Investitionszuwachsprämie bei Betriebsneugründung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100955.2015
Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/15/0069. Zurückweisung mit Beschluss vom 23.1.2020.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin A in der Beschwerdesache B , über die Beschwerde vom 27.11.2006 gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Linz vom 19.10.2006, betreffend Investitionszuwachsprämie 2004 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die nunmehrige Bf beantragte für 2004 eine Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG iHv 583.273,30 €, die auch antragsgemäß gewährt wurde. Anlässlich einer Betriebsprüfung erging ein Haftungs- und Abgabenbescheid, in dem die bereits gebuchte Investitionszuwachsprämie zur Nachzahlung vorgeschrieben wurde. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Inanspruchnahme der Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG im Jahr 2004 kein vollständiger Vergleichszeitraum von drei Wirtschaftsjahren vorliege und also mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht komme : da der Steuerberater der nunmehrigen Bf die Einbringung eines Rechtsmittels ankündigte, wurde in der Folge vorsorglich der Aussetzung der Beschwerdeentscheidung des beim VwGH anhängigen Verfahrens zur Entscheidung des UFS vom 25.10.2004, RV/1050-W/03 zugestimmt.( Der VwGH entschied am 30.09.2009 2004/13/0168 hierzu unter Verweis auf VwGH 19.12.2006, 2006/15/0275, dass die der Gewährung der Investitionszuwachsprämie bei Neugründungen im Wortlaut der zitierten Bestimmung Deckung finde, sodass es keiner Analogie bedürfe und ihr auch der Zweck der Bestimmung nicht entgegenstehe.)
Der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Entscheidung des UFS stattgegeben und der Bescheid aufgehoben, worauf das Finanzamt dagegen Amtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einbrachte, der den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob: mit Verweis auf VwGH 21.09.2006, 2006/15/0236 und 19.12.2006, 2006/15/0275 sind auch hier weder die Gesellschaftsgründung noch die Nutzung einer Leasingfinanzierung an sich missbräuchlich, allerdings habe das Finanzamt Indizien zusammengetragen, die für eine wirtschaftlich ungewöhnliche und unangemessene Umleitung von Zahlungsströmen mit dem Ziel der Geltendmachung einer höheren Investitionszuwachsprämie sprechen. – So verfüge die Bf über keine eigenen Mitarbeiter, sondern kämen diese aus dem übrigen Konzernbereich; an der faktischen Abwicklung des Ankaufs und der Durchführung der nötigen Aufbau- bzw. ergänzenden Installationsarbeiten der EDV-Geräte habe sich durch Zwischenschaltung der Bf nichts geändert; eine Harmonisierung der Infrastruktur und Beschaffung wäre auch ohne die Beschwerdegegenständliche Firmenneugründung möglich gewesen; unter Wegdenken der Effekte der Investitionszuwachsprämie sei der betriebswirtschaftliche Nutzen der Firmenneugründung nicht nachvollziehbar; die Bf habe dagegen behauptet, dass sich va bei Bedarfsermittlung und Bestellungskoordinierung durch die überregionale Ausrichtung Ablaufänderungen und Einsparungspotentiale ergäben, ohne diese ziffernmäßig belegt oder näher konkretisiert zu haben.
Nach einem dazu ergangenem Vorhalt brachte die Bf im Wesentlichen vor, dass sie eine gesonderte Investitions,- Finanzierungs- und Leasinggesellschaft sei, wie sie in der Wirtschaft generell und in den involvierten Bankkonzernen üblich gestaltet sei und zum Zweck der C (idF C) gegründet wurde. Die Gründung der beiden Gesellschaften waren Umgründungsmaßnahmen überregionaler Kooperationen : es hatte vorher große Unterschiede bei speziell für den Bankenbereich verwendeter Hard- und Software in den zunächst in die Kooperation eingebundenen Bundesländern gegeben, was die verwendeten Systeme, Weiterentwicklung im eigenen Haus und durch zentrale einheitliche Fremdvergabe, die Lieferanten, Vertragswesen, Investitionsrhytmus etc. betroffen habe.
Durch die im Wege der C institutionalisierte Kooperation kam es in allen Bereichen zu einer Vereinheitlichung von Effekten und Synergien bei Qualitätsverbesserung insgesamt bzw. aus Sicht der einzelnen Bundesländer va durch den Einsatz der bestqualifizierten Mitarbeiter bzw der besseren Lösungen der einzelnen Häuser; Kostenersparnis durch höhere Qualität der Investitionsentscheidungen (generelle Einführung einer Zwei-Hersteller-Strategie); Kosteneinsparung durch Vermeidung von Personalkosten für die Ausführung von identen Leistungen an drei Standorten wie etwa nur einmalige Ausschreibung neu benötigter EDV-Investitionen, nur eine Prüfung statt drei bei Implementierung neu benötigter EDV-Investitionen, je Implementierung nur ein Roll-Out-Vorgang mit den Vorteilen von darauf spezialisierten Mitarbeitern und dadurch Vermeidung der Mehrfachbearbeitung desselben Fehlers; Verminderung der Einkaufspreise insbesondere durch höhere Bestellmengen; einheitliche Instandhaltungsstandards durch gemeinsame Erfahrung der Instandhaltungsrhytmen.
Unter Anführung diverser Beispiele wurde ua ausgeführt, dass bei Serveraustausch so ein Preisvorteil von 200.000,00 € erzielt wurde, bei PC-Austausch der Preisvorteil weit darüber lag. Die Folge der Vereinheitlichung der EDV-Infrastruktur auf den Betrieb an zwei Standorten verringerte die Personalkosten für betrieb und Betreuung, was eine Einsparung von 7 Personenjahren pro betrieb bedeutete (ca 60.000,00 /pro Personenjahr, dh ca 420.000,00 € jährlich).
