Zurechnung liechtensteinischer Lebensversicherung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103594.2015
Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2016/13/0025. Zurückweisung mit Beschluss vom 31.3.2017.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch Senat_X in der Beschwerdesache Erben , als Erben nach Bf, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH, Am Heumarkt 7, 1030 Wien, über die Beschwerden vom 22.4.2013, 30.7.2014 und 9.6.2015 gegen die Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes FA vom 18.3.2013 betreffend 2008-2011, vom 4.7.2014 betreffend 2012 und vom 12.5.2015 betreffend 2013 in der Sitzung am 2.5.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den beiliegenden Berechnungsblättern zu entnehmen, die einen Spruchbestandteil bilden.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Rahmen einer Selbstanzeige betreffend transparente liechtensteinische Stiftungskonstruktionen wurde seitens des (mittlerweile verstorbenen) Beschwerdeführers (Bf) auch die weitere - im nunmehrigen Verfahren strittige - Vermögensveranlagung ab 2008 offengelegt:
Der Bf habe drei (von der Prämienhöhe und der begünstigten Person im Ablebensfall abgesehen) inhaltsgleiche Lebensversicherungsverträge bei der swisspartners Versicherung AG in Liechtenstein (in der Folge S-AG) abgeschlossen. Im Abschlusszeitpunkt habe es noch keine veröffentlichte Verwaltungsmeinung zur ertragsteuerlichen Anerkennung von Versicherungsverträgen gegeben. Die Produkte entsprächen aber nach Ansicht des Bf den von der Finanzverwaltung im April 2010 publizierten Kriterien. Die Verträge seien inländischen Versicherungsverträgen vergleichbar. Es handle sich nach liechtensteinischem Aufsichtsrecht um fondsgebundene Lebensversicherungsverträge, bei denen der Versicherungsnehmer nicht das Kapitalanlagerisiko trägt. Die Versicherungsgesellschaft übernehme ein maßgebliches Risiko, sodass im Ablebensfall 105 % des aktuellen Wertes des Deckungsstocks zur Auszahlung gelangten.
Bei der Prämienzahlung im Jahr 2008 sei Versicherungssteuer in Höhe von 4 % von der Bruttoprämie von der S-AG einbehalten und an den österreichischen Fiskus abgeführt worden. Die Prämienzahlung sei durch Depotübertragung erfolgt.
Sollte es sich um ein nicht einem inländischen Lebensversicherungsprodukt vergleichbares Produkt handeln, so sei das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren des Deckungsstocks der V-AG zuzurechnen. Dies sei damit begründet, dass der Versicherungsnehmer im Rahmen der Versicherungsverträge weder die Depotbank noch den Vermögensverwalter wählen habe können. Die Wertpapiere des Deckungsstocks würden zwar auf einem individuellen Deckungsstockkonto verwahrt, der Versicherungsnehmer könne jedoch nur die Anlagestrategie ändern. Eine Weisungsmöglichkeit auf die Art und den Umfang des Einsatzes einer konkreten Einzelanlage sei nicht gegeben.
Dass der Einmalerlag in Form einer Depotübertragung erfolgt sei und die Versicherungsleistung in Form einer Sachwertleistung erfolgen könne, sollte nicht gegen die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums zur S-AG sprechen (KESt-Erlass Punkt 1.2.4.16.3). Die Versicherungsleistung sei nämlich auch bei inländischen fondsgebundenen Lebensversicherungen in Form einer Sachwertleistung möglich (so ausdrücklich KESt-Erlass Punkt 1.2.4.16.2). Das Gesamtbild der Verhältnisse spreche daher für eine ertragsteuerliche Anerkennung.
