Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100471.2021
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinBE in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom 25. September 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 8. September 2020 betreffend Familienbeihilfe 10/2014, ***BfSVNr***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der am xx.xx.xxxx geborene Beschwerdeführer (Bf) beantragte am 24.10.2019 die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbeitrag zur Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.
Dem Antrag beigefügt waren ein Befundbericht von Dr. ***1*** vom 14.10.2019, der Bescheid der PVA vom 15.10.2019 über die Zuerkennung der Invaliditätspension ab 1.10.2019 für die weitere Dauer der Invalidität samt Verständigung über die Pensionshöhe.
Mit Bescheid vom 20.4.2020 wies das Finanzamt den Antrag des Bf ab Oktober 2019 ab, da laut dem vom Finanzamt beauftragten Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 13.3.2020 keine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne des FLAG 1967 vorliege.
Der Bf stellte am 19.8.2020 erneut einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung. Beigelegt war der am 13.8.2020 ausgestellte und ab 27.4.2020 bis 31.8.2022 gültige Behindertenpass des Bf.
Mit Aufhebungsbescheid gem. § 299 BAO vom 8.9.2020 hob das Finanzamt den Abweisungsbescheid vom 20.4.2020 auf. Gleichzeitig wurde mit Abweisungsbescheid der Antrag vom 24.10.2019 betreffend Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum 10/2014 abgewiesen. Begründend wurde unter Verweis auf §§ 8 Abs. 5 ff und 10 FLAG 1967 ausgeführt, dass laut Sachverständigengutachten keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege.
Dagegen erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde. Der Bf sei seit Kindesalter psychisch krank. Der Grad der Behinderung erreiche 50 % und dem Bf sei der Behindertenpass zuerkannt worden. Im Verfahren wegen Zuerkennung der Invaliditätspension vor der PVA sei festgestellt worden, dass der Bf dauerhaft erwerbsunfähig sei. Daher sei ihm mit Bescheid vom 15.10.2019 die Invaliditätspension zuerkannt worden. Der Bf sei vor dem 21. Lebensjahr derart erkrankt, dass er keiner beruflichen Tätigkeit habe nachgehen können und daher außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verdienen. Als Beweismittel beigelegt waren der Behindertenpass, der Bescheid der PVA über die Zuerkennung der Invaliditätspension sowie die Mitteilung des Sozialministeriumsservice über die Ausstellung des Behindertenpasses.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 9.11.2020 als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Grundlagen wurde begründend ausgeführt, dass das am 27.10.2020 vom Sozialministeriumservice erstellte Gutachten ergeben habe, dass ab 1.9.2019 ein Grad der Behinderung von 50 % und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege. Da die Behinderung des Bf nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei, bestehe ab Oktober 2014 kein Anspruch auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe.
Der Bf stellte fristgerecht einen Vorlageantrag. Aus den beigefügten Unterlagen (Arztbrief 22.8.2011 ***2*** - stationärer Aufenthalt auf Psych von 2.2.2011 bis 3.3.2011; Arztbrief 6.5.2001 ***2*** - stationärer Aufenthalt auf Psych vom 7.3.2011 bis 6.5.2011, Befundbericht vom 14.10.2019 ***1*** - behandlungspflichtig seit 2005; Befundbericht vom 30.9.2019 ***1***; Begleitschreiben ***2*** - stationärer Aufenthalt auf Psych vom 18.3.2005 bis 9.5.2005; Bestätigung ***3***: Aufenthaltsbestätigung vom 9.5.2005 bis 23.12.2005) ergebe sich, dass der Bf seit früher Kindheit an psychisch krank sei und nie in der Lage sein werde, sich selbst den notwendigen Unterhalt zu verschaffen.
In Beantwortung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom 11.2.2021 legte der Bf die beiden folgenden Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vor.
Sachverständigengutachten (mit Untersuchung) nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom 13.3.2020:
…
Anamnese:
Regulärer Kindergarten- und VS Besuch, Besuch einer regulären Gymnasiumsunterstufe (laut Unterlagen 1. und 2. Klasse Gymnasium ***4***, belegt); kein SPF Bedarf.
