.03.2016 befand, ersuchte die belangte Behörde mit Schreiben vom 11.04.2016 das Sozialministeriumservice um Auskunft, ob beim Bf. bereits im Streitjahr eine Feststellung für Diätverpflegung wegen "Galle" vorgelegen sei.
Mit Schreiben vom 22.04.2016 wurde dieser Vorhalt wie folgt beantwortet: "Es wird Ihnen mitgeteilt, dass das Sozialministeriumservice Behindertenpassangelegenheiten nach dem Bundesbehindertengesetz behandelt. Das Bundesbehindertengesetz sieht nicht vor, dass ein Zeitpunkt für den Grad der Behinderung ermittelt und angegeben wird. Daher kann es seitens des Sozialministeriumservice auch keine Bestätigung über den Zeitpunkt geben.
Sollte aufgrund vorliegender Befunde der Zeitpunkt des Grades der Behinderung eindeutig zu bestimmen sein (z.B. Unfall), so kann das Finanzamt anhand dieser Unterlagen selbst rückwirkend den Grad der Behinderung anerkennen.
In Beantwortung Ihres Schreibens vom 15.4.2016 wird mitgeteilt, dass die Diätverpflegung D3 wegen Galle ab 14.3.2016 für Hr. Bf. seitens des Sozialministeriumservices eingetragen wurden. Eine frühere Bestätigung für das Jahr 2014 und 2015 liegt nicht vor."
Mit Bescheid vom 04.05.2016 wies die belangte Behörde die Beschwerde unter Hinweis darauf, dass keine Bestätigung des Sozialministeriums vorliege, als unbegründet ab. Dagegen richtete der Bf. seinen Vorlageantrag vom 24.05.2016.
Sachverhalt
Der Bf. ist erzielte im Streitjahr 2014 lohnsteuerpflichtige Einkünfte von insgesamt drei bezugsauszahlenden Stellen.
Der Bf. litt im Streitjahr an einer körperlichen Behinderung die zu einer Minderung von 50% der Erwerbsfähigkeit führte. Diese Beeinträchtigung, machte die Einhaltung einer Diätverpflegung für Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit erforderlich.
Beweiswürdigung
Der Höhe der Einkünfte sowie Anzahl der bezugsauszahlenden Stellen sind dem elektronischen Veranlagungsakt des Bf. zu entnehmen. Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind - entsprechend § 35 Abs. 2 EStG 1988 - durch den vorgelegten Behindertenpass nachgewiesen.
Das erkennende Gericht hält es für unschädlich, dass der vom Bf. vorgelegten Behindertenpass eine Eintragung für Diätverpflegung erst ab 24.05.2016 enthält. Zunächst ist hiezu festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes solche Eintragungen der freien Beweiswürdigung unterliegen (vgl. VwGH 01.09.2015, 2012/15/0197 - da es sich bei dem genannten Fall um eine Amtsbeschwerde handelte, ist anzunehmen, dass dies auch der Verwaltungsansicht entspricht). Darüber hinaus, sieht das Bundesbehindertengesetz nach den Angaben des zuständigen Sozialministeriumservice auch nicht vor, dass ein Zeitpunkt für den Grad der Behinderung ermittelt und angegeben wird, weshalb solche Informationen dem Behindertenpass nicht entnommen werden können.
Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kommt das Verwaltungsgericht zur Ansicht, dass bereits im Streitjahr eine Diätverpflegung erforderlich war. Dies leitet sich aus der schriftlichen Bestätigung des Dr. Arzt ab, der im Schreiben vom 27.04.2016 bestätigt, dass der Bf. bereits seit Jahrzehnten an diversen (teils chronischen) Krankheiten leidet und einer Diätverpflegung bedarf. Dass diese Bestätigung nicht den Tatsachen entspräche, wird auch von der belangten Behörde nicht eingewendet und gibt es dafür auch keinerlei Anhaltspunkte.
Darüber hinaus hat sich durch die Zusatzeintrag der Diätverpflegung im Behindertenpass durch das Sozialministeriumservice im Jahr 2016 nichts am Ausmaß der Erwerbsminderung geändert. Wäre diese Erkrankung erst im Jahr 2016 hinzugetreten, wäre zu erwarten gewesen, dass eine solche Änderung bewirkt worden wäre. Ebenso, wenn davon auszugehen wäre, dass die zur Diätnotwendigkeit führende Erkrankung nicht im ausreichenden Zusammenhang mit der Erwerbsminderung stünde. Im Übrigen hat das Sozialministeriumservice in seiner Stellungnahme vom 22.04.2016 lediglich darauf hingewiesen, dass eine Bestätigung für das Streitjahr nicht vorliege. Daraus ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht ableitbar, dass eine entsprechenden Erkrankung im Streitjahr nicht vorgelegen sei, wie sich auch klar aus den zitierten Schreiben ergibt.
Anders als der Bf. geht das Verwaltungsgericht jedoch davon aus, dass eine Diätverpflegung wegen Magenkrankheit und anderer innerer Erkrankungen und nicht wegen Gallenerkrankung anzusetzen ist. Dies zunächst deshalb, weil der vorliegende Behindertenpass mit 14.3.2016 eine "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1994 " bescheinigt. Dabei handelt es sich um eine "Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit". Auch die schriftliche Bestätigung des Dr. Arzt vom 27.04.2016 führt keine explizite Gallenkrankheit, sondern Hypertonie, Hyperlipidämie, Hepatopathie, Adipositas, Chronische Gastritis und koronare Herzkrankheit als Diagnose an. Letztlich hat der Bf. selbst in seiner Steuererklärung vom 10.08.2015 sowohl den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung für Gallen-, Leber und Nierenkrankheit als auch jenen für Magenkrankheit und andere innere Erkrankungen beantragt. Angesichts der vorgelegten Dokumente nimmt es das Verwaltungsgericht als erwiesen an, dass bereits im Streitjahr eine Diätverpflegung für Magen- und andere innere Krankheiten, nicht aber für Gallenkrankheiten vorlag.
Rechtslage
§ 35 Abs. 1 und 2 EStG 1988 lautet:
§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
– bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3),
– ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt,
– durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
– Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
– Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
§§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010 lauten:
§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des
(Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988),
- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des
(Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt, oder
- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
§ 2. (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei
- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro
- Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro
- Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro
pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.
(2) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.
Erwägungen
Nach dem festgestellten Sachverhalt litt der Bf. im Streitjahr 2014 unter einer Behinderung, die zu einer Erwerbsminderung von 50% führte. Außerdem war der Bf. gezwungen, iZm. dieser Behinderung eine Diätverpflegung für Magen- oder andere innere Krankheit einzuhalten.
Der Bf. hat iSd § 1 Abs. 1 VO BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010 durch eigene körperliche Behinderung im Ausmaß von 50% (siehe § 1 Abs. 2 VO BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010) Mehraufwendungen zu tragen.
Neben dem bereits im angefochtenen Bescheid - unstrittig - zuerkannten Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 ist dem Bf. daher der beantragte pauschale Freibetrag für Diätverpflegung für Magenkrankheit und andere innere Erkrankungen gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 iVm § 1 und § 2 Abs. 1 3. Teilstrich der VO BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010 in Höhe von monatlich 42 Euro zuzuerkennen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Frage, ob behinderungsbedinge Mehraufwendungen vorliegen, handelt es sich um eine Sachfrage, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beantworten ist. Mangels Rechtsfrage (von grundlegender Bedeutung) war die Revision nicht zuzulassen.
Wien, am 19. September 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