Die belangte Behörde (bB) versagte hingegen die ertragsteuerliche Anerkennung: Bei ausländischen Versicherungsprodukten, die jenen Produkten nicht vergleichbar seien, die auch inländische Versicherungsunternehmen als Versicherer anbieten dürfen, sei im Einzelfall zu prüfen, ob der Versicherungsnehmer über die dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere so weitreichend verfügen könne, dass ihm diese als Einkunftsquelle zuzurechnen seien. Dies sei jedenfalls gegeben, wenn der Kunde laufend Einfluss auf die Zusammensetzung der ihm zuzuordnenden Wertpapiere im Deckungsstock habe, indem er ohne Einschränkung bestimmen könne, wann welche Wertpapiere ge- und verkauft werden. Sei die Einflussmöglichkeit des Kunden nicht derart eindeutig gegeben, sprächen folgende Indizien für eine Zurechnung zum Kunden:
1. Der Kunde kann die Depotbank wählen.
2. Der Kunde kann den für die Verwaltung der Wertpapiere im Deckungsstock zuständigen Berater wählen.
3. Die Wertpapiere des Deckungsstocks werden einzeln verwahrt und verwaltet.
4. Der Kunde kann die Veranlagungsstrategie nicht nur im Rahmen von bei Vertragsabschluss vordefinierten Investments wählen (wie bei fondsgebundenen Lebensversicherungen), sondern sich während der Laufzeit auch für andere bei Vertragsabschluss noch nicht spezifizierte Investments entscheiden.
5. Einmalerträge in Form von Depotübertragungen sind möglich.
6. Die Kapitalauszahlung kann auch in Form einer Depot(rück)übertragung erfolgen.
Diese Indizien seien als bewegliches System zu verstehen.
Die gegenständlichen Versicherungsverträge seien nicht mit inländischen Versicherungsprodukten vergleichbar, insbesondere nicht mit fondsgebundenen Lebensversicherungen (§ 20 Abs 2 Z 3 VAG).
* Die Einflussnahme des Versicherungsnehmers auf die Wahl der Depotbank oder die Wahl des Vermögensverwalters sei weder in den Polizzen noch in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ausdrücklich ausgeschlossen.
* Unterschiedliche Kosten ergäben sich je nach vom Kunden beauftragten Finanzinstituten.
* Eine Dispositionsbefugnis über die Veranlagung und den gelegentlichen Austausch von Investmentfonds bestehe.
* Die Einzahlung erfolge durch Depotübertragung. Für die Auszahlung sei die Möglichkeit der "Sachwertleistung" vorgesehen, womit nur die Depotrückübertragung gemeint sein könne.
Das Gesamtbild der Verhältnisse spreche somit dafür, dass der Bf über die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere verfügen könne. Daher seien sie ihm ertragsteuerlich zuzurechnen und unmittelbar bei ihm zu besteuern.
In der Berufung (nunmehr Beschwerde, § 323 Abs 38 BAO) gegen die Einkommensteuerbescheide 2008-2011 und in den Folgebeschwerden bringt der Bf vor wie bereits in der vorangegangenen Bp und führt weiter aus:
Die Vergleichbarkeitsprüfung zur Qualifizierung ausländischer Versicherungsprodukte sei bisher weder gesetzlich definiert, noch höchstgerichtlich präzisiert noch europarechtlich untersucht worden. Für die ertragsteuerliche Einordnung inländischer Versicherungsprodukte unter § 27 Abs 1 Z 6 EStG idF vor BBG 2011 bzw. § 27 Abs 5 Z 3 idF BBG 2011 gehe die Finanzverwaltung in formaler Betrachtungsweise von einer Maßgeblichkeit des Versicherungsaufsichtsgesetzes aus (EStR 2000 Rz 7780b sowie KESt-Erlass Punkt 1.2.4.16.2). Inländische Versicherungsprodukte, die im Einklang mit dem Versicherungsaufsichtsrecht stünden, seien somit anzuerkennen. Dafür spreche auch die gesetzliche Abstimmung der einkommensteuerlichen Regelungen mit jenen des zivilrechtlich anknüpfenden VersStG (vgl zum AbgÄG 1996 ErlRV 497 bzw 552 BlgNR XX. GP ). Auch in den körperschaftsteuerlichen Regelungen für Versicherungsunternehmen fänden sich Anhaltspunkte für eine grudsätzliche Maßgeblichkeit des VAG und der dazu ergangenen Verordnungen (VfGH 29.11.2003, B 766/03; Hofstätter in Lang/Schuch/Staringer (Hg), KStG (2009), § 15 Rz 42). Dass bei ausländischen Versicherungsprodukten anstelle der formalrechtlichen eine wirtschaftliche Anknüpfung erfolge, verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 40 EWR-Abkommen, was die Beschwerde in der Folge ausführlich erörtert.
