Zwischenbesteuerung bei Privatstiftungen - der letzte Satzteil des § 13 Abs. 3 KStG 1988 idF BGBl. I Nr. 142/2000 verstößt gegen Art. 56 EG
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7106001.2015
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache A-Privatstiftung, Adresse, vertreten durch B, gegen die Bescheide des Finanzamt Wien 1/23 vom 2. März 2005 betreffend Körperschaftsteuer 2001 und 2002 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Die Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die A-Privatstiftung (im folgenden Bf.) brachte in ihren Körperschaftsteuerererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 jeweils an zwei in Belgien bzw. Deutschland ansässige Begünstigte getätigte Zuwendungen, von denen sie Kapitalertragsteuer einbehalten hatte, bei der Bemessungsgrundlage für die sogenannte Zwischenbesteuerung von Kapitalerträgen und Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen gemäß § 13 Abs. 3 KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, in Abzug. Die Körperschaftsteuerbescheide ergingen zunächst erklärungsgemäß.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das Finanzamt unter Wiederaufnahme der Verfahren neue Körperschaftsteuerbescheide, in denen der Abzug der erwähnten Zuwendungen von der Bemessungsgrundlage insoweit, als auf Grund der Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien und Deutschland Erstattungen von Kapitalertragsteuer an die beiden ausländischen Begünstigten stattgefunden hatten, nicht mehr berücksichtigt wurde. Dieses Vorgehen gründete sich auf § 13 Abs. 3 letzter Satzteil KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000 ("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt").
In ihrer Berufung gegen diese Bescheide wandte sich die beschwerdeführende Privatstiftung gegen diesen Ausschluss der Zuwendungen an die ausländischen Begünstigten vom Abzug bei der Bemessungsgrundlage. Hilfsweise machte sie geltend, entgegen der Ansicht des Finanzamtes stünde ihr, falls der Ausschluss der Zuwendungen vom Abzug gerechtfertigt sei, im zweiten der beiden Streitjahre gemäß § 24 Abs. 5 KStG 1988 eine Gutschrift für im ersten Streitjahr entrichtete "Zwischensteuer" zu.
Mit Berufungsentscheidung vom 10. Juni 201, RV/1163-W/05 bestätigte der Unabhängige Finanzsenat in der Hauptsache die Ansicht des Finanzamtes, wohingegen er für das zweite Streitjahr im Sinne des Eventualbegehrens eine teilweise Gutschrift der für das erste Streitjahr festgesetzten "Zwischensteuer" gewährte.
In ihrer Beschwerde gegegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof machte die Bf. geltend, der Ausschluss der Zuwendungen vom Abzug bei der Bemessungsgrundlage verletze die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß (im Streitzeitraum) Art. 56 EG.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2013, 2010/13/0130, EU 2013/0007, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
"Ist Art. 56 EG (nunmehr Art. 63 AEUV) dahin auszulegen, dass er einem System der Besteuerung von einer österreichischen Privatstiftung erzielter Kapitalerträge und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen entgegensteht, das eine steuerliche Belastung der Privatstiftung in Form einer 'Zwischensteuer' zur Sicherung einer inländischen Einfachbesteuerung nur für den Fall vorsieht, dass auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens beim Empfänger von Zuwendungen aus der Privatstiftung eine Entlastung von der an sich auf solchen Zuwendungen lastenden Kapitalertragsteuer erfolgt?"
Der EuGH entschied darüber mit Urteil vom 17. September 2015, C-589/13 , wie folgt:
"Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der eine im Inland ansässige Privatstiftung im Rahmen der Zwischenbesteuerung der von ihr erzielten Kapitalerträge und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen nur die Zuwendungen von ihrer Steuerbemessungsgrundlage für einen bestimmten Veranlagungszeitraum in Abzug bringen darf, die in diesem Veranlagungszeitraum vorgenommen und im Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung bei den Begünstigten dieser Zuwendungen besteuert wurden, während diese nationale Steuerregelung einen derartigen Abzug ausschließt, wenn der Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und in dem Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer, der die Zuwendungen grundsätzlich unterliegen, befreit ist."
Mit Erkenntnis vom 10. November 2015, 2015/13/0001 hob der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 10. Juni 2010, RV/1163-W/05 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte unter Berufung auf das Urteil des EuGH aus, dass der lezte Satzteil der Bestimmung des § 13 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetztes 2001, BGBl. Nr. 142/2000 ("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt") in Bezug auf Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat mit Art. 56 EG unvereinbar und daher - entgegen der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Ansicht - im vorliegenden Fall nicht anzuwenden war.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 13 Abs. 3 KStG 1988 lautete in der hier maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, auszugsweise:
"(3) Bei Privatstiftungen, die nicht unter § 5 Z 6 oder 7 oder unter § 7 Abs. 3 fallen, sind weder bei den Einkünften noch beim Einkommen zu berücksichtigen, sondern nach Maßgabe des § 22 Abs. 3 gesondert zu versteuern:
1. In- und ausländische Kapitalerträge aus
-Geldeinlagen und sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten (§ 93 Abs. 2 Z 3 des Einkommensteuergesetzes 1988),
-Forderungswertpapieren im Sinne des § 93 Abs. 3 Z 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1988, wenn sie bei ihrer Begebung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden,
-Forderungswertpapieren im Sinne des § 93 Abs. 3 Z 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes 1988,
soweit diese Kapitalerträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 des Einkommensteuergesetzes 1988 gehören.
2. Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen im Sinne des § 31 des Einkommensteuergesetzes 1988, soweit nicht Abs. 4 angewendet wird.
Die Besteuerung (§ 22 Abs. 3) von Kapitalerträgen und Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen unterbleibt insoweit, als im Veranlagungszeitraum Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 getätigt worden sind und davon Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt."
Aus dem Urteil des EuGH geht hervor, dass der letzte Satzteil dieser Bestimmung ("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt") in Bezug auf Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat mit Art. 56 EG unvereinbar und daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist.
Da den Einkünften gemäß § 13 Abs. 3 KStG 1988 von 82.736,93 Euro (2001) und 61.115,71 Euro (2002) Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 von denen Kapitalertragsteuer einbehalten wurde in Höhe von 329.184,48 Euro (2001) und 79.279,20 Euro gegenüber stehen, die Zuwendungen daher die Einkünfte übersteigen kommt es in beiden Jahren zu keiner Zwischenbesteuerung gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 22 Abs. 3 KStG 1988 aber auch zu keiner Gutschrifterteilung im Jahr 2002.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und die angefochtenen Bescheide abzuändern.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die gegenständliche Rechtsfrage vom Verwaltugnsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. November 2015, 2015/13/0001 entschieden wurde, ist eine Revision nicht zulässig.
Wien, am 27. Jänner 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 13 Abs. 3 Z 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |
Verweise: |