BFG RV/7103103/2020

BFGRV/7103103/202014.10.2020

Berufsausbildung zwischen letzter Prüfung und Sponsion

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103103.2020

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 21. Dezember 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom 6. Dezember 2018 betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Monat September 2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Beim gegenständlichen Verfahren handelt es sich um das fortgesetzte Verfahren zu dem beim Bundesfinanzgericht unter der GZ RV/7101585/2019 geführten Verfahren.

Die in diesem Verfahren anhängige Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 22.10.2019 als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision nicht zugelassen.

Das Bundesfinanzgericht vertrat die Auffassung, dass der Beschwerdeführerin für den Monat September keine Familienbeihilfe zustehe, weil deren Tochter das Bachelorstudium "Allgemeine Gesundheits-und Krankenpflege" an der FH Wr. Neustadt mit dem Tag der letzten Prüfung am 30.8.2018 beendet habe und es für den Bezug der Familienbeihilfe weder auf den Tag der Ausstellung des Zeugnisses noch auf den Tag der Verleihung der Bachelorurkunde (hier am 21.9.2018) ankomme. Zur Begründung stützte sich das Bundesfinanazgericht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.11.2011, 2011/17/0066.

Demgegenüber vertrat die Bf. die Auffassung, dass die Berufsausbildung erst mit Verleihung der Bachelorurkunde im September abgeschlossen gewesen sei , weil der Tochter die Berufsausübung erst mit der zwingend erforderlichen Eintragung in das Gesundheitsberuferegister möglich sei und diese nur mit Vorlage eines entsprechenden Qualifikationsnachweises erfolge.

Der Verwaltungsgerichtshof gab der Bf. im Erkenntnis vom 29.6.2020, Ra 2020/16/0001 recht und hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

In seinem Erkenntnis vom 22.11.2011, 2011/17/0066 habe er zwar den letzten Tag der Prüfung erwähnt, habe jedoch die "hier aufgeworfene Frage nicht prüfen müssen, weil damals der Tag der Ablegung der Bachelorprüfung mit der Datierung der Bachelor-Urkunde ident gewesen sei und der Zeitpunkt des Abschlusses des Studiums in jenem Verfahren nicht strittig gewesen sei.

Wörtlich führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

"AIs Qualifikationsnachweis gilt gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 GuKG u.a. ein Diplom über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung an einer Schule für Gesundheits- und Krankenpflege nach den Bestimmungen des GuKG. Einem solchen Diplom ist gemäß § 28 Abs. 2 GUKG eine Urkunde über einen an einer österreichischen fachhochschulischen Einrichtung erfolgreich abgeschlossenen Fachhochschul-Bachelorstudiengang gemäß FHStG in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege gleichgehalten, sofern dieser bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Diese Urkunde hat gemäß § 28 Abs. 5 Z 1 GuKG die Berufsbezeichnung ,,Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin/Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger" zu enthalten.

…….

Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. I lit. b FLAG ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausfübung des angestrebten Berufes zu erlangen (vgl. VwGH 16.5.2011, 201 1/ 16/0077). Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation (vgl. etwa VwGH 24.9.2009, 2009/ 16/0088; und VwGH 20.6.2000, 98/15/0001).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage endete im Revisionsfall die Berufsausbildung der Tochter der Revisionswerberin mit Erlangen des Nachweises ihrer Qualifikation für den Beruf der Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin. Dies ist der Qualifikationsnachweis nach § 28 Abs. 1Z 1 GuKG, somit jene Urkunde, welche gem. § 15 Abs. 1a Z 4 GBRG vorzulegen ist, um in das Gesundheitsberuferegister eingetragen werden zu können.

Es kann im Revisionsfall dahin gestellt bleiben, ob dieser Nachweis das Bachelor-Zeugnis (§ 17 Abs. 3 FHStG) oder erst die Bachelor-Urkunde (über die Verleihung des akademischen Grades - § 6 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 Z 9 FHStG) ist, denn beide Urkunden sind im September 2018 ausgestellt worden, was zu einem Wegfall des Anspruchs auf Familienbeihilfe erst mit Ablauf des September 2018 führt (§ 10 Abs. 2 FLAG)."

In der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2020 verwies der Vertreter der Bf. auf das bisherige Vorbringen, stellte keine weiteren Beweisanträge und beantragte die Stattgabe der Beschwerde.

Das oben angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.6.2020 ist der Bf. bzw. deren Vertreter bekannt.

Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Um Wiedeholungen zu vermeiden wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 22.10.2019, RV/7101585/2019 und auf das Erkenntnis des Verwaltungsgserichtshofes vom 29.6.2020, Ra 2020/16/0001 verwiesen.

Fest steht demnach, dass für die Ausübung des Berufes "Diplomierte Gesundheits-und Krankenpflegerin" die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister Voraussetzung ist. Die Eintragung wiederum erfolgt nur nach Vorlage eines Qualifikationsnachweises.

Die letzte Prüfung wurde am 30.8.2018 absolviert.

Das Bachelorzeugnis ist mit 11.9.2018 datiert.

Die Verleihung der Bachelorurkunde erfolgte am 21.9.2018.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

………

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit ………

Strittig ist im Revisionsfall, ob die Tochter der Bf. im September 2018 im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG noch für einen Beruf ausgebildet wurde oder ob mit dem Tag der letzten Prüfung am 30. August 2018 diese Berufsausbildung geendet hat.

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung schließt sich das Bundesfinanzgericht nunmehr der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung an, wonach die Berufsausbildung der Tochter der Bf. im September 2018 endete, da der für die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister erforderliche Qualifikationsnachweis erst im September 2018 ausgestellt wurde. Dabei ist es im gegenständlichen Fall nicht von Bedeutung, ob man als solchen das Bachelorzeugnis oder die Bachelorurkunde ansieht, da beide im September 2018 ausgestellt wurden. Ohne Eintragung in das Gesundheitsberuferegister ist eine Berufsausübung nicht möglich.

Da zur Berufsausbildung auch der Nachweis der Qualifikation gehört, (vgl. etwa VwGH 24.9.2009, 2009/ 16/0088 und VwGH 20.6.2000, 98/15/0001) stehen der Bf. daher auch für September 2018 Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag zu und es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt in seiner rechtlichen Beurteilung der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt und die ordentliche Revision auszuschließen war.

 

 

Wien, am 14. Oktober 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Verweise:

VwGH, Ra 2020/16/0001

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