Sollten die strittigen Versicherungsprodukte nicht schon auf Grund des harmonisierten Versicherungsaufsichtsrechts für ertragsteuerliche Zwecke anzuerkennen sein, so würden für Zwecke der Vergleichbarkeit ausländischer Versicherungsprodukte die laut BMF-Information vom 23.4.2010 erforderlichen Kriterien (maßgebliches versicherungstechnisches Risiko; Tarif iSd § 18 Abs 1 VAG) näher beleuchtet:
Ein maßgebliches Versicherungsrisiko sei dann gegeben, wenn im Ablebensfall ein Risikokapital von mindestens 5 % der Deckungsrückstellung zur Auszahlung gelange. Diese Voraussetzung sei erfüllt und von der bB auch nicht angezweifelt worden.
Laut BMF bestünden bei inländischen Versicherungen die Möglichkeiten des Einmalerlags, der Sachwertleistung und der Depotübertragung (KESt-Erlass Punkt 1.2.4.16.2) Auch zu § 3 VersStG werde vertreten, dass das Versicherungsentgelt auch durch geldwerte Zahlungssurrogate erbracht werden könne (Knörzer, Lebensversicherungen im Steuerrecht (2012), 319; Frey, Der Versicherungsvertrag im Umsatz- und Versicherungssteuerrecht (2000), 88 f). Daher dürfe im Auslandsfall nicht das Bestehen eines Tarifs verneint werden, wenn das Versicherungsentgelt als Einmalerlag mittels Depotübertragung geleistet werde. Die Vergleichbarkeit mit inländischen Versicherungsprodukten sei somit gegeben.
Bei fehlender Vergleichbarkeit sei in einem zweiten Schritt zu untersuchen, wem die Wertpapiere des Deckungsstocks wirtschaftlich zuzurechnen seien. Den Argumenten der bB betreffend die wirtschaftliche Zurechnung hält der Bf entgegen:
Die Wahl der Depotbank bzw. Einzelverwahrung seien nicht ausschlaggebend, weil der Ort der Verwahrung für die Zurechnung von Passiveinkünften nach hA ohne Bedeutung sei, denn es komme nur auf die Möglichkeit der Nutzung von Marktchancen an (Ruppe in Tipke, Übertragung von Einkunftsquellen (1985), 110 ff; Polivanova-Rosenauer, taxlex 2010, 139). Bei der Erzielung von Passiveinkünften erschöpfe sich die Marktteilnahme regelmäßig in der Begründung des Rechtsverhältnsises bez der Ausübung des Stimmrechts (Prillinger/Dziurdz in Lang/Schuch/Staringer, Die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Internationalen Steuerrecht (2009), 108 f). Die Kriterien zur Nutzung von Marktchancen seien allerdings nicht ortsgebunden, weil beispielsweise das Stimmrecht bei der Hauptversammlung dem Aktionär unabhängig vom Ort der Werwahrung seiner Aktien zustehe (Knörzer, Lebensversicherungen im Steuerrecht (2012), 191 f),
Die Möglichkeiten, den Verwalter des Vermögens wählen und Investments vordefinieren zu können, seien den gesetzlichen Regelungen des § 27 EStG nicht entnehmbar und führten bei inländischen Versicherungen nicht zwingend zur Versagung der Eigenschaft als Versicherungsvertrag.
Der Übertragungsakt des Deckungsstocks habe keinen Einfluss auf die laufende Zurechnung der Einkünfte daraus (Knörzer, Lebensversicherungen im Steuerrecht (2012), 188). Selbst das BMF bejahe im KESt-Erlass für inländische Lebensversicherungen die Möglichkeit der Depotauskehr. Im übrigen sehe auch das Gesetz eine geeignete Rechtsgrundlage vor (Bemessung mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes, § 27 Abs 5 Z 1 iVm § 15 Abs 2 EStG; vgl Marschner, JAKOM3 § 27 Rz 162; EStR 2000 Rz 6212).
Insgesamt sei damit die Zurechnung der Wertpapiere des Deckungsstocks an den Bf gesetzwidrig.
In der mündlichen Verhandlung verwiesen die steuerlichen Vertreter insbesondere darauf, dass sich die gegenständliche Versicherung in keiner Weise von österreichischen fondsgebundenen Versicherungen unterscheiden würde. Es sei daher insofern eine Diskriminierung von liechtensteinischen Versicherungsprodukten gegenüber vergleichbaren inländischen Versicherungen festzustellen, als bei diesen keinesfalls ein wirtschaftlicher Durchgriff vorgenommen werde.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der im Abschlusszeitpunkt 83jährige Bf hat am 1.9.2008 drei Lebensversicherungsverträge mit je 25 Jahren Laufzeit (10 Jahren Mindestlaufzeit) bei der liechtensteinischen S-AG abgeschlossen, die sich nur in der Prämienhöhe und im Begünstigten im Ablebensfall (Sohn, Tochter, Schwiegertochter) unterschieden. Begünstigter im Erlebensfall war der Bf. Die Prämie wurde als Einmalerlag durch Depotübertragung geleistet. Die Versicherungsleistung erfolgt sowohl im Erlebens- wie auch im Ablebensfall entweder in Form einer Kapitalauszahlung oder in Form einer Sachwertleistung (Depotrückübertragung). Auch die Überführung in einen neuen Versicherungsvertrag ist möglich.
Im Erlebensfall oder bei Kündigung beträgt die Versicherungsleistung 100 % des aktuellen Marktwertes der im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere, im Ablebensfall 105 % des zum Leistungszeitpunkt aktuellen Wertes des Deckungsstocks. Die S-AG hebt eine einmalige Abschluss- und Einrichtungsgebühr in Höhe von 1 % der Prämiensumme sowie 0,6 % des Deckungsstockwertes jährlich an Administrationsgebühren ein. Dies entspricht der Administrationsgebühr für ein ausgewogenes Portfolio (mittlere Risikoklasse, vgl. die Tabelle unter Punkt 15 der AVB).
Die Versicherungsprämien wurden der Versicherungssteuer (4 %) unterzogen und daraus 809.046,69 Euro an das FAG abgeführt.
Die Bestimmungen der Versicherungsvertäge lauten auszugsweise:
"I.1 Umschreibung des Versicherungsproduktes und der Vertragsleistung
...
Die Höhe der Versicherungsleistung bemisst sich wesentlich an der Wertentwicklung des Deckungsstockes der Police, dessen Vermögen vom übrigen Vermögen der Lebensversicherung und den Vermögenswerten der Deckungsstöcke anderer Versicherungspolicen ausgesondert und gemäss der vom Versicherungsnehmer vorgegebenen Anlagestrategie verwaltet wird. Die Chancen der Wertentwicklung des Deckungsstocks, aber auch dessen Risiken trägt der Versicherungsnehmer vollumfänglich; das Versicherungsunternehmen garantiert insofern ausdrücklich keine Rendite. Die Versicherungsgesellschaft übernimmt aber regelmässig ein zusätzliches, nennenswertes biometrisches Risiko, das der Versicherung das Gepräge gibt.
Die Police kann grundsätzlich jederzeit unter Auskehrung der im Deckungsstock vorhandenen Vermögenswerte an den Versicherungsnehmer gekündigt werden.
...
Im Erlebensfall besteht der Leistungsumfang des Versicherungsunternehmens in der Höhe des Marktwertes der sich im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerte zum Leistungszeitpunkt, der nach Abzug der in den AVB genannten allfälligen Auflösungskosten in einem Betrag an die Begünstigten ausbezahlt wird.
Im Todesfall entspricht der Leistungsumfang des Versicherungsunternehmens der unter Punkt II.6.1 definierten Todfallleistung, der nach Abzug der in den AVB genannten allfälligen Auflösungskosten in einem Betrag an die Begünstigten ausbezahlt wird.
...
II.4 Vertrags- und Versicherungsbeginn, Vertragsdauer: ... Die fereinbarte Mindestlaufzeit des Vertrages ist mit 10 Jahren festgesetzt. Das Vertragsende wurde auf 25 Jahre festgesetzt ...
