Berücksichtigung nachträglicher Erlösminderungen nur, wenn im Jahr der Veräußerung tatsächlich eine Steuer festgesetzt wurde.
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100097.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache NameBf, AdresseBf, vertreten durch Mag. Ursula Zimmerl, Sternwartestraße 82, 1180 Wien, über die Beschwerde vom 09.07.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom 02.07.2018, betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf) veräußerte mit Kaufvertrag vom 29.03.2012 als Hälfteeigentümerin eine Liegenschaft, wobei ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 14.567,00 Euro erzielt wurde. Der auf die Bf entfallende Anteil betrug 7.283,50 Euro. Im Jahr 2012 wurde dieser Betrag aufgrund der ausgeübten Regelbesteuerungsoption als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen erfasst. Infolge eines zu niedrigen Gesamteinkommens unterlagen diese Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung einem Steuersatz von 0 %.
Im Jahr 2016 kam es aufgrund von Mängeln am Verkaufsobjekt zum Abschluss eines Vergleiches, der zu einer Teilrückzahlung des Kaufpreises in Höhe von insgesamt 40.500,00 Euro führte. Der auf die Bf entfallende Anteil betrug 20.250,00 Euro.
In der mit der Beschwerde gegen den auf einer Schätzung beruhenden Einkommensteuerbescheid 2016 nachgereichten Einkommensteuererklärung machte die Bf unter anderem negative Grundstückseinkünfte in Höhe von 20.250,00 Euro und den Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind in Höhe von 440,00 Euro geltend.
Das Finanzamt berücksichtigte die negativen Grundstückseinkünfte in der Beschwerdevorentscheidung nicht und begründete dies damit, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11.12.2002, B 941/02, ausgesprochen habe, es sei verfassungsrechtlich geboten, nachträgliche Werbungskosten oder Erlösminderungen in späteren Kalenderjahren mit anderen Einkünften auszugleichen, wenn aus der seinerzeitigen Veräußerung ein Gewinn erzielt und dieser der Besteuerung unterworfen worden sei. Im konkreten Fall liege eine "abstrakte Besteuerung" vor, weil die Einkünfte im Einkommen erfasst und damit dem Tarif gemäß § 33 EStG unterworfen worden seien. Der VfGH stelle in seinem Erkenntnis auf eine effektive Besteuerung ab, welche aber auf Grund des im konkreten Sachverhalt anzuwendenden Tarifs in Höhe von 0% nicht vorliege. Der beantragte Kinderfreibetrag wurde irrtümlich nicht berücksichtigt.
Die Bf stellte rechtzeitig einen Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2016 und führte darin aus, dass der Hinweis in der Bescheidbegründung auf das VfGH-Erkenntnis vom 11.12.2002 komplett ins Leere gehe, weil in dem Erkenntnis ein ganz anderer Sachverhalt abgehandelt worden sei.
Außerdem beantragte die Bf die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages.
Mit Erkenntnis vom 09.06.2019 änderte das Bundesfinanzgericht den Einkommensteuerbescheid 2016 dahingehend ab, als Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung in Höhe der Hälfte des im Veräußerungsjahr versteuerten Überschusses sowie der Kinderfreibetrag berücksichtigt wurden. Der Alleinverdienerabsetzbetrag wurde jedoch nicht gewährt, weil die Einkünfte des Ehegatten der Bf im Jahr 2016 den Betrag von 6.000,00 Euro überstiegen.
Gegen diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde Amtsrevision erhoben und ausgeführt, die von der Bf in Anspruch genommene verfassungskonforme Interpretation des § 30 EStG setze voraus, dass Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung einer effektiven Besteuerung unterzogen worden seien, weil nur dann der zu vermeidende Umstand der Besteuerung von fiktiven Einkünften eintreten könne.
Mit Erkenntnis vom 11.12.2019, Ro 2019/13/0035, hob der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Bf war Hälfteeigentümerin einer Liegenschaft. Mit Kaufvertrag vom 29.03.2012 wurde diese Liegenschaft veräußert. Dabei wurde ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 14.567,00 Euro erzielt. Der auf die Bf als Hälfteeigentümerin entfallende Anteil von 7.283,50 Euro wurde im Jahr 2012 als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen erfasst. Aufgrund der ausgeübten Regelbesteuerungsoption und eines zu niedrigen Gesamteinkommens unterlagen diese Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung einem Steuersatz von 0 %.
Im Jahr 2016 schlossen die Bf und ihr Ehemann mit dem seinerzeitigen Käufer einen gerichtlichen Vergleich und verpflichteten sich zu einer Teilrückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 40.500,00 Euro. Die Überweisung dieses Betrages wurde am 25.01.2016 in Auftrag gegeben. Der auf die Bf entfallende Anteil betrug 20.250,00 Euro.
Die Bf hat im Streitjahr für ihre Tochter Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag. Die Einkünfte ihres Ehegatten überstiegen im Jahr 2016 den Betrag von 6.000,00 Euro.
Dieser Sachverhalt gründet sich auf die im Akt befindlichen Unterlagen und ist insoweit unstrittig.
Rechtliche Würdigung:
ad Berücksichtigung der Erlösminderung
§ 30 Abs. 4 EStG 1988 idF vor dem AbgAG 2012 sah ein relatives Verlustausgleichsverbot für Verluste aus Spekulationseinkünften vor.
§ 30 Abs. 7 EStG 1988 idF AbgAG 2012, BGBI. INr. 112/2012, sah vor, dass ein Verlust aus einer Grundstücksveräußerung, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 anwendbar ist, zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen war. Dies galt auch im Falle der Ausübung einer Regelbesteuerungsoption. In der für das Veranlagungsjahr 2016 geltenden Fassung kann der Verlust auf 15 Jahre verteilt oder im Jahr der Verlustentstehung sofort mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgeglichen werden. Ein darüber hinausgehender Ausgleich mit anderen Einkünften ist - auch bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption - nicht zulässig.
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 19.12.2019, Ro 2019/13/0035, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 27.05.2003, 98/14/0065, und unter Bezugnahme ua auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.12.2002, B 941/02, die Ansicht, dass die verfassungskonform einschränkende Interpretation des relativen Verlustausgleichsverbotes in § 30 EStG 1988 der Verhinderung der Besteuerung fiktiver Einkünfte diene und demnach nur dann zur Anwendung kommen könne, wenn im Veräußerungsjahr ein Gewinn erzielt und dieser versteuert worden sei.
Da der Veräußerungserlös im Jahr 2012 zu keiner Besteuerung führte, weil sich insgesamt ein positives Einkommen von unter 11.000,00 Euro ergab, und der Gewinn aus der Grundstücksveräußerung auch nicht dazu geführt hat, dass potentiell vortragsfähige Verluste aus dem Jahr 2012 gekürzt wurden, war die im Jahr 2016 eingetretene Erlösminderung bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen.
ad Berücksichtigung des Kinderfreibetrages und des Alleinverdienerabsetzbetrages
Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 09.07.2019, RV/7103264/2019, verwiesen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine in einem Folgejahr eingetreten Erlösminderung zu berücksichtigen ist, folgt dieses Erkenntnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.12.2019, Ro 2019/13/0035. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2016)
Wien, am 16. Jänner 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 30 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VfGH 11.12.2002, B 941/02 |