Interpretation des § 9 Abs. 8 UmgrStG idF des Budgetbegleitgesetzes 2012 (BGBl I 112/2011): Vorhandensein des Betriebes im Fall der Rechtsnachfolge natürlicher Personen nach Umwandlung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7100623.2014
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid des Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs, betreffend Einkommensteuer 2011 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2011 bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist g emäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision zulässig.
Entscheidungsgründe
A) Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der ursprüngliche Beschwerdeführer (Bf.) Bf.1 war bis 2007 Gesellschafter der X Gesellschaft m.b.H. Im Rahmen einer mit Umwandlungsplan vom 28. September 2007 durchgeführten Umwandlung gemäß § 5 UmwG ist aus der X Gesellschaft m.b.H. die Personengesellschaft Y GmbH & Co KG hervorgegangen.
In der Folge war die Y GmbH & Co KG bis zum Jahr 2010 mit A als Geschäftsführer und Bf.1 als Kommanditisten im Firmenbuch eingetragen.
Mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 22. November 2010 hat der ursprüngliche Bf. Bf.1 seinen Kommanditanteil an seinen Vater, A, abgetreten, womit dieser alle damit verbundenen Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft übernommen hat.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 erklärte der ursprüngliche Bf. wiederkehrende Bezüge gemäß § 29 EStG in der Höhe von 11.625 Euro und machte als anzurechnende Mindestkörperschaftsteuer nach Umwandlung 3.860,27 Euro geltend.
Mit Vorhalt vom 8. Mai 2013 ersuchte das Finanzamt um Vorlage einer Berechnung der erklärten anzurechnenden Mindestkörperschaftsteuer sowie der erklärten Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen.
Mit Eingabe vom 7. Juni 2013 wurde eine Aufstellung über die Evidenzhaltung der Mindestkörperschaftsteuer gemäß § 24 Abs. 4 KStG übermittelt. Danach resultiere die Mindestkörperschaftsteuer aus der X Gesellschaft m.b.H., Steuernummer1. Zum Umgründungszeitpunkt sei verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer in der Höhe von 15.601,61 Euro zur Verfügung gestanden. Die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft seien über den gesamten Betrachtungszeitraum ident gewesen, danach hätten A 75% und Bf.1 25% der Beteiligung gehalten. 25% der Beteiligung wären 3.900,40 Euro gewesen, wovon im Jahr 2010 40,13 Euro verrechnet worden seien. Somit würden für das Jahr 2011 3.860,27 Euro verbleiben.
Betreffend die wiederkehrenden Bezüge wurde eine Versicherungsbestätigung der VersicherungsAG vorgelegt, wonach im Kalenderjahr 2011 steuerpflichtige Leistungen in der Höhe von 11.625 Euro bezogen worden sein.
Mit Bescheid vom 11 Juni 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2011 veranlagungsgemäß in der Höhe von 383 Euro fest.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2013 hob das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2011 gemäß § 299 BAO auf und setzte die Einkommensteuer 2011 nunmehr mit Bescheid vom 8. Juli 2013 in der Höhe von 4.243 Euro fest. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Beteiligung von Bf.1 an der Y GmbH & Co KG mit 22. November 2010 beendet worden und somit im Veranlagungsjahr 2011 keine gewerblichen Einkünfte mehr vorgelegen seien, weswegen keine anrechenbare Mindestkörperschaftsteuer mehr berücksichtigt werden könne.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung (in weiterer Folge nunmehr Beschwerde) wurde vorgebracht, dass die der Mindestkörperschaftsteuer zugrunde liegende Umwandung mit dem Stichtag 31.12.2006 erfolgt sei. Die beantragte Mindestkörperschaftsteuer sei Bf.1 zu diesem Zeitpunkt aus dieser Umgründung rechtmäßig zugeordnet und von der Finanz nicht beanstandet worden.
§ 9 Abs. 4 UmgrStG sehe in der aktuellen Fassung vor, dass der Betrieb nach § 7 Abs. 1 am Ende des Jahres für das die Anrechnung erfolgen solle, noch vorhanden sei. Es sei ausdrücklich festzuhalten, dass der Betrieb, von dem die Mindestkörperschaftsteuer stamme (Y GmbH & Co KG, St.Nr. Steuernummer2), noch immer vorhanden sei. Der Geschäftsbetrieb werde derzeit noch immer fortgeführt.
In den Richtlinien werde in Rz. 565 ausdrücklich festgehalten, dass das bloße Vorhandensein des Betriebes ausreiche. Unter Betrieb könne im Sinne des UmgrStG nur der Betrieb verstanden sein, der auch Anwendungsvoraussetzung für eine steuerbegünstigte Umgründung sei. Dieser sei zweifelsfrei noch vorhanden. Es erfolge kein Hinweis darauf, dass für eine Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer eine Beteiligung am Betrieb erforderlich sei.
Die Gesetzesänderung sei eingeführt worden, um missbräuchliche Umgründungen ohne Betriebsfortführung zu unterbinden. Im vorliegenden Fall treffe dies nicht zu, da der Betrieb bis dato aufrecht sei. Bf.1 sei aus gesundheitlichen Gründen aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. Dezember 2013 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Eingabe vom 10. Jänner 2014 wurde die Vorlage der Beschwerde an die Abgabenbehörde zweiter Instanz (nunmehr Bundesfinanzgericht) beantragt. Ergänzend wurde auf eine Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, RV/0495-W/10, verwiesen.
B) Über die (nunmehr als Beschwerde zu wertende) Berufung wurde erwogen:
1.) Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Der ursprüngliche Bf., Bf.1, war bis 2007 Gesellschafter der X Gesellschaft m.b.H. Im Rahmen einer Umwandlung gemäß § 5 UmwG ist aus der X Gesellschaft m.b.H. die Personengesellschaft Y GmbH & Co KG hervorgegangen, deren Kommanditist Bf.1 war. Mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 22. November 2010 hat dieser seinen Kommanditanteil an A abgetreten.
In seiner Einkommensteuererklärung 2011 machte der ursprüngliche Bf. anzurechnende Mindestkörperschaftsteuer nach Umwandlung in der Höhe von 3.860,27 Euro geltend.
Bf.1 ist am 18. Oktober 2015 verstorben. Laut Einantwortungsbeschluss vom 4. März 2016 wurde der Nachlass dem erblichen Bruder des ursprünglichen Bf., Bf.2, zur Gänze eingeantwortet.
Die Y GmbH & Co KG wurde am 12. Jänner 2016 im Firmenbuch gelöscht.
2.) Streitpunkt:
Strittig ist im gegenständlichen Fall die Interpretation des § 9 Abs. 8 UmgrStG idF des Budgetbegleitgesetzes 2012 (BGBl I 112/2011). Während in der Beschwerde die Ansicht vertreten wird, dass im Fall der Rechtsnachfolge natürlicher Personen nach Umwandlung am Ende des Jahres vom Vorhandensein des Betriebes ganz allgemein auszugehen sei, steht das Finanzamt auf dem Standpunkt, dass vom Vorhandensein des Betriebes beim Steuerpflichtigen selbst auszugehen sei.
3.) Rechtliche Beurteilung:
3.1. Rechtsnachfolge
Der ursprüngliche Bf. Bf.1 ist während des anhängigen Beschwerdeverfahrens verstorben. Da sein Nachlass dem erblichen Bruder, Bf.2, zur Gänze eingeantwortet wurde, hat letzterer als Rechtsnachfolger des verstorbenen Bf. dessen Rechte und Pflichten übernommen und ist daher im gegenständlichen Verfahren als neuer Bf. anzusehen.
3.2. Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer
§ 9 Abs. 8 UmgrStG idF des Budgetbegleitgesetzes 2012 (BGBl I 112/2011) lautet:
„Mindeststeuern der übertragenden Körperschaft im Sinne des § 24 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1988, die bis zum Umwandlungsstichtag entstanden und noch nicht verrechnet sind, sind den Rechtsnachfolgern ab dem dem Umwandlungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr in jenem Ausmaß zuzurechnen, das sich aus der Höhe der Beteiligung an der umgewandelten Körperschaft im Zeitpunkt der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Firmenbuch ergibt. Dabei sind die Anteile abfindungsberechtigter Anteilsinhaber den Rechtsnachfolgern quotenmäßig zuzurechnen. § 24 Abs. 4 Z 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 gilt für natürliche Personen als Rechtsnachfolger, wenn der Betrieb nach § 7 Abs. 1 am Ende des Jahres, für das die Anrechnung erfolgen soll, noch vorhanden ist; unabhängig von diesem Betriebserfordernis ist auf die Einkommensteuer, die auf Veräußerungsgewinne gemäß § 24 des Einkommensteuergesetzes 1988 dieses Betriebes entfällt, eine Anrechnung vorzunehmen."
§ 9 Abs. 8 UmgrStG ist in dieser Fassung erstmals bei der Veranlagung 2011, also für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum, anzuwenden.
Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, maßgebend (VwGH 22.1.1993, 91/17/0151; 20.11.1997, 95/15/0012). Ziel der Auslegung ist es, den objektiven Willen einer Vorschrift zu erfassen. Diesem Auslegungsziel dienen die grammatikalische, die systematische, die teleologische und die historische Auslegung. Diese Auslegungsmethoden schließen einander nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich (VwGH 7.9.1989, 89/16/0067; Ritz, a.a.O., § 21 Tz 2).
Aus dem Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 8 UmgrStG geht deutlich hervor, dass § 24 Abs. 4 Z 4 KStG für natürliche Personen als Rechtsnachfolger nur dann Geltung hat, wenn der Betrieb nach § 7 Abs. 1 UmgrStG am Ende des Jahres, für das die Anrechnung erfolgen soll, noch vorhanden ist. Der Umstand, dass der Betrieb lediglich in irgendeiner Art und Weise weiterbesteht bzw. das „bloße Vorhandensein des Betriebes“, von welchem in der Beschwerde ausgegangen wird, wird jedoch nur dann ausreichen, wenn der Betrieb (bzw. Betriebsanteil) am Ende des Jahres, für das die Anrechnung erfolgen soll, nicht veräußert worden ist.
Diese Interpretation ergibt sich aus dem letzten Halbsatz des § 9 Abs. 8 UmgrStG. Dem Gesetzgeber können keine überflüssigen Regelungen zugesonnen werden. Deshalb muss die Sonderregel für Veräußerungsgewinne in § 9 Abs. 8 UmgrStG („wenn der Betrieb … am Ende des Jahres, für das die Anrechnung erfolgen soll, noch vorhanden ist“) nur auf das Vorhandensein des Betriebes beim Steuerpflichtigen selbst am Ende des Jahres abstellen. Denn wenn der von ihm während des Jahres mit Gewinn verkaufte Betrieb (bzw. Betriebsanteil) nur irgendwo bzw. bei irgendjemandem vorhanden sein müsste, wäre das Vorhandensein des Betriebes am Ende des Jahres beim Käufer bereits ausreichend für eine Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer beim Verkäufer.
Da der ursprüngliche Bf. Bf.1 seinen Kommanditanteil an der Y GmbH & Co KG mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 22. November 2010 an A abgetreten hat, sodass bei ersterem selbst am Ende des Jahres kein Betrieb bzw. Betriebsanteil an der Y GmbH & Co KG mehr vorhanden war, kann die in der Einkommensteuererklärung 2011 geltend gemachte Mindestkörperschaftsteuer nach Umwandlung in der Höhe von 3.860,27 Euro nicht mehr angerechnet werden.
Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
C) Zulässigkeit einer Revision:
Hinsichtlich der Interpretation des § 9 Abs. 8 UmgrStG idF des Budgetbegleitgesetzes 2012 (BGBl I 112/2011) liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Daher liegt eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung nach der Definition des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, sodass gegen das vorliegende Erkenntnis die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt wird.
Wien, am 15. März 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 24 Abs. 4 Z 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |