Familienbeihilfe: Abbruch der Lehre, Besuch der Berufschule 1-mal wöchentlich
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103185.2022
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 13. Juli 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 23. Juni 2021 betreffend Familienbeihilfe 07.2019-03.2021 Steuernummer SVNR: ***SVNR*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am 23. Juni 2021 erließ das Finanzamt folgenden Bescheid:
Rückforderungsbescheid
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)
für das Kind
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Art der Beihilfe Zeitraum von - bis
(Nach- und Vorname) …0899 FB Juli 2019 - März 2021 KG Juli 2019 - März 2021
Der Rückforderungsbetrag beträgt
Art der Beihilfe Summe in €
FB € 3.827,10
KG € 1.226,40
Rückforderungsbetrag gesamt: € 5.053,50
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag
- gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen.
…
Begründung
Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw.
-fortbildung zu.
Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Am 13. Juli 2021 übermittelte die Bf. dem Finanzamt - gemeinsam mit dem o.a. Rückforderungsbescheid - Unterlagen wie folgt (bewertet als Beschwerde):
- Jahres- und Abschlusszeugnis vom 3. Juli 2020
- Lehrvertrag mit der M. AG als Lehrberechtigte
Das Finanzamt richtete einen Mängelbehebungsauftrag an die Bf.:
Ihre Eingabe vom 13.07.2021 weist hinsichtlich der Form (§ 85 Abs. 2 BAO) die
nachfolgenden Mängel auf:
Formgebrechen gemäß § 85 Abs. 2 BAO
- Fehlen der Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 BAO
Fehlen eines Inhaltserfordernisses
- Gem. § 250 Abs. 1 BAO, und zwar Was wird mit der Beschwerde beantragt? eine Begründung
Die angeführten Mängel sind gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum 10.01.2022 zu beheben.
Bei Versäumung dieser Frist gilt das Anbringen als zurückgenommen.
Am 31. Jänner 2022 erließ das Finanzamt folgende Beschwerdevorentscheidung:
Ihre Beschwerde vom 13.07.2021 gilt gemäß § 85 Bundesabgabenordnung (BAO) als zurückgenommen.
Begründung
§ 85 Abs. 2 BAO besagt: Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen
der Unterschrift) berechtigten die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche
Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben
fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen,
dass die Eingabe nach fruchtlosen Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen
Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als
ursprünglich richtig eingebracht.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom 13.12.2021 wurden Sie aufgefordert, die Mängel
betreffend Ihrer Beschwerde (Fehlen Unterschrift, Fehlen Begründung) bis 10.1.2022
nachzuholen. Sie wurden darauf aufmerksam gemacht, dass bei Nichterfüllen die
Beschwerde als zurückgenommen gilt.
Da Sie dem Mängelbehebungsauftrag vom 13.12.2021 nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen sind, gilt Ihre Beschwerde vom 13.7.2021 als zurückgenommen.
Der Vorlageantrag wurde eingebracht wie folgt:
D. hat noch sehr lange bei mir gewohnt
habe sie unterstützt und Geld überwiesen
Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Das Enkelkind ***Vorname*** der Beschwerdeführerin (Bf.), geboren am ***Tag***.08.1999, hat im August 2017 die Volljährigkeit erreicht.
Am 15.10.2018 hat ***Vorname*** die Lehrstelle bei der '***Dienstgeber*** AG' als Konditorin angetreten.
Im Lehrvertrag wurde eine Ausbildungszeit von 15.10.2018 bis 24.09.2020 vereinbart.
Per 24.06.2019 wurde das Lehrverhältnis vorzeitig aufgelöst.
Das Enkelkind der Bf. besuchte weiterhin 1-mal wöchentlich (Antwortschreiben vom 28.09.2022) die Berufsschule für Lebensmittel, Touristik und Zahntechnik in Wien.
Von 23.01.2020 bis 15.03.2020 war ***Vorname*** bei ***Bezeichn***' beschäftigt, von 03.08.2020 bis 02.10.2020 ging das Enkelkind einer geringfügigen Beschäftigung nach. Den Rest des strittigen Zeitraums bezog das Enkelkind Notstandshilfe bzw. Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 23.06.2021 wurde die Familienbeihilfe (FB) inkl. Kinderabsetzbetrag in der Höhe von 5.053,50 Euro zurückgefordert, da im betreffenden Zeitraum Juli 2019 bis März 2021 gem. § 2 Abs. 2 lit b FLAG 1967 keine Berufsausbildung vorgelegen sei.
