Verschiedene Krankheitskosten (ua eine WC-Dusche) als außergewöhnliche Belastung.
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100158.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde der A**** R****, [Adresse], vom 9.1.2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom 13.12.2018 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 zu Recht:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin machte im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung verschiedene Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend und brachte in diesem Zusammenhang vor, ihr Körper verändere sich nach einer geschlechtsanpassenden Operation von männlich zu weiblich hormon- und stoffwechselbedingt nicht nur äußerlich sondern auch innerlich, dies äußerte sich durch dünnes Haar, trockene Haut, sehr empfindliche Zähne und Zahnfleisch. Sie macht in diesem Zusammenhang Aufwendungen für die Pflege einer Perücke (Schampoo, Balsam, Pflege beim Friseur), eine Zahnfüllung, Zahnpasta, eine Fernsichtsonnenbrille, Kosten eines Krankenhausaufenthaltes, Stützstrumpfhosen nach einer Beinoperation, Kostenbeiträge bei der BVA, Impfungen sowie Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastung geltend.
Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid berücksichtigte das Finanzamt diese Aufwendungen zunächst zur Gänze (€ 1.328,23) als außergewöhnliche Belastung, allerdings überstiegen diese Aufwendungen nicht den Selbstbehalt, sodass es zu keiner steuerlichen Auswirkung kam.
In ihrer Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die zusätzliche Berücksichtigung der Kosten einer WC-Dusche (rund € 750). Die Beschwerdeführerin bringt dazu im Verfahren zusammengefasst vor, sie benötige eine WC-Dusche, da sie immer wieder gesundheitliche Probleme im Enddarmbereich habe. In den letzten 4-5 Jahren habe sie Krankenhausaufenthalte wegen Magen-, Darm- und Proktologie-Beschwerden gehabt. Ihr Vater und dessen Vater hätten Magenkrebs gehabt. Sie sei wegen Gastroskopie und Koloskopie fast jährlich im Krankenhaus, zuletzt Ende des Jahres 2018 habe sie einen proktologischen Eingriff (Hämorrhoiden-Ligaturbehandlung (Progredienz)) gehabt. Wenn sie zum Reinigen des Afters (Anus) einfaches Klo-Papier oder feuchte Tücher verwenden würde, würde dies zu zusätzlichen Verletzungen bzw Blutungen der Hämorrhoiden führen. Daher benötige sie die WC-Dusche
Das Finanzamt änderte den angefochtenen Bescheid mit Beschwerdevorentscheidung zum Nachteil der Beschwerdeführerin ab, indem es nur mehr einen Teil (€ 734,32) der zuvor als außergewöhnliche Belastung berücksichtigten Aufwendungen anerkannte und auch die Berücksichtigung der Aufwendungen für die in der Beschwerde geltend gemachte WC-Dusche verweigerte. In der Begründung führte das Finanzamt aus, bei den Aufwendungen für die WC-Dusche handle es sich um Kosten der privaten Lebensführung. Derartige Hygieneeinrichtungen würden auch von einer Vielzahl anderer Haushalte angeschafft und stellten daher keine absetzbaren Ausgaben dar. Dies auch dann, wenn diese Kosten wie im Fall der Beschwerdeführerin zur Verbesserung der Gesundheit beitragen sollten. Aufwendungen für Sonnenbrille, Impfungen und Nahrungsergänzungsmittel stellten keine Krankheitskosten dar. Impfungen und Nachergänzungen, auch wenn diese von Ärzten empfohlen würden, seien gemäß § 34 EStG nicht absetzbar. Diese Kosten stellten keine Behandlung dar, sondern würden prophylaktisch eingesetzt und dienten der Krankheitsvermeidung. Weiters ließ das Finanzamt die Aufwendungen für Zahnpasta und Perückenpflege unberücksichtigt.
Die Beschwerdeführerin stellte einen Vorlageantrag, in welchem sie lediglich die Nichtberücksichtigung der WC Dusche rügt. Sie legte eine Bestätigung Ihrer Ärztin vor, in welcher ausgeführt wird, die Installierung einer WC-Dusche bei der Beschwerdeführerin sei aus medizinischer Sicht sehr sinnvoll.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der von der Beschwerdeführerin in ihren Schreiben dargestellte Sachverhalt ist unstrittig und wird dieser Entscheidung zugrunde gelegt.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 34 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2).
2. sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3).
3. sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist gemäß § 34 Abs 2 EStG außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs 3 EStG zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Die Belastung beeinträchtigt gemäß § 34 Abs 4 EStG wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7.300 Euro | 6%. |
mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro | 8%. |
mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro | 10%. |
mehr als 36.400 Euro | 12%. |
Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt
– wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht
– wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs 4 Z 1 von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt
– für jedes Kind (§ 106).
Der Anspruch auf Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung hängt davon ab, dass die dem Steuerpflichtigen erwachsenden Aufwendungen außergewöhnlich sind, zwangsläufig entstanden sind und dass sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Ist nur eine dieser Voraussetzungen, sei es nur in zeitlicher Hinsicht nicht erfüllt, besteht kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 34 EStG (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 34 Tz 1).
Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung nur mehr € 734,32 an außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt. Unberücksichtigt blieben die Aufwendungen für die Perücke (Shampoo, Balsam, Friseur), Zahnpasta, Sonnenbrille, Impfungen und Nahrungsergänzungsmittel sowie die Aufwendungen für die WC-Dusche.
Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Das gilt allerdings nur für solche Krankheitskosten, die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbunden sind und nicht für Kosten zur Vorbeugung von Krankheiten (VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109 mwN).
Ausgaben, die nur mittelbar mit einer Krankheit in Zusammenhang stehen, auch wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können, sind keine außergewöhnliche Belastung (Jakom/Peyerl, EStG, 2019, § 34 Rz 90 Stichwort Krankheitskosten). Aufwendungen für Impfungen und Nahrungsergänzungsmittel dienen nicht der Behandlung sondern der Vorbeugung einer Krankheit und sind daher keine abzugsfähigen Krankheitskosten (nochmals Jakom/Peyerl, EStG, 2019, § 34 Rz 90 Stichwort Krankheitskosten).
Aufwendungen für Zahnpasta fehlt es an der erforderlichen Außergewöhnlichkeit.
Hingegen sind die Aufwendungen für die Pflege der krankheitsbedingt erforderlichen Perücke als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, zumal davon auszugehen ist, dass diese Kosten zusätzlich zu den gewöhnlichen Kosten der Haarpflege anfallen.
Ebenfalls anzuerkennen sind die Kosten für die Fernsichtsonnenbrille von € 135. Zwar sind optische Sonnenbrillen nur im entsprechenden Ausmaß abzugsfähig (Jakom/Peyerl, EStG, 2019, § 34 Rz 90 Stichwort Brillen), das Gericht geht jedoch angesichts des Umstandes, dass es sich bei der Sonnenbrille um eine Aktion mit verschiedenen Nachlässen handelte davon aus, dass ein preislicher Unterschied zu einer herkömmlichen Brille vernachlässigbar ist.
Zu den abzugsfähigen Krankheitskosten zählen auch Heilbehelfe bzw Heilbehandlungen bzw -betreuungen, die den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglicher zu machen (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar (54. Lfg 2013) zu § 34 EStG Anhang II - ABC der außergewöhnlichen Belastungen EStG Rz 35; Jakom/Peyerl, EStG, 2019, § 34 Rz 90 Stichwort Krankheitskosten). Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen (Doralt, EStG11, § 34 Tz 78 Stichwort Krankheitskosten). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte WC-Dusche erfüllt im Streitfall im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin geschilderten Umstände ihrer Erkrankung die genannten Kriterien und erweist sich damit als abzugsfähig.
Berechnung:
geltend gemachte Aufwendungen gesamt: € 2.082,21
nicht anerkannte Aufwendungen (Nahrungsergänzungsmittel, Impfungen, Zahnpasta): € 334,07
verbleibender Betrag: € 1.748,14
Der Selbstbehalt der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs 4 EStG beträgt im Streitjahr € 1.697,75.
Der Betrag von € 1.748,14 liegt damit geringfügig über dem Selbstbehalt und wirkt sich insoweit steuerlich aus.
Die Beschwerde erweist sich damit teilweise als begründet, der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 276 BAO abzuändern.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Streitfall war unter anderem die Frage zu lösen, ob Aufwendungen für eine WC-Dusche als außergewöhnlichen Belastung abzugsfähig sind. Zu dieser Frage liegt soweit ersichtlich bisher weder Literatur noch Rechtsprechung vor. Die ordentliche Revision war daher zuzulassen.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am 17. Februar 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | |
