BFG RV/6100176/2018

BFGRV/6100176/201822.10.2018

Deutung eines Antrages auf Rückzahlung von rechtsgrundlos gezahlten Beträgen

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.6100176.2018

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH, Hellbrunner Straße 11, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom 19.2.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Stadt vom 18.1.2018 betreffend die Abweisung eines Antrages gemäß § 239 BAO auf Rückzahlung eines Guthabens zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungs- und Abgabenbescheid vom 18.3.2005 über den Prüfungszeitraum 1.3.2000 bis 28.2.2002 hat die belangte Behörde gegenüber der GmbH Kapitalertragsteuer in Höhe von € 21.629,80 nachgefordert.

Mit Generalversammlungsbeschluss war die GmbH unter gleichzeitiger Errichtung der Personengesellschaft KG gemäß § 5 UmwG umgewandelt und per 2002 gelöscht worden.
Am 9.10.2010 wurde die Firma auf Bf (nachstehend "Bf") geändert.

Mit Schreiben vom 15.3.2010 beantragte die KG als Rechtsnachfolgerin der oa GmbH die Rückzahlung eines Betrages von € 21.629,80.
Begründend wird zusammenfassend ausgeführt, d er Haftungs- und Abgabenbescheid vom 18.3.2005 sei rechtswidrig und nichtig. Erstens hätte die Nachfolgegesellschaft als Bescheidadressat angeführt werden müssen und zweitens sei eine mehrjährige Festsetzung bei einer Jahressteuer rechtswidrig. Der Vertreter der  Bf führt dazu aus:

"Unsere Mandantin hat auf das Finanzamtskonto zu obiger Steuernummer [000/0000]  in den Jahren 2005 und 2006 Zahlungen von insgesamt € 21.629,80 geleistet. Es wurden daher rechtsgrundlos Zahlungen aufgrund eines Nicht-Bescheides geleistet.
Wir stellen daher den Antrag, den Betrag von € 21.629,80 auf das Konto unserer Mandantin ... zu überweisen."

Das Finanzamt wies die als Antrag gemäß § 241 Abs 3 BAO gewertete Eingabe zunächst mit Bescheid vom 23.7.2010 als nicht fristgerecht eingebracht zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob die Bf durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung.
Im anschließenden Verfahren stellte das BFG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 12.12.2017, RV/6100533/2010, fest, dass dieser Zurückweisungsbescheid wegen Verspätung nach der vorliegenden Sachlage zu Unrecht ergangen ist. Das Finanzamt hätte sich mit dem Vorbringen der Bf, das jedenfalls auch einen Rückzahlungsantrag nach § 239 BAO enthalten hat, inhaltlich auseinandersetzen müssen. Der angefochtenen Bescheid wurde daher aufgehoben.

In der Folge wurde der Antrag von der Abgabenbehörde mit Bescheid vom 18.1.2018 abgewiesen. 
Begründend wird ausgeführt, laut Erkenntnis des BFG vom 12.12.2017 liege kein Antrag nach § 241 BAO, sondern eindeutig ein Rückzahlungsantrag gemäß § 239 vor. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe auf dem Abgabenkonto jedoch kein Guthaben bestanden.
Die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen sei auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren (§ 216) zu klären.
Im Zuge eines Rückzahlungsantrages gemäß § 239 BAO sei nicht zu überprüfen, ob alle Buchungen richtig erfolgt seien. Im gegenständlichen Verfahren seien d ie im Antrag dargestellten Gründe für die nach Angaben des Antragstellers anscheinend rechtsgrundlosen Zahlungen daher nicht näher zu beurteilen .

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vom 19.2.2018 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.2.2018 abgewiesen.
In der Begründung wird von der belangten Behörde dazu ua ausgeführt: 
"Im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes RV/6100533/2010 wurde eindeutig die Feststellung getroffen, dass der Antrag vom 15.03.2010 als Antrag gemäß § 239 BAO (Rückzahlungsantrag) zu werten ist. Somit hatte das Finanzamt diesen Antrag auch als solchen zu werten. Für eine Umdeutung in einen Antrag gemäß § 216 BAO (Abrechnungsbescheidverfahren) um die Rechtmäßigkeit der Buchungen zu klären, bleibt kein Raum mehr."

Dagegen wurde am 20.3.2018 der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt. Ergänzend merkt die Bf im Vorlageantrag an, aus dem Antrag vom 15.3.2010 gehe eindeutig hervor, dass dieser nicht auf die Rückzahlung eines bereits bestehenden Guthabens, sondern eines nach Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes zu schaffenden Guthabens gerichtet sei (Vorliegen eines Nichtbescheides, wodurch infolge irrtümlicher Zahlung das rückzuzahlende Guthaben besteht).
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde mit Mitteilung vom 18.10.2018 zurückgenommen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die Eingabe der Bf vom 15.3.2010 auch einen Rückzahlungsantrag gemäß § 239 BAO enthält (BFG 12.12.2017, RV/6100533/2010) und zum Zeitpunkt der Antragstellung (noch) kein Guthaben auf dem Abgabenkonto bestand.