Am 13.07.2021 erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid. Die Behörde erließ an die Bf. einen Mängelbehebungsauftrag, datiert mit 13.12.2021, mit dem ihr aufgetragen wurde, bis 10.01.2022 die angeführten Mängel (Fehlen der Unterschrift; fehlende Inhaltserfordernisse) zu beheben. Am selben Tag erließ das Finanzamt ein Ersuchen um Ergänzung, welches am 10.01.2022 von der Bf. fristgerecht beantwortet wurde.
Da die Bf. den Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht bis 10.01.2022 beantwortete, erklärte die Behörde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.01.2022 als zurückgenommen.
Die Bf. erhob am 07.03.2022 fristgerecht einen Vorlageantrag.
Um den Sachverhalt vollständig zu ermitteln erließ die Behörde am 14.09.2022 erneut ein Ergänzungsersuchen, welches am 28.09.2022 fristgerecht von der Bf. beantwortet wurde.
Beweismittel:
Ergänzungsersuchen vom 13.12.2021
Antwortschreiben vom 10.01.2022
Ergänzungsersuchen 2 vom 14.09.2022
Antwortschreiben 2 vom 28.09.2022
SV-Datenauszug SVN … 8899 vom 14.10.2022
Stellungnahme:
Nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 ist die Gewährung von FB für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, an die Voraussetzung der Berufsausbildung gebunden.
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.
Ob tatsächlich eine Berufsausbildung iSd FLAG vorliegt, kann in der Regel nur im Einzelfall beurteilt werden. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass insbesondere die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis (auf Grundlage eines Lehrvertrages) eine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt.
Diese Lehrausbildung steht auf zwei Säulen: zum Einen die praktische Ausbildung im Betrieb und zum Anderen die Ausbildung in der Berufsschule.
Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG kommt es nicht nur auf das "ernste und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg" an, sondern eine Berufsausbildung muss grundsätzlich auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. VwGH 23.3.2011, 2009/13/0127).
Nach den vom VwGH zu diesem Begriff entwickelten Kriterien (zB VwGH 18.11.2009, 2008/13/0015, u.v.a.) weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang.
In diesem Zusammenhalt liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (BFG) - analog zum Besuch einer AHS oder BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungen von mindestens 30 Stunden anfällt. Das BFG nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, dh. insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG zu sprechen (vgl. BFG 19.10.2017, RV/7102012/2016; BFG 12.11.2018, RV/7103779/2018).
Keine Berufsausbildung liegt vor, wenn das Lehrverhältnis vorzeitig gelöst und die Berufsschule nur einmal wöchentlich besucht wurde (BFG 20.6.2014, RV/7101194/2014).
***Vorname*** hat das Lehrverhältnis mit 24.06.2019 vorzeitig beendet und anschließend lediglich einmal wöchentlich die Berufsschule besucht. In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage waren daher im strittigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der FB sowie den Kinderabsetzbetrag aufgrund mangelnder Berufsausbildung nicht erfüllt.
Daher begehrt die Behörde die vollinhaltliche Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Am 25. September 2017 schloss das Enkelkind D. mit der W. GmbH über die Ausbildung in einer besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtung gem. § 30 b Berufsausbildungsgesetz (BAG) einen Ausbildungsvertrag ab:
Ausbildungsberuf
Lehrberuf: Konditorin (Zuckerbäckerin)
Ausbildungszeitraum
Beginn der Ausbildung: 25.09.2017
Ende der Ausbildung: 24.09.2020
Tatsächliche Lehrzeit: 3 Jahre
Im Oktober 2018 schloss das Enkelkind D. mit der M. AG als Lehrberechtigte einen Lehrvertrag ab (Lehrvertrag):
Lehrberuf(e): KONDITORIN (ZUCKERBÄCKERIN)
tatsächliche Lehrzeit: 15.10.2018 bis 24.9.2020
Lehrzeit: 3,0 Jahre (lt. Lehrberufsliste)
Per 24. Juni 2019 wurde das Lehrverhältnis vorzeitig aufgelöst (Beschwerdevorlage).
Von 25. Juni 2019 bis 11. November 2019 bezog das Enkelkind D. Arbeitslosengeld;
von 12. November 2019 bis 22. Jänner 2020 Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe (Sozialversicherungsdatenauszug).
Von 23. Jänner 2020 bis 15. März 2020 war ***Vorname*** als Arbeiterin bei ***Bezeichn***' beschäftigt (Beschwerdevorlage bzw. Sozialversicherungsdatenauszug).