Der Wechsel von fremdvergebener Wartung auf Eigenwartung brachte eine Kostenersparnis von ca 1 Personenjahr; die umsetzung der Servervirtualisierung führte zu einer jährlichen Kostenersparnis von 1.560.000,00 €.
Für den speziellen geschäftszweck der Bf als investitions- und Leasinggesellschaft ist kein Personal nötig, wie es auch bei vielen anderen Leasinggesellschaften im Bankenwesen der Fall sei. Bei C waren jedoch Mitarbeiter aus dem Konzernbereich tätig für Investitionsentscheidung und –umsetzung, Betreuung der laufend eingesetzten Hard- und Software und des Roll-Out; sie wurden arbeitsrechtlich aus den bisherigen Abteilungen der einzelnen Standorte übernommen. Ohne Kooperation wäre von zusätzlich 7 Mitarbeitern auszugehen. Die an sich erfolgte Erhöhung des Mitarbeiterstandes sei zurückzuführen auf zusätzlich erbrachte Leistungen der C und erhöhte Anzahl der zu betreuenden Bankprodukte. Ohne Kooperation wäre ein wesentlich höherer Mitarbeiterzuwachs entstanden.
Nach Kenntnisnahme der Vorhaltsbeantwortung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass in dieser Beantwortung die wirtschaftlichen Vorteile bzw. außersteuerlichen Gründe der Unternehmensneugründungen erstmals nach Jahren genauer definiert bzw in Zahlen ausgeführt seien. Dem könne nichts entgegnet werden, da das Finanzamt keine Vergleichswerte der Unternehmen habe, die die von der Kooperation betroffenen Tätigkeiten in den Vorjahren erbrachten. Aussagen dazu könnten insbesondere deshalb nicht gemacht werden, da die Bf auch mit innerbetrieblichen Ablaufoptimierungen argumentiere. Vergleichswerte aus den Jahren vor 2004 könnten nicht gewonnen werden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gem. § 108e Abs. 3 EStG 1988 idF des WaStoG 2003, BGBl. I 2003/133 ist der Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern die Differenz zwischen deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Kalenderjahre 2002, 2003 und 2004 und dem Durchschnitt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter der letzten drei Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.Jänner 2002 bzw. dem 1.Jänner 2003 bzw. dem 1.Jänner 2004 endeten.
Gem. § 124b Z 93 EStG 1988 ist erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 § 108e Abs.3 EStG 1988 idF des WaStoG 2003, BGBl. I 2003/133 anzuwenden.
Gem. § 22 Abs. 1 BAO kann durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden.
Lt. Judikatur des VwGH vom 19.12.2006, 2006/15/0275 und 30.09.2009, 2004/13/0168 findet die Gewährung der Investitionszuwachsprämie bei Neugründungen im Wortlaut des § 108e Abs.3 EStG 1988 Deckung und steht ihr auch der Zweck der Bestimmung nicht entgegen. Lt. VwGH 19.12.2006, 2006/15/0275 können erst im Investitionsjahr gegründete Betriebe Investitionen in prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter tätigen. Zum anderen definiert § 108e Abs.3 EStG 1988 den Investitionszuwachs als Differenz zwischen den Anschaffungs- bzw Herstellungskosten des Investitionskalenderjahres und dem Durchschnitt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der letzten drei Wirtschaftsjahre, und steht es einer solchen Differenzrechnung nicht entgegen, wenn der Subtrahend den Betrag von Null aufweist.
Da die Beantwortung dieser Rechtsfrage woa die BP veranlasste, vorsorglich der Aussetzung der Beschwerdeentscheidung zuzustimmen, dh dieLlösung dieser Rechtsfrage für die Abgabenbehörde entscheidungswesentlich war, ist unter Hinweis auf oa Judikatur des VwGH festzuhalten, dass die Bf zu recht die Gewährung der Investitionszuwachsprämie im Jahr 2004 geltend machte.
Was nun den vom Finanzamt relevierten Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts betrifft, ist auf VwGH 29.11.1988, 88/14/0184 hinzuweisen, wonach Missbrauchshandlung und –absicht von der Behörde nachzuweisen sind. – Wenn das Finanzamt im oa Schreiben zur Vorhaltsbeantwortung der Bf ausführt, dass in dieser Beantwortung die wirtschaftlichen Vorteile bzw. außersteuerlichen Gründe der Unternehmensneugründungen erstmals ausgeführt werden, das Finanzamt jedoch mangels Vergleichswerten aus den Jahren vor 2004 keine Aussagen machen könne, ist zu entgegne, dass 2004 diese Neugründungen stattfanden, ein Vergleichswert mit einem vor 2004 noch nicht existenten betrieb also gar nicht erfolgen kann. Dass woa von der Bf ausgeführt Betriebsabläufe der Jahre vor 2004 durch die 2004 erfolgten Neugründungen neu determiniert wurden, ist offenkundig und bei Beachtung marktwirtschaftlicher Tendenzen auch davon auszugehen, dass die Absicht der Kostenersparnis dabei auch im Vordergrund stand. Nach dem Ergebnis des Verfahrens liegt demnach kein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.
Das gegenständliche Erkenntnis gründet auf der Anwendbarkeit des § 108e Abs. 3 EStG für Neugründungen sowie auf der dazu ergangenen Rechtsprechung. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.
Linz, am 18. März 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 108e Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Investitionszuwachsprämie, Betriebsneugründung |
Verweise: | UFS 25.10.2004, RV/1050-W/03 |