II.5 Kosten und Gebühren
Kosten des Versicherungsvertrages: Abschluss- und Einrichtungsgebühren: 1 % (einmalig, in % der Prämiensumme, belastet nach Vertragsabschluss); Administrationsgebühren: 0,6 % p.a. (jährlich, in % des Deckungsstockwertes ...); gemäß AVB fallen zusätzlich die Rückversicherungsprämien zur Absicherung des eingegangenen biometrischen Risikos und die Kosten für das jährliche Policenaudit durch einen Wirtschaftsprüfer an.
Kosten der Vermögensverwaltung und der Depotbank: Die im Zusammenhamg mit der Führung eines Deckungsstockkontos respektive mit der Verwaltung der Vermögenswerte im Deckungsstockkonto anfallenden Depotgebühren, Vermögensverwaltungskosten und sonstige Auslagen werden, sofern nichts schriftlich gesondert vereinbart wurde, nach Massgabe der AVB direkt dem Deckungsstockkonto nach Preisliste der von der Versicherungsgesellschaft beauftragten Depotbank respektive des beauftragten Vermögensverwalters/Treuhänders belastet. Die Höhe dieser Kosten ist je nach der vom Kunden gewählten Alagestrategie und den beauftragten Finanzinstituten unterschiedlich ..."
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) lauten auszugsweise:
1.1.3 Fondsgebundene Lebensversicherungen ... enthalten eine nennenswerte Risikolebensversicherungskomponente während der Vertragslaufzeit. Die Versicherungsprämie kann als einmalige ... Prämienzahlung vereinbart werden. Diese bilden den Deckungsstock, der von der Versicherungsgesellschaft im eigenen Ermessen während der Laufzeit gesondert vom sonstigen Vermögen des Versicherungsunternehmens gemäss einer vom Versicherungsnehmer ausgewählten standardisierten Anlagestrategie oder in einer vom Versicherungsnehmer bestimmten Auswahl öffentlich vertriebener Investmentfonds veranlagt wird. Eine Dispositionsbefugnis über Kauf- und Verkaufsentscheidungen von einzelnen Deckungsstockpositionen seitens des Versicherungsnehmers, die über die Veranlagung und den gelegentlichen Austausch von öffentlich vertriebenen Investmentfonds ("Shiften" und "Switchen") hinausgehen, besteht nicht. ...
5. Mindestlaufzeit; Beendung des Versicherungsvertrages .. Vorzeitig endet der Versicherungsvertrag: ... durch Kündigung des Versicherungsnehmers gemäss Abschnitt 9 ...
8 Verwendung der Versicherungsprämien durch die Versicherungsgesellschaft: 8.1 Fondsgebundene Versicherungen ... Die Vermögenswerte im Deckungsstock werden vom übrigen Vermögen der Versicherungsgesellschaft abgesondert verwahrt und liegen nach liechtensteinischem Versicherungsaufsichtsrecht nicht in der Insolvenzmasse des Versicherungsunternehmens. Das Versicherungsunternehmen veranlagt diese Vermögenswerte nach eigenem Ermessen, im Einklang mit der jeweils mit dem Versicherungsnehmer schriftlich vereinbarten Anlagestrategie. Sämtliche Wertentwicklungen der im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerte sowie damit in Verbindung stehende Ein- und Auszahlungen wie zB Zinsen, Dividenden aber auch Kosten und Gebühren tragen zur Deckungsstockentwicklung bei.
Sofern die Police nichts anderes vorsieht, ist die Festlegung und Änderung einer Standardisierten Anlagestrategie sowie die Auswahl von öffentlich vertriebenen Investmentfonds und deren Umschichtung während der Vertragslaufzeit ("Shiften" und "Switchen") möglich. Ein darüber hinausgehendes Weisungsrecht oder eine Einflussnahmemöglichkeit des Versicherungsnehmers auf die den Deckungsstock betreffenden konkreten Anlageentscheidungen im Rahmen der Umsetzung einer standardisierten Anlagestrategie besteht weder gegenüber der Versicherungsgesellschaft als letztlich an den Vermögenswerten wirtschaftlich Berechtigten noch den allenfalls von der Versicherungsgesellschaft mit der Umsetzung eines Standardmandates beauftragten Verwaltern noch den depotführenden Banken.
Der Antrag auf Änderung der Anlagestrategie ist der Versicherungsgesellschaft schriftlich mitzuteilen und wird erst durch die schriftliche Bestätigung seitens des Versicherungsunternehmens wirksam. Dabei kann sich der abzurechnende Verwaltungsaufwand seitens des Versicherungsunternehmens ändern.
9 Kündigung ... Grundsätzlich sind die Fondsgebundenen Versicherungen durch den Versicherungsnehmer vor Eintritt des Todes- oder Erlebensfalls kündbar. Im Einzelfall kann um Rahmen der gesetzlichen Grenzen eine Unkündbarkeit vereinbart werden. ...
Sind bei fondsgebundenen Versicherungen die Vermögenswerte des Fonds zum Kündigungs- oder Leistungszeitpunkt nur beschränkt oder nicht handelbar ... Es steht der Versicherungsgesellschaft frei, diese Wertschriften oder Kapitalanlagen an Zahlungsstatt auszuliefern, wenn sich der Verkauf beschränkt handelbarer Kapitalanlagen innerhalb einer für das Anlageinstrument angemessenen Frist als nicht möglich erweist und die Versicherungsgesellschaft damit in Leistungsverzug geriete. Allfällige negative steuerliche Konsequenzen daraus hat der Begünstigte zu tragen. ...
11 Überschussbeteiligungen und Auszahlung: Berechtigte aus Fondsgebundenen Lebensversicherungen sind nicht überschussberechtigt an den Ergebnissen der Lebensversicherungsgesellschaft. ...
15 Gebühren und Kosten ... Weitere Kosten: Der Versicherungsgesellschaft steht ... der Ersatz nachweisbarer Kosten zu. Darunter fallen insbesondere ... die mit der Veranlagung der Vermögenswerte verbundenen Gebühren und Kosten, gegebenenfalls die Mehrkosten bei Änderungen, sowie die mit der Auflösung des Deckungsstocks im Leistungs- und Kündigungsfalle verbundenen Kosten.
Bei Fondsgebundenen Versicherungen kann die Entnahme von Gebühren, Kosten und Risikoprämien zur Deckung des Todfallsrisikos aus dem Deckungsstock bei extrem ungünstiger Entwicklung der im Anlagestock enthaltenen Werte dazu führen, dass das gesamte Deckungskapital vor dem vereinbarten Ablauftermin der Versicherung aufgebraucht ist. In diesem Falle endet der Vertrag vorzeitig durch Kündigung und Mitteilung durch die Versicherungsgesellschaft."
Soweit der Bf Europarechtswidrigkeit der EStR bzw. des KESt-Erlasses releviert, kann ihm nicht gefolgt werden. Richtlinien und Erlässe entfalten mangels gehöriger Kundmachung keine normative Kraft und Bindungswirkung. Die Formulierung des § 27 Abs 1 Z 6 EStG idF vor BBG 2011 bzw. § 27 Abs 5 Z 3 idF BBG 2011 wie ganz allgemein des § 27 EStG und allgemein des Ertragsteuerrechts legt unabhängig davon, ob ein in- oder ausländischer Versicherungsvertrag vorliegt, keine formalrechtliche, sondern eine wirtschaftliche Anknüpfung nahe. Da die gesetzliche Bestimmung somit Inlands- und Auslandssachverhalte gleich behandelt, kann ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht vorliegen.
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 21 Abs 1 BAO ist ein Auslegungsprinzip für Gesetzesnormen und ein Wertungsprinzip für Tatsachen (Paulik, DStR 1975, 564 (566)). Auch, wenn es der Wortlaut der Bestimmung vermuten lässt, ist nicht auf den festgestellten Sachverhalt eine außerhalb der Tatbestände der anzuwendenden Steuergesetze liegende Wertung dieses Sachverhaltes nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten anzulegen. Das „Wertungsprinzip für Tatsachen“ ist dahingehend auszulegen, dass bei der Vorauswahl der Sachverhalte mehr dem tatsächlichen Geschehen und den wirtschaftlichen Erfolgen Bedeutung beizumessen ist, als den formalen (oft inhaltsleeren) Positionen und Berechtigungen (Stoll, BAO, 221, 224). In erster Linie dient § 21 Abs 1 BAO als Auslegungsbehelf für die abgabenrechtlichen Tatbestände und kann bei Gleichwertigkeit der Argumente für eine wirtschaftliche oder rechtliche Anknüpfung den Ausschlag für jene Interpretationselemente geben, die für eine wirtschaftliche Anknüpfung der Norm sprechen (VwGH 18.6.1979, 2330/78; Blasina in FS Tanzer, LexisNexis 2014, 140).
Dass bei Anwendung des § 27 EStG wie allgemein grundsätzlich im Ertragsteuerrecht eine wirtschaftliche Anknüpfung zu erfolgen hat, ergibt sich aus Lehre (Prillinger, Steuerlicher Durchgriff bei fondsgebundenen Lebensversicherungen aus nationaler und abgkommensrechtlicher Sicht, in Althuber/Griesmayr/Zehetner (Hg), Handbuch Versicherungen und Steuern, Wien 2013, 137; Knörzer, Lebensversicherungen im Steuerrecht, Wien 2012, 182 f) und Rechtsprechung (BFG 17.12.2014, RV/5100901/2012). Die teil-formalrechtliche Anknüpfung in den bezughabenden Erlässen der Finanzverwaltung wird nicht geteilt.
Somit hat kein Vergleich mit formalrechtlich innerstaatlich als fondsgebundene Lebensversicherungen anerkannten Produkten zu erfolgen, sondern nach allgemeinen wirtschaftlichen Kriterien erforscht zu werden, wer (wirtschaftlicher) Eigentümer der Wertpapiere des Deckungsstocks ist und wem daraus die Einkünfte zuzurechnen sind.
Grundsätzlich fallen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum zusammen. Eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung von Wirtschaftsgütern kommt nur dann in Betracht, wenn einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer die tatsächliche Verfügungsgewalt zusteht (VwGH 23.11.1987, 87/14/68) und der zivilrechtliche Eigentümer auf Dauer und wirksam von dieser Verfügungsmacht ausgeschlossen ist (VwGH 12.2.1986, 84/13/34).
Bei der Einkünfteerzielung kommt es grundsätzlich auf die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis über die Einkünfte und nicht auf eine allenfalls nach § 24 BAO zu lösende Zurechnung von Wirtschaftsgütern an (VwGH 29.5.1990, 90/14/0002). Gerade aber bei Einkünften aus Kapitalvermögen bringt überwiegend die Nutzung des Vermögens den Ertrag (Ruppe, Steuerliche Zurechnung von Einkünften, in Ruppe, Handbuch der Familienverträge, Wien 1985, 141 und 148; Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG, § 2 Tz 88). Die persönliche Zurechnung von Kapitaleinkünften ohne wesentliche Gesellschafterrechte hat daher im Regelfall beim wirtschaftlichen Eigentümer des Kapitalstammes zu erfolgen (BFH, BStBl 199, II 539).
Zentraler Angelpunkt in der Annahme nicht nur bloßer Vermögensverwaltung sondern einer fondsgebundenen Lebensversicherung - und damit der wirtschaftlichen Zurechnung des Deckungsstocks zum Versichererer - ist die Übernahme eines spezifischen (im Fall der Lebensversicherung: biometrischen) Risikos (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 20 Anm 262). Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts bildet erst das Fehlen eines für einen Versicherungsvertrag typischen Risikos die Wurzel für eine Prüfung nach weiteren Zurechnungskriterien (BFG 17.12.2014, RV/5100901/2012).
Nach einem Rundschreiben der FMA vom 12.12.2006 muss während der gesamten Laufzeit fonds- und indexgebundener Lebensversicherungen ein wesentliches versicherungstechnisches Risiko vorhanden sein. Im Ablebensfall muss zumindest ein Risikokapital in Höhe von 5 % der Deckungsrückstellung enthalten sein. Dies ist beispielsweise erfüllt, wenn 105 % des aktuellen Wertes des der fonds- und indexgebundenen Lebensversicherung zugrunde liegenden Vermögenswertes zur Auszahlung kommen.
Gerade unter Berücksichtigung des Alters des Bf bei Eingehen der Versicherung ist die vertraglich vorgesehene Auszahlung von 105 % des Wertes des Deckungsstockes im Todesfall eindeutig als wesentliches versicherungstechnisches Risiko anzuerkennen.
Auch wenn damit die wirtschaftliche Zurechnung im Sinne des Beschwerdevorbringens geklärt ist, wird auf die übrigen von der bB ins Treffen geführten Kriterien kursorisch eingegangen:
* Einflussnahme des Versicherungsnehmers auf die Wahl der Depotbank oder die Wahl des Vermögensverwalters: Eine solche Wahl sei durch Polizze und AVB nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich eine ebensolche Wahl auch nicht aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Vielmehr sind Einflussnahmen des Versicherungsnehmers nach Punkt 8.1 AVB bei Umsetzung eines Standarmandates im Rahmen einer standardisierten Anlagestrategie grundsätzlich ausgeschlossen. Aus der Polizze ergibt sich keine Abweichung von einem Standardmandat. Der Bf hat die standardisierte Anlagestrategie "Ausgewogen/Weltportfolio 40" gewählt, wie sich aus Punkt 15 AVB und den Administrationsgebühren gemäß Punkt II.5 der Polizze ergibt. Weitere Befugnisse wurden vertraglich nicht eingeräumt, womit deren Existenz auch nicht vermutet werden kann.
* Unterschiedliche Kosten je nach vom Kunden beauftragten Finanzinstituten: Aus dem Hinweis in Punkt II.5 der Polizze, dass je nach beauftragten Finanzinsituten (im Rahmen der beauftragten standardisierten Anlagestrategie) unterschiedliche Kosten anfallen, lässt sich nichts für die wirtschaftliche Zuordnung der Wertpapiere des Deckungsstocks gewinnen.
* Dispositionsbefugnis über die Veranlagung und den gelegentlichen Austausch von Investmentfonds: Laut Punkt 8.1 AVB ist lediglich die Änderung einer standardisierten Anlagestrategie sowie die Auswahl von öffentlich vertriebenen Investmentfonds und deren Umschichtung möglich. Ein Weisungsrecht oder eine Einflussnahme des Versicherten auf die konkreten Anlageentscheidungen ist im Rahmen einer standardisierten Anlagestrategie explizit ausgeschlossen. Wie bereits erwähnt, ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Vertragsgestaltung von einem standardisierten Anlagemodell abweicht.
* Einzahlung durch Depotübertragung, Auszahlung durch Depotrückübertragung: Zwar kommt der Erbringung der Versicherungsleistung durch Einmalerlag eher der Charakter einer Kapitalanlage zu, als einer Versicherungsleistung durch laufende Prämienentrichtung. Aus dem Umstand, dass die Versicherungsleistung in einem Einmalerlag durch Depotübertragung bestanden hat, kann für sich gesehen aber keine Schädlichkeit für die Annahme eines Versicherungsvertrages erblickt werden (BFG 17.12.2014, RV/5100901/2012, Punkt 8.2.2.3; Knörzer, Lebensversicherungen im Steuerrecht (2012), 188). Auch die Möglichkeit, statt einer Geldleistung (unter Abzug der für die Depotrealisierung anfallenden Gebühren) die Depotübertragung wählen zu können, stellt für sich keine Änderung der wirtschaftlichen Zurechnung dar, zumal die Einflussmöglichkeiten auf das Depot durch den Versicherungsnehmer bei aufrechter Versicherung stark beschränkt sind.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass dem Bf zwar eine grundsätzlich jederzeitige Kündbarkeit eingeräumt ist (Punkt I.1 der Polizze), jedoch eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren festgesetzt ist. Angesichts des Alters des Bf schränkt das seine Möglichkeiten drastisch ein, bei Unzufriedenheit mit der konkreten Veranlagungsstrategie durch Kündigung und Depotrückübertragung wieder in die volle Verfügungsberechtigung über die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere zu gelangen.
Dass der Versicherte das Veranlagungsrisiko trägt, ist für fondsgebundene Lebensversicherungen typisch und somit für sich nicht bestimmend für die Zurechnung der Einkünfte.
Somit ist auch in einer Gesamtschau aller maßgeblichen Merkmale der versicherungsnehmende Bf nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere des Deckungsstockes.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob der ertragsteuerliche Lebensversicherungsbegriff wirtschaftlich oder formal anknüpft, besteht noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch BFG 17.12.2014, RV/5100901/2012), weshalb die Revision zuzulassen war.
Wien, am 11. Mai 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 21 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: |