Bis 03. Juli 2020 war das Enkelkind D. Schülerin der 3K1 (dritte Fachklasse) für den Lehrberuf Konditorin (Zuckerbäckerin). Sie besuchte eine Klasse, in der aus schulorganisatorischen Gründen kein Unterricht mit erweitertem oder vertieftem Bildungsangebot erfolgte.
Sie hat das Bildungsziel der Berufsschule für den Lehrberuf Konditorin (Zuckerbäckerin) erreicht und damit die Berufsschulpflicht in diesem Lehrberuf erfüllt.
Von 03. August 2020 bis 02. Oktober 2020 ging ***Vorname*** einer geringfügigen Beschäftigung nach (Beschwerdevorlage bzw. Sozialversicherungsdatenauszug).
Über Ersuchen des Finanzamtes gab die Bf. bekannt:
***Vorname*** wohnte deshalb noch immer bei (der Bf.) da die Wohnung erst eingerichtet wurde und das sehr lange gedauert hat, deshalb trug (die Bf.) die gesamten Unterhaltskosten. Hat dafür leider keinen Nachweis.
Das weitere Schreiben des Finanzamtes enthielt Folgendes:
Fragen bzw. vorzulegende Unterlagen
Laut Auszug der Sozialversicherungsdaten war ***Vorname*** vom 15.10.2018 - 17.06.2019 betreffend Lehrverhältnis bei der M… AG beschäftigt. Aus dem übermittelten Lehrvertrag
geht hervor, dass der Ausbildungsvertrag ursprünglich vom 15.10.2018 - 24.09.2020
angesetzt war.
Folgende Nachweise werden daher benötigt:
- Nachweis der Berufsschule, von wann bis wann ***Vorname*** in welchem Wochenstundenausmaß die Schule besucht hat --> Zeitraum 07/2019 - 03/2021
- Nachweis aller Semesterzeugnisse der Berufsschule
- Nachweis, welchen Tätigkeiten ***Vorname*** im Zeitraum 07/2019 - 03/2021 nachgegangen ist
(falls der Schulbesuch nicht den gesamten Zeitraum abdeckt)
Laut ZMR-Daten hat ***Vorname*** seit 19.12.2018 (ihren) Hauptwohnsitz nicht in Ihrem Haushalt (Adresse: …gasse …, 1… Wien). Folgende Nachweise/Fragenbeantwortungen
werden benötigt:
- Genaue Kostenaufstellung der monatlichen Lebenserhaltungskosten von ***Vorname*** im
Zeitraum 07/2019 - 03/2021
- Genaue, monatliche Kostenaufstellung der von Ihnen geleisteten Unterhaltszahlungen an
***Vorname*** im Zeitraum 07/2019 - 03/2021 (inkl. aller vorhandenen Überweisungsbelegen)
Dieses Schreiben wurde wie folgt beantwortet:
***Vorname*** wohnte deshalb so lange bei mir da die Wohnung erst eingerichtet wurde und das sehr lange gedauert hat, deshalb trug ich sehr lange auch die Unterhaltskosten.
Sende Unterlagen: Zeugnis + Abschlusszeugnis (Berufsschule 1 mal die Woche)
+ Online Überweisungen. Corona bedingt Arbeitslos
01/2020-03/2020 Küchenhilfe (Cafe H… gering Beschäftigt)
Monatliche Kosten (Miete + Strom + Fernwärme betrug ung. 500 €) +Lebenserhaltungskosten
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den jeweils angeführten Grundlagen, sind unstrittig und bedarf es daher diesbezüglich keiner weiteren Ausführungen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Vorweg wird der Vollständigkeit halber bemerkt:
In der Beschwerdevorlage wird nicht auf den Inhalt der Beschwerdevorentscheidung, die Beschwerde gelte als zurückgenommen, eingegangen. Der Grund ist offensichtlich darin gelegen, dass das am selben Tag erlassene Ersuchen um Ergänzung fristgerecht beantwortet wurde und die Zusammenschau: Übermittlung von Unterlagen gemeinsam mit dem Rückforderungsbescheid die Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages betreffend das Fehlen eines Inhaltserfordernisses nicht gerechtfertigt erschienen ließ.
§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) bestimmt:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (BFG vom 28.02.2020, RV/7104618/2019, mit Verweis auf das Erkenntnis VwGH vom 28.10.2009, 2008/15/0329, mit der dort angeführten Judikatur).
Das österreichische duale Lehrlingsausbildungssystem sieht eine Kombination aus praktischer Ausbildung in einem Betrieb im Rahmen eines Lehrverhältnisses und aus schulischer Ausbildung an einer Berufsschule vor. Die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis stellt im Allgemeinen unstrittig eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar (vgl. Lenneis in Csazar/Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG § 2 Rz 45 Stichwort "Lehrausbildung").
Demgemäß hat der Verwaltungsgerichtshof etwa betreffend den Lehrberuf Veranstaltungstechnik ausgesprochen, dass sich die Berufsausbildung "jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches erstreckt" (vgl. VwGH 26.5.2011, 2011/16/0077).
Im Erkenntnis vom 28.05.2018, RV/7101269/2018, erwog das Bundesfinanzgericht:
Im Zeitraum Juni 2011 bis September 2011 bezog der Sohn der Bf. Arbeitslosengeld. Er befand sich daher nicht in Berufsausbildung, sodass für diesen Zeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge nicht zustehen.
Im Erkenntnis vom 08.01.2019, RV/4100059/2018, erwog das Bundesfinanzgericht:
Vielmehr ergibt sich aus der Vormerkung als "arbeitssuchend" beim Arbeitsmarktservice, dass eine Berufsausbildung in der Folge nicht mehr in Erwägung gezogen wurde.
Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, wenn der Antragsteller arbeitsfähig ist und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht (vgl. bspw. BFG vom 02.09.2016, RV/1100227/2016).
Arbeitslose haben grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld (www.ams.at ), wenn sie diese Bedingungen erfüllen:
- sie sind arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos.
- sie haben sich bei ihrem AMS arbeitslos gemeldet.
- sie sind am Arbeitsmarkt vermittelbar.
- sie sind bereit, eine Arbeit von mindestens 20 Stunden pro Woche aufzunehmen. Ausnahme: Sie haben Betreuungspflichten für ein Kind unter 10 Jahren oder für ein Kind mit Behinderung und es gibt nachweislich keine Betreuung, die es Ihnen ermöglicht, mindestens 20 Stunden pro Woche zu arbeiten: Dann reicht es, wenn Sie bereit sind, eine Arbeit von mindestens 16 Stunden pro Woche aufzunehmen.
- sie haben für eine gewisse Zeit arbeitslosenversicherungspflichtig gearbeitet (Anwartschaft).
- Und: Die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ist noch nicht abgelaufen.
Im die Beschwerde abweisenden Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 04.08.2020, RV/7102386/2020, wurde erwogen:
Besuchte die Tochter der Bf. an ein oder zwei Tagen der Woche, wenige Stunden pro Woche, die Berufsschule, liegt auf der Hand, dass nicht davon gesprochen werden kann, daneben sei eine Berufsausübung nicht möglich gewesen.
Dass Bewerbungsgespräche und aktive Bewerbungen um eine neue Lehrstelle keine Ausbildung gemäß der zitierten Bestimmung darstellen, wurde vom Finanzamt in der Beschwerdevorlage zutreffend angeführt und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Mit dieser Beurteilung steht im Einklang, dass die Tochter der Bf. nahezu im gesamten Rückforderungszeitraum Arbeitslosengeld bezogen und damit die oben angeführten Voraussetzungen zu erfüllen hatte.
In den Erkenntnissen vom 30.08.2017, RV/7102441/2016 und 13.04.2021, RV/3100447/2020, erwog das Bundesfinanzgericht:
Es besteht kein Zweifel, dass insbesondere die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis eine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt (s VwGH 14.12.2015, Ro 2015/16/0005). Diese Lehrausbildung steht auf zwei Säulen: zum einen die praktische Ausbildung im Betrieb (in der Regel 75 bis 80 % der Lehre), und zum anderen die Ausbildung in der Berufsschule (so genanntes "duales System" der Lehrausbildung).
War das Lehrverhältnis des Enkelkindes D. im Juni 2019 vorzeitig aufgelöst worden, besuchte das Enkelkind der Bf. in der Folge bis Anfang Juli 2020 zwar (1-mal wöchentlich) die Berufsschule, kam es nicht zur Fortsetzung der begonnenen Lehre auf Grund eines Lehrvertrages bei einem anderen Lehrbetrieb, kann nicht davon gesprochen werden, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG erfüllt wurden. Vielmehr hatte sich das Enkelkind bereits 1 Tag nach der Auflösung des Lehrvertrages als arbeitsuchend gemeldet (und damit die diesbezüglichen o.a. (arbeitsmarktrechtlichen) Bedingungen erfüllt) und bezog Arbeitslosengeld und war sodann, nach Bezug von Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe wie oben angegeben, in den Monaten Jänner bis März 2020 als Arbeiterin tätig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.
Wien, am 2. November 2022
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