Gemäß § 239 Abs 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen erfolgen.
Ein Guthaben entsteht, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften die Summe der Lastschriften übersteigt. Maßgeblich sind die tatsächlich durchgeführten Gutschriften und nicht diejenigen, die nach Meinung des Abgabepflichtigen durchgeführt hätten werden müssen (zB VwGH 25.2.2010, 2007/16/0184; 25.2.2010, 2009/16/0311; 5.9.2012, 2009/15/0095; 24.1.2013, 2012/16/0025).

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs 1 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden.
Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides erster Instanz gebildet hat (Ritz, BAO 5 , § 279 Tz. 10 mwN); im gegenständlichen Verfahrens ist dies ausschließlich die Abweisung des Rückzahlungsantrags. Das BFG hat daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu beurteilen, ob der Haftungs- und Abrechnungsbescheid vom 18.3.2005 wirksam oder rechtmäßig ist.

Zum diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag, wonach Zahlungen von der Bf ohne Rechtsgrund und ohne bescheidmäßige Festlegung geleistet wurden, wird jedoch Folgendes ausgeführt:

Bestehen zwischen einem Abgabenpflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde gemäß § 216 BAO darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).

Ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto ist daher im Verfahren nach § 216 BAO auszutragen. Ein Abrechnungsbescheid kommt zB bei Meinungsverschiedenheiten über die Verrechnung einer Gutschrift in Betracht. Durch Erlassung eines Abrechnungsbescheides sind auch Unklarheiten für die Partei, durch welche Buchungen ein Rückstand zustande gekommen ist, zu beseitigen. Bei § 216 BAO geht es um die Klärung umstrittener abgabenrechtlicher Gebarungsakte schlechthin und nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung. Im Abrechnungsverfahren trifft die Partei die Behauptungslast und die Konkretisierungspflicht hinsichtlich der Fragen der strittigen Verrechnungsvorgänge und Gebarungskomponenten. Der Antrag auf Abrechnungsbescheid unterliegt der Entscheidungspflicht (vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, Rz 1 bis 5 zu § 216, samt angeführter Rechtsprechung).

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht einer solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, Rz 1 zu § 85 BAO, samt angeführter Rechtsprechung).

In der Eingabe vom 15.3.2010 beantragt die Bf nicht nur die Rückzahlung eines Betrages von € 21.629,80 sondern macht auch geltend, dass der Haftungs- und Abgabenbescheid vom 20.3.2005 nichtig und rechtswidrig sei und sie daher rechtsgrundlos Zahlungen geleistet habe. In Wahrheit besteht also Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto zu Steuernummer 000/0000. Ein derartiger Streit ist aber nicht in einem Verfahren nach § 239 BAO, sondern in einem solchen nach § 216 leg cit auszutragen. Das vorliegende Anbringen ist aus ho Sicht daher auch einer Deutung als Antrag nach § 216 BAO zugänglich (vgl VwGH 14.9.1993, 91/15/0103). Einer Umdeutung - wie von der Abgabenbehörde in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt - bedarf es dazu nicht und steht eine solche Deutung des Anbringens auch nicht im Widerspruch zum Erkenntnis des BFG vom 12.12.2017.
Somit liegt neben dem Rückzahlungsantrag gemäß § 239 BAO auch ein Antrag auf Abrechnung nach § 216 BAO vor, über den die zuständige Behörde bislang noch nicht entschieden hat, weshalb dieser unerledigt Antrag auch nicht "Sache" des gegenständlichen Verfahrens vor dem BFG ist.

Laut Aktenlage hat der Saldo auf dem Abgabenkonto 91-000/0000 vom Zeitpunkt der Antragstellung Null betragen; ein Überschuss zu Gunsten des Abgabepflichtigen bestand nicht. 
Die belangte Behörde war also im Recht, den Antrag gemäß § 239 BAO abzuweisen, weil kein rückzahlbares Guthaben bestand (VwGH 19.1.1988, 85/14/0021; 5.7.1999, 99/16/0115; 16.5.2002, 2001/16/0375).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH nicht erfüllt, weshalb die Revision nicht zugelassen wird.

 

 

Salzburg-Aigen, am 22. Oktober 2018

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

BFG, RV/6100533/2010
BFG 12.12.2017, RV/6100533/2010
VwGH 25.02.2010, 2007/16/0184
VwGH 14.09.1993, 91/15/0103
VwGH 19.01.1988, 85/14/0021
VwGH 05.07.1999, 99/16/0115
VwGH 16.05.2002, 2001/16/0375

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