05-12/2005 Betreuung im ***5*** bei Störung des Sozialverhaltens F91 aufgrund zerrütteter Familienverhältnisse Z63.5; davor orientierende stationäre Betreuung ***6***, Kinderabteilung.
Lebte "ab 16. Lebensjahr alleine", regulärer Lehrabschluss Kunststofftechniker bei "***7***".
02-03/2011 und Tagesklinik 03-05/2011 stationärer Aufenthalt ***2*** bei psychotischem Zustandsbild, danach keine weiteren stationären Aufenthalte und keine psychiatrische fachärztliche Betreuung, keine Medikation, keine weiterführenden Therapien.
Herr ***Bf1*** kommt ohne Begleitung zum Erstuntersuchungstermin, es bestünde keine Erwachsenenvertretung.
Derzeitige Beschwerden:
Er habe eigentlich am ganzen Körper Druckgefühle, Verspannungen, schon als Jugendlicher habe er Rückenschmerzen gehabt, da sei er auch übergewichtig gewesen (legt Teilnahmebestätigung an "Fit and Fun Diätferien" aus 2006 vor): "Seit ich zurückdenken kann, habe ich jeden Tag Schmerzen". Er sei auf Kur in ***8*** (Aufenthaltsbestätigung aus 10/2013 ohne Diagnose vorgelegt) gewesen, gehe sonst allgemein nicht zu Ärzten, habe das auch nicht gebraucht. Medikamente habe er auch nie regelmäßig genommen, das sei nie nötig gewesen. Deshalb habe er auch keine Befunde aus den letzten Jahren.
Einen psychotische Schub habe er nur 1x gehabt, 2011, da wäre er auch stationär gewesen. Danach wollte er keine Betreuung, sei auch beim ***22*** nicht häufiger gewesen, weil "die haben gesagt, sie sind nicht für mich zuständig".
Er habe die Lehre fertig gemacht, kurz danach die Firma aber verlassen "ich habe Sozialstörungen, weiss auch nicht, irgendwie passe ich den anderen nicht, die mögen mich nicht". Er habe z.B. als Gärtner und auch bei der Post gearbeitet, allerdings immer nur kürzerfristig. Ende 2015 sei nach einer schief gelaufenen beruflichen Aktion auf einmal die Vega (Polizeieinsatztruppe) aufgrund eines Suchtmitteldeliktes vor seiner Tür gestanden. Deshalb habe er wegen einer gerichtlich angeordneten Maßnahme 3 Jahre (Bestätigung der Teilnahme 2015 bis 12/2018 beigebracht, s. Befunde) zu Terminen bei einer Suchberatungsstelle gehen müssen.
Vor 4 Jahren habe er dann als Fitnesstrainer "EMS" begonnen, habe mehrere Ausbildungsränge positiv abgeschlossen, auch beruflich einige Jahre in Studios mitgearbeitet, das ab Mitte 2019 aber nicht mehr weiter gemacht. Alles sei zu viel gewesen.
Derzeit mache er gar nichts, er liege und schlafe und sehe TV.
Er habe seit 2011 keinerlei stationäre Aufenthalte gehabt, keinerlei laufende Therapien, er gehe nicht zu Ärzten. Zwischen 2011 und 2019 habe er keine Medikamente genommen. Er sei jetzt, 10/2019, wegen des Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe ein Mal zu ***1***, FA für Psychiatrie, gegangen, um einen Befund in der Hand zu haben. Es sei ihm im Herbst 2019 nicht so gut gegangen, er habe sich von ***1*** Medikamente verschreiben lassen, da er Zwangsgedanken hatte und "grausliche Sachen" gesehen habe. Er sei die letzten Jahre auch psychotisch gewesen, habe aber immer gut damit umgehen können, alles alleine können, deshalb nie eine Therapie oder ärztliche Hilfe gebraucht und so auch die Ausbildung und Prüfung zum Fitnesstrainer 2015 gut geschafft.
Regelmäßiger Cannabismissbrauch "etwa 2x/Tag", Nikotinabusus (etwa 20/Tag).
Er wolle wieder als Fitnesstrainer arbeiten anfangen, suche gerade Job.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
20200203 ***9***, Arzt für Allgemeinmedizin, ***10***,
Medikamentenverordnungsblatt:
Solian 200mg ½ -0-1, Escitalopram 20mg 1x1; Praxiten bB; (Medikation anamnestisch seit einmaliger psychiatrischer Begutachtung 10/2019, in diesbezüglichen Unterlagen keine Medikation verordnet)
Keine begleitenden Therapien (z.B. psychiatrische Begleitung, Psychotherapie... ) in den letzten 9 Jahren
Keine somatischen Therapien erforderlich
Sozialanamnese:
Lebt alleine, keine Kinder
Normaler Hauptschulabschluss, AHS Unterstufe, abgeschlossene Kunststofftechnikerlehre, abgeschlossene Fitnesstrainerausbildung
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
20191014 ***1***, FÄ für Psychiatrie, ***11***, Befundbericht (einmalige Vorstellung zur Befunderstellung für den nunmehrigen FLAG Antrag): anamnestisch letzter stationärer Aufenthalt 2011 im Rahmen einer Psychose; Diagnose: Schizophrenie F20 (Anmerkung der Untersucherin: im Rahmen dieses Befundberichtes werden keine zugrundeliegende Unterlagen zur Diagnosenverifizierung zitiert, es werden keine Medikamente vorgeschrieben);
20181205 Suchtberatung ***12***: "Antrag auf Einstellung der gesundheitsbezogenen vorgeschriebenen Maßnahmen (psychosoziale Beratung und Betreuung) nach planmäßigem Ende";
20110822 ***2***, Psychiatrie, Bericht nach stationärem 4wöchigen Aufenthalt: nach Rückkehr aus Urlaub in ***13*** verbunden mit längerwährendem Gebrauch psychotroper Substanzen (THC Test positiv) zum Aufnahmezeitpunkt psychotisch, wahnhaft, antriebsgesteigert, paranoide Erlebnisverarbeitung; unter Medikation Stabilisierung bis Erreichen eines unauffälligen psychiatrischen Status; klinisch psychologische Untersuchung: kein Hinweis auf das Vorliegen einer schizophrenieassoziierten kognitiven Symptomatik; Diagnose: Hinweise auf Substanzabusus, manische Episode mit psychotischen Elementen F30.2
20041122 ***14***, klinisch psychologische Untersuchung: leicht überdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit; Lese-Rechtschreibschwäche; bei Konflikten der Eltern untereinander Entstehen psychischer Instabilität mit Frustrationsessen - Adipositas
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
guter AZ
Ernährungszustand:
Adipositas
Größe: 180,00 cm Gewicht: 120,00 kg Blutdruck: 130/90
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Atmung: unauffällig
Haut: gut durchblutet, warm, trocken, Turgor altersentsprechend unauffällig
Sichtbare Schleimhäute: feucht, rosig, keine Zyanose, keine Ödeme, kein lkterus
Caput: äußerlich unauffällig, Visus intakt, Pupillen rund, Reaktion prompt, isocor; Zähne saniert, Hörvermögen intakt
Collum: keine Lymphknoten tastbar, Schilddrüse verschieblich, palpatorisch nicht vergrößert oder druckempfindlich, Halsvenen nicht gestaut
Thorax: symmetrisch, sonorer Klopfschall, VA bds, keine RGS; HA rhythmisch, rein, mittellaut, normfrequent
Abdomen: Bauchdecken weich deutlich über Thoraxniveau, keine Resistenzen, keine Druckdolenz, Darmgeräusche regelhaft, Hepar am Rippenbogen, Lien nicht tastbar, Nierenlager bds. frei
WS: reguläre Krümmungsverhältnisse, Schultergürtel und Becken horizontal, untere BWS Klopfschmerz, HWS F 35-0-45, R 70-0-70, Lateralflexion re 45, li 45; ISG bds frei, FBA etwa 20 cm, Rumpfrotation frei, paravertebrale Muskulatur in allen Abschnitten seitengleich mäßig ausgeprägt, kein Hartspann
OE: Schultern stehen gerade, Schürzengriff frei, Nackengriff frei, Schultern: rechts AV/RV 170-0-40, Ad/Ab 40-0-180, Ri/a 95-0-80; links: AV/RV 170-0-40, Ad/Ab 40-0-180, Ri/a 95-0-80; kompletter Faustschluss sowie Daumenopposition und Pinzettengriff bds. uneingeschränkt; alle Gelenke bandstabil, Tonus und Trophik unauffällig; Grobkraft in etwa seitengleich;
UE: keine Ödeme, Fußpulse seitengleich tastbar, Varicen nicht feststellbar, kein Hinweis auf CVI; Zehen-, Fersen- Einbeinstand bds. ausführbar, Muskelmantel symmetrisch, Hüftbeweglichkeit: rechts B/S 120-0-10, Ab/Add 45-0-30, Ri/a 50-0-40; links: B/S 120-0-10, Als/Ad 45-0-30, Ri/a 50-0-40; Knie: rechts E/F 10-0-130, links E/F 10-0-130; seitenbandstabil; SFG Plantarflexion (40), Dorsalextension (30) beidseits unauffällig; keine Sensibilitätseinschränkungen;
Neurologie: grob neurolog. unauffällig, keine sensomotorischen Defizite erhebbar
Gesamtmobilität - Gangbild:
Derzeit untrainiert wirkender Habitus; Gangbild normalschrittig raumgreifend sicher und frei, Konfektionsschuhe, keine Gehhilfen; freies Stehen, Zehen- und Fersengang seitengleich möglich, selbständiges An- und Auskleiden flüssig im Stehen möglich, Niveauunterschiede (Stiegensteigen, Transfer zur und von Untersuchungsliege) unbeeinträchtigt realisierbar
Psycho(patho)logischer Status:
Kleidung adäquat, Kontaktaufnahme offen, freundlich, auskunftsbereit; zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert, bewusstseinsklar, kognitiv vordergründig nicht eingeschränkt, Auffassungsvermögen gut, Konzentration gut; Gedankengang/Ductus geordnet und zielführend unter korrekter Verwendung einiger medizinischer Fachbegriffe und ohne Hinweis auf psychotische und produktive Anteile, keine formale Denkstörung, keine ldeenflucht, kein Gedankenabreißen, Langzeitgedächtnis gut, Kurzzeitgedächtnis gut, regelrechte Sprechgeschwindigkeit und Artikulation, kein Anhaltspunkt für suizidale bzw. selbstverletzende Ideen, zum Untersuchungszeitpunkt kein Wahn oder Zwang, keine konkreten Ängste; allgemeine Kritikfähigkeit und Problembewusstsein adäquat; Körperschemawahrnehmung unauffällig; lmpulskontrolle erhalten, Stimmungslage dysthym, Affizierbarkeit im pas. wie neg. Bereich zum Untersuchungszeitpunkt im Normbereich, Antrieb ausgeglichen, psychomotorisch ruhig;
Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.
Begründung:
Die beigebrachten Unterlagen belegen eine einmalige psychotische Episode im Rahmen eines akuten manischen Zustandsbildes vor dem Hintergrund eines Substanzmissbrauches verbunden mit stationärem Aufenthalt 2011. Seitdem erfolgten keine weiteren stationären Aufnahmen, auch anamnestisch wird von dem AW eine zwischenzeitliche entsprechende ambulante (z.B. psychiatrisch fachärztliche, medikamentöse, psychotherapeutische....) Behandlung explizit verneint, er sei "immer gut mit sich zurecht gekommen". Eine einmalige psychiatrische Befunderhebung 10/2019 und die kurzfristige antipsychotische Medikationsvorschreibung aus 02/2020 (vgl.: Solian) ist für eine quantifizierende GdB Erhebung nicht ausreichend.
Es kann daher, in Übereinstimmung auch mit dem unauffälligen psychischen Status im Rahmen der nunmehrigen Erstuntersuchung, keine nachweislich Iängerdauernde relevante funktionelle Einschränkung quantitativ erhoben werden.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja O nein
GdB liegt vor seit:
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Der AW verfügt über 2 abgeschlossene Berufsausbildungen (abgeschlossene Lehre zum Kunststofftechniker, abgeschlossene Ausbildung zum Fitnesstrainer), die Selbsterhaltungsfähigkeit ist gegeben.
X Dauerzustand
O
Gutachten erstellt am 13.03.2020 von Dr.in ***15***
Gutachten vidiert am 14.03.2020 von Dr. ***16***
Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 26112010) vom 27.10.2020:
…
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
aus dem BBG-GA von 07/2020:
***9***, Allgemeinmedizin, 23.04.2020: Kreislaufbeschwerden, Emesis Migräne, Überlastungsreaktion, Angststörung, paranoide Schizophrenie, Z.n. manischer Episode mit psychot. Elementen, Z.n. psych, stat. Aufenthalt 2012 Soziophobie Lumbago, Coxalgie
***1***, Fachärztin für Psychiatrie, 30.09.2019, 14.10.2019: Schizophrenie F20 ***8***, 14.10.2013: 24.09.2013 bis 14.10.2013 stationär LWS, Beckenübersicht, 27.02.2012: Diskrete, rechtskonvexe Skoliose. Streckhaltung. Chondrose L5/S1. Retrolisthese L4 gegenüber L5 um ca. 3 mm. Beinlängenverkürzung links -1,2 cm.
***2***, Psychiatrie, 22.08.2011: Manische Episode mit psychot. Elementen (wahnhafte Symptomatik) F 30.2Hinweise auf Substanzabusus
***3***, 09.03.2020: 9. 5. 2005 bis 23.12. 2005 im ***3*** (ehemals ***5***) in der Sozialpädagogischen Abteilung stationär mitgebrachte Befunde: neurologisch- psychiatrisches Fachgutachten, Dr. ***17***, 15.02.2011 affektive Störung gegenwärtig manische Episode
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
aus dem BBG-GA von 07/2020: Solian 200mg, Escitalopram 20mg, Bromazepam Praxiten 50mg, Trittico, angemeldet für Psychotherapie, Physiotherapie
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht weiter erhöht, da dieses keinen maßgeblichen negativen Einfluss auf das führende Leiden bewirkt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten Vorlage von Befunden, daher Aufnahme von Leiden 1 und 2 mit insgesamt 50% GdB bewertet.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja O nein
GdB liegt vor seit: 09/2019
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Eine Bestätigung einer längeren Rückwirkung ist nicht möglich, da Befundlücken für die Zeiträume von 2005-2011 und 2012-2019 vorliegen.
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Derzeit ist eine selbstständige Unterhaltsbeschaffung nicht gegeben. Die Erwerbsunfähigkeit ist ab 09/2019 anzunehmen, über den Zeitraum davor ist keine definitive Angabe möglich, da Befundlücken für die Zeiträume von 2005-2011 und 2012-2019 vorliegen und er wie bereits im Vorgutachten beschrieben über 2 abgeschlossene Berufsausbildungen (abgeschlossene Lehre zum Kunststofftechniker, abgeschlossene Ausbildung zum Fitnesstrainer) verfügt.
O Dauerzustand
X Nachuntersuchung: 08/2022
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Nachuntersuchung zur Beurteilung des Gesundheitszustandes. Leiden 1 kann unter Therapie besser werden.
Gutachten erstellt am 27.10.2020 von Dr.in ***18***
Gutachten vidiert am 04.11.2020 von Dr. ***19***
Mit Vorlagebericht vom 4.3.2021 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In seiner Stellungnahme führte das Finanzamt aus, dass laut der beiden vorliegenden Gutachten des Sozialministeriumservice keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene Erwerbsunfähigkeit vorliege und daher kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bestehe. Nach Aufhebung des Abweisungsbescheides vom 20.4.2020, in dem irrtümlich ein Zeitraum ab 10/2019 statt ab 10/2014 angeführt worden sei, sei nach Bescheidaufhebung mit dem Abweisungsbescheid vom 8.9.2020 auch über den Antrag vom 24.10.2020 abgesprochen worden.
In weiterer Folge wurden vom Beschwerdeführer noch die Seite 1 des Abschlussberichtes des ***6*** vom 3.6.2005 über den Aufenthalt vom 18.3.2005 - 9.5.2005, eine Honorarnote ***20*** vom 31.1.2006 über vier psychotherapeutische Sitzungen im Jänner 2006, eine Bestätigung von Dr. ***21*** vom 30.8.2021 und ein ärztlicher Befundbericht des ***22*** vom 22.3.2021 vorgelegt.
In der Folge ersuchte das Bundesfinanzgericht im Wege des Finanzamtes das Sozialministeriumsservice um eine Stellungnahme, ob die im Vorlageantrag vertretene Auffassung, wonach sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebe, dass der Bf seit früher Kindheit an psychisch krank gewesen sei und nie in der Lage gewesen sei oder sein werde, sich selbst den notwendigen Unterhalt zu verschaffen, gefolgt werden könne oder nicht und ob sich am Ergebnis des zweiten Sachverständigengutachtens, wonach aufgrund der bestehenden Befundlücken die Erwerbsunfähigkeit erst ab 9/2019 anzunehmen sei, etwas ändere.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellte daraufhin das Sachverständigengutachten (mit Untersuchung) nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom 3.5.2022:
…
Anamnese:
In einem Vorgutachten 11/2020 wurde eine Schizophrenie und Skoliose, Lumbalgie mit insgesamt 50% GdB bewertet. Die Erwerbsunfähigkeit war ab 09/2019 anzunehmen, über den Zeitraum davor war keine definitive Angabe möglich, da Befundlücken für die Zeiträume von 2005-2011 und 2012- 2019 vorliegen.
Derzeitige Beschwerden:
Seit seinem 7. Lebensjahr habe er schwerste Einschränkungen. Bei seiner Adipositas 2007 und 2009 hatte er 150kg. Er habe Fotos am Strand wo er ganz schwarz angezogen sitzt mit fettigen Haaren. Die Eltern akzeptieren es nicht. Er möchte teilweise nicht aufstehen mache 3 Stunden Work out um überhaupt aufzustehen. Er habe teilweise Bauchschmerzen mit einem Gefühl zu sterben. Er esse dann zu Mittag mache wieder ein Work out gehe etwas hinaus dann sei eh schon wieder Abend. Er versuche den Tag irgendwie zu schaffen. Er habe immer starke Rückenschmerzen. An manchen Tagen kann er gar nicht aufstehen. Es sei die Hölle wenn er nicht trainiert, da komme dann die Schizophrenie dazu und er fragt sich ob er an den Schmerzen jetzt stirbt. Mit 16 Jahren bekam er schon Infiltrationen wegen der Rückenschmerzen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
workout, Praxiten oder Psychopax bei Bedarf, Dominal bei Bedarf wenn er psychotisch wird. Zolpidem solange sie wirken dann mache er Pause dann nehme er Trittico, Pregabalin wenn es schmerzmäßig gar nicht geht.
Sozialanamnese:
Lebt mit der Lebensgefährtin, Frühpension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
***22***, 22.03.2021: paranoide Schizophrenie, andauernde Persönlichkeitsänderung, Abhängigkeitssyndrom Sedativa und Hypnotika, chron. Diarrhoe.
Dr. ***21***, Allgemeinmedizin, 30.08.2021: seit 2010 wegen Lumbago in Behandlung,
Va Legasthenie 20.10.2004, depressives ZB 15.07.2009, posttraumatische Belastungsstörung 14.01.2010; mitgebracht 08.04.2022 (Auflistung der Diagnosen mit Datum): 2007:Adipositas,07/2009 depressives Zustandsbild, 09/2010 rez. Lumbagie, 02/2012: Lumbalgie, 03/2012 depressives Zustandsbild, Lumbalgie
Honorarnote psychotherapeutische Behandlung, 31.01.2006: 4 Sitzungen 10., 17., 24., 31. Jänner 2006
mitgebracht: Dr. ***23***, LWS a.p. und seitl.: 27.12.2012: diskrete rechtskonvexe Skoliose, Streckhaltung, Chondrose, Retrolisthese L4 gegenüber L5 um 3mm, Beinlängenverkürzung links -1,2 cam
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: unauffällig
Ernährungszustand: adipös
Größe: 180,oo cm Gewicht: 125,00 kg
Blutdruck: Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
29 Jahre
Cor: reine rhythmische Herzaktion. Finger-Bodenabstand nicht möglich wegen Kreuzschmerzen
Pulmo: VA, keine Rasselgeräusche, Schädel frei beweglich,
Geruchsempfinden normal angegeben, Gesichtsfeld fingerperimetrisch frei,
Pupillen rund, isocor, Bulbusmotilität ungestört
Lichtreaktion direkt und indirekt prompt auslösbar,
Gesichtssensibilität Hypästhesie links,
mimische Muskulatur seitengleich normal innerviert,
Obere und Untere Extremität: Keine pathologische Tonussteigerung.
Die grobe Kraft ist seitengleich normal. Keine Paresen.
MER sind seitengleich auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
Sensibilität: Überempfindlich linke Körperhälfte
Vegetativum: unauff.
Fingerreiben und Normalsprache wird seitengleich verstanden,
Spontan- und Konversationssprache ungestört
Gesamtmobilität-Gangbild:
Normalgang, Einbeinstand beidseits möglich.
Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert,
Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit,
Konzentration reduziert, Aufmerksamkeit
reduziert und Auffassungsvermögen ungestört, Alt- und Kurzgedächtnis sind ungestört,
Stimmungslage ausgeglichen,
Ductus kohärent, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen,
die Affektlage ist ausgeglichen, ausreichende Affizierbarkeit.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht weiter erhöht, da dieses keinen maßgeblichen negativen Einfluss auf das führende Leiden bewirkt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
gleichbleibend zum Vorgutachten
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja □ nein
GdB liegt vor seit: 09/2019
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 09/2019
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Die beigebrachten Unterlagen des Allgemeinmediziners (kein fachärztlicher Befund) belegen eine psychische Erkrankung, die bereits vor 2019 bestand (2009,.2010, 2012), ebenfalls liegt eine Honorarnote über psychotherapeutische Behandlung 2006 vor. Aus den Befunden geht jedoch nicht hervor ob das Ausmaß der Behinderung in diesen Jahren (nicht durchgehend auf Grund der Befundlage bestätigbar) eine Erwerbsunfähigkeit mit sich brachte.
□ Dauerzustand
X Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Die psychische Erkrankung kann unter Therapie besser werden.
Gutachten erstellt am 03.05.2022 von Dr.in ***18***
Gutachten vidiert am 05.05.2022 von Dr. ***24***
Mit Schreiben vom 9.5.2022 übermittelte das Bundesfinanzgericht dem Bf dieses Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zur Kenntnisnahme und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Davon machte der Bf keinen Gebrauch.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf ist am xx.xx.xxxx geboren und vollendete im September 2013 das 21. Lebensjahr.
Der Bf verfügt laut Sachverständigengutachten vom 13.3.2020 über einen Lehrabschluss "Kunststofftechniker" und über eine im Jahr 2015 abgeschlossene Ausbildung zum Fitnesstrainer.
Der Bf hat seit Oktober 2019 Anspruch auf Invaliditätspension für die weitere Dauer der Invalidität.
Der Bf verfügt über einen am 13.8.2020 ausgestellten Behindertenpass mit einer Gültigkeit von 27.4.2020 bis 31.8.2022.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Bf beträgt 2019 50 % ab September. Der Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten.
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 idF BGBl. Nr. 311/1992 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 111/2010 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Die Höhe der für den jeweiligen Anspruchszeitraum zustehenden Familienbeihilfe ist in § 8 Abs. 2 FLAG 1967 geregelt. Sie erhöht sich gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um den in dieser Bestimmung genannten Betrag.
Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Gemäß § 8 Abs. 7 FLAG 1967 gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.
Beweiswürdigung und rechtliche Ausführungen
Im vorliegenden Verfahren ist strittig, ob beim Beschwerdeführer die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach herrschender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es im Fall des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu irgendeiner Behinderung führt, sondern maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge einer allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. VwGH 30.03.2017, Ra 2017/16/0023, VwGH 20.11.2014, Ra 2014/16/0010).
Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. VwGH 30.03.2017, Ra 2017/16/0023 mwN).
Im Rahmen des gegenständlichen Antrags- bzw. Beschwerdeverfahrens liegen drei ärztliche Sachverständigengutachten vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vor.
Im Gutachten (mit Untersuchung) vom 13.3.2020 ermittelte die Sachverständige (eine Ärztin für Allgemeinmedizin) keinen Grad der Behinderung. Die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erachtete sie nicht als gegeben. Diese Einschätzung erweist sich im Hinblick auf die in den folgenden Sachverständigengutachten gegebene Befundlage als nicht zutreffend.
Im Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 27.10.2020 erstellte die Sachverständige (eine Fachärztin für Neurologie und Ärztin für Allgemeinmedizin) unter Berücksichtigung der aufgrund des BBG-Gutachtens 7/2020 vorliegenden Befunde die Diagnose einer Schizophrenie (Leiden 1, GdB 50 %) sowie einer Skoliose, Lumbalgie (Leiden 2, GdB 30 %) und attestierte - jeweils rückwirkend ab September 2019 - einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 % (voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend) sowie die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit. Für den Zeitraum vor September 2019 sei keine definitive Angabe möglich, da Befundlücken für die Zeiträume von 2005-2011 und 2012-2019 vorlägen und er wie bereits im Vorgutachten beschrieben über zwei abgeschlossene Berufsausbildungen verfüge. Eine Nachuntersuchung zur Beurteilung des Gesundheitszustandes sei im August 2022 vorzunehmen, da sich Leiden 1 unter Therapie bessern könne.
Im Gutachten (mit Untersuchung) vom 3.5.2022 diagnostizierte die Sachverständige (auch des Vorgutachtens) Schizophrenie, Depressives Zustandsbild (GdB 50 %) sowie Skoliose, Lumbalgie (GdB 30 %) und bescheinigte wiederum einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 % sowie die Erwerbsunfähigkeit, jeweils ab September 2019. Die beigebrachten Unterlagen des Allgemeinmediziners (kein fachärztlicher Befund) würden eine psychische Erkrankung belegen, die bereits vor 2019 bestand (2009, 2010, 2012), ebenfalls liege eine Honorarnote über eine psychotherapeutische Behandlung 2006 vor. Aus den Befunden gehe jedoch nicht hervor, ob das Ausmaß der Behinderung in diesen Jahren (nicht durchgehend auf Grund der Befundlage bestätigbar) eine Erwerbsunfähigkeit mit sich brachte. Eine Nachuntersuchung sei in drei Jahren vorzunehmen, da sich die psychische Erkrankung unter Therapie verbessern könne.
Demnach liegen zwei Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vor, in denen die medizinischen Sachverständige (eine Fachärztin für Neurologie und Ärztin für Allgemeinmedizin) zum Ergebnis gelangt, dass die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit des Bf erst ab September 2019 in Ansatz gebracht werden kann.
Aus den vorgelegten Befunden geht hervor, dass der Bf seit seiner Kindheit/Jugend an psychischen Beeinträchtigungen leidet, die bereits 2005 zu einem Krankenhausaufenthalt führten. Damals wurde eine Störung des Sozialverhaltens im Rahmen einer Familienzerrüttung durch Trennung oder Scheidung diagnostiziert. 2011 wurde der Bf in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses *** aufgrund eines psychotischen Zustandsbildes behandelt. Aus den diesbezüglich vorliegenden Befunden geht aber nicht hervor, dass eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß vorgelegen wäre, dass eine daraus resultierende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem vollendetem 21. Lebensjahr (oder allenfalls während einer 2015 abgeschlossenen Ausbildung zum Fitnesstrainer) eingetreten ist. Zwischen 2012 und September 2019 liegen keine relevanten Befunde vor.
Wenn die Sachverständige in den Gutachten vom 27.10.2020 und 3.5.2022 die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Bf, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erst ab September 2019 bescheinigt, ist dies schlüssig und nachvollziehbar. Vom Bf wurden keine Befunde vorgelegt, aus denen der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vor September 2019 abgeleitet werden könnte.
Im Hinblick auf die beiden vorliegenden schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist vom Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres auszugehen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zulassung einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend eingetreten ist, handelt es sich um eine Tatfrage. Das Bundesfinanzgericht ist dabei an die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten (bei Schlüssigkeit) gebunden. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.
Salzburg, am 21. Juni 2022
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise: | VwGH 20.11.2014, Ra 2014/16/0010 |
