Behandlungskosten in einer Privatklinik keine außergewöhnliche Belastung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103988.2017
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde der A X als Erbin nach B X, Adr., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, Adolf-Schärf-Platz 2, 1220 Wien, vertreten durch Mag. Karin Pratter vom 18. Oktober 2016 betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
A. Verfahrensgang
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2015 beantragte Frau A X als Erbin nach ihrem verstorbenen Ehemann B X die Berücksichtigung von Krankheitskosten des Ehemannes in Höhe von EUR 18.811,39 als außergewöhnliche Belastung.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 18. Oktober 2016 berücksichtigte das Finanzamt jedoch nur Kosten von EUR 360,39 als außergewöhnliche Belastung. Da diese unter dem Selbstbehalt lagen, wirkten sie sich bei der Bemessung der Einkommensteuer nicht aus. Die übersteigenden Kosten seien Ausgaben für eine Operation in einer Privatklinik, die nicht zwangsläufig erwachsen seien.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Erbin mit der Begründung, die Zwangsläufigkeit sei gegeben. Ihr verstorbener Ehemann hätte seit Jahren unter massiven Knieschmerzen gelitten und konnte kaum mehr gehen. Eine nichtoperative Behandlung habe nichts mehr genützt. Der seit Jahren behandelnde Arzt operiere aber nur in einer Privatklinik. Nachdem eine Wundheilungsstörung/Keim aufgetreten sei, sei ihr Ehemann in einem öffentlichen Krankenhaus behandelt worden, wo er aufgrund eines Multiorganversagens verstorben sei. Die kürzere Wartezeit sei nicht primär der Grund für die Wahl des Privatkrankenhauses gewesen, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Arzt des Vertrauens eben nur dort operiere.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. November 2016 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag listete die Erbin nochmals die beantragten Krankheitskosten auf und ersuchte um deren Anerkennung als außergewöhnliche Belastung.
Mit Vorlagebericht vom 14. August 2017 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
B. Sachverhalt
Aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt geht der folgende, unstrittige Sachverhalt hervor:
Herr B X bezog im Jahr 2015 nichtselbständige Einkünfte aus der Pensionsversicherung in Höhe von EUR 33.560. In diesem Jahr unterzog er sich einer Operation des linken Knies (Totalendoprothese), die in einer Privatklinik von dem Arzt durchgeführt wurde, der Herrn X seit Jahren behandelte. Die medizinische Notwendigkeit dieses Eingriffes geht aus dem Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin hervor, das im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurde. Die Klinik und der Operateur stellten Herrn X ihre Privathonorare in Höhe von rund EUR 17.600 in Rechnung.
In der Folge traten Komplikationen (Wundheilungsstörungen) auf, die eine Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus erforderten, wo Herr X schließlich verstarb. Mit Einantwortungsbeschluss vom 9. Februar 2016 wurde Frau A X als erblicher Witwe die Verlassenschaft zur Gänze eingeantwortet.
Frau X beantragte im Arbeitnehmerveranlagungsverfahren ihres verstorbenen Ehemannes die Berücksichtigung der Operationskosten sowie der Kosten der Privatklinik (gekürzt um die Pflegegebühr und den Anteil für das Zweibettzimmer) als außergewöhnliche Belastung (gesamt EUR 14.062,16). Zusätzlich machte sie noch folgende Aufwendungen geltend und legte dafür jeweils Rechnungen vor:
Kostenbeteiligung Krankentransport | EUR 77,70 |
Kostenbeitrag öffentliches Krankenhaus | EUR 211,32 |
Badewannensitz und - matte | EUR 223,35 |
Rezeptgebühren | EUR 284,39 |
Gesamt: | EUR 796,76 |
C. Rechtliche Würdigung
Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).
Alle vorstehenden Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.
Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).
Durch Krankheit verursachte Aufwendungen erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, wobei es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (Fuchs in Doralt et al, EStG 19 , § 34 Tz 38/2).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, nur dann als zwangsläufig erwachsen zu berücksichtigen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (VwGH 4.3.1986, 85/14/0149; 13.5.1986, 85/14/0181; 10.2.2016, 2013/15/0254).
Bei Kosten, die lediglich der Förderung des individuellen Wohlbefindens der Steuerpflichtigen dienen oder die aus bloßen Wünschen, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen resultieren, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Zwangsläufigkeit zu verneinen (VwGH 11.2.2016, 2013/13/0064).
Im vorliegenden Fall ist unbestritten davon auszugehen, dass für die durchgeführte Operation medizinische Gründe gegeben waren. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten Arztbrief. Dass aber triftige medizinische Gründe vorlagen, die die Operation in einer Privatklinik erforderlich machten, hat auch die Erbin als Beschwerdeführerin (Bf.) in diesem Verfahren nicht behauptet. Als Grund für die Wahl der Privatklinik führte sie an, dass der Arzt, der ihren verstorbenen Ehemann seit Jahren behandelt hatte, eben nur in dieser Privatklinik operierte. Es sei eine Frage des Vertrauens gewesen. Die kürzere Wartezeit sei nicht der primäre Grund für die Wahl des Privatkrankenhauses gewesen.
Nun ist der Entschluss, sich im Falle einer Operation an den Arzt des Vertrauens zu wenden, durchaus verständlich und nachvollziehbar (siehe auch BFG 17.9.2014, RV/2100796/2014). Allerdings handelt es sich dabei um eine freiwillige Entscheidung, die nach der Rechtslage keine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen begründet. Das Einsetzen einer Kniegelenksprothese wird als Standardoperation in zahlreichen öffentlichen Spitälern durchgeführt und von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt. Die Bf. brachte nicht vor, dass die Operation in einem öffentlichen Krankenhaus nicht möglich gewesen wäre. Auch eine kürzere Wartezeit vermag für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital darstellen.
Wenngleich daher die Entscheidung für die Operation in der Privatklinik plausibel und menschlich verständlich ist, sind die Aufwendungen dafür nicht zwangsläufig erwachsen. Die geltende Rechtslage und die höchstgerichtliche Rechtsprechung erlauben daher keine Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung.
Die anderen von der Bf. geltend gemachten Kosten für Krankentransport, Krankenhausbeitrag für das öffentliche Spital, Rezeptgebühren und Badewannensitz erfüllen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts durchaus die Voraussetzungen für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Allerdings erreichen diese Aufwendungen (lediglich) eine Höhe von EUR 796,76 und bleiben damit unter dem Selbstbehalt, den ein Steuerpflichtiger selbst zu tragen hat. Dieser Selbstbehalt ist gemäß § 34 Abs 4 vom Einkommen abhängig und beträgt im vorliegenden Fall EUR 4.472,75 (siehe auch Einkommensteuerbescheid 2015).
Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.
D. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).
Zur gegenständlichen Rechtsfrage, nämlich ob die Kosten einer Behandlung in einem Privatkrankenhaus eine außergewöhnliche Belastung darstellen, existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.
Salzburg-Aigen, am 29. Jänner 2018
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 04.03.1986, 85/14/0149 |